Kommentierte Spiele
Rudolf Spielmann (III): Spielmann - Wahle 1926
Vabanque - 14. Sep '14
Nach einer längeren Pause melde ich mich nun mit neuen Beiträgen in dieser Rubrik zurück.
Als Erstes nehme ich die Fortsetzung der Spielmann-Reihe in Angriff (im wahrsten Sinne es Wortes!). Sicherlich handelt es sich bei dieser Folge um keine 'große' Partie (zumal auch sein Gegner offenbar weit von GM-Stärke entfernt war, wie man an dem Zug 9... g6 sofort erkennt), aber Spielmanns Kombination ist gefällig fürs Auge, und zeigt auch sehr gut die Ausnutzung schwarzfeldriger Schwächen am Königsflügel, und hat daher sogar Lehrwert :)































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Als Erstes nehme ich die Fortsetzung der Spielmann-Reihe in Angriff (im wahrsten Sinne es Wortes!). Sicherlich handelt es sich bei dieser Folge um keine 'große' Partie (zumal auch sein Gegner offenbar weit von GM-Stärke entfernt war, wie man an dem Zug 9... g6 sofort erkennt), aber Spielmanns Kombination ist gefällig fürs Auge, und zeigt auch sehr gut die Ausnutzung schwarzfeldriger Schwächen am Königsflügel, und hat daher sogar Lehrwert :)
Rudolf Spielmann Robert Wahle Vienna | Vienna | 1926 | C01 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sc3 Sf6 4. xd5 Lenkt nachträglich in die Abtauschvariante ein, die bereits damals den Ruf einer Remisfortsetzung genoss. Sie führt jedenfalls zu einer symmetrischen Bauernstruktur und der beiderseits offenen e-Linie, auf der sich häufig irgendwann alle Schwerfiguren tauschen. Andererseits erhält die Stellung aber auch offenen Charakter, was Spielmanns Stil entgegen kommt. Er hatte sicher keine Lust, mit 4. e5 (der heute üblichen Fortsetzung) eine Bauernkette im Zentrum zu errichten. xd5 5. Lg5 Le7 6. Ld3 Sc6 7. Sge2 Wenigstens die Figurenstellung soll asymmetrisch sein. Sb4 Schwarz ergreift sofort die Gelegenheit, den gefährlichen weißen Angriffsläufer durch Abtausch zu beseitigen. 8. Sg3 Aber nun ist d4 nicht mehr angegriffen, so dass dieser Springer sofort ziehen kann. Sxd3+ 9. Dxd3 g6? Die Angst des Amateurs vor dem bekannten Meister! Vermutlich fürchtete Schwarz Sf5; allerdings könnte er nach 9... O-O 10. Sf5?! den Springer ja tauschen und würde damit auch noch das Entwicklungsproblem seines Lc8 lösen. Die Stellung wäre dann vollkommen ausgeglichen. Das verfrühte Sf5 hätte sich dann Weiß wohl besser für später aufgespart. Mit dem Textzug schafft sich Schwarz eine unheilvolle bleibende Schwäche am Königsflügel, die Spielmann nun in instruktiver Weise ausnutzt. 10. O-O c6 Schwarz hat kein gutes Entwicklungsfeld für den Lc8. 11. Tae1 Droht bereits direkt Figurengewinn mit Lxf6. O-O? Direkt in die selbst geschaffene Schwäche hineinzurochieren ist selbstmörderisch, wie Spielmann gleich nachweist. Am besten scheint hier für Schwarz noch Le6, worauf Weiß aber mit f2-f4 mit dem Plan f4-f5 gleich auf Linienöffnung spielen könnte. Auch nach dem Textzug wäre dieser Plan gut, wenn es nicht bereits eine sofortige taktische Entscheidung gäbe! 12. Txe7! Sehr hübsch. Durch die Beseitigung des schwarzfeldrigen Läufers von Schwarz erhält Weiß freie Bahn auf den dunklen Feldern. Schwarz wird nicht nur in eine Fesselung gezwungen, sondern schnell tauchen auch Mattmotive auf. Um die dafür angestrebte Konstellation Lf6/Dh6 (oder umgekehrt) zu erreichen, wird Weiß gleich noch mehr Material ins Geschäft stecken. Dxe7 13. Df3 Diese Fortsetzung war noch klar, aber Schwarz scheint mit seinem folgenden Zug alles decken zu können. Kg7 14. Sce4! Die Pointe des Turmopfers auf e7 ist dieses Springeropfer! xe4 15. Sxe4 Die Pointe der Pointe: jetzt geht nämlich Dxe4 nicht wegen 16. Dxf6+ nebst Lh6 und unvermeidlichem Matt auf g7! De6 Die einzige Möglichkeit, die durch Lxf6+ bedrohte Dame so wegzuziehen, dass Weiß nun nicht wieder Dxf6+ nebst Lh6 spielen kann. 16. Lxf6+ Dann eben so herum. Jetzt muss nur noch die Dame nach h6 gebracht werden. Schwarz hat übrigens immer noch die Qualität mehr! Kg8 Kh6 scheitert natürlich an Df4+ nebst Matt auf g5. 17. Df4 Jetzt müsste Schwarz die Dame auf f6 hergeben, um das Matt zu verzögern. Daher gab er lieber auf.
Hasenrat - 15. Sep '14
Würde auch in die Rubrik 'Eröffnungskatastrophen' passen.
Die frz. Abtauschvariante war mir insgeheim nie ganz geheuer. Man kann noch in eigentlich ruhigster See sein Bötchen zum Kentern bringen.
Die frz. Abtauschvariante war mir insgeheim nie ganz geheuer. Man kann noch in eigentlich ruhigster See sein Bötchen zum Kentern bringen.
Kellerdrache - 15. Sep '14
Wirklich sehr hübsch. Immer wieder schön zu sehen wie schnell eine vermeintlich solide Stellung geknackt werden kann. "Jeder Bauernzug in der eigenen Königsstellung ist ein Fehler" sagte mal ein alter Herr in meinem Verein (der hielt allerdings auch ein ganz normales Fianchetto schon für zweifelhaft) .
Jedenfalls gut, das Du nicht mehr am Strand rumlümmelst, sondern wieder am Brett sitzt ;-)). Spielmann ist auch immer eine gute Wahl für eine unterhaltsame Partie. Ich persönlich würde mich auch über was vom Tschigorin, Reti oder (natürlich) Tal freuen.
Jedenfalls gut, das Du nicht mehr am Strand rumlümmelst, sondern wieder am Brett sitzt ;-)). Spielmann ist auch immer eine gute Wahl für eine unterhaltsame Partie. Ich persönlich würde mich auch über was vom Tschigorin, Reti oder (natürlich) Tal freuen.
Vabanque - 15. Sep '14
Das Problem von Schwarz ist hier, glaube ich, dass der Zug g7-g6 nicht mit der Läuferstellung auf e7 zusammenpasst; der Läufer müsste auf g7 stehen. Außerdem wäre es in dieser Situation besser, wenn der e-Bauer noch nicht gezogen hätte, so dass er das Feld f6 noch kontrollieren würde.
Dass jeder Bauernzug in der eigenen Königsstellung ein Fehler wäre, dafür gibt es aber auch genügend Gegenbeispiele. Ich habe schon Partien gesehen, wo der Angreifer munter die Bauern vor seiner eigenen Königsstellung vorzog und gar nichts passieren konnte, weil die feindlichen Figuren nicht eindringen konnten. Man muss es eben in der konkreten Situation einschätzen können, aber das schreibt sich so leicht. In Wirklichkeit ist diese Beurteilung immer das Allerschwerste.
Ja, an Serien über Réti und Tal dachte ich auch schon. Tschigorin ist mir nicht so vertraut, da fallen mir momentan hauptsächlich brillante Verlustpartien ein.
Dass jeder Bauernzug in der eigenen Königsstellung ein Fehler wäre, dafür gibt es aber auch genügend Gegenbeispiele. Ich habe schon Partien gesehen, wo der Angreifer munter die Bauern vor seiner eigenen Königsstellung vorzog und gar nichts passieren konnte, weil die feindlichen Figuren nicht eindringen konnten. Man muss es eben in der konkreten Situation einschätzen können, aber das schreibt sich so leicht. In Wirklichkeit ist diese Beurteilung immer das Allerschwerste.
Ja, an Serien über Réti und Tal dachte ich auch schon. Tschigorin ist mir nicht so vertraut, da fallen mir momentan hauptsächlich brillante Verlustpartien ein.
Kellerdrache - 15. Sep '14
Tschigorins Partien sind eigentlich alle brilliant - entweder brilliant verloren oder brilliant gewonnen. Er war im Grunde noch ein Schachkünstler und für einen Wettkämpfer oft nicht abgeklärt genug.
Was die Bauern vor dem König angeht hast du sicher recht. Ich hab das Zitat ja auch deshalb verwendet weil es hier so gut passte. Persönlich denke ich schon, dass Bauernzüge vor dem eigenen König eine Schwächung darstellen. Allerdings muß man bei so einem Urteil dazu sagen, dass es a) manchmal eben unumgänglich ist und b) nicht jede Schwäche ausgenutzt werden kann, weil vielleicht die eigenen Schwächen dem entgegen stehen.
Jedenfalls sollte man schon einen guten Grund haben die Bauern in der Königsstellung zu ziehen. Als Abwartezüge oder weil einem gerade nix einfällt eignen sie sich eher nicht.
Was die Bauern vor dem König angeht hast du sicher recht. Ich hab das Zitat ja auch deshalb verwendet weil es hier so gut passte. Persönlich denke ich schon, dass Bauernzüge vor dem eigenen König eine Schwächung darstellen. Allerdings muß man bei so einem Urteil dazu sagen, dass es a) manchmal eben unumgänglich ist und b) nicht jede Schwäche ausgenutzt werden kann, weil vielleicht die eigenen Schwächen dem entgegen stehen.
Jedenfalls sollte man schon einen guten Grund haben die Bauern in der Königsstellung zu ziehen. Als Abwartezüge oder weil einem gerade nix einfällt eignen sie sich eher nicht.
Vabanque - 15. Sep '14
Wenn einem schon gar nix einfällt (was bei mir fast immer der Fall ist), dann sollte man besser einen Zug machen, der eine Schwächung vermeidet, das ist klar.
Andererseits kann in vielen Stellungen dann auch wieder ein Luftloch nötig sein, um Grundreihen-Mattkombinationen zu vermeiden.
Da gilt dann aber die Faustregel: Luftloch mit h2-h3, wenn der Gegner keinen schwarzfeldrigen Läufer besitzt (der einem das Feld h2 streitig machen könnte). Luftloch mit g2-g3, wenn der Gegner keinen weißfeldrigen Läufer besitzt (der das Feld g2 beherrschen könnte).
Ja, und wenn der Gegner beide Läufer oder keinen besitzt? Dann weiß ich auch nicht weiter ;)
Andererseits kann in vielen Stellungen dann auch wieder ein Luftloch nötig sein, um Grundreihen-Mattkombinationen zu vermeiden.
Da gilt dann aber die Faustregel: Luftloch mit h2-h3, wenn der Gegner keinen schwarzfeldrigen Läufer besitzt (der einem das Feld h2 streitig machen könnte). Luftloch mit g2-g3, wenn der Gegner keinen weißfeldrigen Läufer besitzt (der das Feld g2 beherrschen könnte).
Ja, und wenn der Gegner beide Läufer oder keinen besitzt? Dann weiß ich auch nicht weiter ;)
pirc_ - 15. Sep '14
wenn der Gegner keinen Läufer besitzt Kf1/Kf8, wenn der Gegner beide Läufer besitzt remis bieten und hoffen ;-)
Hasenrat - 15. Sep '14
Das hört sich alles aber schwer nach Tarrascher Dogmatismusschablone an.
Ist nicht h3 oft genug angezeigt, um einen Springeraufgalopp auf g4 abzuwehren oder eine Springerfesselung durch den Läufer zu - "antizipieren" ...
Ist nicht h3 oft genug angezeigt, um einen Springeraufgalopp auf g4 abzuwehren oder eine Springerfesselung durch den Läufer zu - "antizipieren" ...