Kommentierte Spiele

Bemerkenswerte Endspiele (XI)

Vabanque - 03. Dez '17
Häufig entsteht schon nach der Eröffnung eine Situation, in der beide Spieler an je einem Flügel eine Bauernmehrheit haben, z.B. Weiß am Königsflügel die e-h-Bauern gegen die schwarzen f-h-Bauern, Schwarz dafür die a-c-Bauern gegen die weißen a-b-Bauern.
Wir alle haben gelernt, dass solche Bauernmehrheiten vor allem im Endspiel die Bildung eines Freibauern ermöglichen, und dass es dafür essentiell ist, dass die Bauernmehrheit beweglich ist und nicht durch den Gegner gehemmt werden kann. Wir haben dabei sicher auch gelernt, dass ein Doppelbauer so eine Bauernmehrheit immobilisiert und sie daher für die so wichtige Bildung eines Freibauern quasi wertlos macht.
Vorliegende Partie scheint diese generelle Einschätzung jedoch auf den Kopf zu stellen. Weiß (ein niederländischer GM) hat hier nach der Eröffnung (einer 'Berliner Mauer') die erwähnte Bauernmehrheit am Königsflügel, während Schwarz (der damals erst 19-jährige Deutsch-Russe Leonid Kritz) die durch einen Doppelbauern 'entwertete' Mehrheit am Damenflügel besitzt. Trotzdem kommt die Mehrheit des Weißen überhaupt nicht in Bewegung, während die schwarze Mehrheit trotz des Doppelbauern dank sehenswerter Manöver bald einen siegreichen Freibauern zu bilden in der Lage ist. Dies mutet dann doch wie Zauberei an, und lässt einen einmal mehr an der Berechtigung allgemeiner 'Regeln' im Schach zweifeln. Zumindest zeigt es auf, dass solche 'Regeln' stets an der konkreten Situation auf dem Brett neu überprüft werden müssen.
Vom Sieger der Partie, der im gleichen Jahr (2003) den GM-Titel erwarbt, ist übrigens seit seiner Heirat im Jahr 2012 allem Anschein nach keine einzige Schachpartie mehr überliefert. Bezüglich dieses Umstands enthalte ich mich des Kommentars, schade ist es trotzdem.

Bedingt durch den Charakter der Partie, habe ich diesmal gerade im Endspiel das Gewicht etwas mehr auf konkrete Varianten gelegt. Ich bin auch ziemlich sicher, dass zumindest der Sieger einen Großteil davon während der Partie durchgerechnet haben muss.


Friso Nijboer Leonid Kritz Istanbul TUR | 10 | 2003.06.10 | C67 | 0:1
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 Sf6 4. O-O Sxe4 5. d4 Sd6 6. Lxc6 xc6 7. xe5 Sf5 8. Dxd8+ Kxd8 Die Grundstellung der so genannten 'Berliner Mauer', ein Eröffnungssystem, das hauptsächlich dadurch bekannt wurde, dass es Kramnik damit gelang, Kasparov im WM-Kampf 2000 zu besiegen. In früheren Zeiten galt dieses System als zweifelhaft, weniger wegen des schwarzen Rochadeverlustes, der durch den Damentausch und die wenig aktive Figurenstellung von Weiß hier kaum Bedeutung hat, als vielmehr durch die Situation der Bauernmehrheiten an den entsprechenden Flügeln. Stellt man sich nämlich im Geiste mal vor, dass alle Figuren mit Ausnahme der Könige vom Brett verschwunden wären, dann hätte Weiß in dem entstandenen Bauernendspiel gute Gewinnchancen, da seine Bauernmehrheit am Königsflügel einen Freibauern auf der e-Linie bilden kann, die schwarze Bauernmehrheit aber wegen des Doppelbauern nicht so leicht zu einem Freibauern führt (man spricht auch davon, dass die Mehrheit durch den Doppelbauern 'entwertet' ist). Die vorliegende Partie scheint dieses Urteil aber völlig auf den Kopf zu stellen. Während die weiße Königsflügelmehrheit nie eine Chance bekommt, gelingt es dem Schwarzen hier trotz Doppelbauern, einen Freibauern auf der a-Linie (in manchen Varianten auch auf der b-Linie) zu bilden. 9. Sc3 Ke8 10. h3 Le7 11. Lg5 Er möchte dem Schwarzen nicht das Läuferpaar lassen. Lxg5 12. Sxg5 h6 13. Sf3 h5 Beginn eines Plans, der die weiße Bauernmehrheit hemmen soll, was auch überzeugend gelingen wird. 14. Se2 Ke7 15. Sf4 g6 Der schwarze Springer soll über g7 nach e6 geführt werden. 16. Tfd1 Sg7 17. Td2 Td8 Dies muss allerdings geschehen, bevor Weiß auf der d-Linie die Türme verdoppelt hat! 18. Txd8 Kxd8 19. Kf1 Ke7 20. Ke2 a5 Es scheint fast, als ob Kritz an dieser Stelle schon seine spätere geniale Konzeption geplant hat. Wer würde hier ahnen, dass dieser Bauer 12 Züge später ein Freibauer sein wird? 21. Kd2 Se6 22. Sxe6 Lxe6 So weit der schwarze Plan am Königsflügel. Man sieht, dass die weißen Chancen, einen Freibauern auf der e-Linie zu erhalten, gleich null sind (dazu müsste er g2-g4, f2-f4-f5 und schließlich e5-e6 durchdrücken!). 23. Ke2 a4 24. Sg5 Lf5 Dafür ist dieser Läufer ein Aktivposten von Schwarz, während der weiße Springer ins Leere zielt. 25. Tc1 Um diesen wenig erfreulichen passiven Deckungszug kommt Weiß hier nicht herum, was zu beweisen scheint, dass mit dem weißen Spiel bereits etwas im Argen liegt.
Denn 25. c3? Ta5! (die Möglichkeit dieses Turmmanövers ist ein interessanter Vorzug des Bauernvorstoßes a5-a4!) 26. f4 (um den e-Bauern zu decken, oder Sf3) Tb5 würde den b-Bauern einbüßen!
c5 26. f4 c4 27. a3 c5 28. Td1! Der Niederländer gibt den c-Bauern her, um seinen Turm zu aktivieren. b5 Kritz aber zeigt kein Interesse. Er verfolgt stattdessen seinen Plan weiter.
Nach Lxc2?! 29. Td6 verfügte Weiß über die Möglichkeit Tf6 sowie Tb6, z.B. b5
Lf5 30. Tf6 Le6
Tf8 31. Tb6 Tb8 32. Tf6 kann zur Zugwiederholung führen
31. Sxe6 verliert den g-Bauern
30. Tf6 Tf8 31. Tb6
29. Td5?! Dieser scheinbar aktive Zug bringt Weiß in große Verlegenheit.
Es scheint, dass 29. c3 Ld3+ 30. Ke3 geboten war.
c3! Nun beginnt ein sehenswerter Tanz. 30. xc3
Nach 30. Txc5 b4!! (um zu vermeiden, dass der weiße Turm den nach cxb2 entstandenen schwarzen Freibauern von b5 aus stoppt)
xb2? 31. Txb5
31. Tc4 um den Bauern diesmal von b4 aus zu stoppen
nach 31. xc3? xa3 32. Td5 Lxc2 käme der weiße Turm nicht mehr zurecht, den schwarzen a-Bauern aufzuhalten
Tb8! und wieder droht cxb2 32. xc3 b3 nun kommt der weiße Springer gerade noch zurecht, sich gegen den Freibauern zu opfern 33. xb3 xb3 34. Sf3 b2 35. Sd2 b1=Q 36. Sxb1 Txb1 und in dieser Stellung hätte Weiß zwar 3 Bauern für die Figur, aber seine Königsflügelbauern sind gehemmt und die Damenflügelbauern zwar frei, aber isoliert. Schwarz ist im Vorteil.
b4 Im Gegensatz zu der in der vorigen Anmerkung ausgeführten Variante wird hier der a-Bauer (statt des b-Bauern) frei. 31. xb4 xb4 32. Tc5?!
32. xb4 a3
Lxc2 33. Tc5 a3 34. Txc2 a2 35. Tc7+ Ke8 36. Tc1 a1=Q 37. Txa1 Txa1 ergibt ein schwer zu beurteilendes Endspiel mit 2 Bauern für die Qualität (wobei Weiß wohl entweder den b-Bauern oder den g-Bauern einbüßen wird)
33. Td1 Lxc2 34. Ta1 a2 führt nach Lb1 zur Einsperrung des weißen Turms. (Allerdings bleibt die Frage offen, ob dies tatsächlich einen entscheidenden Gewinnfaktor für Schwarz darstellt.)
xa3 33. Tc7+
33. Tc3 a2 34. Ta3 Lxc2 35. Txa2 Lb3 36. Ta3 Kd7 mit drohendem Königsmarsch nach b4 ist auch ungünstig für Weiß. Der Versuch des Textzuges, den Läufer zurückzuwerfen, bessert die Lage aber nicht, im Gegenteil.
Ld7 34. Tc3 Tc8 35. Kd2?!
35. Txa3 Txc2+ 36. Kf1
36. Kf3 Lc6+
Lb5+ sieht auch nicht schön aus. Der weiße König bleibt am Rand eingesperrt, und die schwarzen Figuren überflügeln die weißen an Aktivität bei weitem; nach folgendem Lc4, was den f-Bauern noch einmal überdeckt, kann sich der schwarze König auf die Reise gen b4 machen. Der Textzug verliert allerdings forciert, da er in eine hübsche Zugzwangsituation mündet.
Txc3 36. Kxc3 Nun hat Schwarz zwar einen Doppelbauern, und der weiße König ist im Quadrat, aber wegen der Anwesenheit des Bauern c2 kann der weiße König keinen einzigen Zug mehr machen, ohne den schwarzen a-Bauern laufen zu lassen, so dass Weiß jetzt schnell in Zugzwang gerät. h4! Da haben wir es schon. Nun kann nur noch der weiße Springer ziehen, der zwar noch den h-Bauern erobert, doch nützt ihm dies nichts mehr. 37. Sf3 Lc6 38. Sxh4 Le4 Nun kann auf weißer Seite nur noch der g-Bauer ziehen. 39. g4
39. g3 Ke6
g5 am einfachsten 40. xg5 Ke6 41. Sf5
41. g6 xg6 42. Sxg6 Lxg6 43. h4 Kxe5 44. h5 Lxh5 45. xh5 Kf5
Lxf5 42. xf5+ Kxf5 43. h4 Kg6 Mit immer noch einem Mehrbauern sieht sich Weiß gezwungen, dieses Bauernendspiel aufzugeben, denn nun ist der Zugzwang perfekt. Nachdem alle Bauernzüge verbraucht und damit alle weißen Königsflügelbauern verspeist sind, muss sich der weiße König dann eben doch bewegen und damit dem a-Bauern den Weg freigeben. Ein ebenso ungewöhnliches wie von Kritz überzeugend vorgetragendes Endspiel.
PGN anzeigen[Event "4th IECC"]

[Event "?"]
[Site "Istanbul TUR"]
[Date "2003.06.10"]
[Round "10"]
[White "Friso Nijboer"]
[Black "Leonid Kritz"]
[Result "0-1"]
[WhiteElo "2562"]
[BlackElo "2468"]
[ECO "C67"]

1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 Nf6 4. O-O Nxe4 5. d4 Nd6 6. Bxc6 dxc6 7. dxe5 Nf5
8. Qxd8+ Kxd8 {Die Grundstellung der so genannten 'Berliner Mauer', ein
Eröffnungssystem, das hauptsächlich dadurch bekannt wurde, dass es Kramnik
damit gelang, Kasparov im WM-Kampf 2000 zu besiegen. In früheren Zeiten galt
dieses System als zweifelhaft, weniger wegen des schwarzen Rochadeverlustes,
der durch den Damentausch und die wenig aktive Figurenstellung von Weiß hier
kaum Bedeutung hat, als vielmehr durch die Situation der Bauernmehrheiten an
den entsprechenden Flügeln. Stellt man sich nämlich im Geiste mal vor, dass
alle Figuren mit Ausnahme der Könige vom Brett verschwunden wären, dann hätte
Weiß in dem entstandenen Bauernendspiel gute Gewinnchancen, da seine
Bauernmehrheit am Königsflügel einen Freibauern auf der e-Linie bilden kann,
die schwarze Bauernmehrheit aber wegen des Doppelbauern nicht so leicht zu
einem Freibauern führt (man spricht auch davon, dass die Mehrheit durch den
Doppelbauern 'entwertet' ist). Die vorliegende Partie scheint dieses Urteil
aber völlig auf den Kopf zu stellen. Während die weiße Königsflügelmehrheit nie
eine Chance bekommt, gelingt es dem Schwarzen hier trotz Doppelbauern, einen
Freibauern auf der a-Linie (in manchen Varianten auch auf der b-Linie) zu
bilden. } 9. Nc3 Ke8 10. h3 Be7 11. Bg5 {Er möchte dem Schwarzen nicht das
Läuferpaar lassen.} 11... Bxg5 12. Nxg5 h6 13. Nf3 h5 {Beginn eines Plans, der
die weiße Bauernmehrheit hemmen soll, was auch überzeugend gelingen wird.} 14.
Ne2 Ke7 15. Nf4 g6 {Der schwarze Springer soll über g7 nach e6 geführt werden.}
16. Rfd1 Ng7 17. Rd2 Rd8 {Dies muss allerdings geschehen, bevor Weiß auf der
d-Linie die Türme verdoppelt hat!} 18. Rxd8 Kxd8 19. Kf1 Ke7 20. Ke2 a5 {Es
scheint fast, als ob Kritz an dieser Stelle schon seine spätere geniale
Konzeption geplant hat. Wer würde hier ahnen, dass dieser Bauer 12 Züge später
ein Freibauer sein wird? } 21. Kd2 Ne6 22. Nxe6 Bxe6 {So weit der schwarze Plan
am Königsflügel. Man sieht, dass die weißen Chancen, einen Freibauern auf der
e-Linie zu erhalten, gleich null sind (dazu müsste er g2-g4, f2-f4-f5 und
schließlich e5-e6 durchdrücken!).} 23. Ke2 a4 24. Ng5 Bf5 {Dafür ist dieser
Läufer ein Aktivposten von Schwarz, während der weiße Springer ins Leere
zielt.} 25. Rc1 {Um diesen wenig erfreulichen passiven Deckungszug kommt Weiß
hier nicht herum, was zu beweisen scheint, dass mit dem weißen Spiel bereits
etwas im Argen liegt.} ( {Denn} 25. c3 $2 Ra5 $1 {(die Möglichkeit dieses
Turmmanövers ist ein interessanter Vorzug des Bauernvorstoßes a5-a4!)} 26. f4
{(um den e-Bauern zu decken, oder Sf3)} 26... Rb5 {würde den b-Bauern
einbüßen!} ) 25... c5 26. f4 c4 27. a3 c5 28. Rd1 $1 {Der Niederländer gibt den
c-Bauern her, um seinen Turm zu aktivieren.} 28... b5 { Kritz aber zeigt kein
Interesse. Er verfolgt stattdessen seinen Plan weiter.} ( {Nach} 28... Bxc2 $6
29. Rd6 {verfügte Weiß über die Möglichkeit Tf6 sowie Tb6, z.B. } 29... b5 (
29... Bf5 30. Rf6 Be6 (30... Rf8 31. Rb6 Rb8 32. Rf6 {kann zur Zugwiederholung
führen} ) 31. Nxe6 {verliert den g-Bauern} ) 30. Rf6 Rf8 31. Rb6) 29. Rd5 $6
{Dieser scheinbar aktive Zug bringt Weiß in große Verlegenheit.} ( {Es
scheint, dass} 29. c3 Bd3+ 30. Ke3 {geboten war.} ) 29... c3 $1 {Nun beginnt
ein sehenswerter Tanz.} 30. bxc3 ( {Nach} 30. Rxc5 b4 $3 {(um zu vermeiden,
dass der weiße Turm den nach cxb2 entstandenen schwarzen Freibauern von b5 aus
stoppt)} (30... cxb2 $2 31. Rxb5) 31. Rc4 {um den Bauern diesmal von b4 aus zu
stoppen} ( {nach} 31. bxc3 $2 bxa3 32. Rd5 Bxc2 {käme der weiße Turm nicht
mehr zurecht, den schwarzen a-Bauern aufzuhalten} ) 31... Rb8 $1 {und wieder
droht cxb2} 32. bxc3 b3 {nun kommt der weiße Springer gerade noch zurecht, sich
gegen den Freibauern zu opfern } 33. cxb3 axb3 34. Nf3 b2 35. Nd2 b1=Q 36. Nxb1
Rxb1 {und in dieser Stellung hätte Weiß zwar 3 Bauern für die Figur, aber seine
Königsflügelbauern sind gehemmt und die Damenflügelbauern zwar frei, aber
isoliert. Schwarz ist im Vorteil.} ) 30... b4 {Im Gegensatz zu der in der
vorigen Anmerkung ausgeführten Variante wird hier der a-Bauer (statt des
b-Bauern) frei.} 31. cxb4 cxb4 32. Rc5 $6 (32. axb4 a3 (32... Bxc2 33. Rc5 a3
34. Rxc2 a2 35. Rc7+ Ke8 36. Rc1 a1=Q 37. Rxa1 Rxa1 {ergibt ein schwer zu
beurteilendes Endspiel mit 2 Bauern für die Qualität (wobei Weiß wohl entweder
den b-Bauern oder den g-Bauern einbüßen wird)} ) 33. Rd1 Bxc2 34. Ra1 a2 {führt
nach Lb1 zur Einsperrung des weißen Turms. (Allerdings bleibt die Frage offen,
ob dies tatsächlich einen entscheidenden Gewinnfaktor für Schwarz darstellt.)}
) 32... bxa3 33. Rc7+ (33. Rc3 a2 34. Ra3 Bxc2 35. Rxa2 Bb3 36. Ra3 Kd7 {mit
drohendem Königsmarsch nach b4 ist auch ungünstig für Weiß. Der Versuch des
Textzuges, den Läufer zurückzuwerfen, bessert die Lage aber nicht, im
Gegenteil.} ) 33... Bd7 34. Rc3 Rc8 35. Kd2 $6 (35. Rxa3 Rxc2+ 36. Kf1 (36. Kf3
Bc6+) 36... Bb5+ {sieht auch nicht schön aus. Der weiße König bleibt am Rand
eingesperrt, und die schwarzen Figuren überflügeln die weißen an Aktivität bei
weitem; nach folgendem Lc4, was den f-Bauern noch einmal überdeckt, kann sich
der schwarze König auf die Reise gen b4 machen. Der Textzug verliert allerdings
forciert, da er in eine hübsche Zugzwangsituation mündet.} ) 35... Rxc3 36.
Kxc3 {Nun hat Schwarz zwar einen Doppelbauern, und der weiße König ist im
Quadrat, aber wegen der Anwesenheit des Bauern c2 kann der weiße König keinen
einzigen Zug mehr machen, ohne den schwarzen a-Bauern laufen zu lassen, so dass
Weiß jetzt schnell in Zugzwang gerät.} 36... h4 $1 {Da haben wir es schon. Nun
kann nur noch der weiße Springer ziehen, der zwar noch den h-Bauern erobert,
doch nützt ihm dies nichts mehr.} 37. Nf3 Bc6 38. Nxh4 Be4 {Nun kann auf weißer
Seite nur noch der g-Bauer ziehen.} 39. g4 (39. g3 Ke6) 39... g5 {am
einfachsten} 40. fxg5 Ke6 41. Nf5 (41. g6 fxg6 42. Nxg6 Bxg6 43. h4 Kxe5 44. h5
Bxh5 45. gxh5 Kf5) 41... Bxf5 42. gxf5+ Kxf5 43. h4 Kg6 {Mit immer noch einem
Mehrbauern sieht sich Weiß gezwungen, dieses Bauernendspiel aufzugeben, denn
nun ist der Zugzwang perfekt. Nachdem alle Bauernzüge verbraucht und damit alle
weißen Königsflügelbauern verspeist sind, muss sich der weiße König dann eben
doch bewegen und damit dem a-Bauern den Weg freigeben. Ein ebenso
ungewöhnliches wie von Kritz überzeugend vorgetragendes Endspiel.} 0-1
skorpion14 - 03. Dez '17
Guten Abend Vabanque!

Recht herzlichen Dank für diese Partie, die ich in vollen Zügen genossen habe. "Die Berliner Mauer" wurde meines Wissens von vielen Großmeistern gespielt, auch während Weltmeisterschaften, oder?
Von Leonid Kritz habe ich in einer Datenbank 39 weitere Partien bis zum Jahr 2015 gefunden, allerdings hatte er zwischen April 2012 und November 2013 wohl eine längere Hochzeitsreise. :-)))

de.chesstempo.com/gamedb/player/111278

Wenn man auf der entsprechenden Seite etwas herunterscrollt, kommt man auf die Partien von L. Kritz.

Viele Grüße,
Burkhard
Vabanque - 04. Dez '17
Tja, da hätte ich wohl doch die chesstempo-Datenbank konsultieren sollen, eigentlich ist es mir ja bekannt, dass man da oft noch Partien findet, die in anderen Datenbanken (die nur die großen Turniere listen) nicht vorkommen ...

Jedenfalls danke für den Hinweis :)

Und was die 'Berliner Mauer' als Eröffnung betrifft: ich kenne mich da ehrlich gesagt null aus. Ich spiele das selber nicht (ich interessiere mich eigentlich nur für Systeme mit Schwarz, die schnell aktives Gegenspiel versprechen, und da gehört diese komische Mauer sicher nicht dazu), und deswegen schaue ich mir eigentlich auch nicht bewusst dazu Partien an. Auf diese hier wurde ich auch nur durch das schöne Endspiel aufmerksam.
Ich weiß natürlich, wie oben geschrieben, dass Kramnik die Mauer erfolgreich im 2000er WM-Kampf gegen Kasparov gespielt hat, aber ob diese Eröffnung in anderen WM-Kämpfen auch noch vorkam, oder welche GMs dieses System präferieren ... ich kann es dir leider nicht sagen :(
skorpion14 - 05. Dez '17
Hallo Vabanque!

Es hatte mich einfach neugierig gemacht, ob man noch weitere Partien von Leonid Kritz finden kann, der mir bis dato völlig unbekannt war.
Es spricht anscheinend für Dein Schachverständnis, daß Du selbst ein solches System wie die Berliner Verteidigung analysieren und kommentieren kannst, obwohl Du es selbst nicht spielst. Da recke ich doch beide Daumen hoch!
Ach, ich werde alt: in den Weltmeisterschaften 2013 und 2014 spielten Anand und
Magnus Carlsen je viermal diese Variante.
An dieser Stelle sei Dir für Deine kommentierten Spiele überhaupt gedankt - der Dank geht auch an Kellerdrache. Ihr beide seid ja die Hauptprotagonisten hier.
Macht bitte weiter so und laßt Euch nicht beirren.

Viele Grüße,
Burkhard
Kellerdrache - 05. Dez '17
Ich bin selber ja nicht so der Endspielkönig. Von daher hatte ich schon Befürchtungen ich würde die Partie nicht verstehen. Aber mit deinen sachkundigen und gleichzeitig 'einfachen' Erläuterungen habe selbst ich diese Partie verstanden.
Obwohl die Protagonisten nicht so bekannt sind handelt es sich um eine der wenigen Partien mit dieser Eröffnung die ganz ansehnlich geraten ist. Ihren Ruf verdankt die Berliner Mauer vor allem dem WM-Kampf Kasparov-Kramnik. Dort schaffte es selbst der unerschöpflich kreative Angreifer Kasparov nicht Löcher in der Mauer zu finden. Ansonsten findet die Variante hauptsächlich dann Einsatz wenn der Schwarze unbedingt ein Remis will und keine Gewinnversuche unternehmen will.
Vabanque - 05. Dez '17
>> in den Weltmeisterschaften 2013 und 2014 spielten Anand und
Magnus Carlsen je viermal diese Variante.<<

Danke, das hatte ich wirklich ausgeblendet, obwohl ich damals die Partien mit Sicherheit gesehen hatte. Gesehen und wieder vergessen vermutlich. Also haben sie mich wohl nicht vom Hocker gehauen. Aber wie Kellerdrache richtig schreibt, Partien mit diesem System sind selten der Reißer ;)

Danke für die Blumen an euch beide :)
Aber wie ihr ja auch bemerkt habt, tat ich mich schwer, die Endstellungen mancher Varianten zu beurteilen.
patzer0815 - 05. Dez '17
Ich meine mich zu erinnern, dass für Weiß empfohlen wird a2-a4 zu spielen um a5-a4 dauerhaft zu verhindern.
Die aktuelle Partie zeigt sehr schön warum das so wichtig ist.