Kommentierte Spiele
Leicht(er)e Kost für Zwischendurch
Vabanque - 03. Jul '16
Nach den wirklich anspruchsvollen und tief schürfenden Analysen von SF Colorado zum Morra-Gambit hier etwas Leichtes zum schnellen Verzehr für Zwischendurch. Dennoch handelt es sich um gesunde Vollwertkost und kein Fast-Food ;)
Zubereitet wurde uns das Gericht freundlicherweise vom russischen GM Sveshnikov (geb. 1950), der vielen Schachfreunden durch das nach ihm benannte System im Sizilianer namentlich bekannt sein dürfte. Ich musste es nur noch ein wenig mit Kommentaren abschmecken, und nun bleibt mir zu hoffen, dass es euch mundet :)































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Zubereitet wurde uns das Gericht freundlicherweise vom russischen GM Sveshnikov (geb. 1950), der vielen Schachfreunden durch das nach ihm benannte System im Sizilianer namentlich bekannt sein dürfte. Ich musste es nur noch ein wenig mit Kommentaren abschmecken, und nun bleibt mir zu hoffen, dass es euch mundet :)
Evgeni Ellinovich Sveshnikov Ruslan Shcherbakov Moscow ch-URS | 6 | 1991 | B30 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 c5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 Sieh mal einer an! Der bekannte Theoretiker wählt einen Zug, um aus der Theorie herauszukommen. Aber dagegen ist als Schwarzer gar nicht leicht zu spielen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. e6 4. O-O Sge7 5. c3 a6 6. La4 b5 7. Lc2 d5 Auf diesen schnellen Zentralvorstoß hatte es Schwarz mit seinen letzten Zügen angelegt. 8. e5!? Ziemlich riskant, da Schwarz mit seinem nächsten Zug den weißen e-Bauern isolieren kann, wonach er schwach wird. d4!? Aber dafür gibt er Weiß das Feld e4 als Sprungbrett für seine Figuren. 9. Le4 Lb7 10. a4 Sg6 Schon zeigt es sich, dass Weiß Schwierigkeiten bekommen wird, den e-Bauern zu decken, sobald der Lb7 nicht mehr ungedeckt ist. Den gut stehenden Le4 wird Weiß ja kaum abtauschen wollen. Weiß gelingt es aber im Folgenden, einen Gegenangriff auf den schwarzen Damenflügel zu inszenieren. 11. xb5 xb5 12. Txa8 Lxa8?! Das Schlagen mit der Dame sieht besser aus. 13. Sa3 Sa7 Deckt nicht nur b5, sondern stellt auch den Lb7 dem weißen Le4 entgegen, so dass dieser nun hängt. 14. Lxa8 Dxa8 15. Db3 Weiß setzt seine Angriffe gegen b5 fort. Db7 16. xd4 xd4 17. Sxd4 Lxa3 Weil b5 schon wieder hing. 18. xa3 Sxe5 Das materielle Gleichgewicht blieb erhalten, aber die weißen Figuren stehen deutlich harmonischer. 19. Lb2 Vor allem dieser Läufer bekommt nun eine schöne Diagonale! Sc4 20. Dg3! Lc3 war natürlich ebenfalls möglich, aber der Textzug ist schöner und stärker. O-O 21. Lc3 g6? 22. d3! Damit wird die einzige halbwegs gut stehende Figur von Schwarz vertrieben, und ihr bleibt nur ein Feld Sb6 23. De5! Die Läufer-Damen-Batterie auf der langen Diagonalen baut sich auf. Nun müsste nur noch der Sd4 abziehen, und es würde Matt auf g7 und h8 drohen. Sd7? Lässt das Matt zu; aber es gab keine Verteidigung mehr. 24. Dg7+!
Ein schöner zwangsläufiger Mattschluss: Schwarz gab auf wegen 24. Dg7+ Kxg7 25. Sf5+ Doppelschach! Kg8 26. Sh6# Eine Lehrbuch- Wendung, aber trotzdem immer wieder hübsch. Und bemerkenswert auch, mit welcher Leichtigkeit Weiß eine Stellung erreicht hat, in der so eine Wendung 'drin' war. Das können wir uns doch gut zum Vorbild nehmen.
Colorado77 - 03. Jul '16
Danke für diese Kurzpartie!
Wenn ich ehrlich bin, hätte ich nicht gedacht, dass so ein guter Theoretiker wie Scherbakov da gespielt hätte...
Mir gefielen vor allem die Züge Sa7 und Lxa3 nicht. Beim ersten Nachspielen schon.
Sa7 deplatziert das Springerchen ja völlig und Lxa3 gibt den guten schwarzfeldrigen Bewacher aus, unnötig.
Statt Sa7 sieht Db6 doch völlig gut aus. Und statt Lxa3 kam 17...Lc5 in Frage. Nach 18.Saxb5 00 hat Schwarz zumindest teilweise Kompensation durch die bessere Entwicklung.
Die Engine gibt sogar als gleichwertig zu 13....Db6 13...Sxe5 an.
Okay, diesen Tausch Zentralbauer vs Flügelbauer sehe ich grundsätzlich eher skeptisch für Schwarz, aber es zeigt, dass 13...Sa7 ein positioneller Bock war, der eigentlich leicht zu sehen ist.
Da ich Rossolimo nicht kenne (spiele ja Morra ;-) ): Ist es nicht DIE Hauptidee, dem Schwarzen auf xc6 einen Doppelbauern zu verpassen?
Wenn ich ehrlich bin, hätte ich nicht gedacht, dass so ein guter Theoretiker wie Scherbakov da gespielt hätte...
Mir gefielen vor allem die Züge Sa7 und Lxa3 nicht. Beim ersten Nachspielen schon.
Sa7 deplatziert das Springerchen ja völlig und Lxa3 gibt den guten schwarzfeldrigen Bewacher aus, unnötig.
Statt Sa7 sieht Db6 doch völlig gut aus. Und statt Lxa3 kam 17...Lc5 in Frage. Nach 18.Saxb5 00 hat Schwarz zumindest teilweise Kompensation durch die bessere Entwicklung.
Die Engine gibt sogar als gleichwertig zu 13....Db6 13...Sxe5 an.
Okay, diesen Tausch Zentralbauer vs Flügelbauer sehe ich grundsätzlich eher skeptisch für Schwarz, aber es zeigt, dass 13...Sa7 ein positioneller Bock war, der eigentlich leicht zu sehen ist.
Da ich Rossolimo nicht kenne (spiele ja Morra ;-) ): Ist es nicht DIE Hauptidee, dem Schwarzen auf xc6 einen Doppelbauern zu verpassen?
Vabanque - 03. Jul '16
Und wenn ich ehrlich bin, ich kenne Scherbakov gar nicht, und wusste nicht, dass er ebenfalls ein Theoretiker ist ... naja, offenbar kein so guter Praktiker ;)
13... Sa7 sieht in der Tat seltsam aus. Sowas spielte doch in einer sehr bekannten Partie Ulf Andersson gegen Kasparov, auch mit verheerenden Folgen ... aber ich fand ja immerhin in meinem Kommentar einen Sinn in Sa7 :) Dem Schwarzen war der weiße Le4 lästig und wollte ihn abtauschen.
17... Lxa3 konnte ich ebenfalls gut nachvollziehen. Damit befreit sich Schwarz nicht nur vom Angriff auf b5, er kommt auch zu Sxe5 und kann jederzeit (?) rochieren.
Aber klar, es fehlt der schwarzfeldrige Läufer zum Schutz seiner Rochadestellung, vor allem weil sein Widerpart ja eine riesige Diagonale findet. Und auf den schwarzen Feldern geht Schwarz ja auch zugrunde!
Das mit dem Doppelbauern weiß ich jetzt nicht so genau. In einigen Abspielen macht Weiß dem Schwarzen diesen Doppelbauern auf c6, aber ich weiß nicht, ob der so schwach ist, dass man ihn ausnutzen kann (ich fürchte eher nicht). Weiß möchte halt mit c3 und d4 das Zentrum aufbauen, statt mit d4 die Stellung schnell zu öffnen. Nun, zu c3 kommt Weiß in der Partie, an d4 hindert ihn der Schwarze. Dadurch entstehen Stellungbilder, wie sie auch im Rossolimo-Angriff wohl eher selten aufs Brett kommen, und darin fand sich Schwarz (meinetwegen ein guter Theoretiker, aber kein ebenbürtig starker Praktiker) eben nicht zurecht.
13... Sa7 sieht in der Tat seltsam aus. Sowas spielte doch in einer sehr bekannten Partie Ulf Andersson gegen Kasparov, auch mit verheerenden Folgen ... aber ich fand ja immerhin in meinem Kommentar einen Sinn in Sa7 :) Dem Schwarzen war der weiße Le4 lästig und wollte ihn abtauschen.
17... Lxa3 konnte ich ebenfalls gut nachvollziehen. Damit befreit sich Schwarz nicht nur vom Angriff auf b5, er kommt auch zu Sxe5 und kann jederzeit (?) rochieren.
Aber klar, es fehlt der schwarzfeldrige Läufer zum Schutz seiner Rochadestellung, vor allem weil sein Widerpart ja eine riesige Diagonale findet. Und auf den schwarzen Feldern geht Schwarz ja auch zugrunde!
Das mit dem Doppelbauern weiß ich jetzt nicht so genau. In einigen Abspielen macht Weiß dem Schwarzen diesen Doppelbauern auf c6, aber ich weiß nicht, ob der so schwach ist, dass man ihn ausnutzen kann (ich fürchte eher nicht). Weiß möchte halt mit c3 und d4 das Zentrum aufbauen, statt mit d4 die Stellung schnell zu öffnen. Nun, zu c3 kommt Weiß in der Partie, an d4 hindert ihn der Schwarze. Dadurch entstehen Stellungbilder, wie sie auch im Rossolimo-Angriff wohl eher selten aufs Brett kommen, und darin fand sich Schwarz (meinetwegen ein guter Theoretiker, aber kein ebenbürtig starker Praktiker) eben nicht zurecht.
Colorado77 - 03. Jul '16
Scherbakov hat bei chesspub.com eine Zeitlang Eröffnungsanalysen zu d4 d5 gemacht und ein Buch geschrieben zu Noteboom (auch bekannt als Dreiecksvariante im Damengambit).
Ich habe mal nachgeschaut: Ja, stimmt: 4. 00 ist die Mainline, hat in meiner DB 10.700 Partien und 4.Lxc6 ist nur zweite Wahl mit 4.300 Partien. Es sind einfach 2 grundverschieden Pläne, die Weiss wälen kann.
Was mich echt wundert, dass ein 2600er GM zwei so schwache positionelle Züge machen kann, selbst ich sah das ohne grosses Überlegen...
Das soll aber keine Kritik an Dir sein, das Ende ist sehr schön ;-)
Ich habe mal nachgeschaut: Ja, stimmt: 4. 00 ist die Mainline, hat in meiner DB 10.700 Partien und 4.Lxc6 ist nur zweite Wahl mit 4.300 Partien. Es sind einfach 2 grundverschieden Pläne, die Weiss wälen kann.
Was mich echt wundert, dass ein 2600er GM zwei so schwache positionelle Züge machen kann, selbst ich sah das ohne grosses Überlegen...
Das soll aber keine Kritik an Dir sein, das Ende ist sehr schön ;-)
Vabanque - 03. Jul '16
Das hätte ich jetzt auch nicht als Kritik an mir verstanden, ich habe die Partie ja nicht gespielt :))
Und ausgewählt habe ich sie ja wahrlich nicht wegen ihrer Tiefgründigkeit, sondern wegen dem Schluss, der was fürs Auge ist ;)
Und ausgewählt habe ich sie ja wahrlich nicht wegen ihrer Tiefgründigkeit, sondern wegen dem Schluss, der was fürs Auge ist ;)
Kellerdrache - 04. Jul '16
Die Rossolimo-Variante ist einer der wenigen nicht offenen Sizilianer, der von Großmeistern ernst genommen wird, während die anderen geschlossenen Varianten doch eher als "was für Amateure" eingestuft werden.
Wer ein weiteres schönes Beispiel dafür sehen will dem empfehle ich die Partie Ivantschuk-Kasparov aus 1991, wo Garri mit dieser Variante zerlegt wird.
Wer ein weiteres schönes Beispiel dafür sehen will dem empfehle ich die Partie Ivantschuk-Kasparov aus 1991, wo Garri mit dieser Variante zerlegt wird.
Vabanque - 04. Jul '16
1. e4 c5 2. c3 (Alapin) wird doch auch ernst genommen?
Vabanque - 04. Jul '16
Ah ja stimmt, Ivantschuk-Kasparov, Linares 1991, wohl die allerschlimmste Niederlage aus Kasparovs Karriere. Ich kenne keine andere Partie, in der er dermaßen zusammengeschoben wird. Völlig chancenlos. Er sieht in dieser Partie aus, als hätte ich die schwarzen Steine geführt ;)
Daran sieht man mal, wie stark der Rossolimo-Angriff ist, wenn selbst der damalige Weltmeister kein Mittel dagegen fand. Ich selber fand übrigens auch nie ein Mittel dagegen. In dem Moment, wo der Gegner Lb5 spielte, wollte ich fast schon Remis bieten ... oder aufgeben :)
Daran sieht man mal, wie stark der Rossolimo-Angriff ist, wenn selbst der damalige Weltmeister kein Mittel dagegen fand. Ich selber fand übrigens auch nie ein Mittel dagegen. In dem Moment, wo der Gegner Lb5 spielte, wollte ich fast schon Remis bieten ... oder aufgeben :)