Kommentierte Spiele
Glanzpartien unbekannter Spieler (XXX)
Vabanque - 27. Aug '15
In dem legendären Radiowettkampf, den die UdSSR gegen die USA im Jahre 1945 austrug, demonstrierte die Sowjetunion mit einem Ergebnis von 15,5-4,5 sehr eindrucksvoll ihre Überlegenheit. Das US-Team konnte von den 20 Partien überhaupt nur zwei gewinnen; eine davon (Horowitz - Flohr) möchte ich hier zeigen (die andere gewann Herman Steiner gegen Bondarevsky).
Die Partie erhielt einen Sonderpreis wegen der bemerkenswerten Kombination, die durch den 25. und 26. Zug von Weiß eingeleitet wird. Ein scheinbarer Fehlzug, der aussieht, wie wenn er zu Springerverlust führt, entpuppt sich als Vorbereitung zu einemraffinierten Damenopfer. Schwarz kann das Matt zwar noch vermeiden, gerät aber in eine hoffnunglose Stellung.
Der Sieg ist auch insofern bemerkenswert, dass Flohr zu denjenigen Spielern gehörte, die sehr selten verloren. Der Sieger unserer Partie, der 'unbekannte' Israel Albert Horowitz (1907-1973), hatte bei den US-amerikanischen Schachfreunden seinerzeit durchaus einigen Bekannheitsgrad, da er lange Jahre Herausgeber der Zeitschrift 'Chess Review' und auch Autor einiger Schachbücher war. Ihm wird auch der Ausspruch 'Ein einziger schlechter Zug macht 40 gute Züge zunichte' zugeschrieben.































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Die Partie erhielt einen Sonderpreis wegen der bemerkenswerten Kombination, die durch den 25. und 26. Zug von Weiß eingeleitet wird. Ein scheinbarer Fehlzug, der aussieht, wie wenn er zu Springerverlust führt, entpuppt sich als Vorbereitung zu einemraffinierten Damenopfer. Schwarz kann das Matt zwar noch vermeiden, gerät aber in eine hoffnunglose Stellung.
Der Sieg ist auch insofern bemerkenswert, dass Flohr zu denjenigen Spielern gehörte, die sehr selten verloren. Der Sieger unserer Partie, der 'unbekannte' Israel Albert Horowitz (1907-1973), hatte bei den US-amerikanischen Schachfreunden seinerzeit durchaus einigen Bekannheitsgrad, da er lange Jahre Herausgeber der Zeitschrift 'Chess Review' und auch Autor einiger Schachbücher war. Ihm wird auch der Ausspruch 'Ein einziger schlechter Zug macht 40 gute Züge zunichte' zugeschrieben.
Israel Albert Horowitz Salomon Flohr USSR - USA Radio Match | Moscow RUS and New York USA | 2.4 | 1945.09.03 | B16 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 c6 2. d4 d5 3. Sc3 xe4 4. Sxe4 Sf6 Dieser Zug ist zweischneidig, da Schwarz einen Doppelbauern in Kauf nimmt. Alternativen sind Sd7 (um Sgf6 vorzubereiten) oder Lf5. 5. Sxf6+ xf6 Auch das Schlagen mit dem e-Bauern wurde viel erprobt. Es scheint mir aber unlogisch, da Schwarz für den Doppelbauern eigentlich keine Kompensation erhält (nicht einmal das Läuferpaar wie in der Spanischen Abtauschvariante). Beim schärferen Textzug dagegen bekommt Schwarz die halboffene g-Linie und ein Bauernübergewicht im Zentrum. Die kurze Rochade wird für Schwarz allerdings nun kaum mehr eine Option sein. 6. Se2 Lf5 Spielt dem Weißen in die Hände. Flohr hat sich hier offenbar auf ein System eingelassen, das er nicht gut kennt. 7. Sg3 Lg6 8. h4 Erzwingt eine weitere Schwächung der schwarzen Bauernstellung am Königsflügel, da Eroberung des Läufers droht. h6 9. h5 Lh7 Aus der Variante mit 4... Lf5 sind ähnliche Stellungsbilder bekannt; der entscheidende Unterschied ist allerdings, dass hier der schwarze g-Bauer nicht mehr auf g7, sondern auf f6 steht. 10. c3 Db6 Dieser Zug soll die weiße Entwicklung erschweren, indem der Lc1 am Herausziehen gehindert wird. Es wird sich allerdings zeigen, dass die schwarze Dame auf b6 nicht unbedingt glücklich steht, und dass der Bauer b2 auch nicht immer genommen werden kann, wenn der Lc1 doch zieht. 11. Lc4 Sd7 12. a4 Nun fühlt sich die feine schwarze Lady bereits unbehaglich, weil ein niederer Proletarier sie mit a4-a5 anzurempeln droht. a5 Verhindert die erwähnte Anrempelei, allerdings traut sich Schwarz in der Folge nicht mehr lang zu rochieren. In solchen Situationen ist die Abwägung von Übeln immer schwierig. 13. Df3 e6 14. O-O In die halboffene g-Linie hineinzurochieren stellt hier kein Wagnis dar, da Schwarz viel zu wenig Truppen auf der Königsseite mobilisieren kann. Aus dem gleichen Grund ist die 'Schwächung' der weißen Königsstellung durch den Aufzug des h-Bauern in dieser Stellung belanglos; Schwarz hat keine Möglichkeit, die entstandenen Schwächen auszunutzen. Lc2 Da der Läufer ins Leere stößt, sucht er nun auf b3 nach einer sinnvolleren Verwendung. Bessere Züge sind schwer zu finden. Auf O-O-O hätte Weiß vermutlich gleich mit b4 mit der Linienöffnung losgelegt. Und der schwarze Lf8 kann auch nicht sinnvoll entwickelt werden (nach Le7 hinge der Bauer h6, während der Läufer auf g7 nur im Weg stünde). 15. Lf4 Der hat jetzt also doch gezogen, und Schwarz kann gar nicht auf b2 schlagen wegen Ta2! mit Figurgewinn. Lb3 16. Ld3 Einem Abtausch stimmt Weiß nicht zu, da Schwarz nun nach wie vor um eine gute Fortsetzung verlegen ist. e5 Bei mangelhafter Entwicklung die Mitte zu öffnen, ist selten eine gute Strategie. Einem Spieler wie Flohr war das sicher bewusst, aber er sah darin wohl die einzige Chance auf Aktivität. Objektiv wäre hier vielleicht doch die lange Rochade noch die beste Option gewesen. Immerhin geht ja jetzt sofortiges b4 nicht. 17. Le3 Nun fühlt sich die schwarze Dame wieder einmal unbehaglich, wenn sie von dem Geistlichen auf e3 so voyeuristisch durch den dünnen Vorhang des Bauern d4 hindurch angestarrt wird (es droht dxe5). Ld5 Da wollte der ja letztlich hin, und es wäre auch ein wunderbares Zentralfeld, wenn es gehalten werden könnte. Leider ist dies nicht der Fall, wie sich gleich zeigen wird. 18. Le4 Db3 Dxb2 19. Tab1 nebst Txb7 würde Schwarz wohl kaum zur Freude gereichen, also vermeidet er weiter Linienöffnung und konsolidiert den Punkt d5. 19. xe5 Die offene d-Linie wird Weiß aber reichen. xe5 20. Tad1 Nun lässt sich der Punkt d5 doch nicht halten. Lxe4 21. Dxe4 Die weißen Figuren stehen ideal. De6 22. Td2 Die Turmverdopplung auf der d-Linie wird vorbereitet. Sf6 23. Df3 Tg8 24. Tfd1 Tg4 Lässt die entscheidende Kombination zu; allerdings stand Schwarz in jedem Falle schlecht. Und man kann es ihm auch nicht verübeln, dass er dachte, damit den folgenden weißen Zug zu verhindern. 25. Sf5!! Dies scheint nämlich nach der schwarzen Antwort eine Figur zu verlieren. Aber Weiß hat weiter gerechnet und ein glänzendes passives Damenopfer vorbereitet. e4 Scheinbar muss die Df3 nun den Sf5 im Stich lassen. 26. Lb6! Die Pointe von Sf5. Weiß hat ein Mattnetz für den schwarzen König parat. Es droht Td8+ Txd8 Txd8#, was auch nicht mit Sd5 oder Sd7 zu verhindern ist, da dann der Sf6 den Tg4 im Stich lassen würde. Txg2+ Die einzige Chance, die Partie zu verzögern. Natürlich kann Weiß jetzt nicht mit dem König schlagen, da Schwarz dann die weiße Dame mit Schachgebot nehmen könnte! 27. Dxg2 Dxf5 Nun hat der schwarze König das Fluchtfeld e7, und Schwarz hat einen Bauern für die Qualität bekommen, steht aber trotzdem so schlecht, dass er gegen genaues Spiel chancenlos ist. 28. Td8+ Txd8 29. Txd8+ Ke7 30. Dg3! Droht schon wieder Matt. Sd7 31. Lc7 Und abermals die Mattdrohung. Dd5 32. c4 Dg5 Nun hat Schwarz genug von den ständigen Mattdrohungen und sucht - vergebens - Erholung im Endspiel. 33. Dg5+ hg5 34. Ta8 Der Beginn einer Einsammelaktion. Nicht sofort Lxa5 wegen b6, wonach Weiß die Qualität zurückgeben müsste (obwohl das entstehende Läuferendspiel ebenfalls gewonnen wäre). Ke6 b6 wäre nutzlos wegen 35. Ld8+ Ke6 36. Lxb6! 35. Lxa5 f5 36. Lc3 f4 37. a5 g4 38. b4 f3 39. Ld2 Schwarzfeldrige Blockade der schwarzen Bauern. Rien ne va plus. Kf7 40. Ta7 Nun fällt auch der Bauer b7, und der weiße a-Bauer macht das Spiel. g3 41. Tb7
alms - 27. Aug '15
Schöne Partie, das Mattbild auf d8 erinnert an romantische Vorbilder.
Salo Flohr ist leider zu Unrecht in Vergessenheit geraten, der 2. Weltkrieg hat ihn wahrscheinlich um einen Weltmeisterschaftskampf gebracht.
Salo Flohr ist leider zu Unrecht in Vergessenheit geraten, der 2. Weltkrieg hat ihn wahrscheinlich um einen Weltmeisterschaftskampf gebracht.
Vabanque - 27. Aug '15
Wobei man das von Keres und Reshevsky auch behaupten kann ... aber es stimmt schon, Flohr kann man durchaus unter die stärksten Spieler, die nie Weltmeister wurden (und auch gar keine Chance dazu bekamen) einreihen.
Da Flohr die obige Partie verlor, werde ich zu seiner Ehrenrettung demnächst ein paar seiner schönsten Siege bringen, z.B. auch die Partie, die er im gleichen Wettkampf gegen Horowitz gewann.
Da Flohr die obige Partie verlor, werde ich zu seiner Ehrenrettung demnächst ein paar seiner schönsten Siege bringen, z.B. auch die Partie, die er im gleichen Wettkampf gegen Horowitz gewann.
Vabanque - 28. Aug '15
Und was hat denn der gute chessmail-pgn-Viewer hier schon wieder produziert? Einen fiktiven 42. Zug, den es nie gab, und der '0' lautet ... was es nicht alles gibt.
Für die restlichen Fehler bin ich selber verantwortlich :)
Für die restlichen Fehler bin ich selber verantwortlich :)
Kellerdrache - 28. Aug '15
Schöne Partie! Nur schade, dass es nicht matt geworden ist. Das hätte Flohr, der alte Spielverderber schon zulassen können ;-)).
Mann kann, glaube ich, spüren, dass Flohr sich in dieser Eröffnung überhaupt nicht wohlfühlte und keinen Plan fand der ihm gefiel. Wie gut ich dieses Gefühl kenne.
Mann kann, glaube ich, spüren, dass Flohr sich in dieser Eröffnung überhaupt nicht wohlfühlte und keinen Plan fand der ihm gefiel. Wie gut ich dieses Gefühl kenne.
Vabanque - 28. Aug '15
Wer kennt das Gefühl nicht :-)))
Ich finde das auch immer schade, wenn Mattkombinationen nicht wirklich zu dem hübschen Mattbild führen. Aber in Partien zwischen sehr starken Spielern ist das halt in der Regel der Fall. Wenn einer das Matt noch rechtzeitig sieht, verhindert er es nach Kräften, auch wenn ein hoffnungsloses Endspiel entsteht. Irgendwie tendiert der Mensch zur Verlängerung des Leidens ;)
Die hübschen Mattbilder kommen eigentlich hauptsächlich in Simultanpartien, Blitzpartien oder bei schwächeren Amateuren tatsächlich aufs Brett. Oder in Partien vor 1850 :)
Ich finde das auch immer schade, wenn Mattkombinationen nicht wirklich zu dem hübschen Mattbild führen. Aber in Partien zwischen sehr starken Spielern ist das halt in der Regel der Fall. Wenn einer das Matt noch rechtzeitig sieht, verhindert er es nach Kräften, auch wenn ein hoffnungsloses Endspiel entsteht. Irgendwie tendiert der Mensch zur Verlängerung des Leidens ;)
Die hübschen Mattbilder kommen eigentlich hauptsächlich in Simultanpartien, Blitzpartien oder bei schwächeren Amateuren tatsächlich aufs Brett. Oder in Partien vor 1850 :)
Vabanque - 28. Aug '15
Es gibt allerdings eine Partie Caruana-Ponomariov, wo Pono das Matt als vorbildlicher Sportsmann das Matt wirklich zuließ, weil es so schön war. Diese Partie wollte ich auch schon mal hier bringen, aber sie hat halt einen ziemlich langen, zähen Vorspann, bevor sie in die kritische und interessante Phase eintritt. Würde der hiesige pgn-Viewer es erlauben, bei einer FEN zu starten, könnte man die Partie ab der kritischen Stellung zeigen *seufz*
alms - 28. Aug '15
Oder du bringst die Partie bis zu der schönen Stelle unkommentiert...
Vabanque - 28. Aug '15
Hatte ich mir auch schon überlegt. Ändert aber nichts dran, dass der pgn-Viewer noch ausbaufähig ist, und zwar auch noch in weitere Richtungen (Nachspielfähigkeit von Varianten) ;)