Kommentierte Spiele
Glanzpartien unbekannter Spieler (VI)
Vabanque - 19. Mär '14
Der Engländer David Pritchard (1919-2005) war in seiner Heimat ein populärer Autor über Schach und verwandte Brettspiele. In seinen Schriften setzte er sich unter anderem auch für faires Verhalten am Brett, vor allem nach einer Niederlage, ein. Dass er bei allem guten Umgang (den er selbst auch vorlebte) aber auch eine scharfe Klinge am Brett zu führen verstand, zeigt die folgende hübsche Kurzpartie, die er mit den schwarzen Steinen im Jahre 1959 in einem Mannschaftskampf in London spielte.































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H I Woolverton David Brine Pritchard London, England | London, England | 1959 | D08 | 0:1
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. d4 d5 2. c4 e5 3. xe5 d4 4. Sf3 Sc6 Das sehr interessante Albin-Gegengambit, das von beiden Seiten genaue Behandlung verlangt. Der Bauer d4 soll das weiße Spiel einengen, und zugleich hofft Schwarz, den Gambitbauern e5 im Zuge seiner Figurenentwicklung automatisch zurückzugewinnen. Auf die komplizierte Theorie dieses Systems kann ich im Rahmen meiner Kommentare hier natürlich nicht eingehen. 5. a3 Weiß möchte das z.B. auf e3 sehr störende Läuferschach auf b4 ausschalten und später ggf. selber b2-b4 spielen. Sge7 6. g3 Jetzt wäre e3 auch gut möglich gewesen. Sg6 7. Lg2 Und hier hätte Schwarz den Gambitbauern bereits zurückerobern können. Aber er spielt konsequent auf rapide Entwicklung. Lg4 8. O-O Dd7 9. Dc2?! Auf c2 steht die Dame nicht günstig, wie sich gleich zeigen wird. Möglicherweise wollte Weiß mit dem Textzug Sxe5 verhindern, weil nach Springertausch dann De4 folgen könnte, und Weiß droht dann auf e5, b7 und (nach den schwarzen Antworten De7 oder De6) auf d4. Trotzdem war 9. Sbd2 richtig. Le7 10. b4 Weiß steht nun bereit, den schwarzen Bauern d4 mit Lb2 und b4-b5 (bzw. ggf. Td1) zu unterminieren. Td8 Jetzt wäre Scxe5 aber möglich gewesen. 11. b5?! Führt nur zu großen Verwicklungen, in denen Schwarz gut abschneidet. Lb2 war richtig. Sxe5 12. Sxe5 Sxe5 13. Lf4 Weiß nimmt von Lxb7 wegen seines Entwicklungsrückstandes nun doch Abstand. Aber der Textzug ist nicht besser, auch wenn der damit verbundene Plan geistreich ist: nach dem Nehmen des Bauern b7 soll Damengewinn drohen, nachdem der schwarze Springer verjagt ist und somit das Feld c6 nicht mehr kontrolliert. d3 Man sieht nun, warum die Dame auf c2 nicht gut steht: Nach dem erzwungenen Nehmen auf d3 wird das weiße Feld f3 schutzlos, woran Weiß zu Grunde gehen wird. 14. xd3 Sxd3 15. Lxb7? Darauf hatte sich Weiß verlassen: er droht nun Lc6. Hätte er die folgende Kombination von Schwarz auch nur erahnt, dann hätte er wohl Le3 gespielt, was zwar ein Eingeständnis gewesen wäre, aber immer noch zu annähernd gleichem Spiel geführt hätte. Weiß kann sich in der Eröffnung eben meist ein paar Ungenauigkeiten leisten, ohne gleich auf die Verliererstraße zu geraten (vor allem wenn Schwarz eine etwas zweifelhafte Variante wählt). Sxf4!! Schön und weit berechnet. Schwarz lässt die Bedrohung seiner Dame außer Acht. Ein 'passives' Damenopfer also. 16. Lc6? Er lässt es sich zeigen. Notwendig war gxf4, allerdings mit ziemlich zerrupfter Königsstellung. Se2+ 17. Kg2 Nach Kh1 käme bereits Dxc6+! nebst Lf3 matt! Dies verhindert der Textzug. Dxc6+! Trotzdem! 18. xc6 Lf3+!! Ein herrlicher Zug und die eigentliche Pointe der schwarzen Kombination. Wieder zeigt sich, wie ungünstig die weiße Dame auf c2 steht: nach Kxf3 Sd4+ gewinnt Schwarz die Dame mit einer Mehrfigur zurück. 19. Kh3 Wie so oft, lässt er sich lieber mattsetzen, als eine Figur zu geben. Der am Rand eingeklemmte König wird dort nicht lange überleben. Td6 Der Verderber naht. Es droht Th6#. 20. Dd2 Jetzt wäre Weiß doch gerne bereit, die Dame zurückzugeben. g5! Aber Schwarz lässt ihn nicht. Er schneidet die weiße Dame von h6 ab und droht wieder Th6# und gleichzeitig g4#. Weiß kann also jetzt nicht einmal Dxd6 spielen, weil auch dann das reizende Bauernmatt g4# käme (der Läufer e7 nimmt dem weißen König das Feld h4). Deshalb gab er auf. Ein erfrischendes Finale.
phyl - 20. Mär '14
Selten ein so schönes Finish gesehen, Applaus!