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Heutiges Schachzitat 19.11.2024

Tagliaferro - 19. Nov '24
In der Lobby steht

"Nur der Spieler mit der Initiative hat das Recht anzugreifen."
— Wilhelm Steinitz

Das Zitat verstehe ich nicht wirklich. Ist es authentisch? Wenn ja, ist es ernst gemeint? Ist es dann der damaligen Vorstellung von Schach geschuldet? Heute noch berechtigt? Fragen über Fragen..ich spiele meist nach dem Motto 'Kraft meiner Wassersuppe' bzw. bis zur letzten Idee und da greife ich aus jeder Lage an, wenn sich die Möglichkeit bietet.
Vielleicht gibt es ja Erkenntnisse von seiten der Schach-Connaisseure dieser Community?
Vabanque - 19. Nov '24
Das Zitat klingt zumindest für mich authentisch. Steinitz war ja einer der Ersten, die schachliche Grundsätze schriftlich niedergelegt haben. Später haben dann Tarrasch und Lasker die Steinitzschen Theorien gründlicher und detaillierter ausgearbeitet und ähnliche Formulierungen gefunden.
Stinkwanze - 19. Nov '24
Ich bin der Meinung das jeder der Schach spielt das Recht hat den Gegner anzugreifen, den es ist eine legale Entscheidung.

Stinkwanze
Vabanque - 19. Nov '24
So meinte es Steinitz nicht. Er meinte, dass ein Angriff nur dann Erfolg versprechend ist, wenn bestimmte Grundvoraussetzungen der Stellung bereits gegeben sind. Sind diese nicht gegeben, und man greift trotzdem an (wie viele Spieler es damals taten und auch heute noch tun), so ist dieser Angriff zum Scheitern verurteilt, falls der Gegner sich korrekt gegen so einen Angriff verteidigt.
Stinkwanze - 19. Nov '24
Dass bestimmte Voraussetzungen für einen Angriff gegeben sein müssen, ist eigentlich logisch.
Es gab aber Spiele, wo diese Annahme zerlegt wurde und der angegriffene siegte.
 So ist nun mal Schach.
Stinkwanze - 19. Nov '24
Das Zitat verstehe ich nicht wirklich, ist es überheblich? Arrogant?oder einfach Genial
Hasenrat - 19. Nov '24 Bearbeitet
Und wenn es doch - auch - "ritterlich" gemeint ist - à la nur der, der leicht besser steht, und/oder der mit der besseren Wertungszahl hat das Recht, Remis anzubieten?
Hasenrat - 19. Nov '24
Oder nur der, der verloren hat, darf eine neue Partie fordern.

Ein kl. Kompendium ritterlichen Schachs in heutiger Zeit wäre mal fein! 😉
Stinkwanze - 19. Nov '24
Ich finde eine Sonnenblende mit ausziehbarem Balgen wäre die Lösung.
SCHERZ !!!!!

Bei Kompendium handelt es sich um ein Lehnwort aus dem Lateinischen, d. h. einen Latinismus.

Bedeutung/Definition
1) kurz gefasstes Lehrbuch, Handbuch, Leitfaden, Übersicht, Abriss [Gebrauch: Allgemein]
2) Sammlung von Schriftwerken [Gebrauch: Allgemein]
3) eine Sonnenblende mit ausziehbarem Balgen; ausziehbare Sonnenblende; die verstellbare Gegenlichtblende einer Großformatkamera .
Vabanque - 19. Nov '24
Nein, Steinitz verstand dies in rein schachtheoretischer Weise.
Hasenrat - 19. Nov '24
Dafür ist es aber nicht nüchtern genug formuliert. ... sollte angreifen ..., hat die besten Chancen, anzugreifen ..., ... kann gut mal angreifen ...
Hasenrat - 19. Nov '24
Zumal es auch schachtheotetisch unsinnig ist. Denn einen Angriff beantwortet man am besten postwendend mit einem Gegenangriff. Den auf einem Flügel, mit einem im Zentrum z. B.
Oli1970 - 20. Nov '24
Aus KARL 4/03 ( karlonline.org/403_2):
"[Steinitz] stellte fest, dass viele der „genialen“ Angriffe nur deshalb zum Sieg führten, weil der Gegner sich schlecht verteidigt hatte. Zwangsläufig tauchte die Frage auf, wann ein Angriff gerechtfertigt war und Aussicht auf Erfolg hatte. Steinitz‘ Antwort lautete, dass ein Angriff nur dann eine Berechtigung hat, wenn das ursprüngliche Gleichgewicht der Stellung gestört worden ist und eine Seite über ein beträchtliches Übergewicht verfügt. Gestört werden kann das Gleichgewicht der Stellung aber nur durch einen Fehler einer Seite – wenn beide Parteien korrekt spielen, bleibt die Stellung ausgeglichen, alle Angriffe wären verfrüht und müssten bei korrekter Verteidigung zum Verlust führen."

Mehr oder weniger ähnlich nachzulesen in "The Modern Chess Instructor". Mit "Gleichgewicht der Stellung" ist gemeint, dass der Angreifer genügend (positionelle) Vorteile erspielt haben muss, damit sein Angriff eine Chance auf Erfolg hat.

Steinitz erläuterte seine "Moderne Schule" in vielen Worten, meine Vermutung ist, das Zitat ist ihm später als "griffige Zusammenfassung" in den Mund gelegt worden. Steinitz betonte die Bedeutung der Position und der strategischen Vorbereitung, bevor man einen Angriff startet, "Initiative" im Sinne einer langfristigen Kontrolle über das Spielgeschehen, die wichtiger ist, als kurzfristige taktische Manöver. In "The Modern Chess Instructor" wird der Begriff "Initiative" m. W. nicht verwendet. Wer nachlesen möchte, bitte sehr: ia801301.us.archive.org/20/items/cu31924029919481/cu3192402991.. - Kapitel 6.

Frühestes nachgewiesenes Vorkommen des Begriff "Initiative" im Zusammenhang mit Schach bisher 1846, nachzulesen in Chess Note 12041: chesshistory.com/winter/index.html#CN_12041
Vabanque - 20. Nov '24
>> Zwangsläufig tauchte die Frage auf, wann ein Angriff gerechtfertigt war und Aussicht auf Erfolg hatte. Steinitz‘ Antwort lautete, dass ein Angriff nur dann eine Berechtigung hat, wenn das ursprüngliche Gleichgewicht der Stellung gestört worden ist und eine Seite über ein beträchtliches Übergewicht verfügt.<<

Ja, so kannte ich das auch. Das steht so oder so ähnlich nicht nur im KARL, sondern auch in etlichen Lehrbüchern, in denen die Bedeutung von Steinitz als Begründer des Positionsspiels hervorgehoben wird. In diesem Sinne habe ich auch das mit dem 'Recht anzugreifen' verstanden.
Oli1970 - 20. Nov '24 Bearbeitet
Ich glaube, Verwirrung besteht wegen der möglichen Interpretation von "Initiative" als ersten Schritt. Nach Steinitz, Tarrasch etc. soll der erste Schritt (zum Angriff) erst erfolgen, wenn man die langfristige Kontrolle in Form der Summe von genügend vielen Vorteilen erreicht hat. Für ihn gehörte dazu, die eigene Stellung nicht zu schwächen, also quasi auch Initiative in der Verteidigung / Sicherheit im Sinne eines vollständig gesunden Spiels. Oder auch, dass der Anzugsvorteil nicht den Gegenwert eines Bauern hat und man deshalb jeden Bauern verteidigen müsse - Minderwertigkeit des Gambit-Spiels.

Auf die eingangs gestellte Frage: "Ist es dann der damaligen Vorstellung von Schach geschuldet?" müsste die Antwort wohl "Ganz im Gegenteil" lauten, denn die damalige Vorstellung war eher romantisch - kühne Attacken, großartige Opfer und geistreiche Kombinationen als meisterliches Spiel. Steinitz erkannte, dass viele Spiele oft nur gewonnen werden konnten, weil der Gegner Fehler machte, nicht, weil das eigene Spiel besonders brillant war.
Karpov65 - 21. Nov '24
Und das sagt die ChatGPT dazu:

Das Zitat von Wilhelm Steinitz betont die Bedeutung der Initiative im Schach, also die Fähigkeit, das Spielgeschehen aktiv zu kontrollieren und den Gegner unter Druck zu setzen.

Interpretation:

Initiative als Voraussetzung für Angriff:
Steinitz meint, dass ein Angriff im Schach nur dann Erfolg haben kann, wenn der Angreifer die Kontrolle über das Spiel besitzt. Ohne Initiative – also ohne aktiven Druck auf den Gegner – sind Angriffe oft unüberlegt, riskant und führen eher zu einem Konter als zum Erfolg.

Disziplin und Timing:
Es ist eine Warnung, dass Angriffe aus ungünstigen Positionen oder ohne ausreichende Vorbereitung scheitern. Ein Spieler, der nicht die Initiative hat, sollte stattdessen verteidigen und geduldig auf Chancen warten.

Strategische Lektion:
Steinitz propagiert hier seinen Ansatz der Schachstrategie, der auf einer soliden Position basiert. Zunächst wird eine stabile Ausgangsposition aufgebaut, dann Schritt für Schritt Druck erzeugt – erst dann ist ein Angriff gerechtfertigt.

Das Zitat fasst also zusammen, dass effektive Angriffe nicht aus einem impulsiven Wunsch entstehen, sondern das Ergebnis von strategischer Kontrolle und Vorteilen auf dem Brett sind.
Hasenrat - 21. Nov '24
Dogmatismus!
😁
Oli1970 - 21. Nov '24
Dogmatismus = „Auf den Hund gekommen“? 🤣🤣🤣