Kommentierte Spiele

Der norddeutsche Spieler Heinrich Wagner (1888-1959)
hatte in den 20er und frühen 30er Jahren beträchtliche
Turniererfolge aufzuweisen (davon ein dritter Platz
hinter Bogoljubow und Nimzowitsch in Breslau, 1925),
für die ihm später der IM-Titel verliehen wurde. Er
spielte viermal für Deutschland bei Schach-Olympiaden,
zog sich aber nach der Machtergreifung der Nazis völlig
vom Schach zurück. Unser Partiebeispiel zeigt, was für
ein fantasievoller Angriffsspieler Wagner gewesen ist.

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[Event "Kiel"]
[Site "Kiel"]
[White "H. Wagner"]
[Black "H. v. Hennig"]
[Result "1-0"]

1. d4 d5 2. Nf3 c5 3. c4 e6 4. Nc3 Nc6 5. e3 Nf6 {Man

nannte dies früher die 'Normalstellung' des abgelehnten

Damengambits. Die Symmetrie des Aufbaus kann durchaus

täuschend sein; gerade aus diesem Stellungstyp heraus

können oft überraschende Figurenangriffe entstehen.} 6.

Bd3 Bd6 7. O-O O-O 8. a3 {Da der Damenläufer momentan

ein Schattendasein führt, möchte ihn Weiß nach dxc5 und

b4 wirksam auf der dann offenen langen Diagonalen

platzieren.}
Qe7 {Schwarz hätte dem weißen Plan (der ja

offensichtlich war) durchaus mit cxd4 nebst dxc4 (oder

in umgekehrter Reihenfolge) entgegenwirken können; auch

b7-b6 war zu diesem Zweck gut.} 9. dxc5 Bxc5 10. b4 Bd6

11. Bb2 {Nun hat Weiß eine sehr schöne Stellung.} Ne5

12. Nxe5 Bxe5 13. f4 {Die am besten stehende schwarze

Figur wird aus ihrer beherrschenden Stellung gedrängt.}

Bb8 {Um der nach Lc7 möglichen 'Anpöbelung' durch Sb5

zu entgehen. Aber der Zug unterbricht die

Zusammenarbeit der schwarzen Figuren, was sich später

fatal auswirken wird.} 14. Qe2 Rd8 {Man sieht, wie

Schwarz mit der Entwicklung des Damenflügels

Schwierigkeiten hat; auch nach Ld7 wäre der schwarze

Damenläufer ja nicht wirklich entwickelt, sondern nur

gezogen.}
15. Rad1 a5 {An sich die richtige Idee zu Gegenspiel in

dieser Stellung.} 16. g4!? {Ein interessantes und

chancenreiches Bauernopfer.} axb4 17. axb4 Qxb4 {Die

Annahme ist zumindest konsequent.} 18. g5 Ng4

{Scheinbar gut für Schwarz, denn auf Dxg4 käme Dxb2,

und vor allem droht Schwarz jetzt Sxe3! (20. Dxe3 La7

mit Damengewinn!). Aber Weiß hat weiter gerechnet und

bringt ein Figurenopfer ...} 19. Bxh7+!! Kxh7 20. Qxg4

Qxb2? {... das Schwarz aber nicht hätte annehmen

dürfen! Hätte er nur annähernd gesehen, was jetzt auf

ihn zukommmt, der hätte sicher Kg8! gespielt, und dann

ist es nicht klar, ob Weiß überhaupt Angriffschancen

hat. Nach der verfehlten Annahme des Opfers gewinnt

Weiß forciert und sehr hübsch.} 21. g6+! {Der

ungedeckte Turm d8 als Kombinationsmotiv! Nach fxg6 22.

Dh4+ Kg8 23. Dxd8+ Kf7 (nach Kh7 24. Tf3 ergeht es dem

König am Rand schlecht) 24. Dxc8 Dxc3 25. Dxb7+ sackt

Weiß enorm viel Material ein.} Kg8 22. Qh4 {Aber auch

so gewinnt Weiß wegen des (mit Matt!) hängenden Turms

d8 das entscheidende Tempo.} Bc7 23. Qh7+ Kf8 24. Qh8+

Ke7 25. Qxg7 {Mit der Drohung Sxd5+ mit Damengewinn!}

Qb6 {So nutzlos wie alles andere, führt der Zug jedoch

zu einem hübschen Abschluss. Würde Weiß jetzt das Feld

d6 beherrschen, wäre Dxf7 schon Matt. Auf das direkte

Dxf7+ Kd6 Se4+ hätte der schwarze König noch das Feld

c6. Also verbindet Weiß beide Motive und lenkt die

schwarze Dame nach c5, wo sie erobert wird:} 26. c5!

{Und Schwarz gab auf, da mindestens die Dame verloren

ist:} Qxc5 {erzwungen} 27. Qxf7+ Kd6 28. Ne4+ 1-0

Zwar ein Läuferopfer auf h7, aber nicht der Standart mit Sg5 und Dh5. Wirklich sehr hübsch und instruktiv.

Genau, eine Kombination abseits der Schablone.