Kommentierte Spiele

Die Vergessenen (V): Mir Sultan Khan

Vabanque - 22. Okt '16
Die vielleicht kürzeste Schachkarriere aller Zeiten hatte der Inder Mir Sultan Khan vorzuweisen. Trotz des Beinamens 'Sultan' war er nur ein einfacher Diener, der 1929 mit seinem Herrn nach England kam, wo er sofort die Britische Meisterschaft gewann (und dann noch zwei weitere Male), und sich auch in internationalen Turnieren hervortat, wo er so einige anerkannte Größen schlug (oder mit ihnen remisierte). 1933 ging er dann mit seinem Herrn nach Indien zurück und spielte seitdem keine einzige ernsthafte Schachpartie mehr. Sein gesamtes schachliches Wirken beschränkte sich also auf ganze 4 Jahre!
Einer der Höhepunkte in Sultan Khans Laufbahn war zweifellos der folgende Sieg gegen Capablanca. Es handelt sich um eine recht lange Partie, aber fast alle bedeutenden Partien von Khan sind weit über 50 oder 60 Züge (es gibt auch ein paar kurze, die aber nicht sehr inhaltsreich sind); die Partie zeigt außerdem sehr gut seinen extrem geduldigen Stil.
Dies ist übrigens die erste Partie, die ich komplett ohne Engine-Unterstützung kommentiert habe; ich denke auch, dass die Konsultation von Engines hier eher Schaden statt Nutzen bringen würde, da die Partie fast komplett strategisch abläuft, und die wenigen taktischen Varianten (die natürlich auch bei einer solchen Partie drin sind; man kann strategische Ziele nie komplett ohne taktische Mittel durchsetzen) hier recht einfach sind (es ist natürlich auch möglich, dass mir gerade hier doch Fehler unterlaufen sind, und wenn ja, dann bitte ich, mir diese mitzuteilen, da ich diesmal wirklich keine einzige Variante mit Engine gecheckt habe!). Z.B. ist es recht witzig, dass Schwarz ab dem 37. Zug wiederholt die Gelegenheit hat, den weißen f2-Bauern zu schlagen, es aber letztlich doch nie möglich ist. Am Ende hat Khan seine Figuren endlich so positioniert, dass Capas ständige Stänkerversuche abgeblockt sind und er einen sofort entscheidenden Freibauern erhält.

Mir Sultan Khan Jose Raul Capablanca Hastings 1930/31 | Hastings ENG | 3 | 1930.12.31 | E12 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. Sf3 Sf6 2. d4 b6 3. c4 Lb7 4. Sc3 e6 5. a3 Sultan Khan hatte so gut wie überhaupt keine Kenntnis der Eröffnungtheorie; so kommt es, dass er einen Zug spielt, der 50 Jahre später ein Lieblingssystem von Kasparov gegen Damenindisch werden sollte! d5 6. xd5 xd5 7. Lg5 Le7 8. e3 O-O 9. Ld3 Se4 Schwarz versucht sich durch Abtausch zu entlasten, ähnlich der Lasker-Variante des Damengambits. 10. Lf4 Aber Sultan Khan will sich seinen Läufer lieber bewahren. Sd7 11. Dc2 f5?! Dieser Zug zur Deckung von e4 ermöglicht die folgende Wendung und ist daher sehr wahrscheinlich ungünstig. Sdf6 zu demselben Zweck sieht besser aus. 12. Sb5! Diesen Zug hat Capa entweder übersehen oder unterschätzt. Khan ergreift sogleich seine Chance. Ld6
Möglicherweise sah Capa erst jetzt, dass nach c6 13. Sc7 Tc8 14. Se6 gewinnt? Oder er glaubte, dass der nach dem Textzug entstehende isolierte Doppelbauer kein Problem darstellen würde.
Übrigens begibt sich Weiß nach Tc8 nicht riskanterweise mit Sxc7 oder Lxc7 in die Fesselung, sondern spielt einfach 13. Sxa7
13. Sxd6 xd6 Es kann durchaus sein, dass Capa dies so geplant hatte; schließlich deckt der isolierte Doppelbauer alle wichtigen Zentrumsfelder (insbesondere ist das Feld e5 jetzt wieder in der Hand des Schwarzen), und auf der c-Linie kann sich auch ein Gegenspiel anbahnen. Mit erstaunlicher Meisterschaft weist Sultan Khan aber nach, dass diese oberflächliche Einschätzung der Stellung fehlerhaft ist! 14. h4 Gegen schwarzes g7-g5 gerichtet. Sultan Khan erweist sich (nicht nur in dieser Partie) als ein großer 'Verhinderer' guter Züge des Gegners, also als ein Meister der Prophylaxe, und das, ohne die Bücher von Nimzowitsch studiert zu haben (in der Tat hat er nie ein einziges Schachbuch gelesen). Tc8 15. Db3 De7 16. Sd2 Weiß hat keine Angst vor Rochadeverlust; in der Tat passt die Rochade sowieso nicht in seinen Plan. Sdf6 17. Sxe4! Das war die Absicht von Sd2; nun kann Schwarz nur mit dem f-Bauern zurückschlagen. xe4
Denn der d-Bauer ist dank der Db3 gefesselt, und nach Sxe4? 18. f3 verlöre Schwarz den Bauern f5.
18. Le2 Tc6 Schwarz plant eine Turmverdopplung auf der c-Linie, was optisch ziemlich gut aussieht. Angesichts des Kommenden wäre zu prüfen, ob nicht Tc7 zum selben Zweck besser war, weil dann später nicht der Bauer d5 hinge. 19. g4! Schwarz kann g5 nicht verhindern. Tfc8 Capa opfert den Bauern d5, um zu Gegenspiel zu kommen. 20. g5 Se8 21. Lg4! Aber Sultan Khan verschmäht den angebotenen Bauern und verstärkt statt dessen den positionellen Druck. Tc1+ Capa sieht sich gezwungen, seine Türme gegen die Dame zu tauschen, um dadurch endlich zum erhofften Gegenspiel zu gelangen. 22. Kd2 T8c2+ 23. Dxc2 Txc2+ 24. Kxc2 Dc7+ 25. Kd2 Dc4 26. Le2! Wieder Verhinderungsstrategie. Käme schwarz zu Dd3+ nebst La6, so ginge seine Rechnung auf. Db3 27. Tab1 Kf7 28. Thc1 Ke7 29. Tc3 Da4 30. b4 Dd7 Sonst schneidet Weiß die schwarze Dame mittels b4-b5 ab. 31. Tbc1 a6 Auch wenn die beiden schwarzen Leichtfiguren extrem passive Positionen einnehmen (der Lb7 ja im Prinzip gar keine Wirkung, außer dass er c8 und c6 deckt, während der Se8 an die Verteidigung von c7 gebunden ist) und nur die Dame sich halbwegs frei bewegen kann, ist es trotzdem extrem schwer für Weiß, einen Plan zum Weiterkommen zu finden. Sicherlich dachte Capa, vor allem gegen den 'Newcomer', eine unzerstörbare Verteidigungsstellung eingenommen zu haben. 32. Tg1 Dh3 33. Tgc1 Dd7
Dxh4?? 34. Tc7+ mit Materialgewinn.
34. h5 Kd8 Diese zusätzliche Deckung von c7 soll der schwarzen Dame mehr Bewegungsfreiheit geben. 35. T1c2 Dh3 Da isse wieder - ohne jedoch etwas erwirken zu können. Zwei Türme sind in den meisten Fällen - und so auch hier - stärker als die Dame, da die Türme ein Objekt oder ein Feld doppelt angreifen könne, was die einzelne Dame nicht vermag. Nur wenn der König der Turmpartie unsicher steht und vielen Schachs ausgesetzt ist, ist die Dame stärker. Deswegen bringt Weiß vorsorglich seinen König möglichst weit aus der Schusslinie. 36. Kc1 Dh4 37. Kb2! Weiß kümmert sich hier - und im Folgenden - nicht um den angegriffenen Bauern f2. Dh3
Dxf2?? 38. Lxa6 nebst Lxb7.
38. Tc1 Dh4 39. T3c2 Dh3 40. a4 Dh4 41. Ka3 Dh3 42. Lg3 Df5 43. Lh4 Nun droht Weiß gelegentlich mit dem Abzugsschach g6+ g6
Dh3?? 44. g6+ Dxh4 45. xh7 mit Bauernumwandlung geht ebenso wenig wie
Kd7 44. Tg1 mit der Drohung Lg4.
44. h6 Dd7 45. b5 a5 46. Lg3 Df5 47. Lf4 Dh3 48. Kb2 Dg2 49. Kb1 Abermals bietet Weiß den Bauern f2 an - und wieder ist er nicht zu nehmen. Dh3
Dxf2?? 50. Lh5 Dh4 51. Th2 mit Damengewinn.
50. Ka1 Ich muss zugeben, dass ich diese ganzen Königsmanöver nicht verstehe - aber Sultan Khan spielt hier jedenfalls die perfekte 'Anti-Computer-Strategie' (und Capa galt seinerzeit ja auch schon als die 'Schachmaschine'!), nämlich: Bauernketten bilden, geschlossen manövrieren, alle taktischen Gegenschläge verhindern, geduldig abwarten, und erst dann, wirklich erst dann zuschlagen, wenn man völlig sicher ist, dass man gewinnt! Dg2 51. Kb2 Dh3 52. Tg1 Lc8 Es drohte Lg4, was auch auf Dd7 erfolgt wäre; und dann hätte auch die schwarze Dame keinen Spielraum mehr gehabt. 53. Tc6 Nun aber ist der Bauer b6 letzten Endes todgeweiht, und damit wird der Bauer b5 zum entscheidenden Freibauern. Nur darf Weiß immer noch nichts überstürzen. Dh4 54. Tgc1
Natürlich nicht 54. Txb6?? Dxf2 mit Doppelangriff.
Lg4 Der Läufer rettet sich mit Gegenangriff. Immer noch spielt Schwarz mit. 55. Lf1 Dh5
Und nun beabsichtigt er noch Le2. Nach Dxf2+?? 56. T6c2 verliert Schwarz wiederum die Dame, egal ob er nach f3, h4 oder g1 ausweicht.
56. Te1
56. Txb6 Le2 mit der Drohung Lxf1 nebst De2+.
Dh1 Capa stichelt immer noch. Nun beabsichtigt er Lh3. Das weiße Te1 war nicht zufrieden stellend, und Sultan Khan muss seinen Plan noch einmal revidieren, bevor er endgültig siegreich auf b6 zulangen kann. 57. Tec1 Dh5 58. Kc3 Dh4 59. Lg3! Durch dieses Bauernopfer sichert sich Weiß endgültig gegen die ständigen schwarzen Sticheleien ab. Dxg5 60. Kd2 Dh5 Dxh6 ändert auch nichts. Die Entscheidung fällt am Damenflügel, wohin die schwarzen Figuren nicht mehr effektiv gelangen können. 61. Txb6 Ke7 62. Tb7+ Ke6 63. b6 Sf6 64. Lb5 Um den schwarzen Springer nicht nach d7 zu lassen. Dh3 65. Tb8 Nun droht Td8 nebst b6-b7-b8D, wogegen es keine Verteidigung mehr gibt. Selten hat man Capablanca so hilflos gesehen.
PGN anzeigen[Event "Hastings 1930/31"]
[Site "Hastings ENG"]
[Date "1930.12.31"]
[EventDate "1930.12.29"]
[Round "3"]
[Result "1-0"]
[White "Mir Sultan Khan"]
[Black "Jose Raul Capablanca"]
[ECO "E12"]

1.Nf3 Nf6 2.d4 b6 3.c4 Bb7 4.Nc3 e6 5.a3 {Sultan Khan hatte so gut wie überhaupt keine Kenntnis der Eröffnungtheorie; so kommt es, dass er einen Zug spielt, der 50 Jahre später ein Lieblingssystem von Kasparov gegen Damenindisch werden sollte!} d5 6.cxd5 exd5 7.Bg5
Be7 8.e3 O-O 9.Bd3 Ne4 {Schwarz versucht sich durch Abtausch zu entlasten, ähnlich der Lasker-Variante des Damengambits.} 10.Bf4 {Aber Sultan Khan will sich seinen Läufer lieber bewahren.} Nd7 11.Qc2 f5?! {Dieser Zug zur Deckung von e4 ermöglicht die folgende Wendung und ist daher sehr wahrscheinlich ungünstig. Sdf6 zu demselben Zweck sieht besser aus.} 12.Nb5! {Diesen Zug hat Capa entweder übersehen oder unterschätzt. Khan ergreift sogleich seine Chance.} Bd6 ({Möglicherweise sah Capa erst jetzt, dass nach} 12... c6 13. Nc7 Rc8 14. Ne6 {gewinnt? Oder er glaubte, dass der nach dem Textzug entstehende isolierte Doppelbauer kein Problem darstellen würde.}) ({Übrigens begibt sich Weiß nach} 12... Rc8 {nicht riskanterweise mit Sxc7 oder Lxc7 in die Fesselung, sondern spielt einfach} 13. Nxa7) 13.Nxd6
cxd6 {Es kann durchaus sein, dass Capa dies so geplant hatte; schließlich deckt der isolierte Doppelbauer alle wichtigen Zentrumsfelder (insbesondere ist das Feld e5 jetzt wieder in der Hand des Schwarzen), und auf der c-Linie kann sich auch ein Gegenspiel anbahnen. Mit erstaunlicher Meisterschaft weist Sultan Khan aber nach, dass diese oberflächliche Einschätzung der Stellung fehlerhaft ist!} 14.h4 {Gegen schwarzes g7-g5 gerichtet. Sultan Khan erweist sich (nicht nur in dieser Partie) als ein großer 'Verhinderer' guter Züge des Gegners, also als ein Meister der Prophylaxe, und das, ohne die Bücher von Nimzowitsch studiert zu haben (in der Tat hat er nie ein einziges Schachbuch gelesen).} Rc8 15.Qb3 Qe7 16.Nd2 {Weiß hat keine Angst vor Rochadeverlust; in der Tat passt die Rochade sowieso nicht in seinen Plan.} Ndf6 17.Nxe4! {Das war die Absicht von Sd2; nun kann Schwarz nur mit dem f-Bauern zurückschlagen.} fxe4 ({Denn der d-Bauer ist dank der Db3 gefesselt, und nach} 17... Nxe4? 18. f3 {verlöre Schwarz den Bauern f5.}) 18.Be2 Rc6 {Schwarz plant eine Turmverdopplung auf der c-Linie, was optisch ziemlich gut aussieht. Angesichts des Kommenden wäre zu prüfen, ob nicht Tc7 zum selben Zweck besser war, weil dann später nicht der Bauer d5 hinge.}
19.g4! {Schwarz kann g5 nicht verhindern.} Rfc8 {Capa opfert den Bauern d5, um zu Gegenspiel zu kommen.} 20.g5 Ne8 21.Bg4! {Aber Sultan Khan verschmäht den angebotenen Bauern und verstärkt statt dessen den positionellen Druck.} Rc1+ {Capa sieht sich gezwungen, seine Türme gegen die Dame zu tauschen, um dadurch endlich zum erhofften Gegenspiel zu gelangen.} 22.Kd2 R8c2+ 23.Qxc2 Rxc2+
24.Kxc2 Qc7+ 25.Kd2 Qc4 26.Be2! {Wieder Verhinderungsstrategie. Käme schwarz zu Dd3+ nebst La6, so ginge seine Rechnung auf.} Qb3 27.Rab1 Kf7 28.Rhc1 Ke7
29.Rc3 Qa4 30.b4 Qd7 {Sonst schneidet Weiß die schwarze Dame mittels b4-b5 ab.} 31.Rbc1 a6 {Auch wenn die beiden schwarzen Leichtfiguren extrem passive Positionen einnehmen (der Lb7 ja im Prinzip gar keine Wirkung, außer dass er c8 und c6 deckt, während der Se8 an die Verteidigung von c7 gebunden ist) und nur die Dame sich halbwegs frei bewegen kann, ist es trotzdem extrem schwer für Weiß, einen Plan zum Weiterkommen zu finden. Sicherlich dachte Capa, vor allem gegen den 'Newcomer', eine unzerstörbare Verteidigungsstellung eingenommen zu haben.} 32.Rg1 Qh3 33.Rgc1 Qd7 (33... Qxh4?? 34. Rc7+ {mit Materialgewinn.}) 34.h5
Kd8 {Diese zusätzliche Deckung von c7 soll der schwarzen Dame mehr Bewegungsfreiheit geben.} 35.R1c2 Qh3 {Da isse wieder - ohne jedoch etwas erwirken zu können. Zwei Türme sind in den meisten Fällen - und so auch hier - stärker als die Dame, da die Türme ein Objekt oder ein Feld doppelt angreifen könne, was die einzelne Dame nicht vermag. Nur wenn der König der Turmpartie unsicher steht und vielen Schachs ausgesetzt ist, ist die Dame stärker. Deswegen bringt Weiß vorsorglich seinen König möglichst weit aus der Schusslinie.} 36.Kc1 Qh4 37.Kb2! {Weiß kümmert sich hier - und im Folgenden - nicht um den angegriffenen Bauern f2.} Qh3 (37... Qxf2?? 38. Bxa6 {nebst Lxb7.}) 38.Rc1 Qh4 39.R3c2 Qh3
40.a4 Qh4 41.Ka3 Qh3 42.Bg3 Qf5 43.Bh4 {Nun droht Weiß gelegentlich mit dem Abzugsschach g6+} g6 (43... Qh3?? 44. g6+ Qxh4 45. gxh7 {mit Bauernumwandlung geht ebenso wenig wie})(43... Kd7 44. Rg1 {mit der Drohung Lg4.}) 44.h6 Qd7 45.b5 a5
46.Bg3 Qf5 47.Bf4 Qh3 48.Kb2 Qg2 49.Kb1 {Abermals bietet Weiß den Bauern f2 an - und wieder ist er nicht zu nehmen.} Qh3 (49... Qxf2?? 50. Bh5 Qh4 51. Rh2 {mit Damengewinn.}) 50.Ka1 {Ich muss zugeben, dass ich diese ganzen Königsmanöver nicht verstehe - aber Sultan Khan spielt hier jedenfalls die perfekte 'Anti-Computer-Strategie' (und Capa galt seinerzeit ja auch schon als die 'Schachmaschine'!), nämlich: Bauernketten bilden, geschlossen manövrieren, alle taktischen Gegenschläge verhindern, geduldig abwarten, und erst dann, wirklich erst dann zuschlagen, wenn man völlig sicher ist, dass man gewinnt!} Qg2 51.Kb2
Qh3 52.Rg1 Bc8 {Es drohte Lg4, was auch auf Dd7 erfolgt wäre; und dann hätte auch die schwarze Dame keinen Spielraum mehr gehabt.} 53.Rc6 {Nun aber ist der Bauer b6 letzten Endes todgeweiht, und damit wird der Bauer b5 zum entscheidenden Freibauern. Nur darf Weiß immer noch nichts überstürzen.}Qh4 54.Rgc1 ({Natürlich nicht} 54. Rxb6?? Qxf2 {mit Doppelangriff.}) Bg4 {Der Läufer rettet sich mit Gegenangriff. Immer noch spielt Schwarz mit.} 55.Bf1 Qh5 ({Und nun beabsichtigt er noch Le2. Nach} 55... Qxf2+?? 56. R6c2 {verliert Schwarz wiederum die Dame, egal ob er nach f3, h4 oder g1 ausweicht.}) 56.Re1 (56. Rxb6 Be2 {mit der Drohung Lxf1 nebst De2+.}) Qh1 {Capa stichelt immer noch. Nun beabsichtigt er Lh3. Das weiße Te1 war nicht zufrieden stellend, und Sultan Khan muss seinen Plan noch einmal revidieren, bevor er endgültig siegreich auf b6 zulangen kann.}
57.Rec1 Qh5 58.Kc3 Qh4 59.Bg3! {Durch dieses Bauernopfer sichert sich Weiß endgültig gegen die ständigen schwarzen Sticheleien ab.} Qxg5 60.Kd2 Qh5 {Dxh6 ändert auch nichts. Die Entscheidung fällt am Damenflügel, wohin die schwarzen Figuren nicht mehr effektiv gelangen können.} 61.Rxb6 Ke7
62.Rb7+ Ke6 63.b6 Nf6 64.Bb5 {Um den schwarzen Springer nicht nach d7 zu lassen.} Qh3 65.Rb8 {Nun droht Td8 nebst b6-b7-b8D, wogegen es keine Verteidigung mehr gibt. Selten hat man Capablanca so hilflos gesehen.}1-0

Colorado77 - 22. Okt '16
Das war mal eine andere Partie als sonst....
Dieser Inder muss wirklich ein Naturtalent gewesen sein. Diese Geduld in der Partie ist bemerkenswert.
DER Fehler in der Eröffnung war übrigens das vorschnelle Se4: Unseren Kids bringen wir bei: Zieh nicht 2x dieselbe Figur in der Eröffnung. Schwarze Entwicklung 9...Sbd7 mit dem Plan 10....c5 war richtig und gut.
Das Lustige ist: Nach 11.Dc2 steht Schwarz schon schlecht, richtig schlecht.
AUCH 11....Sdf6 geht nicht. Denn darauf folgt 12.Lxc7!!
Diese Keule sah z.B. IM Lund im Jahre 2000 auch nicht (Hoi vs Lund, Copenhagen 2000). Der Witz ist, dass die Dc7 hängt, im Falle von Dxc2 folgt der Zwischenzug Sxf6+.
Irgendwie ist Lxc7 wieder so ein "hidden move", man sieht ihn einfach nicht ;-)

Vabanque, danke für Deine Mühen, diese Partie so ausführlich zu kommentieren!
Vabanque - 22. Okt '16
Oha! Nein, das habe ich auch überhaupt nicht gesehen. Aber daran merkt man dann wenigstens, dass ich die Partie tatsächlich ohne Engine kommentiert habe (oder ich habe diesen Kommentierungsfehler absichtlich eingebaut, werden die jetzt denken, die mir nicht wohlgesonnen sind ... aber es sind sicher noch mehr Fehler in den Kommentaren) :))
Kellerdrache - 23. Okt '16
Sultan Kahn war ein wirklich ungewöhnlicher Spieler, wie er leider heute, wo man schon in Verbands- und Regionalliga auf extensive Eröffnungskentnisse angewiesen ist, nicht mehr möglich wäre.
Seine Partie gegen Capablanca ist eine Positionspartie von seltener Schönheit und man denkt an Weltmeister wie Smyslov und Petrosjan, die in ihren besten Partien auch so gespielt haben. Das jemand ohne jahrzehntelange Schacherfahrung so ein Positionsgefühl zeigt sieht man in der tat selten.
Die von Colorado angegebene Variante zu 11... Sdf6 hätte ich auch nicht gefunden. Wer weiß, vielleicht hat Capablanca sich ja deswegen zu 11...f5 entschieden ;-))
Vabanque - 23. Okt '16
Capablanca traue ich es sogar zu, dass er den Knaller Lxc7 nach Sdf6 gesehen hat ...

Ansonsten denke ich, jemand wie Sultan Khan, der zwar keine Eröffnungskenntnis, aber ein überragendes Positionsgefühl hat, würde in einer Regional- oder Verbandsliga selbst gegen die Theorieexperten immer noch ziemlich viele Punkte machen. Sobald er die Eröffnung irgendwie übersteht (und Sultan Khan spielte fast immer geschlossene Aufbauten, wo es einfacher ist, die Eröffnung zu überleben), wäre so jemand extrem gefährlich. Und im Endspiel fand er selbst in verlorener Stellung häufig noch studienartige Rettungswege.
RemusJohn - 03. Nov '16
Also ich finde diese Partie auch sehr schön, ich mag es, wenn alles auf dem Brett ein strategisches Gesamtkunstwerk ergibt - und die daraus resultierende Hilflosigkeit beim Gegenüber ;-)