Kommentierte Spiele

Große Partien ... (XVIII): Petrosian - Spassky 1966

Vabanque - 17. Apr '14
Der Armenier Tigran Petrosian, der Weltmeister von
1963-69 war, wird oft als langweiliger Positionsspieler
gebrandmarkt. In der Tat war sein Stil eher abwartend,
manövrierend, lavierend. Selten war er auf den direkten
Angriff aus, außer die Stellung erforderte dies.
Häufiger provozierte er den gegnerischen Angriff, um
diesen dann siegreich zurückzuweisen. In seinen besten
Momenten konnte er jedoch auch brilliante
Partieschlüsse produzieren, so wie in nachfolgendem
Spiel, das aus dem ersten WM-Kampf gegen Spassky
stammt, den Petrosian als amtierender Weltmeister gegen
den Herausforderer gewann. (Den zweiten WM-Kampf im
Jahre 1969 sollte dann Spassky gewinnen.)

Tigran Petrosian Boris Spassky Moscow-Wch | Moscow-Wch | 10 | 1966.05.02 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. Sf3 Sf6 2. g3 g6 3. c4 Lg7 4. Lg2 O-O 5. O-O Sc6 6. Sc3 d6 Nach solchen seinerzeit 'modernen' Spielanfängen mit geschlossenem Königsfianchetto-Aufbau und beiderseitigen 'Berührungsängsten' waren nun wirklich schwerlich taktische Verwicklungen oder gar eine Glanzpartie zu erwarten - doch der Schein trügt, wie die Folge zeigen wird. 7. d4 Das Spiel geht nun in die Königsindische Verteidigung über. a6 8. d5 Sa5 'Springer am Rande bringt Kummer und Schande' lautet ein alter Schachspieler-Spruch, der in aller Munde ist. Aber Spassky weiß schon, was er tut, und dass er diese Partie verliert, spricht dennoch nicht direkt gegen diesen Zug. Es soll damit ein Spiel am Damenflügel, insbesondere gegen den weißen Bauern c4, eingeleitet werden. 9. Sd2 c5 Nach der Deckung des Bauern c4 drohte b2-b4 mit Eroberung des Randspringers. 10. Dc2 e5 11. b3 Sg4 Ziemlich überraschend und ungewöhnlich. Schwarz möchte Verwirrung stiften und gleichzeitig ggf. f7-f5 vorbereiten. Logisch erscheint aber, wie auch schon im vorigen Zug, Tb8 mit dem Plan b2-b5, um den Randspringer mitwirken zu lassen. 12. e4 Ich sehe nicht, was gegen h2-h3 gesprochen hätte, aber auch Lb2 (ein Vorschlag von GM O'Kelly) sieht natürlich aus. GM Suetin dagegen plädierte für a2-a3 mit der Drohung b3- b4. Mit dem Textzug geht Petrosian offenbar absichtlich auf die schwarzen Pläne ein, weil er tiefer liegende Absichten verfolgt. Es war eben typisch für Petrosian, den Gegner scheinbar 'kommen' zu lassen, um dann auf subtilste Weise zurückzuschlagen. f5 13. xf5 xf5 Nach dem Wiedernehmen mit dem Läufer hätte Weiß das Feld e4 für seine Figuren. 14. Sd1!? Typisch Petrosian, der noch nie Bedenken gegen Figurenrückzüge auf die eigene Grundreihe hatte. Objektiv ist der Zug wahrscheinlich nicht der stärkste, aber bemerkenswert ist der damit verbundene Weitblick. Petrosian provoziert die folgende schwarze Initiative, wohl wissend, dass Spassky sich am wohlsten fühlte, wenn er (zumindest scheinbar) am 'Drücker' war. b5 15. f3 Das war zunächst die Idee von Sd1 gewesen; das Feld e3 ist nun von dem Sd1 gedeckt. e4 Durch diesen logischen Gegenangriff auf den Ta1 erreicht Schwarz, dass er seinen Sg4 nicht zurückziehen muss, sondern den angreifenden Bauern f3 im folgenden Zug tauschen kann. Der Kampf ist nun - ausgehend vom geschlossenen Aufbau mit beiderseitigen Berührungsängsten, wie man sich erinnern wird - außerordentlich lebhaft geworden. Schwarz scheint am Ruder zu sein ... 16. Lb2 xf3 17. Lxf3 Weiß kann nicht mit dem S auf f3 schlagen, weil er dann nach Lxb2 mit der D auf b2 zurücknehmen müsste (andernfalls käme die Gabel Se3) und somit den Bauern c4 einbüßen würde. Lxb2 Man kann hinterher leicht schreiben, dass es vermutlich besser gewesen wäre, die schwarzfeldrigen Läufer auf dem Brett zu lassen und gleich Se5 zu spielen. 18. Dxb2 Se5 Der schwarze Springer steht nun anscheinend wirklich bombig; zentral und unangreifbar von einem weißen Bauern. Zudem hängt c4. 19. Le2 Deckt nicht nur den Bauern c4 und das Feld d3, sondern beabsichtigt auch das Manöver Sd1-e3-g2-f4, wonach der schwarze Bauer f5 zuverlässig blockiert wäre und der schwarze weißfeldrige Läufer keine rosige Zukunft zu erwarten hätte. f4!? Deswegen die folgende Gewaltaktion. 20. xf4!? Hinterher wurde festgestellt, dass 20. Txf4 vermutlich in allen Varianten zu einem Stellungsvorteil für Weiß geführt hätte, während der Textzug nicht ganz so klar ist. Aber er hat den nicht zu unterschätzenden Vorzug, den Schwarzen zu dem folgenden scheinbaren Tempogewinn zu verleiten: Lh3? So werden Partien auf höchstem Niveau entschieden! Statt dessen war 20... Txf4! 21. Txf4 Dg5+ richtig. Schwarz hätte dann Chancen behalten, das Spiel auszugleichen. Der Textzug sieht aber noch viel stärker aus, denn auf 21. fxe5??? Dg5+ würde Weiß matt, und auf 21. Tf2? käme Txf4! nun mit viel größerer Wirkung. Somit zwingt Schwarz den Weißen zu dem folgenden Qualitätsopfer, das jedoch sehr stark ist, wie Petrosian schon bei 20. gxf4 erkennen musste. 21. Se3!! Jetzt wäre Txf4 22. Txf4 Dg5+ wegen 23. Tg4! nicht mehr gut; nachdem sich auf g4 alles getauscht hat, spielt Weiß Kh1 und droht Tg1. Mit der Abseitsstellung seines Sa5 ist Schwarz dann gegen den weißen Angriff wehrlos. Er nimmt daher das Qualitätsopfer an. Lxf1 22. Txf1 Nachdem der Lh3 vom Brett verschwunden ist, droht Weiß wirklich fxe5. Sg6 Man sagte hinterher, Sd7 wäre etwas besser gewesen, aber Spassky möchte immer 'aktiv' spielen, und scheinbar greift der Textzug doch den Bauern f4 an?! 23. Lg4! Lässt den Bauern f4 im Stich. Der Läufer strebt nach e6 mit idealer Wirkung, nachdem die weiße Dame schon die lange Diagonale wie ein schwarzfeldriger Läufer beherrscht. 23. Sg4? dagegen sähe zwar auf den ersten Blick gut aus wegen der schönen Mattdrohung (!!) Sh6, aber Schwarz könnte sich dagegen mit 23... h5! gut verteidigen und erhielte damit sogar die Oberhand. Sxf4? Verliert forciert, aber Spassky war schon knapp an Zeit. Relativ am besten war Df6, um auf der langen Diagonalen zu opponieren. 24. Txf4! Auch wenn dieses zweite Qualitätsopfer nun fast zu erwarten war: effektvoll ist es doch. Der Schluss ist ganz außerordentlich lehrreich; alles greift logisch ineinander wie die Rädchen eines Uhrwerks. Txf4 25. Le6+ Spielt Schwarz nun Kf8, so kommt 26. Dh8+ Kf7 27. Dxh7+, und entweder Schwarz verliert den 'losen' Tf4 durch weitere Schachgebote oder sein König gerät in ein Mattnetz, wie seinerzeit Hans Kmoch in ausführlichen Varianten nachwies. Wenn jemand diese Varianten sehen will, kann ich sie gerne posten, worauf ich hier wegen der Länge verzichte. Denn es ist eigentlich klar, dass Schwarz mit seinem abseits stehenden Sa5, dem inaktiven Ta8, dem exponierten Tf4 und dem nackten König keine Verteidigung gegen den Ansturm der weißen Dame, des Läufers und der beiden Springer haben kann. Tf7 Spassky glaubt Kmochs Analysen, ohne sie gesehen zu haben (für einen GM ist es ohne Variantenberechnung völlig offensichtlich, dass es nach Kf8 Dh8+ keine Verteidigung geben kann), und holt den losen Turm heim. 26. Se4! Dieser Zug verhindert sowohl Df6 wie auch Dg5+ und droht Sf5, was wiederum mit einer Mattdrohung auf g7 verbunden wäre (der Turm f7 ist ja gefesselt!). Dh4 Deswegen dieser verzweifelte Ausfall. 27. Sxd6! Petrosian hat gesehen, dass er die Damenschachs auf e1 bzw. g5 zulassen und den Se3 im Stich lassen kann. Spielt Schwarz jetzt De1+ 28. Kg2 Dxe3 (ein weiteres Schachgebot gibt es ja nicht mehr, alle Felder um den weißen König herum sind gedeckt!), so kommt die forcierte Folge 29. Lxf7+ Kf8 30. Dh8+ Ke7 31. Sf5+ Kd7 (denn auf Kxf7 32. Dg7+ nebst Sxe3 ist es klar, dass Schwarz die Dame verliert) 32. Le6+!, und Schwarz muss die Dame geben. Dg5+ Führt auch zu nichts anderem. 28. Kh1 Schlägt Schwarz jetzt auf e3, ereilt ihn das Schicksal auf genau dieselbe Weise wie in der zum 27. Zug angegebenen Variante. Ta7 Das rettet genausowenig wie jeder andere Zug, ermöglicht aber einen publikumswirksamen Schluss, der sogar in die Taktik-Lehrbücher für Anfänger eingegangen ist. 29. Lxf7+ Txf7 30. Dh8+! Und Schwarz gab auf, weil er nach Kxh8 31. Sxf7+ nebst Sxg5 im Endspiel mit einer glatten Minusfigur verbleibt. Der schwarze Randspringer auf a5 spielt noch immer die Rolle eines unbeteiligten Zuschauers: hier hat sich also der alte Schachspruch doch bewahrheitet. Apropos Zuschauer: Nach diesem Finish brandete ein 5 Minuten (!) dauernder Applaus auf, und die Petrosian-Anhänger wollten die Bühne stürmen, was von den Aufsehern aber nicht zugelassen wurde; nur eine alte Armenierin kam die Bühnentreppe hoch, wie Hauptschiedsrichter O'Kelly berichtet. Was mag das wohl für ein Gefühl gewesen sein, bei einer der größten Partien aller Zeiten live als Zuschauer mit dabei gewesen zu sein? Vielleicht hätte ich lieber in den 60er Jahren gelebt, vom Schach wie auch von der Musik her. Aber letztere steht hier ja nicht zur Debatte.
PGN anzeigen
[Event "Moscow-Wch"]
[Site "Moscow-Wch"]
[Date "1966.05.02"]
[EventDate "?"]
[Round "10"]
[Result "1-0"]
[White "Tigran Petrosian"]
[Black "Boris Spassky"]


1. Nf3 Nf6 2. g3 g6 3. c4 Bg7 4. Bg2 O-O 5. O-O Nc6 6.

Nc3 d6 {Nach solchen seinerzeit 'modernen'

Spielanfängen mit geschlossenem Königsfianchetto-Aufbau

und beiderseitigen 'Berührungsängsten' waren nun

wirklich schwerlich taktische Verwicklungen oder gar

eine Glanzpartie zu erwarten - doch der Schein trügt,

wie die Folge zeigen wird.} 7. d4 {Das Spiel geht nun

in die Königsindische Verteidigung über.} a6 8. d5
Na5 {'Springer am Rande bringt Kummer und Schande'

lautet ein alter Schachspieler-Spruch, der in aller

Munde ist. Aber Spassky weiß schon, was er tut, und

dass er diese Partie verliert, spricht dennoch nicht

direkt gegen diesen Zug. Es soll damit ein Spiel am

Damenflügel, insbesondere gegen den weißen Bauern c4,

eingeleitet werden.} 9. Nd2 c5 {Nach der Deckung des

Bauern c4 drohte b2-b4 mit Eroberung des

Randspringers.} 10. Qc2 e5 11. b3 Ng4 {Ziemlich

überraschend und ungewöhnlich. Schwarz möchte

Verwirrung stiften und gleichzeitig ggf. f7-f5

vorbereiten. Logisch erscheint aber, wie auch schon im

vorigen Zug, Tb8 mit dem Plan b2-b5, um den

Randspringer mitwirken zu lassen.} 12. e4 {Ich sehe

nicht, was gegen h2-h3 gesprochen hätte, aber auch Lb2

(ein Vorschlag von GM O'Kelly) sieht natürlich aus. GM

Suetin dagegen plädierte für a2-a3 mit der Drohung b3-

b4. Mit dem Textzug geht Petrosian offenbar absichtlich

auf die schwarzen Pläne ein, weil er tiefer liegende

Absichten verfolgt. Es war eben typisch für Petrosian,

den Gegner scheinbar 'kommen' zu lassen, um dann auf

subtilste Weise zurückzuschlagen.} f5 13. exf5 gxf5

{Nach dem Wiedernehmen mit dem Läufer hätte Weiß das

Feld e4 für seine Figuren.} 14. Nd1!? {Typisch

Petrosian, der noch nie Bedenken gegen Figurenrückzüge

auf die eigene Grundreihe hatte. Objektiv ist der Zug

wahrscheinlich nicht der stärkste, aber bemerkenswert

ist der damit verbundene Weitblick. Petrosian

provoziert die folgende schwarze Initiative, wohl

wissend, dass Spassky sich am wohlsten fühlte, wenn er

(zumindest scheinbar) am 'Drücker' war.} b5 15. f3 {Das

war zunächst die Idee von Sd1 gewesen; das Feld e3 ist

nun von dem Sd1 gedeckt.}
e4 {Durch diesen logischen Gegenangriff auf den Ta1

erreicht Schwarz, dass er seinen Sg4 nicht zurückziehen

muss, sondern den angreifenden Bauern f3 im folgenden

Zug tauschen kann. Der Kampf ist nun - ausgehend vom

geschlossenen Aufbau mit beiderseitigen

Berührungsängsten, wie man sich erinnern wird -

außerordentlich lebhaft geworden. Schwarz scheint am

Ruder zu sein ...} 16. Bb2 exf3 17. Bxf3 {Weiß kann

nicht mit dem S auf f3 schlagen, weil er dann nach Lxb2

mit der D auf b2 zurücknehmen müsste (andernfalls käme

die Gabel Se3) und somit den Bauern c4 einbüßen würde.}

Bxb2 {Man kann hinterher leicht schreiben, dass es

vermutlich besser gewesen wäre, die schwarzfeldrigen

Läufer auf dem Brett zu lassen und gleich Se5 zu

spielen.} 18. Qxb2 Ne5 {Der schwarze Springer steht nun

anscheinend wirklich bombig; zentral und unangreifbar

von einem weißen Bauern. Zudem hängt c4.} 19. Be2

{Deckt nicht nur den Bauern c4 und das Feld d3, sondern

beabsichtigt auch das Manöver Sd1-e3-g2-f4, wonach der

schwarze Bauer f5 zuverlässig blockiert wäre und der

schwarze weißfeldrige Läufer keine rosige Zukunft zu

erwarten hätte.} f4!? {Deswegen die folgende

Gewaltaktion.} 20. gxf4!? {Hinterher wurde

festgestellt, dass 20. Txf4 vermutlich in allen

Varianten zu einem Stellungsvorteil für Weiß geführt

hätte, während der Textzug nicht ganz so klar ist. Aber

er hat den nicht zu unterschätzenden Vorzug, den

Schwarzen zu dem folgenden scheinbaren Tempogewinn zu

verleiten:} Bh3? {So werden Partien auf höchstem Niveau

entschieden! Statt dessen war 20... Txf4! 21. Txf4 Dg5+

richtig. Schwarz hätte dann Chancen behalten, das Spiel

auszugleichen. Der Textzug sieht aber noch viel stärker

aus, denn auf 21. fxe5??? Dg5+ würde Weiß matt, und auf

21. Tf2? käme Txf4! nun mit viel größerer Wirkung.

Somit zwingt Schwarz den Weißen zu dem folgenden

Qualitätsopfer, das jedoch sehr stark ist, wie

Petrosian schon bei 20. gxf4 erkennen musste.} 21.

Ne3!! {Jetzt wäre Txf4 22. Txf4 Dg5+ wegen 23. Tg4!

nicht mehr gut; nachdem sich auf g4 alles getauscht

hat, spielt Weiß Kh1 und droht Tg1. Mit der

Abseitsstellung seines Sa5 ist Schwarz dann gegen den

weißen Angriff wehrlos. Er nimmt daher das

Qualitätsopfer an.} Bxf1 22. Rxf1 {Nachdem der Lh3 vom

Brett verschwunden ist, droht Weiß wirklich fxe5.} Ng6

{Man sagte hinterher, Sd7 wäre etwas besser gewesen,

aber Spassky möchte immer 'aktiv' spielen, und

scheinbar greift der Textzug doch den Bauern f4 an?!}

23. Bg4! {Lässt den Bauern f4 im Stich. Der Läufer

strebt nach e6 mit idealer Wirkung, nachdem die weiße

Dame schon die lange Diagonale wie ein schwarzfeldriger

Läufer beherrscht. 23. Sg4? dagegen sähe zwar auf den

ersten Blick gut aus wegen der schönen Mattdrohung (!!)

Sh6, aber Schwarz könnte sich dagegen mit 23... h5! gut

verteidigen und erhielte damit sogar die Oberhand.}

Nxf4? {Verliert forciert, aber Spassky war schon knapp

an Zeit. Relativ am besten war Df6, um auf der langen

Diagonalen zu opponieren.} 24.
Rxf4! {Auch wenn dieses zweite Qualitätsopfer nun fast

zu erwarten war: effektvoll ist es doch. Der Schluss

ist ganz außerordentlich lehrreich; alles greift

logisch ineinander wie die Rädchen eines Uhrwerks.}

Rxf4 25. Be6+ {Spielt Schwarz nun Kf8, so kommt 26.

Dh8+ Kf7 27. Dxh7+, und entweder Schwarz verliert den

'losen' Tf4 durch weitere Schachgebote oder sein König

gerät in ein Mattnetz, wie seinerzeit Hans Kmoch in

ausführlichen Varianten nachwies. Wenn jemand diese

Varianten sehen will, kann ich sie gerne posten, worauf

ich hier wegen der Länge verzichte. Denn es ist

eigentlich klar, dass Schwarz mit seinem abseits

stehenden Sa5, dem inaktiven Ta8, dem exponierten Tf4

und dem nackten König keine Verteidigung gegen den

Ansturm der weißen Dame, des Läufers und der beiden

Springer haben kann.} Rf7 {Spassky glaubt Kmochs

Analysen, ohne sie gesehen zu haben (für einen GM ist

es ohne Variantenberechnung völlig offensichtlich, dass

es nach Kf8 Dh8+ keine Verteidigung geben kann), und

holt den losen Turm heim.} 26. Ne4! {Dieser Zug

verhindert sowohl Df6 wie auch Dg5+ und droht Sf5, was

wiederum mit einer Mattdrohung auf g7 verbunden wäre

(der Turm f7 ist ja gefesselt!).} Qh4 {Deswegen dieser

verzweifelte Ausfall.} 27. Nxd6! {Petrosian hat

gesehen, dass er die Damenschachs auf e1 bzw. g5

zulassen und den Se3 im Stich lassen kann. Spielt

Schwarz jetzt De1+ 28. Kg2 Dxe3 (ein weiteres

Schachgebot gibt es ja nicht mehr, alle Felder um den

weißen König herum sind gedeckt!), so kommt die

forcierte Folge 29. Lxf7+ Kf8 30. Dh8+ Ke7 31. Sf5+ Kd7

(denn auf Kxf7 32. Dg7+ nebst Sxe3 ist es klar, dass

Schwarz die Dame verliert) 32. Le6+!, und Schwarz muss

die Dame geben.} Qg5+ {Führt auch zu nichts anderem.}

28. Kh1 {Schlägt Schwarz jetzt auf e3, ereilt ihn das

Schicksal auf genau dieselbe Weise wie in der zum 27.

Zug angegebenen Variante.}
Ra7 {Das rettet genausowenig wie jeder andere Zug,

ermöglicht aber einen publikumswirksamen Schluss, der

sogar in die Taktik-Lehrbücher für Anfänger eingegangen

ist.} 29. Bxf7+ Rxf7 30. Qh8+! {Und Schwarz gab auf,

weil er nach Kxh8 31. Sxf7+ nebst Sxg5 im Endspiel mit

einer glatten Minusfigur verbleibt. Der schwarze

Randspringer auf a5 spielt noch immer die Rolle eines

unbeteiligten Zuschauers: hier hat sich also der alte

Schachspruch doch bewahrheitet. Apropos Zuschauer: Nach

diesem Finish brandete ein 5 Minuten (!) dauernder

Applaus auf, und die Petrosian-Anhänger wollten die

Bühne stürmen, was von den Aufsehern aber nicht

zugelassen wurde; nur eine alte Armenierin kam die

Bühnentreppe hoch, wie Hauptschiedsrichter O'Kelly

berichtet. Was mag das wohl für ein Gefühl gewesen

sein, bei einer der größten Partien aller Zeiten live

als Zuschauer mit dabei gewesen zu sein? Vielleicht

hätte ich lieber in den 60er Jahren gelebt, vom Schach

wie auch von der Musik her. Aber letztere steht hier ja

nicht zur Debatte.} 1-0
cutter - 17. Apr '14
Auch diese Partie hab ich mit Genuss nachgespielt.
Schöne Feiertagsgrüße
cutter
elutz1 - 17. Apr '14
Hallo Vabanque,
wie immer toll erläutert und sehr lehrreich.
Zu Petrosian gibt es eine schöne Anekdote, die Gary Kasparow in seinem Buch "Strategie und die Kunst zu leben" erwähnt hat. Kasparow hat in seinen jungen Jahren die ersten beiden Partien gegen Petrosian verloren. Daraufhin hat Spassky ihn folgenden Tip gegeben wie man Petrosian schlägt: Den vulgären Ausdruck bitte ich zu entschuldigen, ist aber O-Ton Spassky.
"Pack ihn an den Eiern, nimm Dir aber nur eins und nie beide auf einmal!!"
Gruß
Elutz1
Vabanque - 17. Apr '14
Interessant, aber was hat Spassky denn wirklich (schachlich) damit gemeint? Jedenfalls musste Spassky selbst auch ziemlich lange warten, bis er Petrosian besiegen konnte ... Petrosian war einer der am schwersten zu schlagenden Spieler der Schachgeschichte.
patzer0815 - 18. Apr '14
Es geht wohl darum kleine Brötchen zu backen.
Vabanque - 18. Apr '14
Ja stimmt ... aber als Kasparov dann endlich ein Sieg gegen Petrosian gelang, war dieser eigentlich schon todkrank. Wenn Kasparov stolz darauf war (was er war!), dass er nun endlich wusste, wie er Petrosian zu nehmen hatte, dann bekommt dieser Triumph doch einen schalen Beigeschmack. Hätte Kasparov es auch gegen einen Petrosian, der auf der Höhe seiner Kraft war, schließlich geschafft? Diese Frage kann natürlich nicht beantwortet werden. Sie kann ebensowenig beantwortet werden wie die oft diskutierte Frage, wie ein Rückkampf Capablanca-Aljechin ausgegangen wäre, oder wie das niemals stattgefundene Match Fischer-Karpov ausgegangen wäre. Wenn Tal nicht zeitlebens mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen gehabt hätte, hätte er dann den Weltmeistertitel länger halten können? Und so weiter und so fort. Fragen, die nie zu klären sind, und die auch gar nicht geklärt werden müssen, denn sie alle waren große Spieler, und es bringt keinen zusätzlichen Gewinn, deren Größe gegeneinander zu diskutieren.
sorim - 19. Apr '14
Petrosion und Karpov konnte man nicht mit aller Gewalt schlagen.
Das hat Spassky gegen P. und Kasparov gegen Karpov in ihren WM Kämpfen festgestellt.
Das Ergebnis war ein Zwischenergebnis von 0:4 Kasp-Karp
Kasparov blieb nichts anderes übrig als seinen Stil zu ändern und subtiler vorzugehen, und erst danach war Kasparov nicht mehr zu halten.

P. S.
Eine Klasse Partie von Petrosian, Vabanque stammen die Kommentare von dir?
Vabanque - 19. Apr '14
Sicherlich, die Kommentare zu all den Partien der Serie stammen von mir, ansonsten wäre es ja allein schon aus rechtlicher Sicht problematisch.