Kommentierte Spiele

Große Partien ... (XVII): Karpov - Korchnoi 1978

Vabanque - 23. Mär '14
Anatoly Karpov ist im Bewusstsein der Schachöffentlichkeit immer ein etwas ungeliebter
Weltmeister gewesen. Das hatte mehrere Gründe. Zum einen wurde er sowohl vom sowjetischen Regime wie auch vom vielfach als korrupt angesehenen FIDE-Präsident
Campomanes protegiert. Zum anderen war er quasi 'kampflos' Weltmeister geworden, da Fischer bekanntermaßen 1975 zum WM-Match nicht antrat.
Allerdings kann man diesen Umstand ja Karpov (der sich als Herausforderer Fischers qualifiziert hatte und selber sehr bedauerte, dass das Match nicht zu Stande kam) nicht anlasten, und in der Folge bewies Karpov sehr wohl nachdrücklich, dass er der dominierende Spieler der aktiven Schachwelt (zu der Fischer ja nun nicht mehr zählte) war. Dies war 10 Jahre lang der Fall, bis er den Thron an den jüngeren Garry Kasparov abgeben musste (da konnte auch kein Campomanes mehr etwas retten). Karpov blieb aber auch nach dem Verlust des Titels immer noch fast Jahre lang der zweitstärkste
Spieler der Welt; die Matchs gegen Kasparov gingen immer sehr knapp aus.

Karpov konnte zweimal seinen WM-Titel erfolgreich verteidigen, und zwar beide Male gegen den Exil-Russen Viktor Korchnoi, der in diesen Matchs gleichzeitig auch den Menschen Karpov und das ganze verhasste sowjetische Regime bekämpfte (was ihm aber nichts genützt hat). Das erste Match (1978) gewann Karpov nur knapp mit 6 : 5
(nachdem er aber bereits 5 : 2 geführt hatte), das zweite Match geriet mit 6 : 2 zu einem Debakel Korchnois.

Korchnoi wird häufig als der stärkste Spieler, der nie Weltmeister wurde, bezeichnet; aber der gleiche Ehrentitel wird auch Tarrasch, Schlechter, Rubinstein, Keres, Reshevsky, Fine und Bronstein verliehen.
In der hier vorliegenden Partie schneidet Korchnoi jedenfalls nicht gut ab; nach einer zweifelhaften Eröffnungsneuerung verspeist er einen vergifteten Bauern, wonach sein König auf den Mittellinien in Schönheit stirbt. Man hat Karpov oft einen trockenen
Stil nachgesagt (ein dritter Grund, warum er als Weltmeister nie sonderlich geliebt wurde), und dennoch stößt man bei ihm auf überraschend viele brilliant geführte Angriffe und tiefsinnige und weitberechnete taktische Abwicklungen. Der Unterschied zu Spielern wie Keres, Tal und Kasparov besteht nur darin, dass Karpov die Verwicklungen, Opfer und Angriffswendungen nicht von vornherein sucht, sich aber sehr wohl darauf einlässt, wenn die Stellung so etwas erfordert. Er opfert erst dann, wenn die Stellung positionell dafür reif ist. Als Karpovs Spezialität gelten außerdem tiefgründige Vorbereitungszüge. Nun, davon werden wir in der vorliegenden Partie nicht sehr viel sehen, denn in dieser geht es sehr schnell 'zur Sache'.

Ich habe die Kommentare diesmal etwas ausführlicher gestaltet, und insbesondere versucht so zu kommentieren, dass auch fortgeschrittene Anfänger die Erläuterungen verstehen können bzw. etwas davon profitieren. Ich hoffe, dies ist mir gelungen.

Anatoly Karpov Viktor Korchnoi Wch29-Baguio City ;MAINB | Wch29-Baguio City ;MAINB | 8 | 1978.08.03 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. O-O Sxe4 Die so genannte 'offene Verteidigung' im Spanier, die von Seiten des Schwarzen sorgfältigste Behandlung erfordert, da der König längere Zeit auf den offenen Mittellinien verbleibt - unter Umständen sogar für immer, wie diese Partie zeigt. 6. d4 b5 7. Lb3 d5 8. xe5 Le6 Hier leistet der Läufer zwar momentan nichts anderes, als den Bauern d5 zu decken, aber dafür wird sein weißer Kollege für den Moment ziemlich vom Spiel ausgeschlossen. 9. Sbd2 Der schwarze Vorpostenspringer (die momentan am stärksten postierte Figur von Schwarz) wird gleich befragt. Andere übliche Möglichkeiten an dieser Stelle sind c3 (um den Lb3 über c2 zurück ins Spiel zu führen), Le3 oder De2. Sc5 10. c3 Wenn sich Schwarz jetzt mit Sxb3 das Läuferpaar verschafft, kontrolliert Weiß nach Sxb3 nebst Le3 zuverlässig das Feld c5. g6?! Üblicherweise spielt man hier Le7, um sich die Option auf baldige kurze Rochade offen zu halten. Der Textzug war zum Zeitpunkt der Partie eine Neuerung, aber keine gute, wie die Partie zeigt. Die Absicht liegt darin, den Lf8 dynamischer nach g7 zu entwickeln, von wo er Druck auf das weiße Zentrum ausüben kann. 11. De2 Bereits mit diesem Zug hat Karpov sehr wahrscheinlich das folgende feine Bauernopfer geplant. Lg7 12. Sd4! Da mit Korchnois gewagter Neuerung 10... g6 nebst Lg7 ja nicht zu rechnen war, ist dieser Zug Karpovs ganz bestimmt nicht die Frucht von Heimanalyse, sondern von hervorragender Einschätzung der Lage am Brett. Durch das Opfer des Bauern e5 führt Weiß den schwarzen Plan (Druck auf diesen Bauern auszuüben) ad absurdum. Bei Annahme öffnet sich die e-Linie gegen den schwarzen König, und die weißen Figuren gelangen schnell in aussichtsreiche Angriffspositionen. Sxe5?! Typisch Korchnoi. Oft hat er mit seiner Neigung, Opfer anzunehmen, und sich die Korrektheit beweisen zu lassen, Erfolg gehabt. Es entpricht einfach seinem Temperament, so zu spielen. (Karpov hingegen würde so etwas Riskantes nie tun; er hat lieber eine aktive Stellung als einen Materialvorteil.) Aber gegen einen so präzisen Spieler wie Karpov fährt Korchnoi mit dieser Strategie schlecht. Weiser wäre es gewesen, den angegriffenen Springer c6 mit dem Entwicklungszug Dd7 zu decken. Dagegen hätte der Abtausch Sxd4 13. cxd4 das weiße Zentrum zementiert und Schwarz einen Unheil bringenden rückständigen Bauern auf der c-Linie verschafft. 13. f4 Der Vormarsch des f-Bauern erzwingt in Kürze auch noch die Öffnung der f-Linie. Sc4 Nach g4 kann der angegriffene Springer natürlich nicht wegen Sxe6, was ihm die Deckung entzöge, auch nicht nach d7 wegen Lxd5 (Fesselung!), aber Sd3 war zu überlegen. 14. f5 xf5 Erzwungen. 15. Sxf5 Tg8 Immerhin hat sich auch die g-Linie für den schwarzen Turm geöffnet. Schwarz deckt den angegriffenen Lg7 daher mit einem Zug, der ihn irgendwann mal auf einen Gegenschlag in Richtung weißen König hoffen lässt. Übrigens verbringt Schwarz seit dem Bauernfraß im 12. Zug seine Zeit nur noch damit, seine angegriffenen Figuren zu retten! 16. Sxc4 Beseitigt die am aktivsten stehende schwarze Figur durch Abtausch, und macht gleichzeitig die Diagonale für den baldigen Einsatz des Lc1 frei. xc4 Normalerweise wird ja empfohlen, mit den Bauern zum Zentrum hin zu schlagen. Aber hier möchte Schwarz das Feld d5 und die d-Linie zu Gegenspiel nutzen. 17. Lc2 Dieses Tempo muss Weiß zwar verlieren, aber der Läufer kommt dadurch ja auf eine schönere Diagonale ... Sd3 ... welche Schwarz deswegen sogleich zu verstopfen sucht. 18. Lh6 Wieder Entwicklung mit Angriff! Lf8?! Auch nach Lxh6 19. Sxh6 Tg7 (nicht Tg6 wegen Sxf7!; der Le6 ist ja gefesselt!) 20. Tad1 würde Weiß seinen Bauern bei überlegenem Spiel zurückgewinnen, da der schwarze König keinen sicheren Platz mehr findet. Trotzdem wäre dies noch etwas besser gewesen als der Textzug, mit dem Korchnoi wahrscheinlich auf die Möglichkeit Lc5+ spekuliert, die sich jedoch schnell als illusorisch erweist. 19. Tad1 Nun wird Weiß den Sd3 unter Rückgewinn des Bauern eliminieren und eine siegreiche Angriffsstellung behalten. Spielt Schwarz jetzt das scheinbar aktive Lc5+, so hätte er sich nach 20. Kh1 nur noch die zusätzliche Drohung Sg7+ eingehandelt. Dd5 Wie so oft, fehlt Schwarz ein einziges Tempo zur Erlangung einer guten Stellung. Wäre er am Zug, könnte er lang rochieren und damit den Sd3 ein zweites Mal decken und gleichzeitig seine Entwicklung abschließen und seinen König aus der unmittelbaren Gefahrenzone evakuieren. Er stünde dann sogar glatt auf Gewinn! Aber es ist nicht Schwarz am Zug, sondern Weiß. 20. Lxd3 xd3 21. Txd3 Dc6 Nach Dxa2?? 22. De4! (Angriff auf den Turm a8) nebst Dc6+ wäre es schnell vorbei. Auch 21... Txg2+?? 22. Dxg2 Dxd3 funktioniert nicht, da jetzt der Ta8 hängt. Aber Db7 war etwas besser als der Textzug, der die schwarze Dame einen potentiellen Angriff durch Sd4 aussetzt. 22. Lxf8! Da haben wir es! Nach Kxf8 23. Sd4! fällt wegen der Fesselung des Bauern f7 der Le6 (23... Db6 24. Dxe6!), und 22... Txf8 23. Sg7+ Ke7 24. Df2 (auch fast jeder andere Zug gewinnt) mit Mattdrohung auf f6 ist genauso fürchterlich. Db6+ Deswegen diese Einschaltung; auf 23. Sd4 ginge jetzt Txf8, während auf andere Züge Weiß kein Tempo mehr mit Sd4 gewinnen kann. 23. Kh1 Kxf8 24. Df3 Durch die fehlende Verbindung der Türme ist dieser Turm ungedeckt, und solche 'losen' Figuren geben dem Gegner oft Gelegenheit zu Tempogewinnen oder sogar entscheidenden Kombinationen. Hier kommt auf diese Weise die weiße Dame ohne Zeitverlust auf die f-Linie, wo sie am Schlussmanöver mitwirkt. Te8?! Dieser Zug verliert forciert, indem er dem eigenen König das Fluchtfeld e8 verstellt. Aber auch nach dem relativ besten Zug Tb8 hätte Korchnoi die Stellung gegen einen Karpov wohl kaum mehr lange halten können. 25. Sh6! Springer am Rande? Nein, die Einleitung zur siegbringenden Kombination. Tg7 Schwarz muss den Turm so wegziehen, dass er gleichzeitig f7 deckt. 26. Td7!! Eine Bombe! Der Turm ist wegen Matt in 2 Zügen durch (26... Lxd7) 27. Dxf7+!! Txf7 28. Txf7# nicht zu nehmen. Aber nun ist der Punkt f7 nicht mehr zu halten, da auf 26... Te7 27. Txe7 Kxe7 28. Df6+ Kf8 (um den Tg7 zu verteidigen) 29. Dd8 matt folgen würde. Tb8 Um dem König wenigstens das Fluchtfeld e8 zu verschaffen. Jetzt hängt der Td7 tatsächlich. 27. Sxf7! Weiß lässt ihn hängen! Lxd7 Wenn das nicht geht, geht gar nichts mehr. Auf Lxf7 28. Txf7+ Kg8 folgt 29. Tf8+ nebst Matt. 28. Sd8+!! Ein würdiger Schlusszug und das einzige Abzugsschach, das gewinnt, da der Zug die 8. Reihe und damit die verteidigende Wirkung des Tb8 unterbricht! Jetzt setzt auf jeden Königszug Weiß mit Df8 matt. Solche brillianten Siege haben in einem WM-Match Seltenheitswert.
PGN anzeigen[Event "Wch29-Baguio City ;MAINB"]
[Site "Wch29-Baguio City ;MAINB"]
[Date "1978.08.03"]
[EventDate "?"]
[Round "8"]
[Result "1-0"]
[White "Anatoly Karpov"]
[Black "Viktor Korchnoi"]

1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 a6 4. Ba4

Nf6 5. O-O Nxe4 {Die so genannte 'offene Verteidigung'

im Spanier, die von Seiten des Schwarzen sorgfältigste

Behandlung erfordert, da der König längere Zeit auf den

offenen Mittellinien verbleibt - unter Umständen sogar

für immer, wie diese Partie zeigt.} 6. d4 b5 7. Bb3 d5

8. dxe5
Be6 {Hier leistet der Läufer zwar momentan nichts

anderes, als den Bauern d5 zu decken, aber dafür wird

sein weißer Kollege für den Moment ziemlich vom Spiel

ausgeschlossen.}9. Nbd2 {Der schwarze Vorpostenspringer

(die momentan am stärksten postierte Figur von Schwarz)

wird gleich befragt. Andere übliche Möglichkeiten an

dieser Stelle sind c3 (um den Lb3 über c2 zurück ins

Spiel zu führen), Le3 oder De2.}Nc5 10. c3 {Wenn sich

Schwarz jetzt mit Sxb3 das Läuferpaar verschafft,

kontrolliert Weiß nach Sxb3 nebst Le3 zuverlässig das

Feld c5.}g6?! {Üblicherweise spielt man hier Le7, um

sich die Option auf baldige kurze Rochade offen zu

halten. Der Textzug war zum Zeitpunkt der Partie eine

Neuerung, aber keine gute, wie die Partie zeigt. Die

Absicht liegt darin, den Lf8 dynamischer nach g7 zu

entwickeln, von wo er Druck auf das weiße Zentrum

ausüben kann.} 11. Qe2 {Bereits mit diesem Zug hat

Karpov sehr wahrscheinlich das folgende feine

Bauernopfer geplant.} Bg7 12. Nd4! {Da mit Korchnois

gewagter Neuerung 10... g6 nebst Lg7 ja nicht zu

rechnen war, ist dieser Zug Karpovs ganz bestimmt nicht

die Frucht von Heimanalyse, sondern von hervorragender

Einschätzung der Lage am Brett. Durch das Opfer des

Bauern e5 führt Weiß den schwarzen Plan (Druck auf

diesen Bauern auszuüben) ad absurdum. Bei Annahme

öffnet sich die e-Linie gegen den schwarzen König, und

die weißen Figuren gelangen schnell in aussichtsreiche

Angriffspositionen.} Nxe5?! {Typisch Korchnoi. Oft hat

er mit seiner Neigung, Opfer anzunehmen, und sich die

Korrektheit beweisen zu lassen, Erfolg gehabt. Es

entpricht einfach seinem Temperament, so zu spielen.

(Karpov hingegen würde so etwas Riskantes nie tun; er

hat lieber eine aktive Stellung als einen

Materialvorteil.) Aber gegen einen so präzisen Spieler

wie Karpov fährt Korchnoi mit dieser Strategie

schlecht. Weiser wäre es gewesen, den angegriffenen

Springer c6 mit dem Entwicklungszug Dd7 zu decken.

Dagegen hätte der Abtausch Sxd4 13. cxd4 das weiße

Zentrum zementiert und Schwarz einen Unheil bringenden

rückständigen Bauern auf der c-Linie verschafft. } 13.

f4 {Der Vormarsch des f-Bauern erzwingt in Kürze auch

noch die Öffnung der f-Linie.} Nc4 {Nach g4 kann der

angegriffene Springer natürlich nicht wegen Sxe6, was

ihm die Deckung entzöge, auch nicht nach d7 wegen Lxd5

(Fesselung!), aber Sd3 war zu überlegen.} 14. f5 gxf5

{Erzwungen.} 15.
Nxf5 Rg8 {Immerhin hat sich auch die g-Linie für den

schwarzen Turm geöffnet. Schwarz deckt den

angegriffenen Lg7 daher mit einem Zug, der ihn

irgendwann mal auf einen Gegenschlag in Richtung weißen

König hoffen lässt. Übrigens verbringt Schwarz seit dem

Bauernfraß im 12. Zug seine Zeit nur noch damit, seine

angegriffenen Figuren zu retten!} 16. Nxc4 {Beseitigt

die am aktivsten stehende schwarze Figur durch

Abtausch, und macht gleichzeitig die Diagonale für den

baldigen Einsatz des Lc1 frei.} dxc4 {Normalerweise

wird ja empfohlen, mit den Bauern zum Zentrum hin zu

schlagen. Aber hier möchte Schwarz das Feld d5 und die

d-Linie zu Gegenspiel nutzen.} 17. Bc2 {Dieses Tempo

muss Weiß zwar verlieren, aber der Läufer kommt dadurch

ja auf eine schönere Diagonale ... } Nd3 { ... welche

Schwarz deswegen sogleich zu verstopfen sucht.} 18. Bh6

{Wieder Entwicklung mit Angriff!} Bf8?! {Auch nach Lxh6

19. Sxh6 Tg7 (nicht Tg6 wegen Sxf7!; der Le6 ist ja

gefesselt!) 20. Tad1 würde Weiß seinen Bauern bei

überlegenem Spiel zurückgewinnen, da der schwarze König

keinen sicheren Platz mehr findet. Trotzdem wäre dies

noch etwas besser gewesen als der Textzug, mit dem

Korchnoi wahrscheinlich auf die Möglichkeit Lc5+

spekuliert, die sich jedoch schnell als illusorisch

erweist.} 19. Rad1 {Nun wird Weiß den Sd3 unter

Rückgewinn des Bauern eliminieren und eine siegreiche

Angriffsstellung behalten. Spielt Schwarz jetzt das

scheinbar aktive Lc5+, so hätte er sich nach 20. Kh1

nur noch die zusätzliche Drohung Sg7+ eingehandelt.}Qd5

{Wie so oft, fehlt Schwarz ein einziges Tempo zur

Erlangung einer guten Stellung. Wäre er am Zug, könnte

er lang rochieren und damit den Sd3 ein zweites Mal

decken und gleichzeitig seine Entwicklung abschließen

und seinen König aus der unmittelbaren Gefahrenzone

evakuieren. Er stünde dann sogar glatt auf Gewinn! Aber

es ist nicht Schwarz am Zug, sondern Weiß.} 20. Bxd3

cxd3 21.
Rxd3 Qc6 {Nach Dxa2?? 22. De4! (Angriff auf den Turm

a8) nebst Dc6+ wäre es schnell vorbei. Auch 21...

Txg2+??
22. Dxg2 Dxd3 funktioniert nicht, da jetzt der Ta8

hängt.
Aber Db7 war etwas besser als der Textzug, der die

schwarze Dame einen potentiellen Angriff durch Sd4

aussetzt.} 22. Bxf8! {Da haben wir es! Nach Kxf8 23.

Sd4! fällt wegen der Fesselung des Bauern f7 der Le6

(23... Db6 24. Dxe6!), und 22... Txf8 23. Sg7+ Ke7 24.

Df2 (auch fast jeder andere Zug gewinnt) mit

Mattdrohung auf f6 ist genauso fürchterlich.} Qb6+

{Deswegen diese Einschaltung; auf 23. Sd4 ginge jetzt

Txf8, während auf andere Züge Weiß kein Tempo mehr mit

Sd4 gewinnen kann.} 23. Kh1 Kxf8 24. Qf3 {Durch die

fehlende Verbindung der Türme ist dieser Turm

ungedeckt, und solche 'losen' Figuren geben dem Gegner

oft Gelegenheit zu Tempogewinnen oder sogar

entscheidenden Kombinationen. Hier kommt auf diese

Weise die weiße Dame ohne Zeitverlust auf die f-Linie,

wo sie am Schlussmanöver mitwirkt.} Re8?! {Dieser Zug

verliert forciert, indem er dem eigenen König das

Fluchtfeld e8 verstellt. Aber auch nach dem relativ

besten Zug Tb8 hätte Korchnoi die Stellung gegen einen

Karpov wohl kaum mehr lange halten können.} 25. Nh6!

{Springer am Rande? Nein, die Einleitung zur

siegbringenden Kombination.} Rg7 {Schwarz muss den Turm

so wegziehen, dass er gleichzeitig f7 deckt.} 26. Rd7!!

{Eine Bombe! Der Turm ist wegen Matt in 2 Zügen durch

(26... Lxd7) 27. Dxf7+!! Txf7 28. Txf7# nicht zu

nehmen. Aber nun ist der Punkt f7 nicht mehr zu halten,

da auf 26... Te7 27. Txe7 Kxe7 28. Df6+ Kf8 (um den Tg7

zu verteidigen) 29. Dd8 matt folgen würde.} Rb8 {Um dem

König wenigstens das Fluchtfeld e8 zu verschaffen.

Jetzt hängt der Td7 tatsächlich.} 27.
Nxf7! {Weiß lässt ihn hängen!} Bxd7 {Wenn das nicht

geht, geht gar nichts mehr. Auf Lxf7 28. Txf7+ Kg8

folgt 29. Tf8+ nebst Matt.} 28. Nd8+!! {Ein würdiger

Schlusszug und das einzige Abzugsschach, das gewinnt,

da der Zug die 8. Reihe und damit die verteidigende

Wirkung des Tb8 unterbricht! Jetzt setzt auf jeden

Königszug Weiß mit Df8 matt. Solche brillianten Siege

haben in einem WM-Match Seltenheitswert.} 1-0
Kellerdrache - 25. Mär '14
Viele von Karpovs Partien haben vielleicht nicht so einen offensichtlichen Unterhaltungswert, aber die Fähigkeit in jeder Stellung die entscheidenden Faktoren zu identifizieren ist etwas was ihn vor vielen anderen Spielern ausgezeichnet hat.

Wer positionelles Schach lernen will kann sich vertrauensvoll an Karpovs Partien orientieren.
Vabanque - 26. Mär '14
Karpovs Partien sind schon die Hohe Schule des Positionsschachs, seine Züge sind auch oft sehr subtil und daher nicht unmittelbar verständlich (oft auch nach längerem Grübeln nicht), und wie du richtig schreibst, ist der Unterhaltungswert auch vielfach nicht so groß. Trotzdem beherrschte Karpov alle Schachstile in gleichem Maße, und es finden sich nicht nur Endspiele von 80 Zügen Länge, sondern auch forsche Angriffspartien, wie man sieht.

Geht man nach Unterhaltungswert der Partien, so ist von allen Weltmeistern natürlich Tal nicht mehr zu toppen. Dann folgen erst in einigem Abstand Aljechin, Kasparov, Spassky und Anand, die im Prinzip auch allseitige Spieler waren bzw. sind, aber mit deutlichem Schwergewicht auf dynamisches Spiel.