Kommentierte Spiele
Glanzpartien unbekannter Spieler (XXVIX)
Vabanque - 18. Jun '15
Hier noch eine Partie, die sich in diversen Datenbanken findet, wobei es jeweils die einzige mit den beteiligten Spielern ist, die sich also sonst wohl nirgends hervorgetan haben. Vielleicht waren es reine Clubspieler, aber ganz schwach kann zumindest der Führer der weißen Steine nicht gewesen sein, wenn er so eine hübsche und originelle Schlusskombination gesehen hat. Zu welchem Anlass die Partie gespielt wurde und auf welchem Wege sie an die Öffentlichkeit gelangt ist, konnte ich nicht herausfinden.































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Rather Belcher NY | New York, NY USA | 1940 | C11 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sc3 Sf6 4. Lg5 xe4 Diese so genannte Rubinstein- Variante der Französischen Verteidigung wird auch heute noch viel gespielt. Sie war lange Zeit umstritten und wurde von einigen Autoritäten auch als nicht vollwertig angesehen, da Schwarz dem Weißen hier ein Übergewicht im Zentrum überlässt. Dafür erhält Schwarz aber die freie Diagonale b7-h1 für seinen Damenläufer (der in der Französischen ja immer das Sorgenkind des Schwarzen ist) und kann durch den Gegenschlag c7-c5 später das weiße Zentrum erfolgreich attackieren. Jedenfalls ist es schwer, mit Weiß einen Vorteil zu erlangen, wenn Schwarz korrekt spielt. In der gegenwärtigen Partie wird Schwarz dies allerdings unterlassen; und so ist sie ein schönes Beispiel für die Chancen des Weißen in dieser Variante, wenn Schwarz nicht ganz auf der Höhe ist. 5. Sxe4 Le7 6. Lxf6 Lxf6 7. Sf3 O-O 8. c3 Zur Vorbereitung von Ld3. Sd7 9. Ld3 b6 Soweit alles beiderseitig nach Plan. Der Textzug soll den Damenläufer endlich auf die schöne lange Diagonale bringen. Aber der nächste weiße Zug bringt den Schwarzen anscheinend bereits aus dem Tritt. 10. h4!? Provoziert die folgende Angstreaktion. h6? Schwarz fürchtet Angriffe auf den Punkt h7, z.B. mit Sg5, und schafft dem Weißen eine Angriffsmarke für das Vorgehen des g-Bauern. Er hätte getrost plangemäß Lb7 spielen können. 11. Dc2 Auch sofortiges g4 war hier schon denkbar. Lb7 12. O-O-O Tc8 Schwarz hätte hier sofort c7-c5 spielen sollen. Den Turm auf die Linie zu bringen, wo König und Dame des Weißen stehen, sieht optisch zwar gut aus, ist aber letztlich ohne Kraft. Die ganze schwarze Strategie ist viel zu langsam. Ein Aufbau mit Rochaden nach entgegengesetzten Seiten verlangt immer rasches Handeln von beiden Parteien. Wer hier zaudert, wird in der Regel überrannt. 13. Kb1 Nun sieht c5 schon nicht mehr so gut aus wegen Sd6. Aber der nächste schwarze Zug, der offenbar nun doch c5 vorbereiten soll, ist ganz bestimmt nicht besser. De7? Denn nach dem folgenden weißen Zug hat der Lf6 kein Rückzugsfeld. 14. g4 Droht g5 mit Eroberung des Lf6. g5? Schlimmer und schlimmer! Schwarz versucht in seiner Panik den Vorstoß des g-Bauern mechanisch zu blockieren. Am besten wäre hier vermutlich noch g6 gewesen, um dem Läufer eine Rückzugsmöglichkeit nach g7 zu verschaffen, wo er obendrein für die Verteidigung gut steht. Außerdem wäre die Diagonale b1-h7 dann geschlossen gewesen. Jetzt dagegen öffnet sich nicht nur besagte Diagonale, sondern auch die h-Linie. 15. xg5 xg5 Nun betrachtete sich Weiß wahrscheinlich die Stellung und dachte (natürlich auf Englisch, denn die Partie wurde ja in NY gespielt): 'Well, wenn jetzt der Ld3 und der Se4 nicht wären da, dann würde ich können mattsetzen auf h7. Also ich muss sie irgendwie loswerden mit Tempo.' Mit solchen Gedanken werden Kombinationsideen geboren, und man kommt auf ganz logischem Wege zu Zügen wie dem folgenden, die dem Anfänger wie Zauberei vorkommen. 16. La6! Wirklich hübsch, und auch zwingend, da der Lb7 nun hängt. Lxe4 bringt ja auch nichts, da nach Dxe4 dann gleich Matt auf h7 droht und der Tc8 bedroht ist. Lxa6 17. Sxg5 Das ist nun natürlich klar. Trotzdem musste Weiß bei 16. La6 bis zum Ende rechnen. Tfd8 Denn diese Verteidigung hat Schwarz ja noch, und wenn es nun nichts gäbe, hätte Weiß einfach eine Figur veropfert. Daher musste er die folgende Fortsetzung schon gesehen haben, bevor er 16. La6 spielte. Schöne Ideen allein reichen halt nicht, man muss sich auch überzeugen, dass sie funktionieren. 18. Th8+! Die doppelte Hinlenkungspointe. Bei Dh7+ Kf8 hätte Weiß sich ausgetobt. So aber entkommt der König nicht mehr. Lxh8 Schlägt der König, ist es sofort Matt auf h7. So aber wurde der Läufer auf dieses Feld gelenkt, so dass er es nicht mehr deckt. 19. Dh7+ Kf8 20. Dxh8# Wieder mit einem Dank an die De7, die durch ihre Position diese Kombination erst möglich machte. Es gibt eben Leute, die stehen allen nur im Weg. So auch diese stolze Lady, die nun ungewollt (?) ihrem eigenen Gatten den letzten Ausgang versperrt. - Jedenfalls ein origineller Schluss.
Kellerdrache - 18. Jun '15
Sehr schöne Partie ! Neben der von Dir bereits herausgestrichenen Tatsache das Rochaden auf verschiedenen Flügeln scharfes Spiel verlangen zeigt dieses Beispiel auch das beim Turnierschach neben dem schachlichen Vermögen die Nervenstärke eine wichtige Eigenschaft für den erfolgreichen Schachspieler ist.
16. La6 ist ein Zug den noch lange nicht jeder findet und der dem ganzen Angriff das besondere Flair gibt.
16. La6 ist ein Zug den noch lange nicht jeder findet und der dem ganzen Angriff das besondere Flair gibt.
Vabanque - 18. Jun '15
Ja danke.
Übrigens wurde hier schon wieder eine Anmerkung von mir 'geschluckt'. Vor La6 schrieb ich nämlich noch, wie man auf diesen Zug kommt: Der Ld3 und Se4 müssen verschwinden, damit ein Matt der weißen Dame auf h7 möglich ist. Freilich reicht die Idee allein nicht, man muss schon präzise rechnen, und vor allem die Fortsetzung nach 17... Tfd8 sehen. Aber das steht ja dann wieder oben da.
Die Frage ist halt (nachdem mir das schon öfters passiert ist), nach welchem Prinzip der pgn-Viewer von chessmail Anmerkungen schluckt. Shaack hat hier eine launische Diva, bzw. ein Sensibelchen installiert, wie mir scheint ...
Übrigens wurde hier schon wieder eine Anmerkung von mir 'geschluckt'. Vor La6 schrieb ich nämlich noch, wie man auf diesen Zug kommt: Der Ld3 und Se4 müssen verschwinden, damit ein Matt der weißen Dame auf h7 möglich ist. Freilich reicht die Idee allein nicht, man muss schon präzise rechnen, und vor allem die Fortsetzung nach 17... Tfd8 sehen. Aber das steht ja dann wieder oben da.
Die Frage ist halt (nachdem mir das schon öfters passiert ist), nach welchem Prinzip der pgn-Viewer von chessmail Anmerkungen schluckt. Shaack hat hier eine launische Diva, bzw. ein Sensibelchen installiert, wie mir scheint ...
Privateer - 30. Jun '15
Nur nebenbei - es müsste heißen "Glanzpartien unbekannter Spieler (XXIX)", wenn damit die römische Zahl 29 gemeint ist.
Wie gesagt, nur nebenbei ;-)
Wie gesagt, nur nebenbei ;-)
Vabanque - 30. Jun '15
Ups ... natürlich hast Du Recht :)