Kommentierte Spiele

Die Vergessenen (XIII) Flohr

Kellerdrache - 07. Apr '17
Salo Flohr ist der Urahne aller Positionsspieler. Viele seiner Partien enthalten, wenn auch oft nur auf den ersten Blick, nicht einen Hauch von taktischen Drohungen. Man bekommt fast den Eindruck als würde er jeder Verwicklung willentlich und konsequent aus den Weg gehen. Dabei hat Schachfreund Vabanque in zwei Beispielen vor einiger Zeit demonstriert, dass dieser Unwille sich auf Taktik einzulassen nichts mit Unvermögen zu tun hatte.

So wie ich in meinem Beitrag zu Gligoric geschrieben habe man könne Königsindisch vermutlich allein aus seinen Partien lernen, gilt Ähnliches für Flohr und das Damengambit. Euwe, Capablanca, Keres, Bronstein und Botwinnik haben sich alle seinem überlegenen Gefühl für die daraus entstehenden Stellungen beugen müssen.

Die unten folgende Partie gegen Max Euwe ist solch eine typische Flohr Partie. Mit Geduld und ohne unübersichtliche Verwicklungen erzielt Flohr erst eine überlegene und dann gewonnene Stellung ohne das sein Gegner irgendwelches Gegenspiel bekommt.

Zugegeben hat mir die Kommentierung dieser Partie besonders viel Mühe gekostet. Ich hoffe es ist mir gelungen sie verständlich und die zu Grunde liegenden Manöver und Pläne nachvollziehbar zu machen.

Salomon Flohr Max Euwe Amsterdam/Karlsbad m ;HCL 28 | Amsterdam/Karlsbad m ;HCL 28 | 1 | 1932.03.25 | D43 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. d4 d5 2. c4 c6 3. Sf3 Sf6 4. Sc3 e6 Die Herren Flohr und Euwe spielen Halbslawisch oder wie ein alter Schachfreund sagen würde 'Colle mit Schwarz' 5. Lg5 Sbd7 6. xd5 Da Schwarz mit Sbd7 die Fesselung des Sf6 nicht aufgehoben hat muss er jetzt seine erste strategische Entscheidung treffen. Nimmt er mit dem c-Bauern erreicht er zwar eine weitgehend symetrische Bauernstellung doch er würde Probleme haben seinen Damenläufer vernünftig zu entwickeln xd5 7. e3 Jede Seite hat eine halboffene Linie. Weiß hat einen potentiellen Plan mit Öffnung der c-Linie durch den Vormarsch des b-Bauern. Dagegen ist es schwer für Schwarz ein entsprechendes Gegenspiel unter Nutzung der e-Linie zu finden. Le7 8. Ld3 O-O 9. Dc2 Der Druck gegen h7 schränkt die Bewegungsfreiheit beider Springer ein. Die nächsten Züge Euwes dienen dazu seinen Figuren mehr Beweglichkeit zu verschaffen Te8 10. O-O Sf8 Ich habe mic h relativ lange gefragt ob mir dieser Zug jetzt gefallen soll oder nicht. Er ist sicher relativ passiv, allerdings öffnet er nicht nur die Diagonale für den Lc8 sondern befreit auch den Sf6, der nicht mehr an die Deckung von h7 gebunden ist. Außerdem gibt es jetzt die Option mit einem Wegzug des Sf6 den Abtausch des lästigen Laufers g5 anzustreben. Nach Sg4 mit nachfolgendem Abtausch auf e7 kann Schwarz Dame und Turm ins Spiel gegen den weißen König bringen 11. Se5 ein prophylaktischer Zug der auch von Petrosjan hätte kommen können. Folgt Euwe dem oben beschriebenen Plan erscheint jetzt auf g4 am Ende ein Läufer der für den Angriff gegen die weiße Rochadestellung weniger hergibt als ein Springer an gleicher Stelle Sg4 12. Lxe7 Dxe7 13. Sxg4 Lxg4 14. Tfe1 die Öffnung der e-Linie käme Weiß natürlich entgegen Tad8 Euwe verhindert den Vorstoss des e-Bauern indirekt indem er auf den d4 zielt. Außerdem kann der Turm von hieraus über d6 ins Angriffsspiel eingreifen 15. Se2 Td6 16. Sg3 Th6 17. Lf5 selbst in solch einer Positionspartie kommt man nicht ganz ohne Taktik aus. Schwarz darf natürlich nicht auf f5 tauschen, weil der Springer mit Gabel zurücknehmen wurde Dg5
Dh4 bringt nicht besonders viel 18. h3 Lh5
Lxf5 19. Sxf5
18. Lxg4 Dxg4 19. h3 Dd7 20. b4 Die Öffnung des Zentrums wird in nächster Zeit nicht durchzuführen sein, die Angriffsversuche des Holländers am Königsflügel wurden entkräftet, also ist es jetzt Zeit einen sogenannten Minoritätsangriff am Damenflügel zu führen. Se6 Von hier aus kann der Springer nach c7 und sich dort dem Vormarsch des b-Bauern entgegenstellen. 21. Tab1 Sc7 22. a4 a6 Auch dieser Plan scheint gestoppt. Jetzt heißt es einen neuen Weg zu finden die Stellung mit Leben zu injizieren. 23. Sf1 Einer der Punkte die einem dabei helfen können einen Plan zu finden ist es die schlechteste Figur zu finden und sie auf ein besseres Feld zu führen. Der Springer hat auf g3 keine Optionen. Flohr überführt ihn nach f3 von wo er mehrere Möglichkeiten hat Te7 24. Sh2 The6 25. Sf3 f6 Der Zugang e5 wird dem Pferd verwehrt, aber Weiß hat einen Vorteil alleine durch die größere Flexibilität seiner Figuren. Flohr hat hinter seinen Bauern deutlich mehr Raum zum manöverieren. Dem verstopften Zugang zu e5 wird nicht lange nachgeweint. Jetzt wird der Springer auf dem Damenflügel transferiert. 26. Sd2 Te8 Schwarz hat wenige sinnvolle Züge. Von e8 aus kann der Turm wenigstens auf b8 oder c8 überführt werden. 27. Sb3 dieser Springer zielt nach c5 von wo aus er Dame, Turm und Bauern auf b7 angreift T6e7 geht der Gabel vorsorglich aus dem Weg
b6 die einfachste Art c5 zu versperren, aber leider nicht sehr dauerhaft 28. a5 zieht der Bauer b6 durch oder schlägt er auf a5 kommt die Gabel auf c5, wird der Bauer mit z.B. Tb8 gedeckt ist nach axb6 Txb6 das Feld c5 auch frei für den Springer
28. Sc5 Dc8 29. Tec1 Td8 Euwe verteidigt sich umsichtig und stoppt auch den Minoritätsangriff, zumindest vorerst. Aber Flohr setzt den Tanz geduldig fort. Ein weteres Mal wird der Springer umgruppiert 30. Sd3 Db8 solange die Dame auf c8 stand musste man immer mit einer möglichen Öffnung der c-Linie rechnen
Als Beispiel was passieren könnte wenn man die Dame in der c-Linie belässt. Tde8 31. b5 xb5 32. xb5 xb5 33. Txb5 Sxb5 34. Dxc8 Txc8 35. Txc8+
31. Sf4 Auf den ersten Blick sieht der Zug recht sinnlos aus. Doch er übt Druck auf d5 aus, was nach eventueller Abtauschfolge auf b5 und dem damit in Zusammenhang stehenden Wegfall der Deckung durch den c-Bauern unangenehm werden kann. Se6 Schwarz will den Springer tauschen was zwar den erwähnten Druck auf d5 beseitigt, dafür aber b5 erleichtert
Tde8 auch hier ein Beispiel zur Illustration des Zwecks von Sf4 32. b5 xb5 33. xb5 Sxb5 34. Sxd5 Sa3 35. Sxe7+ Txe7 36. Db3+
32. Sxe6 Txe6 33. b5 xb5 34. xb5 xb5 35. Txb5 Flohr hat sein Ziel erreicht. Eine materiell völlig ausgeglichene Stellung. Doch die Bauern auf b7 und d5 sind schwach und erlauben es Weiß das Spiel zu diktieren. b6 36. Db3 Es droht sofort Txd5 und nach 37.Tb1 das Nehmen des b-Bauern. Kann Euwe beide Gefahren neutralisieren ? Dd6 Löst das Problem nicht wirklich. Nach 37.Tb1 wäre nach dem abermaligen Decken von b5 durch Tb8 der Bauer d5 nicht mehr ausreichend gedeckt
Db7 führt zur gleichen Frage wie der Partiezug : Welchen Bauern will man hergeben ? 37. Tb1 Tb8 38. Txd5
37. Tb1 Td7 38. Txb6 Dxb6 39. Dxb6 Txb6 40. Txb6 Kf7 41. Kh2 Es folgt ein kurzes Turmendspiel. Beide Könige werden ins Spiel gebracht. Der weiße Turm bindet im Moment sein Gegenüber, da nach dessen Wegzug Td6 droht Ke7 42. Kg3 Ta7 da der König jetzt Td6 verhindert kann der Turm ziehen. Doch während der weiße Monarch vor Belästigungen durch den dunklen Turm relativ sicher ist, steht sein schwarzes Gegenstück auf dem freien Gelände 43. Kf4 g6 44. g4 Ta2 45. Tb7+ Ke6 46. Kg3 Es ist nicht zu verhindern das weitere schwarze Bauern fallen.
PGN anzeigen
[Event "Amsterdam/Karlsbad m ;HCL 28"]
[Site "Amsterdam/Karlsbad m ;HCL 28"]
[Date "1932.03.25"]
[Round "1"]
[White "Salomon Flohr"]
[Black "Max Euwe"]
[Result "1-0"]
[ECO "D43"]
[PlyCount "91"]
[EventDate "1932.??.??"]

1. d4 d5 2. c4 c6 3. Nf3 Nf6 4. Nc3 e6 {Die Herren Flohr und Euwe spielen
Halbslawisch oder wie ein alter Schachfreund sagen würde 'Colle mit Schwarz'}
5. Bg5 Nbd7 6. cxd5 {Da Schwarz mit Sbd7 die Fesselung des Sf6 nicht
aufgehoben hat muss er jetzt seine erste strategische Entscheidung treffen.
Nimmt er mit dem c-Bauern erreicht er zwar eine weitgehend symetrische
Bauernstellung doch er würde Probleme haben seinen Damenläufer vernünftig zu
entwickeln} exd5 7. e3 {Jede Seite hat eine halboffene Linie. Weiß hat einen
potentiellen Plan mit Öffnung der c-Linie durch den Vormarsch des b-Bauern.
Dagegen ist es schwer für Schwarz ein entsprechendes Gegenspiel unter Nutzung
der e-Linie zu finden.} Be7 8. Bd3 O-O 9. Qc2 {Der Druck gegen h7 schränkt die
Bewegungsfreiheit beider Springer ein. Die nächsten Züge Euwes dienen dazu
seinen Figuren mehr Beweglichkeit zu verschaffen} Re8 10. O-O Nf8 {Ich habe mic
h relativ lange gefragt ob mir dieser Zug jetzt gefallen soll oder nicht. Er
ist sicher relativ passiv, allerdings öffnet er nicht nur die Diagonale für
den Lc8 sondern befreit auch den Sf6, der nicht mehr an die Deckung von h7
gebunden ist. Außerdem gibt es jetzt die Option mit einem Wegzug des Sf6 den
Abtausch des lästigen Laufers g5 anzustreben. Nach Sg4 mit nachfolgendem
Abtausch auf e7 kann Schwarz Dame und Turm ins Spiel gegen den weißen König
bringen} 11. Ne5 {ein prophylaktischer Zug der auch von Petrosjan hätte kommen
können. Folgt Euwe dem oben beschriebenen Plan erscheint jetzt auf g4 am Ende
ein Läufer der für den Angriff gegen die weiße Rochadestellung weniger hergibt
als ein Springer an gleicher Stelle} Ng4 12. Bxe7 Qxe7 13. Nxg4 Bxg4 14. Rfe1 {
die Öffnung der e-Linie käme Weiß natürlich entgegen} Rad8 {Euwe verhindert
den Vorstoss des e-Bauern indirekt indem er auf den d4 zielt. Außerdem kann der
Turm von hieraus über d6 ins Angriffsspiel eingreifen} 15. Ne2 Rd6 16. Ng3 Rh6
17. Bf5 {selbst in solch einer Positionspartie kommt man nicht ganz ohne
Taktik aus. Schwarz darf natürlich nicht auf f5 tauschen, weil der Springer
mit Gabel zurücknehmen wurde} Qg5 (17... Qh4 {bringt nicht besonders viel} 18.
h3 Bh5 (18... Bxf5 19. Nxf5)) 18. Bxg4 Qxg4 19. h3 Qd7 20. b4 {Die Öffnung des
Zentrums wird in nächster Zeit nicht durchzuführen sein, die Angriffsversuche
des Holländers am Königsflügel wurden entkräftet, also ist es jetzt Zeit einen
sogenannten Minoritätsangriff am Damenflügel zu führen.} Ne6 {Von hier aus
kann der Springer nach c7 und sich dort dem Vormarsch des b-Bauern
entgegenstellen.} 21. Rab1 Nc7 22. a4 a6 {Auch dieser Plan scheint gestoppt.
Jetzt heißt es einen neuen Weg zu finden die Stellung mit Leben zu injizieren.}
23. Nf1 {Einer der Punkte die einem dabei helfen können einen Plan zu finden
ist es die schlechteste Figur zu finden und sie auf ein besseres Feld zu
führen. Der Springer hat auf g3 keine Optionen. Flohr überführt ihn nach f3
von wo er mehrere Möglichkeiten hat} Re7 24. Nh2 Rhe6 25. Nf3 f6 {Der Zugang
e5 wird dem Pferd verwehrt, aber Weiß hat einen Vorteil alleine durch die
größere Flexibilität seiner Figuren. Flohr hat hinter seinen Bauern deutlich
mehr Raum zum manöverieren. Dem verstopften Zugang zu e5 wird nicht lange
nachgeweint. Jetzt wird der Springer auf dem Damenflügel transferiert.} 26. Nd2
Re8 {Schwarz hat wenige sinnvolle Züge. Von e8 aus kann der Turm wenigstens
auf b8 oder c8 überführt werden.} 27. Nb3 {dieser Springer zielt nach c5 von
wo aus er Dame, Turm und Bauern auf b7 angreift} R6e7 {
geht der Gabel vorsorglich aus dem Weg} (27... b6 {
die einfachste Art c5 zu versperren, aber leider nicht sehr dauerhaft} 28. a5 {
zieht der Bauer b6 durch oder schlägt er auf a5 kommt die Gabel auf c5, wird
der Bauer mit z.B. Tb8 gedeckt ist nach axb6 Txb6 das Feld c5 auch frei für
den Springer}) 28. Nc5 Qc8 29. Rec1 Rd8 {Euwe verteidigt sich umsichtig und
stoppt auch den Minoritätsangriff, zumindest vorerst. Aber Flohr setzt den
Tanz geduldig fort. Ein weteres Mal wird der Springer umgruppiert} 30. Nd3 Qb8
{solange die Dame auf c8 stand musste man immer mit einer möglichen Öffnung
der c-Linie rechnen} ({
Als Beispiel was passieren könnte wenn man die Dame in der c-Linie belässt.}
30... Rde8 31. b5 axb5 32. axb5 cxb5 33. Rxb5 Nxb5 34. Qxc8 Rxc8 35. Rxc8+) 31.
Nf4 {Auf den ersten Blick sieht der Zug recht sinnlos aus. Doch er übt Druck
auf d5 aus, was nach eventueller Abtauschfolge auf b5 und dem damit in
Zusammenhang stehenden Wegfall der Deckung durch den c-Bauern unangenehm
werden kann.} Ne6 {Schwarz will den Springer tauschen was zwar den erwähnten
Druck auf d5 beseitigt, dafür aber b5 erleichtert} (31... Rde8 {
auch hier ein Beispiel zur Illustration des Zwecks von Sf4} 32. b5 axb5 33.
axb5 Nxb5 34. Nxd5 Na3 35. Nxe7+ Rxe7 36. Qb3+) 32. Nxe6 Rxe6 33. b5 axb5 34.
axb5 cxb5 35. Rxb5 {Flohr hat sein Ziel erreicht. Eine materiell völlig
ausgeglichene Stellung. Doch die Bauern auf b7 und d5 sind schwach und
erlauben es Weiß das Spiel zu diktieren.} b6 36. Qb3 {Es droht sofort Txd5 und
nach 37.Tb1 das Nehmen des b-Bauern. Kann Euwe beide Gefahren neutralisieren ?}
Qd6 {Löst das Problem nicht wirklich. Nach 37.Tb1 wäre nach dem abermaligen
Decken von b5 durch Tb8 der Bauer d5 nicht mehr ausreichend gedeckt} (36... Qb7
{führt zur gleichen Frage wie der Partiezug : Welchen Bauern will man hergeben ?}
37. Rb1 Rb8 38. Rxd5) 37. Rb1 Rd7 38. Rxb6 Qxb6 39. Qxb6 Rxb6 40. Rxb6 Kf7 41.
Kh2 {Es folgt ein kurzes Turmendspiel. Beide Könige werden ins Spiel gebracht.
Der weiße Turm bindet im Moment sein Gegenüber, da nach dessen Wegzug Td6
droht} Ke7 42. Kg3 Ra7 {da der König jetzt Td6 verhindert kann der Turm ziehen.
Doch während der weiße Monarch vor Belästigungen durch den dunklen Turm
relativ sicher ist, steht sein schwarzes Gegenstück auf dem freien Gelände} 43.
Kf4 g6 44. g4 Ra2 45. Rb7+ Ke6 46. Kg3 {
Es ist nicht zu verhindern das weitere schwarze Bauern fallen.} 1-0
Vabanque - 07. Apr '17
Eine erstaunliche Partie, vor allem weil (mir) nicht klar ist, was Euwe hier eigentlich falsch gemacht hat. Er gerät in eine Stellung ohne Gegenspiel (obwohl er sich redlich darum bemüht) und Flohr verschafft ihm scheinbar ohne Mühe zwei Bauernschwächen, die Euwe dann plötzlich nicht mehr beide verteidigen kann. Normalerweise stellt sich ja dann wenigstens nach dem Fall eines Bauern noch etwas Gegenspiel für die schwächere Partei ein, die damit das Turmendspiel häufig halten kann. Aber auch das ist hier nicht der Fall.
Irgendwie gewinnt hier Flohr sang- und klanglos. Euwe scheint vom ersten Zug an nie eine Chance zu haben.
Meine eigene Erfahrung mit dem Minoritätsangriff ist als Schwarzer aber ähnlich, weswegen ich das Damengambit mit Schwarz schon lange aus dem Repertoire verbannt habe. In der Abtauschvariante (mit cxd5) ist Schwarz dem Minoritätsangriff eigentlich hilfllos ausgeliefert. Ich jedenfalls habe hier auch nie ein Mittel dagegen gefunden.
Als Weißer spiele ich im Damengambit aber trotzdem nicht diese Variante, weil ich es mit Weiß komischerweise nicht schaffe, aus dem Minoritätsangriff etwas zu machen. Vielleicht weil mir die Geduld zum Manövrieren fehlt. Ich spiele lieber am Königsflügel.
Große Erfolge mit dem Minoritätsangriff hatte später - wenn mich meine Erinnerung nicht trügt - auch Karpov. Aber eigentlich erstaunlich, dass sich seine Gegner immer wieder darauf eingelassen haben, statt eine andere (z.B. indische) Verteidigung zu wählen.
Vabanque - 07. Apr '17
P.S. Ich finde, die Kommentare sind dir sehr gut und anschaulich gelungen!
Vabanque - 09. Apr '17
Da alle anderen schweigen, nehme ich mal an, sie stimmen mir alle zu :)
Kellerdrache - 09. Apr '17
Das Damengambit ist ja, wie an diesem Ort mal ein Schachfreund schrieb (hab leider vergessen wer es war), keine Eröffnung sondern eine Eröffnungs-Großfamilie. Ich habe da auch schon Varianten gesehen wo Schwarz deutlich aktiver und aggressiver dagegen hält. Sonst hätten Spieler wie Kasparov sich damit wohl nie beschäftigt.
Colorado77 - 09. Apr '17
"Als Weißer spiele ich im Damengambit aber trotzdem nicht diese Variante, weil ich es mit Weiß komischerweise nicht schaffe, aus dem Minoritätsangriff etwas zu machen. Vielleicht weil mir die Geduld zum Manövrieren fehlt. "

Bravo, ging mir auch so ;-)

@ Kellerdrache: Tolle Kommentare, es war eine schöne Partie zum Nachspielen!
Eine Frage: Wie macht Weiss denn im Gewinn-Sinne weiter, wenn Schwarz seinen Turm auf der 7.Reihe belässt, also 44....Tc7 spielt?
Vabanque - 09. Apr '17
Ja, es gibt Varianten mit aktivem Gegenspiel: Meraner System, Cambridge-Springs-Verteidigung, Ragosin-Verteidigung, Manhattan-Verteidigung, Tarrasch-Verteidigung ... aber durch frühzeitigen Tausch auf d5, so wie hier, kann Weiß dies alles ausschalten. Man nimmt dann wohl doch am besten mit dem c-Bauern wieder, obwohl es auch in dieser Slawischen Abtauschvariante, die als remislich gilt, spektakuläre Siege mancher genialer GM gibt ...
Vabanque - 09. Apr '17
@Ralf: Meinst du wirklich, Schwarz hätte so spät noch eine Remischance verpasst? Das wäre ja fatal, Euwe müsste sich da glatt noch im Grab ärgern ...
Colorado77 - 09. Apr '17
Keine Ahnung, ob es noch gereicht hätte. Weiss kann nach 44...Tc7 ja 2 Pläne machen: f3 und e4 und zentralen Freibauern bilden oder g5 spielen und den Zugang zu xe5 freikämpfen, dann dürfte der aktivere wK entscheiden und den Bd5 erobern.
Schwarz konnte vorher vlt. besser spielen und den g-Bauern auf g7 lassen um obigen Plan 2 zu verhindern.
Diese scheinbar aktive Ta2, das bringt jedenfalls nix ein.
Vabanque - 09. Apr '17
Deine Pläne sehen für mich beide überzeugend aus!
Kellerdrache - 10. Apr '17
@ Colorado: Ich muß zugeben, dass ich mich zwar auch gefragt habe ob es denn nicht besser gewesen wäre den Turm auf der 7. Reihe zu lassen. Mit konkreten Varianten hab ich mir dann allerdings keine Mühe gemacht. Mir schien aber das Schwarz bei passiver Spielweise relativ schnell die sinnvollen Züge ausgehen, während Weiß mehrere mögliche Gewinnpläne hat.

Nach der überraschend positiven Reaktion auf meine Idee mit den Amateuer und Profi-Partien zum gleichen Thema werde ich nun doch in den nächsten Tagen eine Amateurpartie posten in der einige der Motive auftauchen, die wir gerade in dieser Partie gesehen haben - allerdings deutlich weniger konsequent und ohne das traumhafte Positionsgefühl. Also zum Lerneffekt bitte beide nacheinander nachspielen ;-))
Vabanque - 10. Apr '17
>>allerdings deutlich weniger konsequent und ohne das traumhafte Positionsgefühl.<<

Tja, hätte der Amateur das, dann würde er ja Bundesliga statt Bezirksliga spielen :))
dali - 12. Mai '17
So einfach ist Schach?! Eine interessante Partie und sehr gut kommentiert!
Ich denke, dass 44....Tc7 nicht reicht. Wahrscheinlich würde sofort 45.g5 folgen, S. muss schlagen...46. Ke5 und leicht gewonnen.