Kommentierte Spiele
Glanzpartien unbekannter Spieler (XXXV)
Vabanque - 03. Mai '16
Eine schöne Partie zweier völlig unbekannter Kontrahenten, ausgetragen in der Meisterschaft von Kirgisien 1957, und bemerkenswert vor allem durch den eleganten Schluss, in dem Weiß seine Springer in eindrucksvoller Weise zur Geltung bringt. Ein Damenopfer krönt dann noch die Ausnutzung der Grundreihenschwäche bei Schwarz.
P.S. Der aufmerksame Leser wird aus der Kommentierung übrigens meinen ungefähren Wohnort ermitteln können ;)































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P.S. Der aufmerksame Leser wird aus der Kommentierung übrigens meinen ungefähren Wohnort ermitteln können ;)
Miroshnichenko Yuri Anokhin Kirgisian Ch | USSR | 1957 | D40 | 1:0
8








7








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4
3
2








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1

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d

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1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sc3 d5 4. Sf3 c5 5. xd5 xd5 Die Tarrasch-Verteidigung, in der Schwarz einen isolierten Damenbauer in Kauf nimmt. Obwohl ihr Erfinder sie dazumal als die 'einzig richtige' Verteidigung des Damengambits propagierte und den entstehenden Isolani als stark statt schwach (wie seine Gegner behaupteten) bezeichnete, war sie lange Jahrzehnte heftigst umstritten und galt zum Zeitpunkt, als diese Partie gespielt wurde, als minderwertig. Später haben sich sogar Weltmeister wie Spassky, Petrosian und Kasparov ihrer gerne bedient und sie damit rehabilitiert. (Aus relativ geringer Entfernung höre ich gerade Tarrasch in seinem Grab befriedigt grunzen.) 6. Lg5 Weiß wählt nicht die damals schon als beste Behandlungsweise anerkannte Spielweise g3 nebst Lg2 (mit der der schwarze Isolani belagert wird), und hat trotzdem Erfolg, da Schwarz weiterhin ungenau spielt. Le6 7. e3 Le7 8. Lb5+ Sfd7?! Fragwürdig wie übrigens auch schon der 6. Zug von Schwarz; der Sinn der Tarrasch-Verteidigung besteht doch in der Erlangung freien Figurenspiels, ggf. sogar unter Bauernopfer. (Nebenan dreht sich gerade Tarrasch ächzend im Grab um.) 9. Lxe7 Dxe7 10. xc5 Dxc5 Nun gerät die schwarze Dame in eine ungünstige Lage, und wird tragikomischerweise im Folgenden (ähnlich wie seinerzeit Richard Kimble) ständig auf der Flucht sein. 11. O-O O-O 12. Tc1 Schon fühlt sich die schwarze Lady nicht mehr so wohl. Sc6 13. Lxc6 Dxc6 Vielleicht war bxc6 hier der bessere Versuch? 14. Sd4 Dd6 Hier findet sie auch keine Ruhe. 15. Scb5 Die weißen Springer werden in der Folge noch ganz schön viel Wirbel veranstalten. De5 16. Db3 Bereitet f2-f4 vor, damit e3 nicht hängt. Hier zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zwischen menschlichem und Engine-Schach: denn Engines empfehlen hier das direkte 16. f4! unter Aufopferung des Bauern e3. Möglicherweise hätten Spieler wie Tal oder Kasparov auch tatsächlich ohne mit der Wimper zu zucken den Bauern geopfert und die Situation korrekt eingeschätzt. Wir haben es hier aber beim Weißspieler nicht mit einem Kasparov zu tun, sondern nur mit einem gewöhnlichen starken Spieler, der selbstverständlich die Möglichkeit, völlig risikolos eine gute Stellung zu erlangen, vorzieht. Sb6 17. f4 Df6 18. Sc7 Tad8 19. Da3! Gut gespielt; dieser Damenposition kommt gleich eine wichtige Bedeutung zu. Zunächst mal hängt a7, was Schwarz zu dem folgenden Zug veranlasst. a6 Rückblickend hätte Schwarz den Bauern a7 mit 19... Sc4 besser aufgegeben, um noch etwas Gegenspiel zu erlangen. Aber den folgenden hübschen Schluss konnte er wirklich kaum vorausahnen. 20. f5 Lc8 21. Sde6! Das Pikante an der Schlusswendung ist, dass ab jetzt ausschließlich Springerzüge erfolgen, und dass fast jeder davon ein Opferzug ist. Sc4
Denn nach xe6 22. xe6 mit Angriff auf die schwarze Dame De5 23. geschieht e7! Aua!! Txf1+ 24. Txf1 Dxc7 Turmzüge führen zu demselben Schluss 25. Tf8+ Txf8 26. ef8=Q# Der geschehene Textzug (Sc4) beabsichtigt die weiße Dame von der Diagonalen a3-e7 zu vertreiben, damit der spätere weiße Bauernzug e6-e7 (wie in der gezeigten Variante) nicht möglich ist.
22. Sxd5! De5 23. Se7+ Kh8 24. Sxd8! Dieses Damenopfer gewinnt am elegantesten und klarsten. Sxa3 25. Sxf7+! Die Pointe. Schwarz muss schlagen und erliegt nach Txf7 26. Txc8+ nun doch einem Grundreihenmatt. Daher gab er auf. Ein spritziges Finale.
cutter - 03. Mai '16
Tolle Kavallerie!