Kommentierte Spiele

Teil 4 der "nichtganzsogutenpartiendersehrsehrguten" ;-)

pirc_ - 03. Mai '14
Jose Raul Capablanca war sicher einer der ganz guten. Nicht nur das er von 1921 bis 1927 Weltmeister war, auch soll er laut Wikipedia in den Jahren 1914 bis 1927 nur 5 von 578 ernste Turnierpartien verloren haben, insgesamt in seiner Laufbahn nur 34 (in anderen Quellen 46, aber will bei so jemanden schon Erbsen zählen, es waren auf jeden Fall wenige).
In der folgenden Partie spielt er aber wohl etwas unter seinen Möglichkeiten. Es ist zwar eine Simultanpartie, also er spielte gegen mehrere Gegner gleichzeitig an verschiedenen Brettern (wie viele konnte ich nicht rausfinden), dennoch ist solch ein suboptimales Spiel für ihn eine Rarität und deswegen passt es gut in diese Serie ;-)

Capablanca Kramer simultan | ?? | 1914 | 0:1
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 e5 2. Sc3 Sf6 3. Lc4 Lc5 4. d3 d6 Wiener Partie, bis hierhin folgte man der Theorie 5. f4 eine wie ich finde scharfe Fortzetzung Sg4 was schwarz meiner Meinung nach hier schon deutlich macht, auch wenn laut Datenbank die Hauptfortsetzung Sc6 wäre 6. xe5 Sf2 und nun ist schon mal die Qualität weg, auch f5 statt fxe hätte dies nicht verhindert... ebenso wäre Sh3 zur Deckung an Dh4+ gescheitert 7. Df3 O-O 8. Dg3 hier will weiss wohl noch mit Lh6 etwas Verwirrung stiften Sxh1 aber das nützt ihm wenig nun fällt der Turm und die Dame muss wieder weg von g3 9. Df3 Dh4 weiss sieht die Sinnlosigkeit seiner Stellung und gibt auf
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[Event "simultan"]
[Site "??"]
[Date "1914"]
[Result "0-1"]
[White "Capablanca"]
[Black "Kramer"]

1. e4 e5 2. Nc3 Nf6 3. Bc4 Bc5 4. d3 d6 {Wiener Partie, bis hierhin folgte man der Theorie} 5. f4 {eine wie ich finde scharfe Fortzetzung} Ng4 {was schwarz meiner Meinung nach hier schon deutlich macht, auch wenn laut Datenbank die Hauptfortsetzung Sc6 wäre} 6. fxe5 Nf2 {und nun ist schon mal die Qualität weg, auch f5 statt fxe hätte dies nicht verhindert... ebenso wäre Sh3 zur Deckung an Dh4+ gescheitert} 7. Qf3 O-O 8. Qg3 {hier will weiss wohl noch mit Lh6 etwas Verwirrung stiften} Nxh1 {aber das nützt ihm wenig nun fällt der Turm und die Dame muss wieder weg von g3} 9. Qf3 Qh4 {weiss sieht die Sinnlosigkeit seiner Stellung und gibt auf} 0-1

patzer0815 - 03. Mai '14
Sowas kann man sich nur schwer erklären, gerade bei den allerbesten der Welt. Aber es kommt wohl auf allen Ebenden vor, dass man etwas spielt was absolut nicht zum eigenen sonstigen Niveau passt. In unserer aktuellen Partie hätte Schwarz eigentlich auf f2 schlagen müssen... aber irgendwie war ich schon einen Zug weiter.
pirc_ - 03. Mai '14
Ach was ich vergaß: Capablanca war so gut, selbst Vasja Pirc konnte nicht gegen ihn gewinnen. Das einzige Spiel, welches ich gefunden habe, endete Remis :-))
Vabanque - 03. Mai '14
Einige der größten Spieler der damaligen Zeit, wie z.B. Tartakower und Bogoljobov, schafften es zeitlebens nie, auch nur eine einzige Partie gegen Capablanca zu gewinnen. Kramer dagegen zeigt es, wie einfach es in Wirklichkeit war, gegen Capa zu gewinnen, und das mit Schwarz in 9 Zügen! Dieser Kramer hätte Tarta oder Bogo dann wahrscheinlich in maximal 8 Zügen abgefertigt, mit Schwarz versteht sich! Ich glaube, ich sollte mal die Partien von diesem Kramer studieren :-))

Naja, mal im Ernst, die Partie ist schwer erklärbar, oder? Angeblich soll Capa während dieses Simultans erkältet gewesen sein, aber erklärt das wirklich so schwache Züge?

Übrigens ist 5. f4!? zwar sehr scharf, aber durchaus spielbar. Auf 5... Sg4 darf dann aber nicht fxe5? erfolgen, sondern 6. f5!. Danach ist es nicht empfehlenswert für Schwarz, mit Sf2 einzusteigen wegen 7. Dh5. Ich hatte mir das vor einiger Zeit anlässlich einer Partie von Spielmann (die ich evtl. noch hier posten wollte, und jetzt vielleicht auch tatsächlich posten werde, aus gegebenem Anlass) mal angeschaut.

8. Dg3? verliert dann natürlich sofort (auch wenn ich nichts Gutes mehr sehe). Merkwürdig, dass Capa hier übersehen zu haben scheint, dass nach Sxh1 seine Dame hängt und Lh6 gar nicht möglich ist ...

Nebenbei bemerkt, von Lasker gibt es auch ähnlich schwache Partien aus Simultans ...
pirc_ - 03. Mai '14
nun ich war auch schon mal erkältet und hab verloren...allerdings nie gegen Kramer und nie in 9 zügen ;-)
man weiss halt nie was da noch so eine Rolle gespielt hat bei den schwachen Spielen dieser Superstars...
Ratte72 - 03. Mai '14
hehe, die weißen Züge könnten ja fast von mir sein :o)

Danke fürs Reinstellen!
Vabanque - 03. Mai '14
Bei Capa ließe sich vermuten, dass es Arroganz war. Er glaubte wohl, sich gegen jemanden unterhalb GM-Level in der Eröffnung alles leisten zu können.
Vabanque - 03. Mai '14
Hey, du vergleichst dich da grad mit einem der größten Spieler aller Zeiten (auch wenn man es in dieser Partie nicht so deutlich merkt) :))
Ratte72 - 03. Mai '14
Ich kann doch nix dafür wenn er sich auf mein "schachliches Niveau" herunter begab ;0)
Die Züge sind mir jedenfalls ( ausnahmsweise) sehr vertraut ;-)))
pirc_ - 03. Mai '14
nun dann wärst wohl 1921 Weltmeister geworden :-))
ich hätte gegen ihn auch ne Chance gehabt...immerhin kam er aus Kuba...und wenn er das Schiff verpasst hätte, hätte ich ihn über die Zeit gehoben ;-)
Vabanque - 03. Mai '14
Ich glaube, das ist auch der Sinn von pirc's Beiträgen, die in gewisser Weise ein Gegengewicht zu meinen darstellen ... ich zeige die absoluten Glanzleistungen berühmter wie auch weniger bekannter Spieler ... Partien für die einsame Insel sozusagen ... pirc zeigt dagegen, dass auch die allergrößten Spieler gelegentlich den allergrößten Müll spielen konnten (sie waren auch nur Menschen!) ... dass dem so ist, ist natürlich in gewisser Weise tröstlich für uns 'Normal-Sterbliche' ;)

Diese Partie, die ich übrigens NICHT vorher kannte, ist sicherlich ein absoluter Extremfall. Capablanca spielte im Normalfall absolut fehlerlos, und das mit schlafwandlerischer Sicherheit, meist fast ohne zu rechnen. Er wusste intuitiv, ob ein Zug in einer bestimmten Stellung gut oder schlecht war. Andererseits war er auch in der Lage, langzügige Kombinationen absolut präzise und fehlerfrei vorauszurechnen. Wie pirc schon schrieb, verlor er extrem selten (ähnlich wie später Petrosian, dessen Niederlagen ebenfalls Seltenheitswert hatten), und wenn er mal verlor, dann in der Regel nicht auf Grund eines Übersehens, sondern in Folge der Fehleinschätzung der Position, was bei ihm auch extrem selten vorkam, aber das ist normalerweise die Art und Weise, wie Spitzenspieler verlieren ... sie streben eine bestimmte Stellung bewusst an, weil sie sie für günstig halten, aber das erweist sich dann als unrichtig.
Wie gesagt, so etwas von Capablanca zu sehen, ist schon außerordentlich erstaunlich (im negativen Sinne), aber ich habe schon von mehreren Weltmeistern und Großmeistern solche Partien gesehen, so dass man vielleicht sagen kann: Wir alle haben gegen Top-Spieler zumindest im Simultan eine Chance!
pirc_ - 03. Mai '14
nun der sinn meiner beiträge...ähm...ja wenn du meinst iss es der sinn :-))
naja ernsthaft: ich finde es einfach schön, dass auch die grossen mal verlieren...wenn Brasilien gegen Lichtenstein Fussball spielt, halte ich zu Lichtenstein und wenn Lichtenstein mal gewinnt erinnert man sich dran (bevor jemand fragt: nein ich kenne kein Spiel, in welchem Brasilien gegen Lichtenstein verloren hat, aber Österreich mal gegen die Farör-Inseln :-)) ). Das übliche 8 zu 0 für Brasilien, da nimmt keiner Notiz von. Natürlich waren die grossen Spiele andere und auch schöner zum zuschauen, aber die Siege der kleinen machen doch jedem Hoffnung auch mal nen grossen zu schlagen.
Und natürlich muss ich an dieser Stelle einfach erwähnen, dass Vasja Pirc gegen Tiger Petrosjan Remis gespielt hat :-)))
Vabanque - 03. Mai '14
Es hat mal Deutschland bei einer Fußball-WM gegen Algerien verloren, da war ich aber noch klein, d.h. Algerien war damals sicher noch schlechter als sie jetzt sind, und trotzdem hat Deutschland verloren ... ja, das stimmt, daran erinnert man sich wirklich ewig :))

Die Remispartie von Pirc gegen Petrosian muss ich echt mal suchen ... ob das wirklich mit rechten Dingen zuging ;)
pirc_ - 03. Mai '14
Belgrad 1956...Vasja war schon etwas älter, das war das Glück des Tigers ;-)
Vabanque - 03. Mai '14
Ich erkenne mehr und mehr, dass Vasja mindestens auf Weltmeister-Niveau gespielt hat ;)
pirc_ - 03. Mai '14
nun ab und an hatten seine Gegner mal stellungsglück oder er war erkältet (wie capablanca) oder sein Wellensittich war gestorben oder .....also will sagen er hat wohl auch mal ein oder zwei spiele verloren ;-)
Vabanque - 03. Mai '14
Oh, schade ... du meinst, manchmal hatte er auch Pech? ;)

Aber wie kommen wir jetzt eigentlich auf ihn? Es geht doch hier um Capablanca und Kramer.

Also, an Capas Stelle hätte ich nach dieser Partie Kramer zu einem Match über 10 Partien herausgefordert ... aber vielleicht hatte Capa jetzt doch Angst vor der ultimativen Demütigung ? ;)
pirc_ - 03. Mai '14
Kramer hätte wahrscheinlich geantwortet: "Nein Danke Herr Capablanca, Sie sind mir zu schwach"....und hätte die 100% gegen nen Weltmeister behalten :-)))
Vabanque - 03. Mai '14
Gibt's eigentlich noch andere Spieler, die 100% gegen einen Weltmeister haben?
pirc_ - 03. Mai '14
oh ich denke hunderte...einige Weltmeister gaben simultanverstaltungstouren, ich weiss es von Capablanca und dem isländer (grins) Bobby Fischer, aber auch viele haben halt nur ein spiel gegen nen Weltmeister gemacht und dieses gewonnen. ich denke bei jedem Weltmeister ist so ein Gegner zu finden....
es gibt sogar menschen die gegen den schachgiganten Vasja Pirc 100% haben, beispielsweise der sehr sympatische GM Vlastimil Hort.... wie dieser sieg zustande kam weiss ich nicht, aber es ist Hort zu gönnen ;-))))
patzer0815 - 03. Mai '14
Tal hatte gegen Fischer einige Zeit meine ich die 100%. Das müsste etwas im Bereich von vier bis sechs Partien gewesen sein.
Vabanque - 03. Mai '14
Aber nur, wenn man die Remisen nicht mitzählt. Dann stand es 1959 4-0 für Tal (bei 2 Remisen). Später glich Fischer die Bilanz aus, Tal gewann dann keine Partie mehr. Schon ziemlich merkwürdig.