Kommentierte Spiele

Spektakuläre Schwarzsiege (IV): Kengis - Djurhuus 1991

Vabanque - 22. Sep '16
In dieser Partie zeigt uns der 8-malige lettische Meister, GM Edvins Kengis, wie man mit Weiß gegen Französisch _nicht_ spielen darf! Sein Gegner, der damals erst 21 Jahre junge Norweger Rune Djurhuus, der im gleichen Jahr die Junioren-Europameisterschaft gewann, macht mit Kengis kurzen Prozess und knüpft für dessen König ein unzerreißbares Mattnetz.
Hier kommt es zwar bloß zu einer kurzen Königsjadg, trotzdem enthält die Partie eine ebensolche Fülle an schönen und lehrreichen Mattbildern wie die Partie Topalov-Barejew.


Edvins Kengis Rune Djurhuus Gausdal Int | Gausdal | 5 | 1991 | C05 | 0:1
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sd2 Die Tarrasch-Variante, die zwar den Lc1 verstellt, sich dafür aber die Möglichkeit vorbehält, den Bauern auf das thematische c7-c5 mit c2-c3 zu decken. Sf6 4. e5 Sfd7 5. f4 Hier kommt Ld3 häufiger vor und ist wahrscheinlich auch empfehlenswerter. c5 6. c3 Sc6 7. Sdf3 Db6 Weiß ist es zwar gelungen, seine Bauernkette intakt zu halten, doch setzt Schwarz das weiße Bauernzentrum gewaltig unter Druck. 8. Se2 xd4 9. xd4 Le7 10. a3 Wahrscheinlich unnötig; Sc3 macht einen besseren Eindruck. Der weiße Plan, diesen Springer nach g3 zu führen, bewährt sich nicht. O-O 11. Sg3 f6 Normalerweise soll man (laut Nimzowitsch) ja die Basis der Bauernkette beschießen, hier also d4. Da in vorliegendem Fall der Angriff gegen die Basis aber nicht mehr verstärkt werden kann, wendet sich Schwarz der Spitze der weißen Bauernkette zu. Durch die vielen Bauernzüge und die dadurch vernachlässigte Entwicklung in Verbindung mit dem im der Mitte verbliebenen König ist die weiße Stellung bereits gefährdet. 12. Ld3 Droht zu rochieren. xe5
Der weiße Bauernrasen im Zentrum wird jetzt gesprengt. Auf d4 ist natürlich kein Bauer zu gewinnen wegen Sxd4 13. Sxd4 Dxd4?? 14. Lxh7+ mit Damengewinn; ein typischer, in Französisch oft vorkommender Reinfall!
13. xe5 Hofft immer noch zur Rochade zu kommen. Sxe5!! Unter Figurenopfer wird das einstmals so stolze weiße Bauernzentrum vollständig eliminiert und gleichzeitig die weiße Rochade verunmöglicht. 14. xe5 Sxe5 15. Le2?!
Natürlich nicht 15. Sxe5 Df2# Der beste weiße Versuch (und zugleich der Prüfstein der Korrektheit des schwarzen Figurenopfers (das im Übrigen in ähnlicher Form in Französisch häufig vorkommt und schon in den 80er Jahren des 19. Jh. von Tarrasch gespielt wurde!) bestand wohl in 15. De2.
Ld7! Schwarz lässt den Se5 weiter hängen, obwohl kein direktes Matt mehr folgt. 16. Sxe5? Wie fast immer in dieser Art von Kurzpartien mit Schwarzsiegen, lässt Weiß es sich wieder mal zeigen; aber man kann es ihm nicht verübeln, denn eine wirklich gute Fortsetzung für Weiß ist nirgends zu sehen. Df2+ 17. Kd2 Tac8! Schneidet dem weißen König den Weg ab. Die Drohung ist Lg5+ nebst Lb5+. 18. Db3
Verhindert ein Läuferschach auf b5. Aber ließ sich der Läufer denn nicht einfach nehmen? Nein! Auf 18. Sxd7 Lg5+ 19. Kd3 Tf4!! (droht Matt auf d4) wird Weiß ganz ähnlich mattgesetzt wie in der Partie: 20. Lxf4
20. Le3 Tf3!!
Dxf4
droht Matt auf e3 und auf c4; nicht aber Lxf4?? wegen 21. Dg1!
Lg5+ 19. Kd3
19. Kd1 (was Weiß vielleicht mit seinem vorigen Zug noch beabsichtigt hatte) nützt auch nichts: Dd4+ 20. Dd3
20. Sd3 La4
20. Ke1 Txc1+! 21. Txc1 Dd2#
La4+ 21. Ke1 Df2#
Tf4!! Das oben schon erwähnte Motiv. Es droht Matt auf d4. 20. Sf3
Schlagen des Turms bringt nichts wegen 20. Lxf4 Dxf4! nach Lxf4? könnte noch Sg4 geschehen; jetzt aber droht nicht nur Matt auf e3, sondern auch auf d2 21. Sf1 deckt scheinbar beides De4#!
Le8!
Nun greift die letzte Ressource ein; Weiß gab wegen der unparierbaren Drohung Lg6+ auf: Le8 21. Lxf4
21. Le3 Txf3!
Lxf4 droht zusätzlich De3# 22. Sf5 Lg6 und neben Lxf5# droht auch wieder De3#, da der Sf5 ja jetzt gefesselt ist! Eine sehr lehrreiche Umzingelung des weißen Königs.
PGN anzeigen[Event "Gausdal Int"]
[Site "Gausdal"]
[Date "1991.??.??"]
[EventDate "?"]
[Round "5"]
[Result "0-1"]
[White "Edvins Kengis"]
[Black "Rune Djurhuus"]
[ECO "C05"]
[WhiteElo "?"]
[BlackElo "?"]
[PlyCount "40"]

1. e4 e6 2. d4 d5 3. Nd2 {Die Tarrasch-Variante, die zwar den Lc1 verstellt, sich dafür aber die Möglichkeit vorbehält, den Bauern auf das thematische c7-c5 mit c2-c3 zu decken.} Nf6 4. e5 Nfd7 5. f4 {Hier kommt Ld3 häufiger vor und ist wahrscheinlich auch empfehlenswerter.} c5 6. c3 Nc6 7. Ndf3 Qb6 {Weiß ist es zwar gelungen, seine Bauernkette intakt zu halten, doch setzt Schwarz das weiße Bauernzentrum gewaltig unter Druck.} 8. Ne2
cxd4 9. cxd4 Be7 10. a3 {Wahrscheinlich unnötig; Sc3 macht einen besseren Eindruck. Der weiße Plan, diesen Springer nach g3 zu führen, bewährt sich nicht.} 0-0 11. Ng3 f6 {Normalerweise soll man (laut Nimzowitsch) ja die Basis der Bauernkette beschießen, hier also d4. Da in vorliegendem Fall der Angriff gegen die Basis aber nicht mehr verstärkt werden kann, wendet sich Schwarz der Spitze der weißen Bauernkette zu. Durch die vielen Bauernzüge und die dadurch vernachlässigte Entwicklung in Verbindung mit dem im der Mitte verbliebenen König ist die weiße Stellung bereits gefährdet.} 12. Bd3 {Droht zu rochieren.} fxe5 ({Der weiße Bauernrasen im Zentrum wird jetzt gesprengt. Auf d4 ist natürlich kein Bauer zu gewinnen wegen} 12... Nxd4 13. Nxd4 Qxd4?? 14. Bxh7+ {mit Damengewinn; ein typischer, in Französisch oft vorkommender Reinfall!}) 13. fxe5 {Hofft immer noch zur Rochade zu kommen.} Ndxe5!! {Unter Figurenopfer wird das einstmals so stolze weiße Bauernzentrum vollständig eliminiert und gleichzeitig die weiße Rochade verunmöglicht.} 14. dxe5
Nxe5 15. Be2?! ({Natürlich nicht} 15. Nxe5 Qf2# {Der beste weiße Versuch (und zugleich der Prüfstein der Korrektheit des schwarzen Figurenopfers (das im Übrigen in ähnlicher Form in Französisch häufig vorkommt und schon in den 80er Jahren des 19. Jh. von Tarrasch gespielt wurde!) bestand wohl in 15. De2.}) Bd7! {Schwarz lässt den Se5 weiter hängen, obwohl kein direktes Matt mehr folgt.} 16. Nxe5? {Wie fast immer in dieser Art von Kurzpartien mit Schwarzsiegen, lässt Weiß es sich wieder mal zeigen; aber man kann es ihm nicht verübeln, denn eine wirklich gute Fortsetzung für Weiß ist nirgends zu sehen.} Qf2+ 17. Kd2 Rac8! {Schneidet dem weißen König den Weg ab. Die Drohung ist Lg5+ nebst Lb5+.} 18. Qb3 ({Verhindert ein Läuferschach auf b5. Aber ließ sich der Läufer denn nicht einfach nehmen? Nein! Auf} 18. Nxd7 Bg5+ 19. Kd3 Rf4!! {(droht Matt auf d4) wird Weiß ganz ähnlich mattgesetzt wie in der Partie:} 20. Bxf4 (20. Be3 Rf3!!) Qxf4 ({droht Matt auf e3 und auf c4; nicht aber} 20... Bxf4?? {wegen} 21. Qg1!))
18... Bg5+ 19. Kd3 (19. Kd1 {(was Weiß vielleicht mit seinem vorigen Zug noch beabsichtigt hatte) nützt auch nichts:} Qd4+ 20. Qd3 (20. Nd3 Ba4) (20. Ke1 Rxc1+! 21. Rxc1
Qd2#) 20... Ba4+ 21. Ke1 Qf2#) 19... Rf4!! {Das oben schon erwähnte Motiv. Es droht Matt auf d4.} 20. Nf3 ({Schlagen des Turms bringt nichts wegen} 20. Bxf4 Qxf4! {nach Lxf4? könnte noch Sg4 geschehen; jetzt aber droht nicht nur Matt auf e3, sondern auch auf d2} 21. Nf1 {deckt scheinbar beides} Qe4#!) Be8! ({Nun greift die letzte Ressource ein; Weiß gab wegen der unparierbaren Drohung Lg6+ auf:} 20... Be8 21. Bxf4 (21.
Be3 Rxf3!) 21... Bxf4 {droht zusätzlich De3#} 22. Nf5 Bg6 {und neben Lxf5# droht auch wieder De3#, da der Sf5 ja jetzt gefesselt ist! Eine sehr lehrreiche Umzingelung des weißen Königs.}) 0-1
Kellerdrache - 23. Sep '16
Vielleicht spielt Kengis ja nicht oft Französisch. In vielen Aspekten ähnelt diese Partie der letzten. Es sind eher die strategischen Ungenauigkeiten als spektakuläre Patzer die die Stellung "kombinationsreif" machen.
Djurhuus Schlußangriff ist aber wirklich sehr überzeugend. Auch wenn der Angriff nicht so lange gedauert hat musste er hier schon einiges durchrechnen. Ein alter Schachspruch lautet ja "Es gibt nicht schwierigeres als eine gewonnene Stellung u gewinnen". Kengis sorgt mit seinem uninspirierten Franzosen sicher für eine überlegene Stellung für Schwarz, doch das heißt ja nicht, dass sich der Rest irgendwie von selbst spielt. Wer von uns könnte schon sagen dass er das genauso zu Ende gebracht hätte. Ich habe in meinem Schachleben schon häufiger Stellungen gehabt die ähnlich überlegen oder sogar noch besser waren. Oft genug sind die dann im Remis versandet weil ich den entscheidenden Hebel nie gefunden habe oder verloren gegangen weil ich irgendwo einen albernen Zwischenzug nicht mitgerechnet hatte.