Kommentierte Spiele
100 Jahre Schach (VIII) 1980-89 : Beljawski-Nunn
Kellerdrache - 15. Jul '16
Nach einigen eher positionellen Partien heute mal wieder etwas für die Freunde des Angriffsschachs. Die vorliegende Partie wurde zu einer Zeit gespielt als sowohl Alexander Beljawski als auch John Nunn zu den Top-Großmeistern der Welt gehörten.
Dr. Nunn, den Doktor hat er mit 18 Jahren in Mathematik gemacht, gehörte zu der Generation der neuen englischen Großmeister, die ein wenig das Monopol der Osteuropäer aufbrachen. Andere Namen aus dieser Gruppe sind Nigel Short, der tote Anthony Miles oder mit ein wenig Verspätung Michael Adams.
Wie meistens habe ich die Zahl der in der Literatur angegebenen Varianten auf die meiner Meinung nach unverzichtbaren reduziert. Ich hoffe, die Schönheit der Partie vermittelt sich auch so.































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Dr. Nunn, den Doktor hat er mit 18 Jahren in Mathematik gemacht, gehörte zu der Generation der neuen englischen Großmeister, die ein wenig das Monopol der Osteuropäer aufbrachen. Andere Namen aus dieser Gruppe sind Nigel Short, der tote Anthony Miles oder mit ein wenig Verspätung Michael Adams.
Wie meistens habe ich die Zahl der in der Literatur angegebenen Varianten auf die meiner Meinung nach unverzichtbaren reduziert. Ich hoffe, die Schönheit der Partie vermittelt sich auch so.
Beliavsky, Alexander G Nunn, John Dr. Hoogovens | Wijk aan Zee | 1985.01.?? | E81 | 0:1
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. d4 Sf6 2. c4 g6 3. Sc3 Lg7 4. e4 d6 5. f3 Die Sämisch Variante der Königsindischen Verteidigung. Anders als in den meisten anderen Varianten dieser Eröffnung kann Weiß auch auf lange Rochade und Angriff am Königsflügel spielen. O-O 6. Le3 Sbd7 7. Dd2 Mit seinen letzten Zügen hat Beljawski ganz klar gezeigt wie sein Plan aussieht. Er möchte lang rochieren und dann den üblichen Angriff auf die Fianchetto-Stellung mit h2-h4-h5 in Verbindung mit dem Abtausch des schwarzfeldrigen Läufers führen. c5 8. d5 Se5 Der Springer steht natürlich nicht schlecht da, aber wie lange kann er bleiben ? Im Moment allerdings hätte er nach f4 ja noch das schöne Feld g4. Ein alternativer Plan wäre ein Angriff am Damenflügel mit a6, b5 usw. 9. h3 Nimmt Schwarz das Feld g4 und bereitet so f4 vor. Ein durchaus naheliegender Plan, der zwar den Königsflügel ein wenig schwächt, aber da will Beljawski ja nicht bleiben Sh5 Den Zug sieht man in Königsindisch recht häufig. In der Regel dient er vor allem der Vorbereitung von f5. Hier schaut er zusätzlich noch auf das Feld g3, welches durch die Züge des f- und h-Bauern schwach geworden ist 10. Lf2 f5 der thematische Zug im Königsinder um die Aufrollung des Königsflügels einzuleiten. Aber funktioniert das hier denn ? Auf e5 ist kein Bauer der den weiteren Vorstoß unterstützt, f- und h- Bauer stehen schon im Weg und vor allem will Weiß ja ohnehin lang rochieren. Er greift also ausgerechnet da an wo sein eigener König in Gefahr kommen kann. Hat Nunn all das nicht bedacht und einfach zu schematisch gespielt ? 11. xf5 Nimmt Nunn mit Läufer oder Turm käme die Bauerngabel g4, also geht nur gxf5. Danach kann Weiß aber z.B. mit f4 den Springer vertreiben und das schwarze Gegenspiel stoppen. Dann noch lang rochieren bevor man schlieslich den Königsflügel öffnet und Weiß steht besser, vor allem aber sehr bequem. Txf5!! Wie bitte ? Ich habe doch gerade noch erklärt, dass nur gxf5 geht wegen der Bauerngabel. Halten sich diese Großmeister eigentlich an gar keine Regeln ? Aber Spaß beiseite. Es hat schon seinen Grund warum ich diesem Zug ein !! gegeben habe. Wie vorhin beschrieben ist die Stellung nach gxf5 schlecht. Wenn Nunn also trotzdem f5 spielt muß er da schon den Plan mit Txf5 gehabt haben. Für den Preis einer Figur hat er die f-Linie geöffnet und die vorgezogenen Bauern bieten dem weißen König wenig Schutz. 12. g4 Offensichtlich und auch erzwungen, weil Schwarz sonst mit Sf4 und Lh6 einen gefährlichen Angriff aufbaut. Txf3 Besser als Sxf3+. Nehmen kann Weiß den Turm nicht weil danach Sxf3 mit Gabel auf Dame und König folgen würde. 13. xh5 Df8 Hat man was geopfert darf man danach nicht trödeln. Die Dame will am Angriff teilnehmen. Kurzfristig verhindert der Zug vor allem die Flucht des Königs mit O-O-O. 14. Se4 Um den König von der Deckung des Lf2 zu entbinden und die lange Rochade zu ermöglichen. Fritz empfielt stattdessen Th2 was keiner der menschlichen Kommentatoren auch nur erwähnt hat. Lh6 Im Prinzip könnte ich hier den gleichen Kommentar wie zum vorhergehenden Zug schreiben. Auch hier wird ein neuer Soldat zu den Angriffstruppen hinzugefügt und wieder wird O-O-O verhindert. 15. Dc2 Ein natürlicher Zug. Er zieht die Dame in Sicherheit und gönnt seinem König genug Raum den schwarzen Drohunge auszuweichen. Leider ist es aber auch ein Fehler. Df4 Dieser Zug hat bei den Kommentaren die ich zu dieser Partie gelesen habe alle möglichen Bewertungen von !! über ! bis zu ? bekommen. Zuerst einmal droht 16.Lf5 also ist keine Zeit zum Abwarten 16. Se2
es ist verständlich, dass Beljawski die gegnerische Dame nicht vor seiner Haustür will, aber besser sieht 16. Sxf3 aus. Sxf3+ 17. Kd1 Lf5 18. Lg3!
Txf2 Wie parriert man den Angriff auf seine Dame ? Man opfert zusätzlich zur Figur die man schon weniger hat eine Qualität. Ich hätte stattdessen so etwas wie Df7 gespielt und wahrscheinlich auch ok gestanden. 17. Sxf2 Sf3+ 18. Kd1 Dh4 Decken kann man den Springer nicht, da Sc3 mit dem häßlichen Sd4 beantwortet wird, wonach der Sf2 doch fallen würde. Also ist Beljawskis Zug erzwungen 19. Sd3 Lf5 Jeder Zug von Nunn schaft neue Probleme. Jetzt ist der Springer gefesselt und die Dame an seine Verteidigunggebunden 20. Sec1 der verständliche Versuch die Dame zu entlasten und der Sd3 zusätzliche Deckung zu verschaffen. Gut ist der Zug aber nicht. Allerdings glaube ich nicht das viele Dr. Nunns Fortsetzung gefunden hätten. Sd2 Weiß hat keine guten Züge mehr 21. xg6 xg6 22. Lg2 b3 geht immer noch nicht. Zusätzlich zur oben angegebenen Variante ginge nach 22.Tg1 auch noch Dd4 mit Angriff auf beide Türme Sxc4 Mit der Gabeldrohung Sd3+ 23. Df2 Se3+ 24. Ke2 Dc4 Die einfache Drohung ist 25...Lxf3+ 26. Sxd3 Dc2+ nebst Dxd3 25. Lf3 Tf8 Der Springer läuft einem nicht weg 26. Tg1 Sc2 27. Kd1 Lxd3 18. Ld3 sieht normaler aus taugt aber nichts Sd4 19. Lxd4 Df3+ 20. De2 Dxh1+ 21. De1 Dxe1+ 22. Kxe1 xd4
Dxe4 der letzte weiße Zug hat das Schlagen mit der Dame erzwungen wonach sich die Stellung stark vereinfacht. 19. Dxe4 Lxe4 20. Lg2 und Weiß verbleibt mit einer Qualität mehr
Vabanque - 15. Jul '16
Schon eine eigenartige Partie. Der Plan von Schwarz besteht darin, den Weißen mit allen Mitteln an der Rochade zu hindern. Noch nach dem 10. Zug glaubt man nicht, dass so etwas gelingen könnte. Und doch geht es, allerdings muss Schwarz dafür eine Figur ins Geschäft stecken. Wenn man den Anmerkungen glaubt, hatte Weiß einige Möglichkeiten, das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden. Dass er sie (als Super-GM!) am Brett nicht gesehen und somit nicht genutzt hat, zeigt, wie kompliziert die Stellung war. Ein sehr eigenartiger Zug ist nun auch 20... Sd2. Den hätte ich wirklich nicht gefunden.
Noch schöner wäre die Partie natürlich gewesen, wenn sie auch noch mit einem spektakulären Knalleffekt geendet hätte. Aber man kann ja nicht alles haben :)
Noch schöner wäre die Partie natürlich gewesen, wenn sie auch noch mit einem spektakulären Knalleffekt geendet hätte. Aber man kann ja nicht alles haben :)
Kellerdrache - 15. Jul '16
Txf5 ist ein Opfer talscher Art. Spekulativ mit wenig konkret durchrechenbarem außer eben Angriffschancen. Sd2 sieht tatsächlich irgendwie unverschämt aus und auf Anhieb sieht man auch gar nicht wieso das jetzt so stark sein soll, aber all die naheliegenden Antworten funktionieren nicht.
Der kritische Zug der Partie ist vermutlich Df4. Ich habe mir hier lange überlegt ob ich die von Nunn erwähnten Alternativen als Varianten aufführen soll, habe aber darauf verzichtet, da diese doch sehr umfangreich waren.
Der kritische Zug der Partie ist vermutlich Df4. Ich habe mir hier lange überlegt ob ich die von Nunn erwähnten Alternativen als Varianten aufführen soll, habe aber darauf verzichtet, da diese doch sehr umfangreich waren.
Vabanque - 15. Jul '16
Das ist dann immer die Frage, ob diese Varianten einer nachgespielt hätte.
Ich z.B. habe im Text auch die Varianten der Alternative 14... Df5 (anstatt Lh6) nicht nachgespielt.
Ich z.B. habe im Text auch die Varianten der Alternative 14... Df5 (anstatt Lh6) nicht nachgespielt.
Colorado77 - 15. Jul '16
Tolle Partie, kannte ich nicht.
Ich habe eine Bitte Kellerdrache: Die Kommentare waren echt gut, nur eines fehlt mir: Eine Positionsbewertung (=, +=, =+ als Ausgangspunkt aus der Eröffnung) und die Kennzeichnung der Wendepunkte in der Partie: Wo genau geht das =+ in -/+ über z.B.
Sh5 zieht diesem h3 ja wirklich den Zahn. In der DB findet sich als etwaige Verbesserung (auch da kommt Schwarz sehr gut weg!) statt h3
9.Lg5 a6
10.f4 Sed7
11.Sf3 b5!
12. cxb Da5
13.e5 dxe
14.fxe Sg4
mit grossen Komplikation und Kompensation für Schwarz.
Immerhin hat Weiss den obigen Exodus vermieden, Schwarz steht dafür aktiv a la Benko-Gambit.
Wahrscheinlich war diese frühe Musterpartie ja auch der Grund, warum die meisten heute statt 8.d5 (abriegelnd) das Figurenspiel vorziehen 8.Sge2.
Im Sämisch ist das immer ein Problem, wann d5, wann Sge2 als Weisser.
Eine Frage noch: Steht in den Büchern, wieviel Nunn da berechnet hat oder hat er das Opfer zum Grossteil nach Intuition gespielt?
Ich habe eine Bitte Kellerdrache: Die Kommentare waren echt gut, nur eines fehlt mir: Eine Positionsbewertung (=, +=, =+ als Ausgangspunkt aus der Eröffnung) und die Kennzeichnung der Wendepunkte in der Partie: Wo genau geht das =+ in -/+ über z.B.
Sh5 zieht diesem h3 ja wirklich den Zahn. In der DB findet sich als etwaige Verbesserung (auch da kommt Schwarz sehr gut weg!) statt h3
9.Lg5 a6
10.f4 Sed7
11.Sf3 b5!
12. cxb Da5
13.e5 dxe
14.fxe Sg4
mit grossen Komplikation und Kompensation für Schwarz.
Immerhin hat Weiss den obigen Exodus vermieden, Schwarz steht dafür aktiv a la Benko-Gambit.
Wahrscheinlich war diese frühe Musterpartie ja auch der Grund, warum die meisten heute statt 8.d5 (abriegelnd) das Figurenspiel vorziehen 8.Sge2.
Im Sämisch ist das immer ein Problem, wann d5, wann Sge2 als Weisser.
Eine Frage noch: Steht in den Büchern, wieviel Nunn da berechnet hat oder hat er das Opfer zum Grossteil nach Intuition gespielt?
Vabanque - 15. Jul '16
>>Im Sämisch ist das immer ein Problem, wann d5, wann Sge2 als Weisser.<<
Das Problem kenne ich aus eigener Spielerfahrung, spiele ja auch meist Sämisch als Weißer im Königsinder.
>>nur eines fehlt mir: Eine Positionsbewertung (=, +=, =+ als Ausgangspunkt aus der Eröffnung) und die Kennzeichnung der Wendepunkte in der Partie: Wo genau geht das =+ in -/+ über z.B.<<
Dasselbe kannst du bei mir aber auch bemängeln. Und mit Recht, denn so etwas herauszufinden (wann genau die Partie kippt), gehört zum Schwersten überhaupt, finde ich.
Das Problem kenne ich aus eigener Spielerfahrung, spiele ja auch meist Sämisch als Weißer im Königsinder.
>>nur eines fehlt mir: Eine Positionsbewertung (=, +=, =+ als Ausgangspunkt aus der Eröffnung) und die Kennzeichnung der Wendepunkte in der Partie: Wo genau geht das =+ in -/+ über z.B.<<
Dasselbe kannst du bei mir aber auch bemängeln. Und mit Recht, denn so etwas herauszufinden (wann genau die Partie kippt), gehört zum Schwersten überhaupt, finde ich.
Colorado77 - 16. Jul '16
Sämisch spielte ich auch lange und war immer ein Fan des Abriegelns ;-)
Deswegen war ich auch etwas bestürzt, dass der gute Beljawsky hier so schnell unter die Räder kam: Daraufhin schaute ich mir das mit DB und Komodo an: Das h3 ist damit widerlegt, ansetzen muss man früher, am besten mit Sge2, denn auch die Benko-Variante sieht klasse aus für Schwarz.
Es war ja nicht als "Mangel" gedacht, die Kommentare waren gut, richtig gut. Dass die Wendepunkte oft nicht erfasst werden, ärgert mich oft bei Büchern, also von Leuten, die richtig Kohle verdienen und Titel haben, und dann auf einmal ein -+ erscheint, ohne dass Weiss auch nur ein ? oder ?! gemacht hätte.
Deswegen war ich auch etwas bestürzt, dass der gute Beljawsky hier so schnell unter die Räder kam: Daraufhin schaute ich mir das mit DB und Komodo an: Das h3 ist damit widerlegt, ansetzen muss man früher, am besten mit Sge2, denn auch die Benko-Variante sieht klasse aus für Schwarz.
Es war ja nicht als "Mangel" gedacht, die Kommentare waren gut, richtig gut. Dass die Wendepunkte oft nicht erfasst werden, ärgert mich oft bei Büchern, also von Leuten, die richtig Kohle verdienen und Titel haben, und dann auf einmal ein -+ erscheint, ohne dass Weiss auch nur ein ? oder ?! gemacht hätte.
Kellerdrache - 16. Jul '16
Ob Nunn alles am Brett gefunden hat oder ob es sich um häusliche Vorbereitung handelt weiß ich auch nicht. In Nunns Buch steht dazu nichts.
Ich persönliche hasse diese += Bewertungen weil ich finde, dass sie keine wirkliche Information transportieren. Es ist schwer zu sagen wo die Partie gekippt ist, da sie eigentlich permanent im Ungleichgewicht ist. Meiner Meinung nach stand Schwarz bereits nach Txf5 besser. Allerdings hatte Weiß einige Gelegenheiten das Gleichgewicht in seine Richtung zu kippen. Entgültig entschieden ist es vermutlich nach Sd2. Danach sehe ich keine Züge mehr die den Verlauf der Partie wesentlich ändern könnten.
Ich persönliche hasse diese += Bewertungen weil ich finde, dass sie keine wirkliche Information transportieren. Es ist schwer zu sagen wo die Partie gekippt ist, da sie eigentlich permanent im Ungleichgewicht ist. Meiner Meinung nach stand Schwarz bereits nach Txf5 besser. Allerdings hatte Weiß einige Gelegenheiten das Gleichgewicht in seine Richtung zu kippen. Entgültig entschieden ist es vermutlich nach Sd2. Danach sehe ich keine Züge mehr die den Verlauf der Partie wesentlich ändern könnten.