Schach

Nicht nur bei chessmail...

Tschechov - 04. Jul '22
Immer wieder erlebt man es bei chessmail, daß Kontrahenten nicht damit umgehen können, wenn sie durch Überschreitung der Bedenkzeit verlieren. Ich selbst musste mich hier schon als Feigling verunglimpfen lassen. Nun ja, dachte ich mir, einigen Hobbyspielern fehlt eben das Verständnis dafür, daß Zeit integraler Bestandteil des Spiels ist. Beim Fernschach kommt natürlich noch hinzu, daß man die Gründe für Zeitüberschreitung oft nicht kennt (Todesfall in der Familie? Liegt der Kontrahent im Krankenhaus? usw.). Beim Nahschach sollte man solche Diskussionen eigentlich nicht erwarten. Doch weit gefehlt! Nachdem Vladimir Kramnick gegen Vincent Keymer durch Überziehung der Bedenkzeit unterlag, verlor er außer dem Spiel offensichtlich noch vollkommen die Contenance. "Moralisch verwerflich", "dekadent", " schmutzig", "feige", das waren einige der Worte, die er für das Verhalten seines Gegners fand. Nun ja, dann stehe ich als Feigling jedenfalls nicht alleine da.😀
toby84 - 04. Jul '22
in einer 10-minuten-partie! das finde ich schon ziemlich kindisch vom herrn kramnik. dann soll er doch einfach kein schnellschach spielen.
Vabanque - 04. Jul '22
Gibt es denn irgendeinen Link zu der Partie bzw. dem Turnier?

Ich hatte Kramnik bisher für einen integren Menschen gehalten.

Mich wundert, dass er wieder gespielt hat, hatte er denn seine Karriere (u.a. aus gesundheitlichen Gründen) nicht bereits offiziell beendet?
Gigue - 04. Jul '22
Hier könnte es sein.

chess-international.com/?p=58650
Vabanque - 04. Jul '22
Danke @Gigue👍
MarkD - 04. Jul '22
Ja, das hatte ich auch gesehen - mit dem Kommentar, dass der junge Kramnik wohl ziemlich unmoralisch war: youtube.com/watch?v=5Pxf7fataAU. Tss tss, einfach nicht aufgegeben und versuchen, den Gegner über die Zeit zu ziehen.
Vabanque - 04. Jul '22
Ich denke mal, Kramnik hebt die Diskussion, ob es sich 'gehört', in Verluststellung den Gegner über die Zeit zu ziehen, auf eine viel zu hohe moralische Ebene. Schach ist kein sonderlich moralisches Spiel (Wettkämpfe in gleich welcher Sportart sind selten hochmoralisch). Innerhalb der Regeln darf man eben mit allen Tricks arbeiten.

Ich bin auch keineswegs ein Befürworter des Blitz oder Schnellschach ohne Inkrement, eben genau deswegen, weil man da in klarer Verluststellung immer noch gut auf Zeit gewinnen kann.
Schach ist für mich Stellungsbeurteilung, Planung und Kombination, und auch Ästhetik (deswegen schaut man sich ja Meisterpartien vor allem an, nicht?) und das Spiel auf Zeit kann man natürlich zwar auch als eine Form von Strategie bezeichnen, allerdings keine, die nun etwas mit obigen Kriterien zu tun hätte.

Allerdings ziehe ich für mich halt die Konsequenz daraus, möglichst kein Blitz oder Schnellschach ohne Inkrement zu spielen, und nicht die Konsequenz, einen wütenden Feldzug (mit pseudo-moralischen Elementen) gegen diese Art Schach (die auch eine Art Schach ist, halt eine andere) zu führen.

Für mich ist dieses Auf-Zeit-Spielen nichts, aber offenbar gibt es viele, die es tun und denen das Spaß macht, andernfalls gäbe es diese Art Schach ja nicht.

Dann sollen doch diejenigen, die so eine Art Schach spielen wollen, sie spielen, die anderen sollen es lassen, und die beiden Lager sollen sich friedlich gegenüber stehen, statt sich zu bekämpfen.😀
Alapin2 - 04. Jul '22
1) Frage an die Regelkundler :
Ist es immer noch so, daß beim Schnellschach Partien trotz Zeitueberschreitung
Remis gegeben werden, wenn der "Sieger" nicht mehr genug Material zum Mattsetzen hat??
Sollte es so sein, hat Keymer mit seinem letzten Zug nur das Remis forciert (da hätte
1 Sekunde mehr für Kramnik gereicht). Wollte Keymer ihn echt über die Zeit heben, hätte er seinen Turm noch einige Züge auf dem Brett gelassen.
2) Ist doch klar, daß der Langsamere sich eher Vorteil erspielen kann, hat ja länger nachgedacht. Da ist es ein legitimer Ausgleich, daß der Gegner "auf Zeit" spielt.
3) Was ich persönlich nicht in Ordnung finde, wenn der Schnellere klare Remisstellungen (ungleiche Läufer, totremise Turmendspiele usw.) sosehr in die Länge zieht, daß der Gegner überschreitet. Da konnte man früher auf " Remis wegen fehlender Gewinn ersuche" reklamieren. Braucht allerdings Zeugen. Gibt's das noch?
4) Ein Beispiel für echte Taschenspielerei gleich in den "Aufgaben
toby84 - 04. Jul '22
"Ist es immer noch so, daß beim Schnellschach Partien trotz Zeitueberschreitung
Remis gegeben werden, wenn der "Sieger" nicht mehr genug Material zum Mattsetzen hat??
Sollte es so sein, hat Keymer mit seinem letzten Zug nur das Remis forciert (da hätte
1 Sekunde mehr für Kramnik gereicht). Wollte Keymer ihn echt über die Zeit heben, hätte er seinen Turm noch einige Züge auf dem Brett gelassen."

dazu habe ich eine interessante diskussion gelesen: vincent keymer hat den tausch wohl bewusst in dem moment ausgeführt, in dem kramnik noch eine sekunde auf der uhr hatte. ist wohl bei hochgeschwindigkeits-schachlern eine häufige taktik. man macht einen unerwarteten schachsetzenden zug, auf den der gegner mit hoher wahrscheinlichkeit keinen premove eingestellt und deshalb auf zeit verliert. unfair finde ich das trotzdem nicht. wenn man nur noch eine sekunde auf der uhr hat, kann die niederlage nicht ganz unverdient sein.
Vabanque - 04. Jul '22
>>2) Ist doch klar, daß der Langsamere sich eher Vorteil erspielen kann, hat ja länger nachgedacht. Da ist es ein legitimer Ausgleich, daß der Gegner "auf Zeit" spielt.<<

Dieses Argument lasse ich nur bedingt gelten. Gut, das war 10 Minuten-Schach, aber im 5 Minuten-Schach ist es z.B. bei mir so, dass ich allein schon das Figurenschieben und Uhr drücken (oder im Online-Live-Schach das Maus schieben) langsamer ausführe als meine Gegner. Ich bin einfach von meinen Bewegungen langsam. Ich denke da über die Züge genauso wenig nach wie mein Gegner und verbrauche allein von diesen Bewegungen mehr Zeit.
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