Kommentierte Spiele

Wie spielt man gegen Gambit ? Nr. 1

Kellerdrache - 02. Feb '16
Nachdem ich hoffentlich überzeugend gezeigt habe wie man Gambit spielt fühle ich mich verpflichtet jetzt auch zu demonstrieren wie eine erfolgreiche Verteidigung aussehen kann.
Es gibt generell drei verschiedene Arten gegen Gambit zu spielen. Man kann es annehmen und darauf vertrauen, dass die Kompensation für das geopferte Material schon nicht reichen wird. Wer sich gut und umsichtig verteidigen kann, für den es das sicher eine mögliche Entscheidung. Das Gambit abzulehnen ist vorsichtiger, manchmal aber auch zu vorsichtig. Die dritte Variante sehen wir hier - das Gegengambit. Man gibt das Material sofort zurück und zwingt dem Gegner ein ganz anderes Spiel auf.
Nimzowitschs Gegengambit gegen das Königsgambit ist ein deutliches Beispiel dafür. Schwarz opfert seinerseits einen Bauern um sich ungestört entwickeln zu können.
Hebden, Mark Nunn, John London | 1987 | C36 | 0:1
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 e5 2. f4 d5 3. xd5 c6 Schwarz gibt den Gambitbauern sofort zurück um sich ungestört entwicklen zu können. Weiß gewinnt einen Bauern auf d5, bzw. c6 und schwarz einen auf f4. Allerdings ist es wichtig für Schwarz den f-Bauern danach nicht ohne Kompensation wieder herzugeben. Jedenfalls ist das Nimzowitsch-Gegengambit, wie diese Variante heißt eine der aktivsten Arten als Schwarzer Königsgambit zu spielen 4. Sc3 Hebden hat es nicht eilig auf c6 zu nehmen und damit Nunn bei der Entwicklung zu helfen. Man macht erstmal normale Züge und hofft das sich der c-Bauer als deplaciert herausstellt. xf4 5. Sf3 Ld6 deckt den f4 und lässt das Feld e7 für den Springer frei 6. d4 Se7 7. Lc4 xd5 8. Lxd5 Ich hätte vermutlich ohne zu langes Überlegen mit dem Springer geschlagen. Sollte Schwarz aber hier tatsächlich den Läufer nehmen ist d5 nicht nur ein Top-Feld für einen Springer, sondern man hat auch einen weiteren Angreifer auf den f4 erzeugt. O-O 9. O-O Sbc6 10. Lb3 Lg4 Im Jahr zuvor hatte Nunn, der zu diesem Zeitpunkt einer der absoluten Top-GMs war, eine Königsgambitpartie gegen den noch ziemlich unbekannten Spanier Illescas verloren. Vielleicht war Hebdens Eröffnungswahl also als kleine Provokation gedacht. John Nunn nimmt die Herausforderung an und spielt sogar die gleiche Variante. Der einzige Unterschied zur damaligen Partie ist, dass der weißfeldrige Läufer auf b3 statt c4 steht. 11. Se4 der weiße Plan hier ist sehr einfach - den f-Bauern erobern ohne sich irgendwo zu schwächen Lc7 12. c3 Sg6
In seiner Partie gegen Illescas spielte Nunn hier Sd5 13. Sc5 Tb8 14. De1 leitet den Damentausch ein Te8 15. Dh4 Dxh4 16. Sxh4 Se3 17. Lxe3 Txe3 18. Tae1 Txe1 19. Txe1 Weiß hat die mobileren Bauern und kontrolliert die einzige offene Linie. In Großmeister kreisen reicht so etwas zum Gewinn, auch wenn Dr. Nunn hier noch nicht aufgab.
13. Sf2
13. Sc5 wie in der vorhergehenden Variante bringt hier nicht so viel Db8 wäre nur einer der möglichen Züge. Die Dame ist hier ja nicht an die Deckung des Springers auf d5 gebunden
Lf5 14. Sd3 Das war der eigentliche Sinn von Sf2. Nicht so sehr den Läufer zu belästigen, denn der steht ja auch auf f5 nicht so schlecht sondern diese Umgruppierung, die einen weiteren Angreifer auf den f4-Bauern lenkt. Sa5 Hätte Hebden Lc2 gespielt wäre der Springer von a5, über c4 nach e3 gelangt, also läßt er den Doppelbauern zu und nutz die Zeit um den Druck auf f4 zu verstärken 15. Sfe1 Sxb3 16. xb3 Dh4 17. Df3 Damit ist klar, dass der f-Bauer fällt. Allerdings stehen die schwarzen Figuren am Königsflügel ja auch sonst nicht häßlich und man kann was damit anstellen. Nunn nimmt erst einmal die e-Linie unter Kontrolle Tae8 18. Lxf4 Sxf4 19. Sxf4 Le4 Das Läuferpaar von Schwarz macht keinen schlechten Eindruck. Zusammen mit der Dame auf h5 können sie dem weißen König gefährlich werden. 20. Dh5 Bietet Damentausch an wonach der Druck weg wäre Dd8 21. g3
21. Txa7 geht leider nicht Db8 und es hängen Turm auf a7 und der Springer auf f4
a6 Nachdem der Springer auf f4 durch g3 ja ausreichend gedeckt war drohte Txa7 wieder. 22. b4 Das wird von Dr.Nunn als Fehler angegeben. Er empfielt Seg2 und danch Tae1 um die Entwicklung zu vervollständigen f5 Die Idee dieses Zugs ist nicht etwa den Le4 nochmal zu decken. Der f-Turm soll über f6 ins Spiel kommen. Durch die Zeitverschwendung mit b4 muß diese Drohung ernst genommen werden. 23. Seg2 Tf6 24. Tae1 Genau die Züge, die Nunn vorgeschlagen hatte nur einen Zug später. Das vergebene Tempo gibt Schwarz Gegenspiel Th6 25. De2 g5 26. Sd3 Lc6 27. Df2 Leider das falsche Feld. Auf d2 hätte die Dame deutlich sicherer gestanden
27. Dd2 Txe1 28. Txe1 f4 29. Se5 f3 30. Sxc6 xc6 31. Se3 Nunn schätz das als eine Gewinnstellung für Weiß ein. Soweit würde ich vielleicht nicht gehen, aber großen Anlass zur Sorge sehe ich für Weiß hier auch nicht mehr
Tf8 28. c4 f4 29. xf4?
29. d5 der offensichtliche Zug ist hier auch der bessere. Die starken Läufer müssen bekämpft werden. Txh2 das geht, weil nach 30. Kxh2 fxg3+ die Dame fallen würde 30. xc6 Dxd3 31. Sxf4 Erstaunlicherweise geht das tatsächlich. Würde Schwarz den Springer nehmen könnte Weiß mit Dxh2 den Turm gewinnen. Txf2 32. Sxd3 Txf1+ 33. Txf1 xc6 34. Txf8+ Kxf8 35. g4 mit ganz guten Remischancen
xf4 30. Sxf4 Lxg2 In so einer zugigen Burg muß sich der König ja den Zug holen 31. Dxg2+ Kh8 32. Se6 Lxh2+
Tg8 33. Sxd8 Txg2+ 34. Kxg2 ist nicht so stark
33. Kh1
33. Dxh2 sah für mich zuerst besser aus Tg8+ 34. Dg2 Txg2+ 35. Kxg2 Txe6 das hatte ich nicht gesehen. Nimmt der Turm gewinnt Schwarz mit einem Doppelangriff Material 36. Txe6 Dg8+
Le5+ 34. Kg1 Lxd4+ 35. Tf2
35. Sxd4 Dxd4+ 36. Tf2 Txf2 37. Dxf2 Th1+
Lxf2+ 36. Dxf2 Txe6
PGN anzeigen
[Event "London"]
[Date "1987.??.??"]
[White "Hebden, Mark"]
[Black "Nunn, John"]
[Result "0-1"]
[ECO "C36"]
[PlyCount "72"]

1. e4 e5 2. f4 d5 3. exd5 c6 {Schwarz gibt den Gambitbauern sofort zurück um
sich ungestört entwicklen zu können. Weiß gewinnt einen Bauern auf d5, bzw. c6
und schwarz einen auf f4. Allerdings ist es wichtig für Schwarz den f-Bauern
danach nicht ohne Kompensation wieder herzugeben. Jedenfalls ist das
Nimzowitsch-Gegengambit, wie diese Variante heißt eine der aktivsten Arten als
Schwarzer Königsgambit zu spielen} 4. Nc3 {Hebden hat es nicht eilig auf c6 zu
nehmen und damit Nunn bei der Entwicklung zu helfen. Man macht erstmal normale
Züge und hofft das sich der c-Bauer als deplaciert herausstellt.} exf4 5. Nf3
Bd6 {deckt den f4 und lässt das Feld e7 für den Springer frei} 6. d4 Ne7 7. Bc4
cxd5 8. Bxd5 {Ich hätte vermutlich ohne zu langes Überlegen mit dem Springer
geschlagen. Sollte Schwarz aber hier tatsächlich den Läufer nehmen ist d5
nicht nur ein Top-Feld für einen Springer, sondern man hat auch einen weiteren
Angreifer auf den f4 erzeugt.} O-O 9. O-O Nbc6 10. Bb3 Bg4 {Im Jahr zuvor
hatte Nunn, der zu diesem Zeitpunkt einer der absoluten Top-GMs war, eine
Königsgambitpartie gegen den noch ziemlich unbekannten Spanier Illescas
verloren. Vielleicht war Hebdens Eröffnungswahl also als kleine Provokation
gedacht. John Nunn nimmt die Herausforderung an und spielt sogar die gleiche
Variante. Der einzige Unterschied zur damaligen Partie ist, dass der
weißfeldrige Läufer auf b3 statt c4 steht.} 11. Ne4 {der weiße Plan hier ist
sehr einfach - den f-Bauern erobern ohne sich irgendwo zu schwächen} Bc7 12. c3
Ng6 ({In seiner Partie gegen Illescas spielte Nunn hier} 12... Nd5 13. Nc5 Rb8
14. Qe1 {leitet den Damentausch ein} Re8 15. Qh4 Qxh4 16. Nxh4 Ne3 17. Bxe3
Rxe3 18. Rae1 Rxe1 19. Rxe1 {Weiß hat die mobileren Bauern und kontrolliert
die einzige offene Linie. In Großmeister kreisen reicht so etwas zum Gewinn,
auch wenn Dr. Nunn hier noch nicht aufgab.}) 13. Nf2 (13. Nc5 {
wie in der vorhergehenden Variante bringt hier nicht so viel} Qb8 {wäre nur einer der möglichen Züge. Die Dame ist hier ja nicht an die Deckung des Springers
auf d5 gebunden}) 13... Bf5 14. Nd3 {Das war der eigentliche Sinn von Sf2.
Nicht so sehr den Läufer zu belästigen, denn der steht ja auch auf f5 nicht so
schlecht sondern diese Umgruppierung, die einen weiteren Angreifer auf den
f4-Bauern lenkt.} Na5 {Hätte Hebden Lc2 gespielt wäre der Springer von a5,
über c4 nach e3 gelangt, also läßt er den Doppelbauern zu und nutz die Zeit um
den Druck auf f4 zu verstärken} 15. Nfe1 Nxb3 16. axb3 Qh4 17. Qf3 {Damit ist klar, dass der f-Bauer fällt. Allerdings stehen die schwarzen Figuren am
Königsflügel ja auch sonst nicht häßlich und man kann was damit anstellen.
Nunn nimmt erst einmal die e-Linie unter Kontrolle} Rae8 18. Bxf4 Nxf4 19. Nxf4
Be4 {Das Läuferpaar von Schwarz macht keinen schlechten Eindruck. Zusammen
mit der Dame auf h5 können sie dem weißen König gefährlich werden.} 20. Qh5 {
Bietet Damentausch an wonach der Druck weg wäre} Qd8 21. g3 (21. Rxa7 {
geht leider nicht} Qb8 {und es hängen Turm auf a7 und der Springer auf f4})
21... a6 {Nachdem der Springer auf f4 durch g3 ja ausreichend gedeckt war
drohte Txa7 wieder.} 22. b4 {Das wird von Dr.Nunn als Fehler angegeben. Er
empfielt Seg2 und danch Tae1 um die Entwicklung zu vervollständigen} f5 {
Die Idee dieses Zugs ist nicht etwa den Le4 nochmal zu decken. Der f-Turm soll
über f6 ins Spiel kommen. Durch die Zeitverschwendung mit b4 muß diese Drohung
ernst genommen werden.} 23. Neg2 Rf6 24. Rae1 {Genau die Züge, die Nunn
vorgeschlagen hatte nur einen Zug später. Das vergebene Tempo gibt Schwarz
Gegenspiel} Rh6 25. Qe2 g5 26. Nd3 Bc6 27. Qf2 {
Leider das falsche Feld. Auf d2 hätte die Dame deutlich sicherer gestanden} (
27. Qd2 Rxe1 28. Rxe1 f4 29. Ne5 f3 30. Nxc6 bxc6 31. Ne3 {Nunn schätz das als
eine Gewinnstellung für Weiß ein. Soweit würde ich vielleicht nicht gehen,
aber großen Anlass zur Sorge sehe ich für Weiß hier auch nicht mehr}) 27... Rf8
28. c4 f4 29. gxf4 $2 (29. d5 {der offensichtliche Zug ist hier auch der
bessere. Die starken Läufer müssen bekämpft werden.} Rxh2 {
das geht, weil nach 30. Kxh2 fxg3+ die Dame fallen würde} 30. dxc6 Qxd3 31.
Nxf4 {Erstaunlicherweise geht das tatsächlich. Würde Schwarz den Springer
nehmen könnte Weiß mit Dxh2 den Turm gewinnen.} Rxf2 32. Nxd3 Rxf1+ 33. Rxf1
bxc6 34. Rxf8+ Kxf8 35. g4 {mit ganz guten Remischancen}) 29... gxf4 30. Ndxf4
Bxg2 {In so einer zugigen Burg muß sich der König ja den Zug holen} 31. Qxg2+
Kh8 32. Ne6 Bxh2+ (32... Rg8 33. Nxd8 Rxg2+ 34. Kxg2 {ist nicht so stark}) 33.
Kh1 (33. Qxh2 {sah für mich zuerst besser aus} Rg8+ 34. Qg2 Rxg2+ 35. Kxg2 Rxe6
{das hatte ich nicht gesehen. Nimmt der Turm gewinnt Schwarz mit einem
Doppelangriff Material} 36. Rxe6 Qg8+) 33... Be5+ 34. Kg1 Bxd4+ 35. Rf2 (35.
Nxd4 Qxd4+ 36. Rf2 Rxf2 37. Qxf2 Rh1+) 35... Bxf2+ 36. Qxf2 Rxe6 0-1
Vabanque - 08. Feb '16
Eine im Prinzip wenig spektakuläre Partie (weil ohne Glanzzüge), die aber durch das starke Spiel von Schwarz doch einen recht überzeugenden Eindruck hinterlässt. Das Kommentar-Highlight ist natürlich: 'In einer so zugigen Burg muss sich der König ja den Zug holen' :-)))
Erinnert mich ein wenig an den Witz, wo die Oma die Enkelin zum Bahnhof bringt und zum Abschied sagt: 'Pass bloß auf, dass du keinen Zug erwischst!' ;)
Kellerdrache - 09. Feb '16
Mir hat die Partie beim Nachspielen eigentlich ganz gut gefallen. Spektakulär ist sie nicht, das ist sicher richtig und Weiß macht schon den ein oder anderen Fehler um die Partie zu verlieren.
Was mich beeindruckt hat ist wie aktiv Schwarz vom Anfang bis zum Ende mitspielt. Das schreibe ich hauptsächlich der Eröffnung an sich zu, wenn auch Dr. Nunn sicher nicht schlecht gespielt hat.
Diese und auch die zweite Anti-Gambit Partien zeigen wie man offensiv gegen ein Gambit spielt. Wenn ich eine einigermaßen ansehnliche "Verteidigungspartie" finde werde ich sie im Rahmen der Reihe auch noch vorstellen. Bisher war ich aber noch nicht erfolgreich.
Vabanque - 09. Feb '16
Man darf nicht vergesssen, dass Nunn damals tatsächlich zur Weltspitze gehört hat und sich dann aber frühzeitig vom Schach zurückgezogen hat. Ich muss aber zugeben, dass mir fast keine Partie von ihm erinnerlich ist, zumindest keine gewonnene. An eine kurze Verlustpartie gegen Kasparov kann ich mich erinnern, aber das sagt nicht so furchtbar viel aus. Kasparov war ja schließlich damals nicht schlecht ;)