Schach

Wie bereits in einem anderen Thread angekündigt, möchte ich die Sektion 'Schachthemen' durch kleine lehrreiche Einheiten beleben, die jeweils ein bestimmtes schachliches Thema illustrieren sollen.
Die Einheiten wenden sich hauptsächlich an die noch nicht so erfahrenen Spieler und sind daher einfach gestaltet; ich hoffe aber, dass die geübteren Spieler trotzdem noch einen Spaß daran haben.
Ich habe die Diagrammstellungen teilweise als kleine Aufgaben formuliert, möchte aber die stärkeren Spieler ausdrücklich bitten, nicht gleich die Lösung zu posten, sondern noch einige Tage damit zu warten, damit den weniger Geübten nicht die Freude genommen wird, selbst auf die Züge zu kommen.

Ich werde die Einheiten vermutlich in unregelmäßiger Folge posten, es wird also keinesfalls das 'tägliche Schachthema' geben, vielleicht das wöchentliche, vielleicht häufiger, vielleicht auch seltener, ich weiß noch nicht genau.

Als erstes Thema (das auch bereits mehr als eine Einheit hergeben wird) habe ich mir die Verwertung des Freibauern vorgenommen, und zwar die Erzwingung der Umwandlung mit Hilfe taktischer Kniffe, die zu kennen sicher für jeden Spieler von Vorteil ist.

In dieser Stellung



(Capablanca-Verbündete, London 1920)

spielten die Verbündeten 1... Td6, um nach 2. a7 den Bauern nach einem alten Rezept von hinten zu stoppen: 2... Ta6



Doch nun spielte Capablanca nicht etwa Tb7, um den Bauer zu decken, sondern gewann mit einem kleinen taktischen Witz (Stichwort: Ablenkung!) sofort.

Und ich hoffe, ihr seht den Gewinnzug ebenfalls sofort?

12 Jahre später ereignete sich in einer Partie Ragozin-Romanovsky (Leningrad 1932) die folgende Stellung mit Weiß am Zug:



Wie bringt Weiß seinen Freibauern zur Geltung? Gestützt auf ein erstes taktisches Motiv spielte Ragozin

1. Tc7!, denn jetzt kann Schwarz nicht Sxb6 schlagen wegen Tg7 matt (ein so hübsches Matt, dass es ein Diagramm verdient!),



aber die Kombination ist noch etwas länger, da Schwarz 1... e5 antworten kann.



Es folgte 2. b7 exd4 3. Txd7! (das zweite taktische Motiv, Beseitigung des Verteidigers der Grundreihe) Tb6 (wieder geht der Turm hinter den Freibauern):



Jetzt haben wir die gleiche Situation wie in der Capablanca-Partie vorliegen, und wieder gewinnt Weiß sofort mit dem Ablenkungs-'Knaller'.

Übrigens hätte es auch nichts mehr gebracht, wenn Schwarz den Freibauern (statt mit 36... Tb6) mit 36... Tf6+ 37. Ke4 Tb8 zu stoppen versucht hätte. Dann hätte nämlich der weiße Chef die Angelegenheit persönlich in die Hand genommen und Kd5 nebst Kc6 und Kc7 gespielt und den Bauern durchgedrückt:



Ein - wie ich finde - besonders hübsches Beispiel kam noch einmal 66 Jahre später am gleichen Ort vor, nur dass Leningrad jetzt wieder St. Petersburg hieß (Iwanow - Soloschenkin, 1998):



Schwarz am Zug gewann, in dem er das oben gezeigte Ablenkungsmotiv mit einem Zugzwangmotiv und einem Mattbild kombinierte. Wie schaffte er das?

Das soll es für die erste Folge schon gewesen sein, denn wir wollen ja einen leichten und für alle geeigneten Anfang. Natürlich habe ich noch weitere - teils kompliziertere - Beispiele rund um den Freibauern auf Lager, aber diese sollen einer zweiten Folge vorbehalten bleiben.

Sehr schön! Da freut man sich auf mehr im Laufe der Zeit.
So eine Serie schließt hier wirklich noch eine Lücke im Angebot!

Das sollte nicht nur mit Dank bedacht werden. Dank aber auf jeden Fall dem Autor.

Klasse ! Vor allem durch die vielen Diagramme leseleicht +dazu gut verständlich erkärt.@ Vabanque :Da hast Du Dir aber richtig Arbeit gemacht !

Klasse. Vorbildlich, was du für die cm-Gemeinde leistest. Den Capablanca-Gewinnzug habe ich schon herausgefunden, aber ich verrate natürlich nichts.

hübsche kombinationen. ich hoffe ja, dass ich das letzte diagramm wirklich gelöst habe und keinem denkfehler unterliege. die hinweise waren jedenfalls sehr hilfreich.

Danke schon mal für euren Dank!

Leider habe ich bereits selbst den Schreibfehlerteufel enttarnt:

In dem Text VOR dem 7. Diagramm ist in der gegebenen Variante erstens die Zugzählung die aus der Partie, und zweitens habe ich fälschlich Tb8 statt Tf8 geschrieben. Sorry! Aber das Diagramm zeigt den Zug korrekt.

Der entsprechende Text muss also korrekt lauten:

'Übrigens hätte es auch nichts mehr gebracht, wenn Schwarz den Freibauern (statt mit 3... Tb6) mit 3... Tf6+ 4. Ke4 Tf8 zu stoppen versucht hätte.'

So, jetzt sind mir selber noch zwei Verbesserungen im Konzept eingefallen, die die Übersichtlichkeit erleichtern sollen:

1) wäre es wahrscheinlich hilfreich, die Diagramme im Text durchzunummerieren, damit man sich besser auf sie beziehen kann

2) wäre es sicher gut, die in den Text eingebauten Fragestellungen kursiv zu schreiben, damit man schneller erfasst, welche Diagramme mit einer Aufgabe verbunden sind.

Dann wären nämlich im obigen Text die Diagramme Nr. 2, Nr. 6 und Nr. 8 mit einer Aufgabenstellung verbunden.

>>Tschechov - vor 13 Min.

Klasse. Vorbildlich, was du für die cm-Gemeinde leistest. Den Capablanca-Gewinnzug habe ich schon herausgefunden, aber ich verrate natürlich nichts.<<

Zumindest jetzt noch nicht :-)

>>toby84 - vor 5 Min.

hübsche kombinationen. ich hoffe ja, dass ich das letzte diagramm wirklich gelöst habe und keinem denkfehler unterliege. die hinweise waren jedenfalls sehr hilfreich.<<

Das letzte Diagramm ist natürlich absichtlich etwas anspruchsvoller. Da habe ich selber schon ein paar Minuten dran geknobelt, aber im Gegensatz zu euch hatte ich keine Hinweise vorliegen :-)

Zitat Vabanque :" Das letzte Diagramm ist natürlich absichtlich etwas anspruchsvoller".....hier kommt jetzt mein "Werbeblock" für Coffins' Schachaufgaben ...: das zugrunde liegende Motiv ist schon mehrfach dort aufgetaucht !
Anscheinend kann das Lösen von Schachproblemen auch für Partiestellungen
nützlich sein !

Warum kann ich jetzt darauf kommen, aber während einer Partie wäre mir das nie eingefallen?

>>Walwut - jetzt

Warum kann ich jetzt darauf kommen, aber während einer Partie wäre mir das nie eingefallen?<<

Weil das meistens so ist :D

Hier wirst du ja quasi mit der Nase drauf gestoßen: 'Schau dir die Stellung mal genau an, da ist was drin!'

In der eigenen Partie sagt dir dagegen niemand, dass jetzt grad was drin ist. Sonst kämst du wahrscheinlich da auch drauf.

Aus diesem Grunde schätze ich auch die Treppner-Testbuch-Reihe, mit den multiple-choice-Aufgaben - denn dort ist es so, dass manchmal tatsächlich nicht der große Taktikknüller in der Stellung ist, nicht? Das erkennen zu lernen, wo ist was drin, wo nicht, denn es schaut vielleicht nur so aus, dass was drin sein könnte, und wir täten gut daran, "bloß den besten Zug zu machen", um noch gut zu stehen ...

Also ich freue mich jetzt schon auf die kommenden Folgen, wie immer klar strukturiert und unterhaltsam.
Für mich sicher ein klasse Auffrischung des früher erlernten und mittlerweile wieder vergessenen Stoffes
:-)

Schön, wenn auch relativ starke Spieler durch die Beispiele und die Präsentation zumindest mal nicht gelangweilt sind :-)

Mitte der Woche löse ich dann die Fragen auf und bringe den 2. Teil vom 'Freibauer', den ich nämlich bereits verfasst habe.

Ich muss zugeben, das ich noch nie gelangweilt war von deinen Präsentationen, eher wäre das Gegenteil der Fall. Auch wenn ich nicht all zu oft Feedback gebe kannst du werter Vabanque, sowie die anderen SF die hier Schachthemen reinstellen, meiner interessierten Aufmerksamkeit sicher sein.

Interessanterweise habe ich das oberste Diagramm in meinem allerersten Schachbuch, welches mir in die Hände fiel, gesehen. Das Buch war glaube ich von Eduard (!) Lasker und behandelte das Endspiel. bin mir aber nicht mehr ganz so sicher.

Anm. Es wird wohl das Buch 'Moderne Schachstrategie' gewesen sein, ein
typisches Bibliotheken Schachbuch.

Danke für dein Feedback bzw. Dank an alle an das doch erstaunlich große Feedback, wenn man mal mit den Kommentierten Spielen vergleicht (wobei man natürlich die Tatsache sehen muss, dass die Kommentierten Spiele wesentlich anspruchsvoller sind).

Interessanterweise sind es halt doch eher wieder die stärkeren Spieler, die sich äußern, also genau die, deren Niveau eigentlich etwas über der beabsichtigten Zielgruppe liegt.

Aber so schlecht ist das gar nicht, denn Teil 2 ist sowieso eine Idee anspruchsvoller geraten.

Von Eduard Lasker besitze ich tatsächlich einige Bücher, da sie didaktisch gut gestaltet sind. Allerdings habe ich für diesen Artikel kein Buch von ihm zur Hand genommen (hätte ich vielleicht sollen).
Das erste Beispiel habe ich vielmehr aus 'Capablanca's Best Chess Endings' von Irving Chernev, muss aber dazu sagen, dass es das bei weitem einfachste der 60 in dem Buch enthaltenen Beispiele ist :-))

Danke Vabanque für die spannenden Aufgaben!

Ich zähle mich eher zu den schwächeren Spielern und finde die Aufgabenstellungen genau richtig. Bin auf die Auflösung, auf Teil 2 „Freibauern“ und alles weitere in der Richtung gespannt!

Und zur 1. Aufgabe wäre meine Idee ausgehend vom 2. Diagramm:

3. Tb6+ ...

V1: Mit 3. ... Kd7 oder Ke7 verliert schwarz den Turm mit 4. Txa6

V2: Bei 3. ... Txb6 bringt weiß den Freibauern auf die Endlinie 4. a8 und hat Dame gegen Turm

@proScuit: Alles korrekt!

Und es ist auch ganz ok, dass du jetzt die Auflösung hingeschrieben hast, denn nun hatten wirklich alle anderen Interessierten genug Zeit, sie sich ebenfalls zu überlegen :-)

Das taktische Motiv heißt 'Ablenkung': der Verteidiger (hier der Ta6) wird von der Bewachung des Umwandlungsfeldes a8 weggelenkt.

Und wenn man dieses Motiv mal gesehen hat, kommt man auch auf die anderen Antworten.

Wobei ich die letzte Aufgabe noch nicht ganz verstehe... das zwischenziel ist klar, aber der Bauer auf g3 stört etwas

@proScuit: Heiß!

Genau das ist die Idee: Wäre der Bauer g3 nicht da, dann ginge es genauso wie in den anderen Beispielen. Also spielt man zuerst ... ?

Dann muss es wohl 1. ... h4 sein, weil dann bleibt weiß gar nichts anders übrig als den g3 zu ziehen:

V1: 2. Kxh4 Th2 und matt
V2: 2. Te3-8 -> Turm geht verloren durch Bauern oder König
V3: 2. Txe2 -Txe2 -> Turmverlust
V4: 2. Ta-d3 e1 und Umwandlung in Dame
V5: 2. Tf3 Txf3 -> Turmverlust

Also bleibt
V6: 2. g4 Tf3 und Muster wie bei der ersten Aufgabe
V7: 2. gxh4 Tf3 mit gleichem Ergebnis

Alles richtig!

Nach 1... h4 ist Weiß nämlich in ZUGZWANG, d.h. irgendwas muss er ziehen, aber egal was er zieht, Schwarz hat darauf immer einen Gewinn.

Du hast ja alle Möglichkeiten, die Weiß hat, exakt ausgeführt, so dass mir nichts mehr hinzuzufügen bleibt.

Danke, auf was war Dein Hinweis mit dem Mattbild bezogen?

Deine Variante 1!

ah ok :)

Also vielen Dank nochmal für die tollen Aufgaben, für mich (als eher schwächerer Spieler) genau auf dem richtigen Niveau: herausfordernd aber mit entsprechendem Erfolgserlebnis! Freue mich auf alles was da noch kommen mag!

Ich denke, jetzt ist alles prinzipiell aufgelöst, wenn es noch weitere Fragen gibt, dann kann jeder sie gerne noch stellen :-)

Morgen poste ich dann Teil 2!