Kommentierte Spiele
Verlustpartien der Weltmeister (III): Anand
Vabanque - 06. Aug '16
Wie bei Carlsen ist es auch bei Anand schwer, eine hochklassige Verlustpartie zu finden, falls sie nicht gegen einen Weltmeister oder in einem WM-Kampf gespielt sein soll. Anands vielleicht schönste Niederlage habe ich schon einmal in einem viel früheren Beitrag gebracht:
/forum/topic.html?key=c811c2b4a9ffb5581&sv=3
Natürlich hätte ich diese Partie hier nochmal zeigen können, und hätte dann gespannt sein können, ob es jemand merkt (ich bin fast sicher, dass es niemand bemerkt hätte, außer C77). Aber das wäre geflunkert gewesen, und deswegen musste eine andere Partie her. Bei nachfolgendem Spiel handelt es sich zwar um eine Schnellschachpartie, aber auf sehr hohem Niveau und ohne offensichtliche Patzer gespielt. Anands Bezwinger ist der ungarische GM Peter Leko, der ja selber mal um ein Haar nicht Weltmeister geworden ist (in einem WM-Kampf gegen Kramnik), und von dem schon öfters Partien hier in den kommentierten Spielen zu sehen waren, so dass ich ihn wohl nicht mehr vorstellen muss. Der normalerweise als langweiliger Positionsspieler verschrieene Leko ist hier überhaupt nicht wiederzuerkennen: er zaubert schon in der Eröffnung einen Angriff mit doppeltem Figurenopfer aus dem Hut, dass einem Hören und Sehen vergeht.
Die Eröffnung ist uns übrigens schon in einer Partie Shirov - Polgar begegnet, weswegen ich sie nicht noch einmal ausführlich kommentiere:
/forum/topic.html?key=5796754f38af49b1&sv=14































PGN anzeigen
/forum/topic.html?key=c811c2b4a9ffb5581&sv=3
Natürlich hätte ich diese Partie hier nochmal zeigen können, und hätte dann gespannt sein können, ob es jemand merkt (ich bin fast sicher, dass es niemand bemerkt hätte, außer C77). Aber das wäre geflunkert gewesen, und deswegen musste eine andere Partie her. Bei nachfolgendem Spiel handelt es sich zwar um eine Schnellschachpartie, aber auf sehr hohem Niveau und ohne offensichtliche Patzer gespielt. Anands Bezwinger ist der ungarische GM Peter Leko, der ja selber mal um ein Haar nicht Weltmeister geworden ist (in einem WM-Kampf gegen Kramnik), und von dem schon öfters Partien hier in den kommentierten Spielen zu sehen waren, so dass ich ihn wohl nicht mehr vorstellen muss. Der normalerweise als langweiliger Positionsspieler verschrieene Leko ist hier überhaupt nicht wiederzuerkennen: er zaubert schon in der Eröffnung einen Angriff mit doppeltem Figurenopfer aus dem Hut, dass einem Hören und Sehen vergeht.
Die Eröffnung ist uns übrigens schon in einer Partie Shirov - Polgar begegnet, weswegen ich sie nicht noch einmal ausführlich kommentiere:
/forum/topic.html?key=5796754f38af49b1&sv=14
Peter Leko Viswanathan Anand Amber Tournament (Rapid) | Nice FRA | 4 | 2008.03.18 | B81 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. d4 xd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 a6 6. Le3 e6 Die Najdorf-Variante ging nun in das Scheveninger System über. 7. g4 e5 8. Sf5 g6 9. g5 xf5 10. xf5 d5 11. Df3 Shirov spielte in der eingangs zitierten Partie exf6. Lekos Zug, der auf ein doppeltes Figurenopfer hinausläuft, dürfte noch stärker sein. - Es wird ja oft beklagt, dass die schönen alten Gambits (fast) ausgestorben seien. Mit dieser und anderen (z.B. von von C77 hier präsentierten) Partien kann man jedoch entgegen halten: Dafür werden heute neue Gambits analysiert und sogar auf Top-Ebene gespielt! Die hier gezeigte Variante ist nicht minder aufregend als das Muzio-, Allgaier-, oder Evans-Gambit, nur wahrscheinlich sogar korrekter. (Übrigens ist von den alten Gambits ja immer zumindest das Marshall-Gambit im geschlossenen Spanier eines, das nach wie vor auch auf GM-Ebene regelmäßig gespielt wird.) d4 12. O-O-O Sbd7 Hebt die Fesselung in der d-Linie auf und macht die Bauerngabel auf d4 'echt'. 13. Lc4 Wieder wäre gxf6? schlecht wegen dxc3. Soll sich nach dem Textzug Schwarz auf c3 oder auf e3 bedienen? Dc7
Er bedient sich gar nicht, sondern greift den Lc4 an. Auf xc3 14. Lxf7+! Kxf7 15. xf6 Dxf6 16. Dh5+ Kg8 17. Thg1+ Lg7 18. Lh6 würde Weiß gewinnen. Aber 13... dxe3 war denkbar, denn der Gewinn in der gezeigten Variante basiert wesentlich auf der Einsatzbereitschaft des Le3. Der verbleibende Sc3 könnte hier nicht die gleiche Aufgabe übernehmen.
14. Lxd4! xd4 15. The1+ Kd8 16. Txd4 Nun hat Anand 2 Mehrfiguren, aber seine Stellung ist sehr schwer zu verteidigen. Vor allem darf er sich jetzt nicht mit der Rettung des Sf6 aufhalten. Lc5 Immerhin mal eine Figur mit Tempo entwickelt. 17. Tdd1 Te8 18. xf6 Txe1 19. Txe1 Sxf6 20. Td1+ Schwarz hat immer noch große Schwierigkeiten; wie soll er jemals seinen Ta8 ins Spiel bringen? Und sein König wankt in der Mitte hin und her. Weiß hat genügend Spiel für das geopferte Material. Ld7?! Hier war Ke8 wahrscheinlich besser, auch wenn es etwas mulmig aussieht. Aber nach dem Textzug verschwindet der Bauer f7 vom Brett, wonach er insbesondere e6 nicht mehr decken kann.
21. Lxf7 Um den Bauern selbst wäre es nicht so sehr, schließlich hat Schwarz ein Materialplus. Aber nun hat Weiß die fiese Option Le6. Dxh2?! 22. Sd5! Nun ist die Gefahr groß. Der Springer kann nicht geschlagen werden und bedroht aber f6. Tc8? Aber mit Dxf2! 23. Dxf2 Lxf2 24. Sxf6 Ke7! 25. Sxd7 Kxf7 26. Th1 Le3+ 27. Kd1 h6 bestand hier noch eine letzte Rettungschance in einem Endspiel mit Minusbauer. Entweder Anand hat diese Zugfolge nicht gesehen, oder er schätzte das Endspiel als verloren ein, und glaubte, mit dem Textzug in Verbindung mit seinem folgenden Zug noch zu Gegenspiel auf der c-Linie zu kommen.
23. Le6 Lxf2 Wenn jetzt der schwarze Läufer noch einmal zieht, hängt c2 mit Matt. Aber mit seinem nächsten einfachen Zug sichert sich Leko gegen alle diese Eventualitäten, und dann ist es die Fesselung in der d-Linie, die Schwarz den Garaus macht. 24. c3 Tc7 Besseres ist nicht vorhanden, da Weiß einfach Sxf6 droht, und zwar auch dann, denn dieser Springer gedeckt wird, da anschließend gleich d7 hängt. Daher der Textzug. 25. Sxf6 Viel stärker als Sxc7, auch wenn sich Schwarz die Figur sofort wieder holt. Es hängt ja anschließend noch was auf f2. Die schwarzen Figuren sind einfach zu verstreut und kooperieren nicht. Dh6+ 26. Kb1 Dxf6 27. Dxf2 Scheinbar ist Schwarz mit Bauernverlust davon gekommen. In Wahrheit stehen seine Figuren immer noch so ungünstig, dass er sofort verliert. Ke8 28. Dg3! Und Schwarz gab auf! Der bedrohte Tc7 kann nicht ziehen, ohne d7 im Stich zu lassen, er kann nicht mit Dd8 gedeckt werden wegen Dg8+ nebst Df7#; er kann schließlich aber auch nicht mit Kd8 gedeckt werden wegen Dg8+ nebst Dxh7+ und Gewinn des Ld7. Also müsste Anand mit Lxe6 die Qualität spucken, was ihm aber gegen einen Leko offenbar aussichtslos schien.
Bluemax - 06. Aug '16
mir scheint als wäre Anand kopfüber in eine häusliche vorbereitung von
Leko gestolpert, was den erfolg von Leko natürlich nicht schmälern soll.
deswegen stellt sich mir die frage wann sie wohl endete, ich tippe mal
nach 177.Tdd1 mußte Peter die züge am brett finden.
auf jeden fall eine sehr schöne partie mit wie immer fachkundigen
kommentaren.
lg
Leko gestolpert, was den erfolg von Leko natürlich nicht schmälern soll.
deswegen stellt sich mir die frage wann sie wohl endete, ich tippe mal
nach 177.Tdd1 mußte Peter die züge am brett finden.
auf jeden fall eine sehr schöne partie mit wie immer fachkundigen
kommentaren.
lg
Vabanque - 06. Aug '16
Tja, das könnte uns nur Leko selbst sagen, bis wohin er es in der häuslichen Analyse schon auf dem Brett hatte. Es soll ja Partien gegeben haben, wo die Schlusstellung bei der häuslichen Vorbereitung schon auf dem Brett stand. Aber meistens kommt irgendwo der Punkt, wo die Vorbereitung endet und man die Züge am Brett finden muss.
Bluemax - 07. Aug '16
nun, in der vorliegenden partie wird Anand schon an einem bestimmtem
punkt gemerkt haben das 'etwas nicht stimmt', das er in eine falle hinein-
getappt war. allerdings vermute ich das es da schon zu spät war !
Peter Leko ist doch ein hervorragender theoretiker und ich glaube
mich zu erinnern das er sogar mal sekundant von Kramnik bei
einem wm- match war. höchste ehren würde ich sagen.
mir persönlich ist sein stil auch oft zu trocken beim nachspielen,
verinnerlicht man sich aber sein enormes schachliches wissen,
erkennt man die tiefe seines spieles.
leider hab ich auch gelesen das seine nervenstärke nicht die
allerbeste zu sein scheint, weswegen ihm die allerhöchsten ehren
stets versagt blieben.
punkt gemerkt haben das 'etwas nicht stimmt', das er in eine falle hinein-
getappt war. allerdings vermute ich das es da schon zu spät war !
Peter Leko ist doch ein hervorragender theoretiker und ich glaube
mich zu erinnern das er sogar mal sekundant von Kramnik bei
einem wm- match war. höchste ehren würde ich sagen.
mir persönlich ist sein stil auch oft zu trocken beim nachspielen,
verinnerlicht man sich aber sein enormes schachliches wissen,
erkennt man die tiefe seines spieles.
leider hab ich auch gelesen das seine nervenstärke nicht die
allerbeste zu sein scheint, weswegen ihm die allerhöchsten ehren
stets versagt blieben.
Kellerdrache - 07. Aug '16
Leko gehört ja auch in die Ahnenreihe von Petrosjan und Karpov - Positionsspieler, die taktische Verwicklungen vermeiden wie der Teufel das Weihwasser. So ist jedenfalls die herrschende Meinung. Hier jedoch packt er den inneren Tal oder Aljechin aus. Anand scheint wirklich zu überhaupt keinem Punkt in die Partie zu finden. Und wieder haben wir ein Beispiel welches sehr überzeugend die Bedeutung der Entwicklung im Schach darstellt.
Vabanque - 07. Aug '16
Aber auch von Petrosjan und Karpov gibt es doch herrliche taktische Partien - freilich nicht überwiegend. Ich hatte bezüglich Petrosjan schon mal zwei Beispiele gebracht, und hatte das auch schon bei Karpov vor. Als Spassky den ersten WM-Kampf gegen Petrosjan verloren hatte, beschrieb er ihn als 'first and foremost a stupendous tactician'. Das aus dem Munde eines Spielers, den man normalerweise eher so beschreiben würde!
Ähnlich auch Leko. Ich denke, dass generell ein Verteidigungsspieler sogar ein besserer Taktiker sein muss als ein Angriffssspieler, weil der Verteidiger die ganzen taktischen Möglichkeiten des Angreifers ebenfalls sehen muss, aber möglichst schon früher als jener! Und dies ist bei Leko der Fall, genau wie früher auch bei Petrosjan.
Normalerweise sucht Leko ja nicht den Angriff, aber wenn die Stellung dies erfordert, kann er angreifen, wie auch schon diese Beispiele zeigten:
/forum/topic.html?key=1db4b50caad1362fa&sv=6
/forum/topic.html?key=7c690de0bc1c40e2&sv=14
Ähnlich auch Leko. Ich denke, dass generell ein Verteidigungsspieler sogar ein besserer Taktiker sein muss als ein Angriffssspieler, weil der Verteidiger die ganzen taktischen Möglichkeiten des Angreifers ebenfalls sehen muss, aber möglichst schon früher als jener! Und dies ist bei Leko der Fall, genau wie früher auch bei Petrosjan.
Normalerweise sucht Leko ja nicht den Angriff, aber wenn die Stellung dies erfordert, kann er angreifen, wie auch schon diese Beispiele zeigten:
/forum/topic.html?key=1db4b50caad1362fa&sv=6
/forum/topic.html?key=7c690de0bc1c40e2&sv=14