Kommentierte Spiele
100 Jahre Schach (IV) 1940-49 : Pachman-Bronstein
Kellerdrache - 01. Jul '16
Der zweite Weltkrieg war vorbei, viele der alten Meister gestorben oder nicht mehr aktiv. Aber am Schachhorizont tauchten neue Hoffnungen auf. Die bekanntesten Namen unter diesen neuen Stars waren Keres und Bronstein.
Bronstein, dessen Partien auch heute noch durch die unerschöpfliche Phantasie am Brett beeindrucken. Eine Phantasie die sich auch in unzähligen Theorievarianten niederschlägt, die heute von erstaunten Neulingen nachgespielt werden.
Er spielt hier gegen Ludek Pachman, wie er damals gerade mal 22 Jahre alt und der später sowohl durch viele Schachsiege, exzellente Schachbücher als auch durch zweifelhafte politische Betätigungen bekannt wurde.
An dieser Partie gefällt mir wie schnell der positionelle Beginn in ein taktisches Gewitter übergeht.































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Bronstein, dessen Partien auch heute noch durch die unerschöpfliche Phantasie am Brett beeindrucken. Eine Phantasie die sich auch in unzähligen Theorievarianten niederschlägt, die heute von erstaunten Neulingen nachgespielt werden.
Er spielt hier gegen Ludek Pachman, wie er damals gerade mal 22 Jahre alt und der später sowohl durch viele Schachsiege, exzellente Schachbücher als auch durch zweifelhafte politische Betätigungen bekannt wurde.
An dieser Partie gefällt mir wie schnell der positionelle Beginn in ein taktisches Gewitter übergeht.
Pachman, Ludek Bronstein, David I Moscow-Prague | Moscow | 1946.07.01 | E67 | 0:1
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. d4 Sf6 2. c4 d6 3. Sc3 e5 Bronstein war in der Eröffnung einer der erfindungsreichsten Spieler. Er leitet hier erst in die königsindische Verteidigung über nachdem Pachman sich festgelegt hat. 4. Sf3 Sbd7 5. g3 g6 6. Lg2 Lg7 7. O-O O-O eine von vielen Varianten die gegen Königsindisch gespielt werden können. Oft entwickelt sich das Spiel etwas ruhiger als in den anderen bekannten Abspielen. 8. b3 Das wird in der modernen Praxis relativ selten gespielt. Weiß fianchettiert den zweiten Läufer um dem Lg7 einen Läufer gegenüber zu stellen. Aber es bietet Schwarz auch eine Angriffsmarke für einen Vormarsch des a-Bauern Te8 9. e4 xd4 Im Großmeisterschach sieht man selten Königsinder in denen das Zentrum nicht mit d5 geschlossen wurde. Die Theorie sagt, dass diese offenen Varianten beiden Seiten weniger Gewinnmöglichkeiten bieten. Wie diese Partie zeigt muß das nicht so sein. 10. Sxd4 Sc5 11. Te1 a5 a5 in Verbindung mit einem Springer auf c5 ist in Königsindisch keine Seltenheit. Dort hat der a-Bauer hauptsächlich die Aufgabe die sofortige Vertreibung des Springers mit b4 zu verhindern. 12. Lb2 a4 13. Tc1 Weiß befürchtet, dass der Lb2 sich hinter dem nach dem Abtausch auf b3 zurückhängenden b-Bauern zu einer taktischen Shwäche entwickeln könnte. Der Läufer kommt nach a1 wo er ja dann vom Turm gedeckt ist. Etwas umständlich ! c6 14. La1 xb3 15. xb3 Db6 Übt sowohl Druck auf den b-Bauern als auch auf die Diagonale a7-g1 aus. 16. h3 möchte mögliche Manöver mit Sg4 und weiterem Druck auf f2 und d4 unterbinden. Sfd7 Der Springer hat auf e5 ein perfektes Ziel. 17. Tb1 Um die Dame von der Deckung des b3 zu entlasten. Ich weise daraufhin, dass dadurch aber auch eine Deckung des Sc3 verschwindet. Sf8 Überraschung! Statt e5 zu besetzen, streut Bronstein einen Abwartezug ein. Er erhält den Druck auf die weiße Stellung Aufrecht und quält Pachman der offensichtlich mit der Stellung nichts anzufangen weiß. Von f8 aus könnte der Springer später über die Route f8-e6-d4 ins Spiel eingreifen. 18. Kh2 h5 Das Prinzip der zwei Schwächen. Hast du eine Schwäche geschaffen und gegnerische Kräfte dort gebunden schaffe eine zweite um den Verteidiger zu überlasten. 19. Te2 Pachman hat keine Lust mehr sich nur passiv zu verteidigen und überführt den Turm auf d2 von wo er auf den schwachen d6 zielt. h4 20. Td2 Pachmans Stellung sieht eigentlich noch ganz solide aus. Alles scheint ausreichend gedeckt aber der nächste Zug schafft gleichzeitig mehrere taktische Schwächen. Txa1 Großartig! Bronstein opfert kurzfristig eine Qualität. Die Idee ist den Turm von der Deckung des b-Bauern abzulenken. Aber auch danach ist der Bauern doch durch Dame und Springer d4 ausreichend gedeckt, oder nicht ? 21. Txa1 Lxd4 Normalerweise gibt man in Königsindisch um keinen Preis seinen Fianchetto-Läufer her, aber hier zertrümmert dieser Zug zusammen mit dem vorhergehenden Opfer Pachmans Damenflügel 22. Txd4 Sxb3 Und man holt sich einen der beiden Türme und damit die geopferte Qualität zurück, oder ? 23. Txd6 Dxf2 Ich wette wir alle hätten uns hier sofort die Qualität zurückgeholt. Bronstein sah tiefer, sorgte sich nicht um das Material und wählt stattdessen die Fortsetzung, die das wenigste Gegenspiel bietet 24. Ta2 Dxg3+ Schach und Angriff auf den Sc3 25. Kh1 Dxc3 Schwarz hat gerade eine Figur gewonnen, doch die kann Weiß sich auf b3 doch problemlos zurückholen. Bronstein hat aber wohl gesehen, dass dies hier nicht mehr von Bedeutung ist 26. Ta3 Lxh3 27. Txb3 Lxg2+ 28. Kxg2 Dxc4 Bronstein hat 3 verbundene Bauern für die Qualität. Ein Endspiel das jeder Großmeister im Schlaf gewinnt. Es folgen noch ein paar Züge, die für den Ausgang der Partie bedeutungslos sind. 29. Td4 De6 30. Txb7 Ta8 31. De2 h3+
Vabanque - 01. Jul '16
Eine klassische Partie, und eine der leichter verständlichen von Bronstein. Ich bin mir nicht mehr sicher, wer es war (evtl. sogar Kasparov), der genau diese Partie als den Startpunkt des modernen Schachs bezeichnete.
Verblüffend ist für mich vor allem, wie ein Qualitätsopfer am Damenflügel und ein Abtausch (auch noch des 'wertvollen' königsindischen Fianchettoläufers!) im Zentrum letztlich einen Angriff am Königsflügel einleitet. Das ist eben schon typisch für Bronsteins verwirrenden Stil, und wenn es nun wirklich Kasparov gewesen sein sollte, der diese Partie so lobte, so ist das ziemlich plausibel, denn so ähnlich spielte er in jungen Jahren auch :)
Verblüffend ist für mich vor allem, wie ein Qualitätsopfer am Damenflügel und ein Abtausch (auch noch des 'wertvollen' königsindischen Fianchettoläufers!) im Zentrum letztlich einen Angriff am Königsflügel einleitet. Das ist eben schon typisch für Bronsteins verwirrenden Stil, und wenn es nun wirklich Kasparov gewesen sein sollte, der diese Partie so lobte, so ist das ziemlich plausibel, denn so ähnlich spielte er in jungen Jahren auch :)
Colorado77 - 02. Jul '16
Schöne Partie, die die Vorzüge einer ambitionierten Verteidigung wie KI aufzeigt: Wenn Weiss nicht aggressiv spielt, sondern passiv wie hier, dann kann Schwarz schnell die Initiative ergreifen.
Vlt. wurde diese Partie deswegen auch als modern bezeichnet, weil beide Randbauernhebel schön eingesetzt wurden: Vor allem der a-Bauer macht den Weg frei für die Gabel auf xb3, da war es schon rum mit Weiss.
Schlecht fand ich 13.Tc1, besser Tb1, um dem Sc5 einen Tritt zu geben mit b3-b4.
Zu erwähnen ist auch noch, dass ein früher Damentausch mit dxe5 und Dxd8+ Weiss überhaupt nichts einbringt. Gerade Anfänger spielen das mit grosser Begeisterung, aber es bringt eben keinen Vorteil für Weiss.
Eine Frage noch: Welche dubiosen polit. Einstellungen hatte denn Pachmann?
Vlt. wurde diese Partie deswegen auch als modern bezeichnet, weil beide Randbauernhebel schön eingesetzt wurden: Vor allem der a-Bauer macht den Weg frei für die Gabel auf xb3, da war es schon rum mit Weiss.
Schlecht fand ich 13.Tc1, besser Tb1, um dem Sc5 einen Tritt zu geben mit b3-b4.
Zu erwähnen ist auch noch, dass ein früher Damentausch mit dxe5 und Dxd8+ Weiss überhaupt nichts einbringt. Gerade Anfänger spielen das mit grosser Begeisterung, aber es bringt eben keinen Vorteil für Weiss.
Eine Frage noch: Welche dubiosen polit. Einstellungen hatte denn Pachmann?
Vabanque - 02. Jul '16
Interessanterweise hat gerade Petrosian, der ja sicherlich einen ganz anderen Stil hatte als Bronstein, das mit beiden Randbauer-Hebeln ziemlich oft vorgeführt. Den Gegner auf diese Weise von beiden Flügeln aus in die Zange zu nehmen, wurde damals (in den 60er Jahren) dann auch noch als 'modern' bezeichnet. Vor allem wenn der h-Bauer (so wie hier auch!) vorrückt, ohne dass ein Turm auf der h-Linie stünde ...
Battle - 02. Jul '16
Pachmann ging nach meiner Erinnerung einen Weg vom Marxisten zum Erzkonservativen.
Kellerdrache - 02. Jul '16
Battle hat es kurz angedeutet. Pachman war in jungen Jahren, also als diese Partie gespielt wurde, überzeugter Kommunist. Nachdem er sich während des Prager Frühlings unbeliebt gemacht hatte und entsprechende Reaktionen zu erdulden hatte und vermutlich auch wegen seiner Hinwendung zum katholischen Glauben sagte er dem Kommunismus ade. Er siedelte nach Deutschland über und engagierte sich hier in diversen Organisationen rechts von der CSU und knapp links von den Neo-Nazis (das ist allerdings meine Wertung). Ein Mann der Extreme sozusagen.
Vabanque - 02. Jul '16
Vor allem änderte er seinen Namen in Pachmann mit zwei 'n'. Vielleicht engagierte er sich auch deswegen verstärkt politisch, weil seit der Übersiedlung in die BRD die schachlichen Erfolge ausblieben.