Kommentierte Spiele

Angriffsschach (IV): Bu Xiangzhi - Zviaginsev

Vabanque - 12. Apr '17
Etwa seit der Jahrtausendwende spielen sich immer mehr junge Chinesen auf die vorderen Ränge der Weltrangliste. Einer von ihnen ist der heute 31-jährige Bu Xiangzhi, dem schon im Alter von 13 Jahren und 10 Monaten der GM-Titel zuerkannt wurde und der damals (1999) der jüngste GM war. Ein Jahr vorher hatte Bu (im Chinesischen ist der erste Name der Familienname) bereits die U14-Weltmeisterschaft gewonnen.
Bu spielt ein unerschrockenes, geradliniges Angriffsschach, und die meisten seiner Gewinnpartien sind nicht sehr lang. Endspiele habe ich bisher von ihm noch keine gesehen. Es ist wirklich erstaunlich, wie man mit so einer Teufel-komm-raus-Strategie heute noch auf über 2700 kommen kann, und noch erstaunlicher ist, dass Bu diese Zahl quasi über die letzten 10 Jahre fast konstant gehalten hat.
Das Opfer seiner - man muss schon sagen - Hammerschläge in nachstehender Partie ist der russische GM Vadim Zvjaginsev, der mir nun zwar überhaupt nicht bekannt war, der aber immerhin 1992 die U16-Europameisterschaft für sich entscheiden konnte und ein ebenfalls ziemlich konstantes Rating im oberen 2600er-Bereich hält.

Bu Xiangzhi Vadim Zvjaginsev Russian Team Championship | Dagomys RUS | 1 | 2008.04.02 | E83 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. d4 Sf6 2. c4 g6 3. Sc3 Lg7 4. e4 d6 5. f3 Das scharfe Sämisch-System, das auf unmittelbaren Königsangriff abzielt. Auf Super-GM-Niveau kommt es heute selten zur Anwendung, aber wie diese Partie zeigt, kann ein Experte dieser Variante damit immer noch spektakuläre Erfolge erzielen, und das sogar gegen einen starken 2600er! O-O 6. Sge2 Der Lf1 wird in diesem System üblicherweise zurückgehalten, da er auf d3 nicht viel ausrichten und außerdem vor allem die Deckung von d4 schwächen würde. a6 Schwarz wählt das so genannte Panno-System, das der argentinische GM Oscar Panno in den 50er Jahren in die Turnierpraxis eingeführt hatte. Ziel ist vor allem der Gegenstoß b7-b5 gegen die zu erwartende lange Rochade von Weiß. 7. Le3 Sc6 Zugleich bereitet Schwarz aber auch den zentralen Gegenstoß e7-e5 vor. 8. Dd2 Der hier übliche Aufbau, um ggf. mit Lh6 den schwarzfeldrigen Läufer zu tauschen und jedenfalls schwarzes h7-h6 zu verhindern. Ld7 Diese eingeschränkte Entwicklung sieht etwas merkwürdig aus (ich habe so etwas im Jugendtraining seinerzeit immer als 'gezogen, aber nicht entwickelt' apostrophiert), aber erstens ist es das einzige Feld, das diesem Läufer zur Verfügung steht (wenn Schwarz ihn nicht auf c8 stehen lassen will), und zweitens unterstützt er hier indirekt das baldige b7-b5. 9. h4 Die Konstellation ähnelt hier dem Jugoslawischen Angriff im sizilianischen Drachen. Weiß spielt 'for a quick kill', und er erreicht es auch! h5 Genau wie im Drachensizilianer ein bewährtes Mittel, den weißen Angriff zumindest so lange etwas aufzuhalten, bis das schwarze Gegenspiel am anderen Flügel (oder im Zentrum) einsetzen kann. Schwarz könnte aber auch gleich b5 spielen. 10. Lh6 Gemäß oben erwähntem Plan, aber der Zug schwächt ein wenig d4, worauf Schwarz sofort anspringt. e5 Jetzt hängt d4, da die weiße Dame an die Deckung von h6 gebunden ist. 11. O-O-O Die Abschließung d4-d5 würde Schwarz weniger Probleme stellen, wäre allerdings auch weniger riskant für Weiß. b5 Bereits nach 11 Zügen hat sich die Lage dramatisch zugespitzt, allerdings zielten beide Spieler auch darauf ab. Wer kommt eher? Auf dem ersten Blick scheint dies Schwarz zu sein, da Weiß Linienöffnung gegen seine Rochadestellung nicht vermeiden kann. 12. Sd5! Te8
Denn auf xc4 käme jetzt 13. Sxf6+ Dxf6 Lxf6 ist besser, verliert aber die Qualität 14. Lg5 De6 15. d5 mit Materialgewinn. - Mit dem Textzug erreicht Schwarz, dass er im Fall von Sxf6+ mit dem Läufer wiedernehmen kann, ohne den Tf8 zu verlieren. Tauscht Schwarz statt dessen den weißen Sd5, so nimmt Weiß (nach der Einschaltung von Lxg7) mit dem c-Bauern wieder und hat die Linienöffnung am linken Flügel erstmal verhindert. Das Spiel nähme dann positionellen Charakter an.
13. g4!? Weiß spielt auf alles oder nichts. Der Zug leitet eine Serie von drei Bauernopfern ein, die einzig und allein den Zweck haben, möglichst viele Straßen zum schwarzen König freizuräumen. xg4
Auf xc4 befürchtete Schwarz vermutlich die unangenehme Fesselung 14. Lg5
14. h5 Der Sinn von g4 bestand natürlich in diesem zweiten Bauernopfer. Schwarz kann nun Linienöffnung nicht mehr vermeiden. xf3
Nach Sxh5 würde Weiß mit dem Springeropfer 15. Sg3! alle schwarzen Barrieren zum Einsturz bringen. Der Springer könnte wegen Lxg7 mit der Möglichkeit Dh6 nicht genommen werden.
Und xh5 15. Dg5 verlöre auf der Stelle.
15. xg6! Weiß bietet sogar eine Figur an, die Schwarz aber gar nicht nehmen darf. xg6
Denn nach xe2 16. Lxg7!! sogar der Turm wird noch geopfert; wieder ist die Möglichkeit Dh6 der Schlüssel zum weißen Mattangriff ed1=Q+ 17. Kxd1 Sh5
Sg4 um Dh6 zu verhindern 18. Lf6!! ist auch sehr schön; ich ermutige den Leser hier, die Varianten selbst auszuarbeiten
18. Dh6 xg6 19. Lf6! und die Drohung Dxg6+ entscheidet. Fast eine Partie in der Partie; allerdings eine, die zwischen zwei Spielern um 2700 nicht stattfinden wird, da auf diesen Niveau auch der Verteidiger die Mattkombinationen schnell erkennt und daher vermeidet. - Nach dem schwarzen Textzug (15... fxg6) ist es schwierig für Weiß, weiterzukommen. Das Ausweichfeld f7 hat die weiße Möglichkeit Dh6+ (nach dem Läufertausch) zahnlos gemacht. Was also nun?
16. Sec3 Nicht nur, um den Springer zu retten, sondern vor allem mit er Idee, nach einem Springertausch einen weiteren Springer auf d5 auftauchen zu lassen. Weiß ignoriert dabei die Bedrohung seines Bauern d4: das dritte Bauernopfer! Sxd4
Diese 'natürliche' Antwort verliert, wie die Partie zeigt. Ich hätte zu gerne gesehen, was Bu nach Sg4! gespielt hätte. Der Zug hätte die Möglichkeit Lxg7 nebst Dh6 sehr zuverlässig ausgeschaltet, und die weiße Dame wäre auch nicht über h2 auf die h-Linie gelangt. - Nach dem Textzug hat Weiß Oberwasser. Bu zieht es nun bis zum Schluss mit beeindruckender Konsequenz und Energie durch.
17. Lxg7 Kxg7 18. Sxf6!
Nach 18. Dh6+? Kf7 hätte Weiß überhaupt nichts; im Gegenteil, Schwarz würde bereits Th8 drohen.
Dxf6
Kxf6 19. Sd5+
19. Sd5 Df8 Nach Df7 käme bereits Matt in 2 Zügen durch Dh6+ nebst Dh8! 20. Dh6+ Kf7
Kg8 21. Dh7#
21. Dg5 Der erste (scheinbare) Rückzug von Weiß; in Wirklichkeit macht aber die Dame dem Th1 Platz. Es droht nicht nur Th7+, sondern auch Df6+ nebst Th8# Dg7 Deckt scheinbar alles. Wie kommt Weiß nun weiter? 22. Txd4! Der einzige Gewinnzug! Nicht nur wird die am stärksten stehende Figur von Schwarz durch Opfer beseitigt, es wird vor allem das Feld f4 für ein tödliches Damenschach zugänglich gemacht. xd4 23. Df4+ Lf5
Schon muss Schwarz Material wieder hergeben. Lustig wäre Ke6 24. Lh3#
Und Kg8 24. Sf6+ nebst Th7 ist zumindest Damengewinn für Weiß, wenn es nicht noch etwas Stärkeres gibt. - Der Textzug (Lf5) sieht eigentlich nach Resignation aus, doch werden wir gleich sehen, dass Schwarz noch ein wenig Munition in Reserve hat.
24. xf5 g5 Selbstverständlich muss Schwarz alle Linien möglichst geschlossen halten. 25. Dg4
Blockiert den g-Bauern. Bei 25. Dxf3? g4 hätte Schwarz plötzlich Gegenspiel.
Te1+ Der letzte Versuch, aber ein gar nicht so ungefährlicher. 26. Kd2!
Denn nach 26. Kc2?? d3+! 27. Kxd3 Th8! wäre die Stellung der Kontrolle des Weißen komplett entglitten (Schwarz hat neben Txh1 noch die Drohung Dxb2, und auf f6? käme tödlich Dg6+). Der Angreifer sollte eben immer alle möglichen Schachs des Verteidigers auf ihre Wirksamkeit hin prüfen. - Nach dem Textzug hätte d3 keine Kraft, da sich der weiße König einfach auf e1 bedienen würde.
Tae8 27. Dh5+
Und Schwarz gab bereits auf, für uns nachspielende Amateure wieder einmal viel zu früh! Aber es folgt f6, und ein Freibauer auf der 6. Reihe hat häufig die Stärke einer Figur. Schauen wir uns einen möglichen Schluss der Partie an: 27. Dh5+ Kf8
auf Kg8 ist 28. f6 noch stärker, da sowohl bei Ausweichen der schwarzen Dame nach f8 wie auch nach f7 jeweils sofort einzügig Matt erfolgt
28. f6 Dg8
Df7 29. Dh6+ nebst Dh8#; man erkennt hier sehr gut die Stärke des Bf6!
Dd7 29. Dh8+ Kf7 30. Dg7+ wieder ist der Bf6 ein wertvoller Stützpunkt Ke6 30. Lh3+
29. f7! Schade, dass dieser Glanzzug nicht aufs Brett kam! Aber vielleicht hätte Bu ja auch das einfachere Dxf3 gespielt, wonach Schwarz ebenfalls keine Chance mehr gehabt hätte. Dxf7 T8e2+ vermeidet das unmittelbare Matt, verliert aber noch weiteres Material 30. Dh8+ Die Mattführung ist eine schöne Zusammenarbeit von Dame, Turm und Springer Dg8 31. Df6+ Df7 32. Th8# Chinesische Schachromantik im 21. Jh.!
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[Event "Russian Team Championship"]
[Site "Dagomys RUS"]
[Date "2008.04.02"]
[EventDate "2008.04.02"]
[Round "1"]
[Result "1-0"]
[White "Bu Xiangzhi"]
[Black "Vadim Zvjaginsev"]
[ECO "E83"]
[WhiteElo "2708"]
[BlackElo "2674"]
[PlyCount "53"]

1. d4 Nf6 2. c4 g6 3. Nc3 Bg7 4. e4 d6 5. f3 {Das scharfe Sämisch-System, das auf unmittelbaren Königsangriff abzielt. Auf Super-GM-Niveau kommt es heute selten zur Anwendung, aber wie diese Partie zeigt, kann ein Experte dieser Variante damit immer noch spektakuläre Erfolge erzielen, und das sogar gegen einen starken 2600er!} O-O 6. Nge2 {Der Lf1 wird in diesem System üblicherweise zurückgehalten, da er auf d3 nicht viel ausrichten und außerdem vor allem die Deckung von d4 schwächen würde.} a6 {Schwarz wählt das so genannte Panno-System, das der argentinische GM Oscar Panno in den 50er Jahren in die Turnierpraxis eingeführt hatte. Ziel ist vor allem der Gegenstoß b7-b5 gegen die zu erwartende lange Rochade von Weiß.} 7. Be3 Nc6 {Zugleich bereitet Schwarz aber auch den zentralen Gegenstoß e7-e5 vor.} 8. Qd2 {Der hier übliche Aufbau, um ggf. mit Lh6 den schwarzfeldrigen Läufer zu tauschen und jedenfalls schwarzes h7-h6 zu verhindern.}
Bd7 {Diese eingeschränkte Entwicklung sieht etwas merkwürdig aus (ich habe so etwas im Jugendtraining seinerzeit immer als 'gezogen, aber nicht entwickelt' apostrophiert), aber erstens ist es das einzige Feld, das diesem Läufer zur Verfügung steht (wenn Schwarz ihn nicht auf c8 stehen lassen will), und zweitens unterstützt er hier indirekt das baldige b7-b5.} 9. h4 {Die Konstellation ähnelt hier dem Jugoslawischen Angriff im sizilianischen Drachen. Weiß spielt 'for a quick kill', und er erreicht es auch!} h5 {Genau wie im Drachensizilianer ein bewährtes Mittel, den weißen Angriff zumindest so lange etwas aufzuhalten, bis das schwarze Gegenspiel am anderen Flügel (oder im Zentrum) einsetzen kann. Schwarz könnte aber auch gleich b5 spielen.} 10. Bh6 {Gemäß oben erwähntem Plan, aber der Zug schwächt ein wenig d4, worauf Schwarz sofort anspringt.} e5 {Jetzt hängt d4, da die weiße Dame an die Deckung von h6 gebunden ist.} 11. O-O-O {Die Abschließung d4-d5 würde Schwarz weniger Probleme stellen, wäre allerdings auch weniger riskant für Weiß.} b5 {Bereits nach 11 Zügen hat sich die Lage dramatisch zugespitzt, allerdings zielten beide Spieler auch darauf ab. Wer kommt eher? Auf dem ersten Blick scheint dies Schwarz zu sein, da Weiß Linienöffnung gegen seine Rochadestellung nicht vermeiden kann.} 12. Nd5! Re8 ({Denn auf} 12... bxc4 {käme jetzt} 13. Nxf6+ Qxf6 {Lxf6 ist besser, verliert aber die Qualität} 14.
Bg5 Qe6 15. d5 {mit Materialgewinn. - Mit dem Textzug erreicht Schwarz, dass er im Fall von Sxf6+ mit dem Läufer wiedernehmen kann, ohne den Tf8 zu verlieren. Tauscht Schwarz statt dessen den weißen Sd5, so nimmt Weiß (nach der Einschaltung von Lxg7) mit dem c-Bauern wieder und hat die Linienöffnung am linken Flügel erstmal verhindert. Das Spiel nähme dann positionellen Charakter an.}) 13. g4!? {Weiß spielt auf alles oder nichts. Der Zug leitet eine Serie von drei Bauernopfern ein, die einzig und allein den Zweck haben, möglichst viele Straßen zum schwarzen König freizuräumen.} hxg4 ({Auf} 13... bxc4 {befürchtete Schwarz vermutlich die unangenehme Fesselung} 14. Bg5) 14. h5 {Der Sinn von g4 bestand natürlich in diesem zweiten Bauernopfer. Schwarz kann nun Linienöffnung nicht mehr vermeiden.} gxf3 ({Nach} 14... Nxh5 {würde Weiß mit dem Springeropfer} 15.
Ng3! {alle schwarzen Barrieren zum Einsturz bringen. Der Springer könnte wegen Lxg7 mit der Möglichkeit Dh6 nicht genommen werden.}) ({Und} 14... gxh5 15. Qg5 {verlöre auf der Stelle.}) 15. hxg6! {Weiß bietet sogar eine Figur an, die Schwarz aber gar nicht nehmen darf.} fxg6 ({Denn nach} 15... fxe2 16. Bxg7!! {sogar der Turm wird noch geopfert; wieder ist die Möglichkeit Dh6 der Schlüssel zum weißen Mattangriff} exd1=Q+ 17. Kxd1
Nh5 (17... Ng4 {um Dh6 zu verhindern} 18. Bf6!! {ist auch sehr schön; ich ermutige den Leser hier, die Varianten selbst auszuarbeiten}) 18. Qh6 fxg6 19. Bf6! {und die Drohung Dxg6+ entscheidet. Fast eine Partie in der Partie; allerdings eine, die zwischen zwei Spielern um 2700 nicht stattfinden wird, da auf diesen Niveau auch der Verteidiger die Mattkombinationen schnell erkennt und daher vermeidet. - Nach dem schwarzen Textzug (15... fxg6) ist es schwierig für Weiß, weiterzukommen. Das Ausweichfeld f7 hat die weiße Möglichkeit Dh6+ (nach dem Läufertausch) zahnlos gemacht. Was also nun?}) 16. Nec3 {Nicht nur, um den Springer zu retten, sondern vor allem mit er Idee, nach einem Springertausch einen weiteren Springer auf d5 auftauchen zu lassen. Weiß ignoriert dabei die Bedrohung seines Bauern d4: das dritte Bauernopfer!} Nxd4 ({Diese 'natürliche' Antwort verliert, wie die Partie zeigt. Ich hätte zu gerne gesehen, was Bu nach} 16... Ng4! {gespielt hätte. Der Zug hätte die Möglichkeit Lxg7 nebst Dh6 sehr zuverlässig ausgeschaltet, und die weiße Dame wäre auch nicht über h2 auf die h-Linie gelangt. - Nach dem Textzug hat Weiß Oberwasser. Bu zieht es nun bis zum Schluss mit beeindruckender Konsequenz und Energie durch.}) 17. Bxg7 Kxg7 18. Nxf6!({Nach} 18. Qh6+? Kf7 {hätte Weiß überhaupt nichts; im Gegenteil, Schwarz würde bereits Th8 drohen.}) Qxf6
(18... Kxf6 19. Nd5+) 19. Nd5 Qf8 {Nach Df7 käme bereits Matt in 2 Zügen durch Dh6+ nebst Dh8!} 20. Qh6+ Kf7 (20... Kg8 21. Qh7#) 21. Qg5 {Der erste (scheinbare) Rückzug von Weiß; in Wirklichkeit macht aber die Dame dem Th1 Platz. Es droht nicht nur Th7+, sondern auch Df6+ nebst Th8#} Qg7 {Deckt scheinbar alles. Wie kommt Weiß nun weiter?} 22. Rxd4! {Der einzige Gewinnzug! Nicht nur wird die am stärksten stehende Figur von Schwarz durch Opfer beseitigt, es wird vor allem das Feld f4 für ein tödliches Damenschach zugänglich gemacht.} exd4 23.
Qf4+ Bf5 ({Schon muss Schwarz Material wieder hergeben. Lustig wäre} 23... Ke6 24. Bh3#) ({Und} 23... Kg8 24. Nf6+ {nebst Th7 ist zumindest Damengewinn für Weiß, wenn es nicht noch etwas Stärkeres gibt. - Der Textzug (Lf5) sieht eigentlich nach Resignation aus, doch werden wir gleich sehen, dass Schwarz noch ein wenig Munition in Reserve hat. }) 24. exf5 g5 {Selbstverständlich muss Schwarz alle Linien möglichst geschlossen halten.} 25. Qg4 ( {Blockiert den g-Bauern. Bei} 25.
Qxf3? g4 {hätte Schwarz plötzlich Gegenspiel.} ) 25... Re1+ {Der letzte Versuch, aber ein gar nicht so ungefährlicher.} 26. Kd2! ({Denn nach} 26. Kc2?? d3+! 27. Kxd3 Rh8! {wäre die Stellung der Kontrolle des Weißen komplett entglitten
(Schwarz hat neben Txh1 noch die Drohung Dxb2, und auf f6? käme tödlich Dg6+). Der Angreifer sollte eben immer alle möglichen Schachs des Verteidigers auf ihre Wirksamkeit hin prüfen. - Nach dem Textzug hätte d3 keine Kraft, da sich der weiße König einfach auf e1 bedienen würde.}) 26... Rae8 27. Qh5+ ({Und Schwarz gab bereits auf, für uns nachspielende Amateure wieder einmal viel zu früh! Aber es folgt f6, und ein Freibauer auf der 6. Reihe hat häufig die Stärke einer Figur. Schauen wir uns einen möglichen Schluss der Partie an:} 27.
Qh5+ Kf8 ({auf} 27... Kg8 {ist} 28. f6 {noch stärker, da sowohl bei Ausweichen der schwarzen Dame nach f8 wie auch nach f7 jeweils sofort einzügig Matt erfolgt}) 28. f6 Qg8 (28... Qf7 29. Qh6+ {nebst Dh8#; man erkennt hier sehr gut die Stärke des Bf6!})(28... Qd7 29. Qh8+ Kf7 30. Qg7+ {wieder ist der Bf6 ein wertvoller Stützpunkt} Ke6 30. Bh3+) 29. f7! {Schade, dass dieser Glanzzug nicht aufs Brett kam! Aber vielleicht hätte Bu ja auch das einfachere Dxf3 gespielt, wonach Schwarz ebenfalls keine Chance mehr gehabt hätte.} Qxf7 {T8e2+ vermeidet das unmittelbare Matt, verliert aber noch weiteres Material} 30.
Qh8+ {Die Mattführung ist eine schöne Zusammenarbeit von Dame, Turm und Springer} Qg8 31. Qf6+ Qf7 32. Rh8# {Chinesische Schachromantik im 21. Jh.!}) 1-0
Kellerdrache - 13. Apr '17
Sehr schöne Partie von einem Spieler der irgendwie komplett unter meinem Radar geflogen ist. Bobby Fischer hat sich ja mal recht abfällig über die sizilianische Drachenvariante und ähnliche Aufbauten geäußert. Sinn gemäß so etwas wie "Bauernopfer hier, Bauernopfer da, matt". Bu Xiangzhi scheint ihm mit der vorliegenden Partie Recht zu geben, aber ich kann aus eigener leidvoller Erfahrung sagen, dass das alles am Brett nicht so einfach ist wie es sich hinschreiben lässt. Immerhin öffnet Weiß sich ja ganz schön und er muß sehr präzise spielen um nicht selber unterzugehen, was sich vor allem in deinem Kommentar zum 26.Zug zeigt. Von den eisernen Nerven die man für so einen bedingungslosen Opferangriff braucht ganz zu schweigen.
Colorado77 - 13. Apr '17
Tolle Partie mit schönen Analysen, Daumen hoch!
Ich kucke mir das mal am WE an, mal schauen wo Schwarz daneben gegriffen hat, das war ja auf den ersten Blick "wie aus einem Guss".
16...Sg4 sieht wirklich gut aus, wie Du auch schon sagst....
Vabanque - 14. Apr '17
16... Sg4 ist natürlich ein Engine-Vorschlag, auf den ich selber wohl eher nicht gekommen wäre, obwohl der Zug hinterher ja logisch aussieht, so dass ich ihn auch erklären konnte. Engine-Vorschläge, deren Sinn ich nicht erkenne, werde ich in meinen Kommentaren eher nicht erwähnen.

Der andere Zug, den ich ohne Engine nicht gesehen hätte, ist 29. f7 im Kommentar zum Schlusszug von Weiß. Aber wie gesagt, Dxf3 gewinnt ja ebenfalls.

Mir scheint, die Partie ist entweder zu kompliziert (wobei ich noch viel kompliziertere auf Lager habe, die ich mir gar nicht traue hier zu bringen), oder diese Art von Schach ist generell nicht nach dem Geschmack unserer stummen Mitleser, oder die chinesischen GMs haben hier keine gute Lobby!
Eine andere Möglichkeit wäre natürlich, dass meine Kommentare nicht gut genug sind, allerdings habe ich in diesem Fall genügend Selbstbewusstsein, um sie als gelungen zu betrachten. Gleichzeitig bin ich für Kritik genügend offen, um mich von etwaigen Mängeln in der Kommentierung (und die gibt es immer!) überzeugen zu lassen.
Also liebe Leute, bitte nicht nur Minus (oder zumindest kein Plus) klicken, sondern auch schreiben, warum ihr den Beitrag nicht so gut fandet wie andere von mir (und meinen Mitkommentatoren).
Ich habe nämlich noch so ein paar brutale Opferpartien auf Lager, und es wäre doch schade, wenn ich die mit ebenso schlechter Resonanz bringen würde. Dann lieber vorher sagen, dass diese Art von Partien oder Kommentierung nicht gewünscht wird.
Oder generell keine Partien von 2700+ Spielern mehr, da zu kompliziert?
Vabanque - 14. Apr '17
Noch ein letzter Monolog von mir hier:

Manch einer mag sich gefragt haben, was nun eigentlich den Unterschied zwischen den beiden Reihen 'Brillante Mattangriffe' und 'Angriffsschach' ausmacht.

Nun, unter 'Angriffsschach' zeige ich Partien, die quasi vom ersten Zug an, von ihrem strategischen Konzept her, auf Angriff angelegt sind. Der Angreifer wählt schon eine entsprechend scharfe Eröffnung und opfert ggf. frühzeitig Material, um die Partie in das von ihm gewünschte Fahrwasser zu leiten. Kurz gesagt: die ganze Partie steht unter dem Vorzeichen 'Angriff'.

'Brillante Mattangriffe' können dagegen auch aus einer Positionspartie heraus entstehen, quasi als taktische Krönung erfolgreichen Stellungsspiels. Der Mattangriff kann sogar das Resultat einer Verteidigungsleistung sein, oder plötzlich im Endspiel auftauchen.
Zudem muss der Angriff hier wirklich die Mattsetzung des gegnerischen Königs zum Ziel haben, während bei 'Angriffsschach' auch eine allgemeine, lang andauernde Initiative genügt. Der Angriff muss in diesem Fall auch nicht notwendigerweise brillante Opferzüge beinhalten.

Natürlich sind die Übergänge fließend, und manche Partie könnte sowohl in die eine wie auch in die andere Serie eingeordnet werden.
Z.B. habe ich momentan noch eine Partie von Gelfand mit einem doppelten Turmopfer im Sinn, wo ich noch nicht weiß, in welche Kategorie ich die einordnen soll (falls ich sie bringe).