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Kürzeste Verlustpartie eines GM?

Vabanque - 12. Jan '14
Ob es sich hierbei um die kürzeste Verlustpartie eines GM handelt, weiß ich nicht. Aber jedenfalls ist es die peinlichste, die ich jemals gesehen habe. Arthur William Dake hatte im Vorjahr (1935) bei der Schach-Mannschaftsweltmeisterschaft in Warschau das beste Ergebnis aller teilnehmenden Spieler erzielt: 13 Siege, 5 Remisen und keine Verlustparte. Im gleichen Jahr erzielte er bei einem Blitzturnier, an dem die besten Spieler der USA teilnahmen, ein Ergebnis von 12 Punkten aus 12 Partien. Im Jahr darauf gab er in Baltimore eine Simultanvorstellung, wo folgendes passierte:

Arthur William Dake Pauli Baltimore | Baltimore | 1936 | C15 | 0:1
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sc3 Lb4 Die Winawer-Variante der Französischen Verteidigung; auch heute noch aktuell. 4. Se2 Üblicher ist e4-e5, aber auch der Textzug ist gut spielbar. Er beinhaltet ein Bauernopfer, dessen Annahme aber riskant ist. xe4 5. a3 Lxc3+ 6. Sxc3 Es wäre jetzt gefährlich, den Bauern mit f7-f5 halten zu wollen, weil ihn Weiß mit f2-f3 endgültig opfert (und nach exf3 Dxf3 den Bauern d4 dazu) und einen großen Entwicklungsvorsprung erlangt. Der von Schwarz tatsächlich gespielte Zug ist ratsamer, weil er eine Figur mit Gegenangriff gegen d4 entwickelt. Sc6 Bis hierher alles Theorie. Weiß kann den angegriffenen d-Bauern jetzt direkt mit Le3 decken, oder indirekt mit Lb5 oder Lf4 (weil nach Sxd4 dann Le5 folgen könnte mit Doppelangriff gegen d4 und g7, während auf Dxd4 Sb5 käme mit Angriff auf c7). Auch d4-d5 ist jetzt spielbar. Aber Dake spielte: 7. Dg4?? Dieser Zug kommt in vielen Abspielen der Französischen Verteidigung vor, hier ist er aber völlig fehl am Platz! Die einzige Erklärung scheint mir, dass Dake hier die Variante verwechselt hat, und fälschlich glaubte, es seien die Züge 4. a3 (statt zuerst Se2) Lxc3+ 5. bxc3 dxe4 geschehen, wonach 6. Dg4 spielbar ist. Es fällt jedenfalls schwer zu glauben, dass er der tatsächlich auf dem Brett befindlichen Stellung auch nur einen Blick gegönnt haben kann. Im Simultan kann das schon mal vorkommen. Sxd4 Natürlich! Wie soll Weiß die Drohung Sxc2+ decken? Da müsste die weiße Dame gleich wieder umkehren. Aber das wäre ja ein Eingeständnis erster Güte! Das wird doch kein GM gegen einen popligen Amateur machen! Also: 8. Dxg7?? Sxc2+ 9. Ke2 Es gibt kein anderes Feld. Dd3# Da gab es nicht mal eine Kombination, es gab auch keine guten Züge, die Schwarz finden musste. GM Dake hat den Amateur quasi zum Mattsetzen gezwungen.
PGN anzeigen

[Event "Baltimore"]
[Site "Baltimore"]
[Date "1936.??.??"]
[EventDate "?"]
[Round "?"]
[Result "0-1"]
[White "Arthur William Dake"]
[Black "Pauli"]
[ECO "C15"]
[WhiteElo "?"]
[BlackElo "?"]
[PlyCount "18"]

1. e4 e6 2. d4 d5 3. Nc3 Bb4 {Die Winawer-Variante der Französischen

Verteidigung; auch heute noch aktuell.} 4. Ne2 {Üblicher ist e4-e5, aber

auch der Textzug ist gut spielbar. Er beinhaltet ein Bauernopfer, dessen

Annahme aber riskant ist.} dxe4 5. a3 Bxc3+ 6. Nxc3 {Es wäre jetzt

gefährlich, den Bauern mit f7-f5 halten zu wollen, weil ihn Weiß mit f2-f3

endgültig opfert (und nach exf3 Dxf3 den Bauern d4 dazu) und einen großen Entwicklungsvorsprung erlangt. Der von

Schwarz tatsächlich gespielte Zug ist ratsamer, weil er eine Figur mit

Gegenangriff gegen d4 entwickelt.} Nc6 {Bis hierher alles Theorie. Weiß

kann den angegriffenen d-Bauern jetzt direkt mit Le3 decken, oder indirekt

mit Lb5 oder Lf4 (weil nach Sxd4 dann Le5 folgen könnte mit Doppelangriff gegen d4 und g7, während auf Dxd4 Sb5 käme mit Angriff auf c7). Auch

d4-d5 ist jetzt spielbar. Aber Dake spielte:} 7. Qg4?? {Dieser Zug kommt in

vielen Abspielen der Französischen Verteidigung vor, hier ist er aber

völlig fehl am Platz! Die einzige Erklärung scheint mir, dass Dake hier die

Variante verwechselt hat, und fälschlich glaubte, es seien die Züge 4. a3

(statt zuerst Se2) Lxc3+ 5. bxc3 dxe4 geschehen, wonach 6. Dg4 spielbar

ist. Es fällt jedenfalls schwer zu glauben, dass er der tatsächlich auf dem

Brett befindlichen Stellung auch nur einen Blick gegönnt haben kann. Im

Simultan kann das schon mal vorkommen.} Nxd4 {Natürlich! Wie soll Weiß die

Drohung Sxc2+ decken? Da müsste die weiße Dame gleich wieder umkehren. Aber

das wäre ja ein Eingeständnis erster Güte! Das wird doch kein GM gegen

einen popligen Amateur machen! Also:} 8.
Qxg7?? Nxc2+ 9. Ke2 {Es gibt kein anderes Feld.} Qd3# {Da gab es nicht mal eine Kombination, es gab auch keine guten Züge, die Schwarz finden musste. GM Dake hat den Amateur quasi zum Mattsetzen gezwungen.} 0-1

Vabanque - 12. Jan '14
Das war natürlich NICHT die 13. Folge der Reihe 'Große Partien der Schachgeschichte'!! :-))
perde - 12. Jan '14
Her mit den GMs! Das kann ich auch. :-)

Danke für das Einstellen der Partie. Sehr unterhaltsam.

VG
perde
ChrisK1966 - 12. Jan '14
Nun, aus der Sicht des siegreichen Amateurs vielleicht schon... ;-)
pirc_ - 12. Jan '14
na die Miniaturen machen doch spass, vor allem wenns die guten mal erwischt...;-)