Kommentierte Spiele
Glanzpartien unbekannter Spieler (XXXVI)
Vabanque - 06. Mai '16
Damit Partien aus Simultanvorstellungen überhaupt veröffentlicht werden, müssen sie schon etwas ganz Besonderes haben. Wenn es wie hier zudem noch der Unbekannte ist, der mit einer glänzenden Kombination über den renommierten Meister triumphiert, ist die Sensation perfekt. Der Spieler Komarov, dem der hier gezeigte Sieg gegen den Simultanspieler IM Gereben gelungen ist, taucht sonst mit keiner einzigen Partie in der Datenbank auf; dies legt den Schluss nahe, dass es sich bei ihm wirklich um einen Amateur handelte, der nie an einem bedeutenden Turnier teilgenommen hat. Umso beeindruckender ist es, wie er hier mit Schwarz in einem Damengambit schnell zur Initiative am Königsflügel gelangt, die für den Meister sehr überraschend kommt. Dieser meint zwar noch, den Amateur in eine Falle gelockt zu haben, doch der vermeintliche Damenfang entpuppt sich als raffiniertes geplantes Damenopfer von Schwarz, das Weiß vor ein undeckbares Matt stellt.































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Erno Gereben Komarov Simultaneous Display | Leningrad, USSR | 1949 | D60 | 0:1
8








7








6
5
4
3
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a
1

b

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e

f

g

h

1. d4 d5 2. Sf3 Sf6 3. c4 e6 4. Sc3 Sbd7 5. Lg5 Le7 6. e3 O-O 7. xd5 xd5 Die Abtauschvariante des Damengambits spielt sich für Weiß normalerweise recht bequem, während die schwarzen Figuren es schwer haben, auf günstige Plätze zu gelangen. 8. Ld3 Te8 9. O-O c6 10. Dc2 Sf8 11. Se5 Der routinierte IM hat schnell die Idealaufstellung seiner Figuren erreicht. Sg4! Schwarz entlastet seine Stellung durch Figurenabtausch. 12. Lxe7 Dxe7 13. Sxg4 Lxg4 14. Tab1 Die Abtauschserie hat Weiß nicht aus dem Konzept gebracht. Er strebt jetzt den in solchen Stellungen typischen so genannten Minoritätsangriff an, wo Weiß den b-Bauern bis nach b5 vorstoßen will, um das schwarze Bauerngefüge am Damenflügel zu schwächen und Linen zu öffnen. Meist ist dieser Minoritätsangriff sehr erfolgreich, vor allem wenn sich Schwarz auf Verteidigung einstellt. In dieser speziellen Lage hat Schwarz aber die Chance auf Gegenspiel am Königsflügel, die er auch prompt nutzt. Dg5 Nun muss Weiß unangenehm mit Lf3 oder Lh3 rechnen. 15. Kh1 Te6 Schwarz geht sehr forsch vor. Käme er noch zu Th6 und Dh4, stünde Weiß bereits vor einem undeckbaren Matt, da auf h3 dann einfach das Opfer Lxh3 erfolgen könnte. 16. Se2 Weiß erkennt die Gefahr und setzt diesen Springer zur Verteidigung ein. Th6 17. Sf4 Hier wäre der Springer allerdings besser nach g1 gegangen (um auf Dh4 h3 zu ermöglichen, ohne dass das Läuferopfer erfolgen kann). Demselben Zweck dient auch der Textzug, jedoch mit dem Unterschied, dass der Springer auf f4 vertrieben werden kann, während er auf g1 unangreifbar wäre. Weiß hat allerdings einen Hintergedanken: er möchte die schwarze Dame fangen. Dh4 18. h3 g5 Müsste der Springer nun gehen, könnte Schwarz vernichtend auf h3 opfern. 19. g3 Das war besagter Hintergedanke! Weiß glaubt die schwarze Dame im Netz zu haben. Die vermeintliche Falle, in die Schwarz hier getappt ist, erweist sich allerdings als ein Bumerang. Lf3+ 20. Kh2 Dxh3+!! Aber dass diese Idee jetzt ebenfalls funktioniert, verblüfft. Auf Dg4 dagegen hätte Weiß mit Lf5 den Damenfang perfekt gemacht. 21. Sxh3 g4 Aha! Es ist also der g-Bauer, der auch hier letztlich das Turm-Läufer-Matt auf h1 ermöglicht, z.B. 22. Kg1 Txh3 nebst Th1# (bzw. auf andere 22. Züge von Weiß Txh3+ nebst Th1#). Auf Lxh7+ würde Schwarz natürlich mit Kh8 ausweichen. Weiß streckte daher die Waffen. Eine Schlusskombination mit Seltenheitswert!
cutter - 06. Mai '16
Ja, das macht Mut. Go Amateur, go!
Sehr hübsche Partie.
Sehr hübsche Partie.
Kellerdrache - 09. Mai '16
Sehr hübsch und wie Cutter schon schreibt sehr ermutigend. Der Königsangriff ist von seiner Grundidee her ja nicht sehr versteckt und er Herr IM wird es wohl gesehen haben. Vermutlich hat er noch gedacht " Ach wie plump und wie einfach zu parieren." und nicht übermäßig lang drüber nachgedacht.
Doch manchmal ist Schach eben doch schwieriger als es aussieht. Die Aussicht auf den Gewinn der Dame hat ihn vergessen lassen, dass es doch noch eine Figur gibt die mehr Wert ist - der König.
Doch manchmal ist Schach eben doch schwieriger als es aussieht. Die Aussicht auf den Gewinn der Dame hat ihn vergessen lassen, dass es doch noch eine Figur gibt die mehr Wert ist - der König.