Kommentierte Spiele

Spektakuläre Spielzüge (IV)

Vabanque - 14. Mai '16
Judit Polgar wollte ja eigentlich von Anfang an nur an Herrenturnieren teilnehmen und hat dies auch größtenteils getan. Doch als 12-jährige spielte sie bei der Schacholympiade 1988 in Thessaloniki für die ungarische Damenmannschaft (müsste es da eigentlich nicht Frauschaft heißen?) und erzielte ein Ergebnis von 12,5 aus 13 Punkten.
Aus diesem Turnier stammt die folgende Partie, in der Judit nach einem Bauernopfer noch ein Figurenopfer bringt, und schließlich mit einem Damenopfer das Matt erzwingt. Das wäre für jeden von uns eine sehr hübsche Angriffspartie gewesen - für ein 12-jähriges Mädchen war es eine sensationelle Leistung.

(Weil ich mich neulich in der Nummerierung vertippt hatte, kommt eben jetzt Folge IV nach der Folge V ;) )

Judit Polgar Pavlina Chilingirova Thessaloniki | Thessaloniki GRE | 1988 | B31 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 c5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 Dieser so genannte Nimzowischt-Rossolimo- Angriff ist eine vollwertige Möglichkeit, den sehr ausanalysierten Varianten nach 3. d4 aus dem Weg zu gehen. g6 4. O-O Lg7 5. c3 Weiß plant d4 ... e5 ... und Schwarz möchte es mit diesem Zug verhindern. 6. d4!? Judit spielt es trotzdem, unter Bauernopfer! xd4 7. xd4 Sxd4 8. Sxd4 xd4
Man mag sich vielleicht wundern, warum Schwarz den Bauern nicht mit Lxd4 gewinnt und damit den Doppelbauern vermeidet. Jedoch wäre nach Lxd4 9. Sc3 Se7 (Was sonst? Schwarz muss sich ja entwickeln.) 10. Lh6 die schwarze Rochade auf lange Sicht verhindert.
9. e5!? Der Bauer ist ein Störfaktor für die schwarze Entwicklung. Er ist nicht zu nehmen, da Lxe5 10. Te1 nebst f4 den Läufer kosten würde. Se7 10. Lg5 Hier hätte sich Weiß auch schon mit Dxd4 den Bauern zurückholen können. Mit dem Textzug bietet Polgar den Bauern e5 noch einmal an. O-O
Lxe5 geht nämlich wieder nicht wegen 11. Lxe7! Dxe7
Kxe7 12. Te1 und Weiß gewinnt entweder den Läufer, oder der schwarze König muss sich an die frische Luft begeben.
12. f4! wenn jetzt der Läufer zieht, gewinnt Te1 die schwarze Dame Dc5 mit Angriff auf den weißen Lb5 13. Te1 und Weiß gewinnt den Läufer dennoch, da Dxb5 an Txe5+ mit Damengewinn scheitert. Die vorherige Einschaltung von d3+ nützt Schwarz auch nichts.
11. Dxd4 Sc6? Der erste Fehler von Schwarz. Nach Sf5! hätte die weiße Dame nicht nach h4 gekonnt. 12. Dh4 Natürlich wären sowohl 12. Lxd8 Sxd4 wie auch 12. Lxc6 Dxg5 gut für Schwarz. Der Textzug aber deckt den Lg5, so dass die schwarze Dame wieder angegriffen ist. Gleichzeitig steht jetzt die weiße Dame in einer schönen Angriffsposition. Db6
Vielleicht kein Fehler, aber nun steht die schwarze Dame abseits vom Hauptgeschehen, das sich am Königsflügel abspielt. Freilich war das Endspiel nach f6 13. xf6 Lxf6 14. Lxf6 Dxf6 15. Dxf6 Txf6 16. Sc3 nicht schön für Schwarz, wegen des isolierten Bauern auf d7 und der rückständigen Entwicklung. Schwarz denkt immer noch, einen Bauern gewinnen zu können.
13. Sc3 Mit diesem natürlichen Entwicklungszug deckt Weiß zugleich den Läufer b5. Lxe5 Nun hat Schwarz den Bauern also doch gewonnen, aber Weiß hat die weit überlegene Stellung. 14. Tae1 Judit opfert auch noch eine Figur! Hier musste sie wohl alles bereits bis zum Ende ausgerechnet haben. Lxc3? Den schwarzfeldrigen Schutzläufer durfte Schwarz nicht hergeben, aber die schwarze Stellung war in jedem Fall schlecht. Nach z.B. Lg7 15. Lc4 nebst Sd5 spielt sich der weiße Angriff sehr bequem. 15. xc3 Dxb5 Damit ist die Figur gewonnen, und die Partie verloren! 16. Dh6 Nun droht Weiß schlicht und einfach Lf6 nebst Matt auf g7. Df5
Scheinbar hilft dies noch, da Weiß jetzt nicht Lf6 spielen kann. f6 würde nichts nützen wegen 17. Lxf6! Txf6 18. Te8+ Kf7 19. Df8#
17. Dxf8+!! Der Knaller zum Abschluss! Schwarz gab hier auf, denn es folgt forciert Kxf8 18. Lh6+ Kg8 19. Te8# Wieder mal trug die schwache Grundreihe, bedingt durch mangelhafte Entwicklung, die Hauptschuld an diesem Debakel.
PGN anzeigen[Event "Thessaloniki"]
[Site "Thessaloniki GRE"]
[Date "1988.??.??"]
[EventDate "?"]
[Round "?"]
[Result "1-0"]
[White "Judit Polgar"]
[Black

"Pavlina Chilingirova"]
[ECO "B31"]
[WhiteElo "?"]
[BlackElo "?"]
[PlyCount

"33"]

1.e4 c5 2.Nf3 Nc6 3.Bb5 {Dieser so genannte Nimzowischt-Rossolimo-

Angriff ist eine vollwertige Möglichkeit, den sehr ausanalysierten

Varianten nach 3. d4 aus dem Weg zu gehen.} g6 4.O-O Bg7 5.c3 {Weiß plant

d4 ... } e5 {... und Schwarz möchte es mit diesem Zug verhindern.} 6.d4!?

{Judit spielt es trotzdem, unter Bauernopfer!} exd4 7.cxd4
Nxd4 8.Nxd4

cxd4 ({Man mag sich vielleicht wundern, warum Schwarz den Bauern nicht mit

Lxd4 gewinnt und damit den Doppelbauern vermeidet. Jedoch wäre nach} Bxd4

9. Nc3 Ne7 {(Was sonst? Schwarz muss sich ja entwickeln.)} 10. Bh6 {die

schwarze Rochade auf lange Sicht verhindert.}) 9.e5!? {Der Bauer ist ein

Störfaktor für die schwarze Entwicklung. Er ist nicht zu nehmen, da Lxe5

10. Te1 nebst f4 den Läufer kosten würde.} Ne7 10.Bg5 {Hier hätte sich

Weiß auch schon mit Dxd4 den Bauern zurückholen können. Mit dem Textzug

bietet Polgar den Bauern e5 noch einmal an.} O-O (Bxe5 {geht nämlich

wieder nicht wegen} 11. Bxe7! Qxe7 (Kxe7 12. Re1 {und Weiß gewinnt

entweder den Läufer, oder der schwarze König muss sich an die frische Luft

begeben.}) 12. f4! {wenn jetzt der Läufer zieht, gewinnt Te1 die schwarze

Dame} Qc5 {mit Angriff auf den weißen Lb5} 13. Re1 {und Weiß gewinnt den

Läufer dennoch, da Dxb5 an Txe5+ mit Damengewinn scheitert. Die vorherige

Einschaltung von d3+ nützt Schwarz auch nichts.}) 11.Qxd4 Nc6? {Der erste

Fehler von Schwarz. Nach Sf5! hätte die weiße Dame nicht nach h4 gekonnt.}

12.Qh4 {Natürlich wären sowohl 12. Lxd8 Sxd4 wie auch 12. Lxc6 Dxg5 gut

für Schwarz. Der Textzug aber deckt den Lg5, so dass die schwarze Dame

wieder angegriffen ist. Gleichzeitig steht jetzt die weiße Dame in einer

schönen Angriffsposition.} Qb6 ({Vielleicht kein Fehler, aber nun steht

die schwarze Dame abseits vom Hauptgeschehen, das sich am Königsflügel

abspielt. Freilich war das Endspiel nach} f6 13. exf6 Bxf6 14. Bxf6 Qxf6

15. Qxf6 Rxf6 16. Nc3 {nicht schön für Schwarz, wegen des isolierten

Bauern auf d7 und der rückständigen Entwicklung. Schwarz denkt immer noch,

einen Bauern gewinnen zu können.})
13.Nc3 {Mit diesem natürlichen

Entwicklungszug deckt Weiß zugleich den Läufer b5.} Bxe5 {Nun hat Schwarz

den Bauern also doch gewonnen, aber Weiß hat die weit überlegene

Stellung.} 14.Rae1 {Judit opfert auch noch eine Figur! Hier musste sie

wohl alles bereits bis zum Ende ausgerechnet haben.} Bxc3? {Den

schwarzfeldrigen Schutzläufer durfte Schwarz nicht hergeben, aber die

schwarze Stellung war in jedem Fall schlecht. Nach z.B. Lg7 15. Lc4 nebst

Sd5 spielt sich der weiße Angriff sehr bequem.} 15.bxc3 Qxb5 {Damit ist

die Figur gewonnen, und die Partie verloren!} 16.Qh6 {Nun droht Weiß

schlicht und einfach Lf6 nebst Matt auf g7.} Qf5 ({Scheinbar hilft dies

noch, da Weiß jetzt nicht Lf6 spielen kann.} f6 {würde nichts nützen

wegen} 17. Bxf6! Rxf6 18. Re8+ Kf7 19. Qf8#) 17.Qxf8+!! {Der Knaller zum

Abschluss! Schwarz gab hier auf, denn es folgt forciert} Kxf8 18. Bh6+ Kg8

19. Re8# {Wieder mal trug die schwache Grundreihe, bedingt durch

mangelhafte Entwicklung, die Hauptschuld an diesem Debakel.} 1-0