Kommentierte Spiele

Eröffnungsraritäten: Nimzowitsch-Eröffnung (I)

Colorado77 - 06. Jul '16
Carroll Dunne Corr 1989 | 2016.07.05 | B00 | 0:1
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
Die folgende Hauptpartie zeigt einen genialen Königsangriff gegen einen zentral stecken gebliebenen wK. Weiteres Hauptaugenmerk soll die Vorführung einer doch eher unbekannten Eröffnung sein: der Nimzowitsch-Eröffnung! Im Prinzip präsentiere ich 2 Partien: Die andere Partie zeigt einen souveränen Sieg von GM Rogers, einem sehr schillernden australischen GM. Sie beginnt in den Untervarianten von Zug 7.Sh3 ! statt 7.h4. 1. e4 Sc6 2. d4 mit diesem zentralen Vorstoss will Weiss "Land gewinnen". Schwarz hat nun die Wahl entweder eine weissfeldrige Blockade oder eine schwarzfeldrige Blockade zu errichten d5
e5 3. d5
3. Sf3 xd4 ist eine seltene Überleitung zu Schottisch.
Sce7 4. Sf3 Sg6 Dies ist die andere Art, Nimzowitsch zu spielen. Dieses Mal ist xc5 die Basis für eine schwarzfeldrige Blockade.
3. Sc3! Dies ist die Mainline, Entwicklung und Kampf um die Initiative!
3. e5 Lf5 so pflegte Nimzowitsch vor 90 Jahren zu spielen! Mit Dd7, 000 und e6 und Sge7 wird eine Blockade auf den weissen Feldern errichtet. Häufig stürmt der h-Bauer nach vorne oder das weisse Zentrum wird mit f6 angeknabbert.
3. xd5 sieht auf den 1.Blick fehlerhaft aus, wird doch die Dame freiwillig entwickelt. Jedoch ist hier im Gegensatz zum normalen Skandinavisch der Sc6 deplatziert, diese Variante hat ihre taktischen Tücken, die man als Schwarzer kennen muss! Dxd5 4. Sf3 Lg4
e5 5. Sc3 Lb4 6. Ld2 Lxc3 7. Lxc3 e4 8. Se5 Sxe5 9. xe5 Se7 ist sicherer: Das weisse Läufer-Paar ist hier kein wesentlicher Faktor, das seltsame Bauernduo e5/e4 verleiht der schwarzen Stellung bedeutenden Blockadefaktor, mit xe6 oder xf5/xd5 als späteren Stützpunkten für den Springer.
5. Sc3! Lxf3 6. Sxd5 Lxd1 7. Sxc7+ Kd8 8. Sxa8 Lxc2 9. d5 Sd4 10. Le3 ± ist die theoretische Begründung. Da viele Weisspieler dieses Abspiel nicht kennen - wer kennt schon wirklich 1....Sc6? - wird oft ausgewichen mit 5.Le2.
xe4 Folgendes ist die Vehre-Variante, benannt nach einem amerik. FS-GM.
Sf6 4. e5 Sd7 5. Sxd5 Sdb8 und der Bauer wird zurückgewonnen.
Das folgende ist etwas sehr Subversives, die Symmetrische Variante. Diese ist sehr giftig, hat aber einen kleinen Haken.... e5 4. xe5 d4 5. Sd5 f5 !? dies ist das sog. Aleksejew-Gambit, erforscht Ende der 70-er. Absolut unbekannt und in der Hauptpointe gibt es sogar ein Damenopfer! 6. ef6 Sxf6 7. Lc4
7. Lg5 ! Folgendes ist eben der Haken: Le6 8. Lxf6 xf6 9. Dh5+ Lf7 10. Df5 Lg7 11. Sf3 ±
Le6 8. Lg5 Weiss denkt, er hat seinen Janus d5 zementiert, da doch der Sf6 gefesselt ist, aber ihn erwartet ein richtiger Hammer! Sxd5 !! 9. Lxd8 Lb4+ 10. Ke2 Sf4+ 11. Kf3 Lxc4 Jaja, was es nicht alles gibt. Wer Spass an dieser schwarzen Schurkerei hat, der kann sich folgende Partie ja mal anschauen: <a rel="ugc" href="/game/00f8ded1c0714004">/game/00f8ded1c0714004</a>
4. d5 Se5 5. Lf4 Sg6 6. Lg3 f5 Schwarz hält den zentralen Mehrbauern e4 fest. Dies geschieht zu Lasten eines schlechten Lc8 und vor allem des schwachen xe6. Die Alternative ist Nimzowitschs alter Zug 6...a6, der Schwarz vor Belästigungen durch Sb5/Lb5 bewahrt. 7. h4 Die folgende Partie zeigt den kritischen Pfad auf. Anders als h4, will Weiss mit Sh3 nicht den Sg6 angehen, sondern verhindert den Vorstoss f5-f4. Die Protagonisten sind hier GM Ian Rogers (starker australischer GM mit über 2600 in den 90er) und wieder IM Dunne, gespielt in Philadelphia 1987 (normals Open).
7. Sh3! e5 8. de6 Lxe6 9. Sb5! Der tiefe Sinn hinter Sh3, dadurch dass f4 verhindert ist, fällt nun der Bauer c7 . Ld6 10. Lxd6 Das folgende gewinnt den Bauern wieder, überlässt aber die Initiative Schwarz!
10. Sxd6+ xd6 11. Lxd6 Db6 12. La3 Td8 =+
xd6 11. Dd4!? Ian Rogers folgt einer alten Maxime, wonach der stärkere Spieler sich nicht auf Verwicklungen einlassen soll, wenn diese unklar sind. Er spielt lieber auf die Erhaltung der "positionellen Kontrolle": Damit ist gemeint, dass der Mehrbauer d6 auch Schattenseiten hat: Hier ist es xd5, ein Brückenkopf, ein militärischer Begriff, der dazu dient, schnell eine Art "Verladebahnhof" für die Figuren zu sein. Im folgenden entbrennt ein Kampf um genau dieses Feld!
11. Dxd6 Dxd6 12. Sxd6+ Ke7 13. Sxb7 Tc8 14. O-O-O Sf6 15. Kb1 Tc7 16. Sa5 += keine völlige Kompensation. Langfristig nach Abtausch der Leichtfiguren wird das 3:1 Bauernverhältnis am Damenflügel ein wichtiger weisser Asset sein.
Sf6 12. Sg5 Ld5 13. Lc4! Ausgezeichnet: Dieser Zug hat im Hinterkopf, dass ein Abtausch der weissfeldrigen Läufer Schwarz mit einer Reihe von schwachen Feldern zurück lässt. Ein GM sieht sowas sofort: Er muss es gar nicht berechnen, ein Automatismus sozusagen. Sf4? Ein Fehler, nicht von der Idee her, den Ld5 zu decken, sondern von der Ausführung her. Der Sf4 steht zu wackelig, denselben Zweck hätte auch Se7 erfüllt:
Se7! 14. O-O-O
14. Se6 Lxe6 15. Sxd6+ Dxd6 16. Dxd6 Lxc4 unklar, wobei ich persönlich lieber mit den 3 Figuren statt der Dame spiele!
Dd7 15. Lxd5 Sxd5 16. Da4! Unangenehm: Schwarz kann wegen Db3 nicht rochieren, aber auf e7 oder f8 steht der König eben auch nicht gerade sicher. Ke7 17. Db3 Die schache Diagonal a2-g8 ist offensichtlich, besonders xf7. Weiss hat volle Kompensation und die viel leichter zu spielende Stellung.
14. g3 ± Tc8?!
Lxc4 15. Dxc4 S4d5 16. O-O-O
16. Se6 Dd7 17. Sec7+ Sxc7 18. Sxc7+ Ke7 19. Sxa8 Txa8 += nur, da Schwarz mit dem Endspielkönig e7 und dem starken Bauernzentrum doch teilweise Kompensation für die Qualle hat.
a6 17. Sc3 erhöht weiter den Druck, +/-.
15. b3 ± a6? Der letzte Fehler, nun ist es nach 15 Zügen schon aus!
Sg6 16. O-O-O Txc4 17. xc4 h6 ± 18. h4 ist nur einer von vielen Zügen hier, auch cxd5 oder Sc3, vieles geht hier und zeigt, dass Schwarz sehr schlecht steht!
16. xf4 xb5 17. Lxd5 Txc2 18. O-O +- Da5 19. b4 Da3 20. Lb3 Tc6 21. Sf7 O-O 22. Se5+ d5 23. Lxd5+ kurze Zeit später aufgegeben von Dunne, eine schöne Taktikpartie von GM Rogers basierend auf den positionellen Themen wie Brückenkopf und schwacher Felderkomplex!
e5 8. h5 aggressiv und die Kernidee hinter h4, aber sicherer scheint doch folgendes zu sein:
8. de6 Lxe6 9. Dxd8+ Txd8 10. Lxc7 Tc8 =, Schwarz steht gut, es ist eine einfache Stellung mit Ideen wie Lc5 oder Lb4.
f4? Der Auftakt zu einer Reihe von Verwicklungen. Wie es häufig der Fall ist, schöne Partien oder sogar Glanzpartien werden nicht durch korrekte Züge gewonnen. Sie werden gewonnen, weil man einen riskanten Pfad folgt, der objektiv dubios ist, aber am Brett schwer zu durchschauen ist, für den Gegner. So auch hier. Weiss hätte in der Folge großen Vorteil erlangen können.
Sf4 9. Lxf4 xf4 10. Dd2 Ld6 11. Lb5+ Kf7! 12. Sh3 Auf Sge2 käme Dg5 -/+. a6 13. Le2 e3 =+ Der Mehrbauer fordert seinen Tribut, durch e3! wird die Diagonale e1-h4 freigeschauffelt für Dh4+. damit wird auch der weisse König seine lieben Probleme bekommen.
9. xg6 xg3 GM Keene sah Weiss hier im Vorteil, jedoch ist dieser natürliche Zug nur "Schablone". Viel stärker ist - und damit die Widerlegung von 8....f4: 10. Sxe4?
10. f4!! ±, ein Wahnsinnszug, der wirklich "hidden" ist: Mit dem mutigen Selbstopfer durch den kamikazeartigen Vormarsch wird die f-Linie geschlossen und ein Lc5-Schach verhindert. xf4? das wohl noch einzige ist:
Sh6 11. Lb5+ Ld7 12. Dh5 ± denn es sieht nicht gut aus: Be5 hängt, es droht gxh7 mit Schachgebot, die Bauern e4 und g3 sind schwach,
ef3 11. Sxf3 Sf6 12. Sg5 mit Sf7 ist auch keine Option, +-.
11. Txh7 +-
10. Txh7? xf2+ 11. Kxf2 Lc5+ 12. Kg3 Dg5+ 13. Kh2 Txh7+ -/+ hier sieht man den Unterschied zu 10.f4!!: Schwarz kann hier nämlich ohne Probleme den Bh7 gleich abholen.
xf2+ 11. Sxf2 Sf6 =, denn Schwarz muss Txh7 nicht mehr fürchten. Er hat keinen Entwicklungsrückstand und die schwarzen Felder bei Weiss sind schwach, vor allem xg3 und xf2. 12. Lc4 Lf5 13. xh7 Dd7 14. De2 Lb4+ 15. c3 Ld6 16. Lb5 c6 17. xc6 xc6 18. Ld3?! viel sicherer war La4, um schnell den eigenen König zu sichern mittels der langen Rochade.
18. La4 O-O-O 19. O-O-O =
e4! ein Räumungsopfer, mit Visier auf xg3. 19. Sxe4 Sxe4 20. Lxe4 O-O-O Eine tolle Stellung für Schwarz! Der wK ist in der Mitte hängen geblieben, und Weiss ist bedeutend unter-entwickelt. 21. Lxf5 ? verliert auf sehr schöne Art!
21. Kf1 !! einer dieser Züge, die ein Mensch einfach nicht sieht. Der König geht freiwillig eins zur Seite um Lg3+ zu vermeiden Der Läufer wird auf c5 neuen Posten beziehen, hier jedoch ist er angreifbar, was Weiss gerade so rettet. Lc5 22. Sf3 Tde8 23. Dc4 Lxe4 24. Dxc5 Lxf3 25. xf3 Dd3+ 26. Kg2 Dg6+ 27. Kf2 Dc2+ Dauerschach.
21. O-O-O?? Lf4+ ist sofort aus, -+.
Lg3+ 22. Kf1 Dxf5+ 23. Df3
23. Sf3 Txh7 24. Txh7 Dxh7 25. De3 um Dh1+ entgegenzutreten. g5 !! Dieser Bauer ist ein weiterer Kamikaze-Landwirt: Schlagen darf man ihn nicht, andererseits wird er gewaltsam die f-Linie öffnen mit g5-g4! 26. Dxg5
26. Sxg5 Dh1+ 27. Dg1 Dh5 !! Was ein stiller Zug. Weiss hat keine Möglichkeit Tf8+ effektiv zu vermeiden. Auf sofortiges Sf3 folgt nämlich Db5 mit Matt! 28. De3 Td1+ -+
Dh1+ 27. Sg1 Tf8+ -+
Dg6 deckt Lg3 und bereitet Tf8 vor. 24. De2 The8 25. Dc4 Dd6 -+ Die Engine, dieser humorlose Wicht, spuckt hier gar ein Matt in 18 aus, angefangen mit Td2. 26. Dg4+ Kc7 Aufgabe Weiss! 0:1. Es könnte noch folgen: 27. Dxg7+ Kb8 28. Dd4 De6 29. Dxd8+ Txd8 30. h8=Q Dc4+ 31. Se2 Df7+ mit Matt.
PGN anzeigen[Event "Corr 1989"]
[Site "?"]
[Date "2016.07.05"]
[Round "?"]
[White "Carroll"]
[Black "Dunne"]
[Result "0-1"]
[BlackElo "2400"]
[ECO "B00"]
[Opening "Nimzowitsch Verteidigung"]
[Time "14:03:04"]
[Variation "Bogoljubow, 3...dxe4"]
[WhiteElo "2400"]
[TimeControl "300"]
[Termination "normal"]
[PlyCount "62"]
[WhiteType "human"]
[BlackType "human"]

{Die folgende Hauptpartie zeigt einen genialen Königsangriff gegen einen
zentral stecken gebliebenen wK.
Weiteres Hauptaugenmerk soll die
Vorführung einer doch eher unbekannten Eröffnung sein: der
Nimzowitsch-Eröffnung!
Im Prinzip präsentiere ich 2 Partien: Die andere
Partie zeigt einen souveränen Sieg von GM Rogers, einem sehr schillernden
australischen GM. Sie beginnt in den Untervarianten von Zug 7.Sh3 ! statt
7.h4.} 1. e4 Nc6 2. d4 {mit diesem zentralen Vorstoss will Weiss "Land
gewinnen". Schwarz hat nun die Wahl entweder eine weissfeldrige Blockade
oder eine schwarzfeldrige Blockade zu errichten} d5 (2. .. e5 3. d5 (3.
Nf3 exd4 {ist eine seltene Überleitung zu Schottisch.}) 3. .. Nce7 4. Nf3
Ng6 {Dies ist die andere Art, Nimzowitsch zu spielen. Dieses Mal ist xc5
die Basis für eine schwarzfeldrige Blockade.}) 3. Nc3! {Dies ist die
Mainline, Entwicklung und Kampf um die Initiative!} (3. e5 3. .. Bf5 {so
pflegte Nimzowitsch vor 90 Jahren zu spielen! Mit Dd7, 000 und e6 und Sge7
wird eine Blockade auf den weissen Feldern errichtet. Häufig stürmt der
h-Bauer nach vorne oder das weisse Zentrum wird mit f6 angeknabbert.}) (3.
exd5 {sieht auf den 1.Blick fehlerhaft aus, wird doch die Dame freiwillig
entwickelt. Jedoch ist hier im Gegensatz zum normalen Skandinavisch der Sc6
deplatziert, diese Variante hat ihre taktischen Tücken, die man als
Schwarzer kennen muss!} Qxd5 4. Nf3 Bg4 (4. .. e5 5. Nc3 Bb4 6. Bd2 Bxc3 7.
Bxc3 e4 8. Ne5 Nxe5 9. dxe5 Ne7 {ist sicherer: Das weisse Läufer-Paar ist
hier kein wesentlicher Faktor, das seltsame Bauernduo e5/e4 verleiht der
schwarzen Stellung bedeutenden Blockadefaktor, mit xe6 oder xf5/xd5 als
späteren Stützpunkten für den Springer.}) 5. Nc3! Bxf3 6. Nxd5 Bxd1 7.
Nxc7+ Kd8 8. Nxa8 Bxc2 9. d5 Nd4 10. Be3 {± ist die theoretische
Begründung. Da viele Weisspieler dieses Abspiel nicht kennen - wer kennt
schon wirklich 1....Sc6? - wird oft ausgewichen mit 5.Le2.}) 3. .. dxe4
{Folgendes ist die Vehre-Variante, benannt nach einem amerik. FS-GM.} (3.
.. Nf6 4. e5 Nd7 5. Nxd5 Ndb8 {und der Bauer wird zurückgewonnen.}) ({Das
folgende ist etwas sehr Subversives, die Symmetrische Variante. Diese ist
sehr giftig, hat aber einen kleinen Haken....} 3. .. e5 4. dxe5 d4 5. Nd5
f5 {!? dies ist das sog. Aleksejew-Gambit, erforscht Ende der 70-er.
Absolut unbekannt und in der Hauptpointe gibt es sogar ein Damenopfer!} 6.
exf6 Nxf6 7. Bc4 (7. Bg5 {! Folgendes ist eben der Haken:} Be6 8. Bxf6 gxf6
9. Qh5+ Bf7 10. Qf5 Bg7 11. Nf3 {±}) 7. .. Be6 8. Bg5 {Weiss denkt, er hat
seinen Janus d5 zementiert, da doch der Sf6 gefesselt ist, aber ihn
erwartet ein richtiger Hammer!} Nxd5 {!!} 9. Bxd8 Bb4+ 10. Ke2 Nf4+ 11. Kf3
Bxc4 {Jaja, was es nicht alles gibt. Wer Spass an dieser schwarzen
Schurkerei hat, der kann sich folgende Partie ja mal anschauen:

/game/00f8ded1c0714004}) 4. d5 Ne5 5. Bf4 Ng6 6.
Bg3 f5 {Schwarz hält den zentralen Mehrbauern e4 fest. Dies geschieht zu
Lasten eines schlechten Lc8 und vor allem des schwachen xe6. Die
Alternative ist Nimzowitschs alter Zug 6...a6, der Schwarz vor
Belästigungen durch Sb5/Lb5 bewahrt.} 7. h4 {Die folgende Partie zeigt den
kritischen Pfad auf. Anders als h4, will Weiss mit Sh3 nicht den Sg6
angehen, sondern verhindert den Vorstoss f5-f4. Die Protagonisten sind hier
GM Ian Rogers (starker australischer GM mit über 2600 in den 90er) und
wieder IM Dunne, gespielt in Philadelphia 1987 (normals Open).} (7. Nh3! e5
8. dxe6 Bxe6 9. Nb5! {Der tiefe Sinn hinter Sh3, dadurch dass f4 verhindert
ist, fällt nun der Bauer c7 .} Bd6 10. Bxd6 {Das folgende gewinnt den
Bauern wieder, überlässt aber die Initiative Schwarz!} (10. Nxd6+ cxd6 11.
Bxd6 Qb6 12. Ba3 Rd8 {=+}) 10. .. cxd6 11. Qd4!? {Ian Rogers folgt einer
alten Maxime, wonach der stärkere Spieler sich nicht auf Verwicklungen
einlassen soll, wenn diese unklar sind. Er spielt lieber auf die Erhaltung
der "positionellen Kontrolle": Damit ist gemeint, dass der Mehrbauer d6
auch Schattenseiten hat: Hier ist es xd5, ein Brückenkopf, ein
militärischer Begriff, der dazu dient, schnell eine Art "Verladebahnhof"
für die Figuren zu sein. Im folgenden entbrennt ein Kampf um genau dieses
Feld!} (11. Qxd6 Qxd6 12. Nxd6+ Ke7 13. Nxb7 Rc8 14. O-O-O Nf6 15. Kb1 Rc7
16. Na5 {+= keine völlige Kompensation. Langfristig nach Abtausch der
Leichtfiguren wird das 3:1 Bauernverhältnis am Damenflügel ein wichtiger
weisser Asset sein.}) 11. .. Nf6 12. Ng5 Bd5 13. Bc4! {Ausgezeichnet:
Dieser Zug hat im Hinterkopf, dass ein Abtausch der weissfeldrigen Läufer
Schwarz mit einer Reihe von schwachen Feldern zurück lässt. Ein GM sieht
sowas sofort: Er muss es gar nicht berechnen, ein Automatismus sozusagen.}
Nf4? {Ein Fehler, nicht von der Idee her, den Ld5 zu decken, sondern von
der Ausführung her. Der Sf4 steht zu wackelig, denselben Zweck hätte auch
Se7 erfüllt:} (13. .. Ne7! 14. O-O-O (14. Ne6 Bxe6 15. Nxd6+ Qxd6 16. Qxd6
Bxc4 {unklar, wobei ich persönlich lieber mit den 3 Figuren statt der Dame
spiele!}) 14. .. Qd7 15. Bxd5 Nexd5 16. Qa4! {Unangenehm: Schwarz kann
wegen Db3 nicht rochieren, aber auf e7 oder f8 steht der König eben auch
nicht gerade sicher.} Ke7 17. Qb3 {Die schache Diagonal a2-g8 ist
offensichtlich, besonders xf7. Weiss hat volle Kompensation und die viel
leichter zu spielende Stellung.}) 14. g3 {±} Rc8?! (14. .. Bxc4 15. Qxc4
N4d5 16. O-O-O (16. Ne6 Qd7 17. Nec7+ Nxc7 18. Nxc7+ Ke7 19. Nxa8 Rxa8 {+=
nur, da Schwarz mit dem Endspielkönig e7 und dem starken Bauernzentrum doch
teilweise Kompensation für die Qualle hat.}) 16. .. a6 17. Nc3 {erhöht
weiter den Druck, +/-.}) 15. b3 {±} a6? {Der letzte Fehler, nun ist es nach
15 Zügen schon aus!} (15. .. Ng6 16. O-O-O Rxc4 17. bxc4 h6 {±} 18. h4 {ist
nur einer von vielen Zügen hier, auch cxd5 oder Sc3, vieles geht hier und
zeigt, dass Schwarz sehr schlecht steht!}) 16. gxf4 axb5 17. Bxd5 Rxc2 18.
O-O {+-} Qa5 19. b4 Qa3 20. Bb3 Rc6 21. Nf7 O-O 22. Ne5+ d5 23. Bxd5+
{kurze Zeit später aufgegeben von Dunne, eine schöne Taktikpartie von GM
Rogers basierend auf den positionellen Themen wie Brückenkopf und schwacher
Felderkomplex!}) 7. .. e5 8. h5 {aggressiv und die Kernidee hinter h4, aber
sicherer scheint doch folgendes zu sein:} (8. dxe6 Bxe6 9. Qxd8+ Rxd8 10.
Bxc7 Rc8 {=, Schwarz steht gut, es ist eine einfache Stellung mit Ideen wie
Lc5 oder Lb4.}) 8. .. f4? {Der Auftakt zu einer Reihe von Verwicklungen.
Wie es häufig der Fall ist, schöne Partien oder sogar Glanzpartien werden
nicht durch korrekte Züge gewonnen. Sie werden gewonnen, weil man einen
riskanten Pfad folgt, der objektiv dubios ist, aber am Brett schwer zu
durchschauen ist, für den Gegner. So auch hier. Weiss hätte in der Folge
großen Vorteil erlangen können.} (8. .. Nf4 9. Bxf4 exf4 10. Qd2 Bd6 11.
Bb5+ Kf7! 12. Nh3 {Auf Sge2 käme Dg5 -/+.} a6 13. Be2 e3 {=+ Der Mehrbauer
fordert seinen Tribut, durch e3! wird die Diagonale e1-h4 freigeschauffelt
für Dh4+. damit wird auch der weisse König seine lieben Probleme
bekommen.}) 9. hxg6 fxg3 { GM Keene sah Weiss hier im Vorteil, jedoch ist
dieser natürliche Zug nur "Schablone". Viel stärker ist - und damit die
Widerlegung von 8....f4:} 10. Nxe4? (10. f4!! {±, ein Wahnsinnszug, der
wirklich "hidden" ist: Mit dem mutigen Selbstopfer durch den
kamikazeartigen Vormarsch wird die f-Linie geschlossen und ein Lc5-Schach
verhindert.} 10. .. exf4? { das wohl noch einzige ist:} (10. .. Nh6 11.
Bb5+ Bd7 12. Qh5 {± denn es sieht nicht gut aus: Be5 hängt, es droht gxh7
mit Schachgebot, die Bauern e4 und g3 sind schwach,}) (10. .. exf3 11. Nxf3
Nf6 12. Ng5 {mit Sf7 ist auch keine Option, +-.}) 11. Rxh7 {+-}) (10. Rxh7?
gxf2+ 11. Kxf2 Bc5+ 12. Kg3 Qg5+ 13. Kh2 Rxh7+ {-/+ hier sieht man den
Unterschied zu 10.f4!!: Schwarz kann hier nämlich ohne Probleme den Bh7
gleich abholen.}) 10. .. gxf2+ 11. Nxf2 Nf6 {=, denn Schwarz muss Txh7
nicht mehr fürchten. Er hat keinen Entwicklungsrückstand und die schwarzen
Felder bei Weiss sind schwach, vor allem xg3 und xf2.} 12. Bc4 Bf5 13. gxh7
Qd7 14. Qe2 Bb4+ 15. c3 Bd6 16. Bb5 c6 17. dxc6 bxc6 18. Bd3?! { viel
sicherer war La4, um schnell den eigenen König zu sichern mittels der
langen Rochade.} (18. Ba4 O-O-O 19. O-O-O {=}) 18. .. e4! {ein
Räumungsopfer, mit Visier auf xg3.} 19. Nxe4 Nxe4 20. Bxe4 O-O-O {Eine
tolle Stellung für Schwarz! Der wK ist in der Mitte hängen geblieben, und
Weiss ist bedeutend unter-entwickelt.} 21. Bxf5 {? verliert auf sehr schöne
Art!} (21. Kf1 {!! einer dieser Züge, die ein Mensch einfach nicht sieht.
Der König geht freiwillig eins zur Seite um Lg3+ zu vermeiden Der Läufer
wird auf c5 neuen Posten beziehen, hier jedoch ist er angreifbar, was Weiss
gerade so rettet.} 21. .. Bc5 22. Nf3 Rde8 23. Qc4 Bxe4 24. Qxc5 Bxf3 25.
gxf3 Qd3+ 26. Kg2 Qg6+ 27. Kf2 Qc2+ {Dauerschach.}) (21. O-O-O?? Bf4+ {ist
sofort aus, -+.}) 21. .. Bg3+ 22. Kf1 Qxf5+ 23. Qf3 (23. Nf3 Rxh7 24. Rxh7
Qxh7 25. Qe3 {um Dh1+ entgegenzutreten.} g5 {!! Dieser Bauer ist ein
weiterer Kamikaze-Landwirt: Schlagen darf man ihn nicht, andererseits wird
er gewaltsam die f-Linie öffnen mit g5-g4!} 26. Qxg5 (26. Nxg5 Qh1+ 27. Qg1
Qh5 {!! Was ein stiller Zug.
Weiss hat keine Möglichkeit Tf8+ effektiv zu
vermeiden. Auf sofortiges Sf3 folgt nämlich Db5 mit Matt!} 28. Qe3 Rd1+
{-+}) 26. .. Qh1+ 27. Ng1 Rf8+ {-+}) 23. .. Qg6 {deckt Lg3 und bereitet Tf8
vor.} 24. Qe2 Rhe8 25. Qc4 Qd6 {-+
Die Engine, dieser humorlose Wicht,
spuckt hier gar ein Matt in 18 aus, angefangen mit Td2.} 26. Qg4+ Kc7
{Aufgabe Weiss! 0:1.
Es könnte noch folgen:} 27. Qxg7+ Kb8 28. Qd4 Qe6
29. Qxd8+ Rxd8 30. h8=Q Qc4+ 31. Ne2 Qf7+ {mit Matt.} 0-1
Colorado77 - 06. Jul '16
Endlich hat es geklappt!
Vabanque hat mich auf die richtige Spur gebracht:
Es ist ganz einfach:
- Lasst den CB Reader aus dem Spiel bei der Umwandlung von .pgn in .txt!!!
- Kopiert die PGN an einen anderen Ort auf Eurem PC. Dann benennt sie einfach um von "Superpartie.pgn" in "Superpartie.txt".
- Dann copy/paste des Inhaltes der .txt Datei in den Threadtext.
- Dann gemäss der Anleitung "pgn" davor und dahinter (Beispiel von DeepBlue vs Kasparov).
- Passt die Vorschau?
Fertig!
Vabanque - 06. Jul '16
Ja, es ist schon ein tolles Gefühl, wenn 'es' hier zum ersten Mal geklappt hat ;)

Für deine langen Kommentare werde ich mir dann mal genüsslich Zeit nehmen.
Sam0907 - 06. Jul '16
C77 - genau deine Vorgehensweise habe ich gestern auch entdeckt.

Kopierst du eine pgn-Datei und fügst sie z.B. in Word ein, hast Du automatisch eine txt-Datei.

Die Kommentare schreibe ich vorher in meiner GUI Shredder hinter den jeweiligen Zügen, dann hast du die gewellten Klammern bereits gesetzt und setzt anschließend im Word-Dokument noch die runden Klammern () richtig.

LG
Vabanque - 06. Jul '16
Ich hab das jetzt alles mal durchgespielt - vor so viel Taktik schwirrt mir der Kopf :)

Aber richtig toll kommentiert: zwar viele Varianten, aber alle verständlich und auch wichtig.

Warum spielt Schwarz eigentlich nicht gleich 20... Lg3+ ?

Besonders gut an der Kommentierung finde ich, dass immer wieder (ähnlich wie auch schon in dem Beitrag von Sam0907) der Unterschied zwischen menschlichem und Engine-Denken aufgezeigt wird.
Kellerdrache - 06. Jul '16
Das war ja mal eine völlig verrückte Geschichte. Es ist sehr lobenswert, dass du dir soviel Mühe mit der Kommentierung der Eröffnung gegeben hast, die doch vielen ganz eigenen Plänen folgt. Ich hätte ohne diese Kurzeinführung in die Nimzowitsch-verteidigung nie einen vernünftigen Einstieg in die Partie gefunden.
Der Königsangriff ist dagegen sehr klassisch und ein schönes Beispiel dafür wie wichtig die Königssicherheit ist.
Colorado77 - 06. Jul '16
Kellerdrache: Schön, dass es Dir gefallen hat!
Dauer für die ganze Kommentierung: circa 2 Stunden. Ich hatte vieles noch auf meiner Gehirnrinden-Festplatte abgespeichert (früher selber oft 1...Sc6 gespielt).
Es ist eine tolle Eröffnung, nur was macht man gegen 2.Sf3? Das kommt in Teil 2....

Vabanque: Ich habe auf Deinen Kommentar hin noch einmal die DB gecheckt.
Es gibt in meiner DB zu 10.Sxe4 (?) 4 Partien und nun kommt es: 1 (eine) zu der Idee mit 10.f4 (!!): Diese ist die Partie, halt Dich fest: Domenden-Dunne, Corr, aus 1989 (!). Damals gab es keine Engines, dieser Zug (es wurde Lb5+-Ld7 vor f4 zwischengschaltet) wurde also ganz alleine vom Weissspieler gefunden!!
Mir ist das nicht gelungen, weil es eben ein total verborgener Zug ist.
Vielleicht kennt einer von Euch einen GM und kann ihn mal "testen", ob er an dieser Stelle diese Idee findet.

20...Lg3+ war zuerst auch von Dunne angedacht, laut eigener Aussage. ABER das bringt nichts nach 21.Kf1 000 22.Sf3 geht es nicht weiter mit dem Angriff. Der Sf3 ist hier entwickelt, im Gegensatz zur Partie. UND Schwarz kam nicht zu Df5+, von wo aus sie in Reichweite des Bauern h7 ist.

Nach der Partiefortsetzung 20....00 muss Weiss den einzigen Zug finden 21.Kf1 (!!), dies aber ist sehr unwahrscheinlich, darauf hat Dunne eben gesetzt.
Vabanque - 06. Jul '16
Danke, sehr schön erklärt!