Kommentierte Spiele
Glanzpartien unbekannter Spieler (XXIII)
Vabanque - 02. Dez '14
Hier sehen wir noch einmal den polnisch-jüdischen Spieler David Przepiorka (1880-1940) in Aktion, dem bereits die Folge XXI dieser Reihe gewidmet gewesen war. Diesmal unterliegt ihm der gebürtige Ungar Lajos Steiner, der später nach Australien emigrierte und es dort immerhin bis zum IM brachte. Beide Kontrahenten maßen sich in ihrer besten Zeit mit Vertretern der Weltspitze und sind heute zu Unrecht vergessen, wie ich meine. Die vorliegende Partie habe ich vor allem wegen des opferreichen Schlusses ausgewählt, wo Weiß alle Figuren außer der Dame opfert, mit der er dann, gestützt auf ein mageres Bäuerlein, mattsetzt.































PGN anzeigen
David Przepiorka Lajos Steiner Debrecen | Debrecen HUN | 8 | 1925 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. Sf3 g6 2. g3 Lg7 3. Lg2 e5 Eigentlich widerspricht diese sofortige Besetzung des Zentrums der Idee des Königsfianchettos. 4. e4 Weiß könnte auch durchaus den Vormarsch des schwarzen e-Bauern nach e4 zulassen, ähnlich einer Aljechin- Verteidigung mit vertauschten Farben. Se7 5. O-O O-O 6. d4 xd4 7. Sxd4 Sbc6 8. Sxc6 xc6 Schwarz nimmt den Doppelbauern in Kauf, weil er darauf hofft, mit seinem Turm auf der halboffenen b-Linie gegen b2 Druck ausüben zu können. 9. Sc3 Tb8 Schon kann der weiße Damenläufer nicht heraus. 10. Dd3 Verhindert La6 und plant ein Spiel gegen den vereinzelten schwarzen a-Bauern. c5 Schwarz möchte mit seinem Springer über c6 nach d4. Weiß richtet sich auf das schwarze Manöver ein. 11. Tb1 Sc6 12. Sd5 Ohne das vorbereitende Tb1 würde nun nämlich der Bauer b2 hängen. d6 13. Da3 Le6 14. Da6 Nun darf Schwarz den angegriffenen Sc6 nicht mit Dd7?? decken, weil ihn Weiß dann mit Dxc6!, gestützt auf die Gabel Se7+, trotzdem nehmen kann. Schwarz erkennt aber richtigerweise, dass er seinen Bauern a7 hängen lassen kann. Sd4 In der Folge erweist es sich aber, dass dieses Springerfeld ungünstig ist. Sb4, mit der gleichen Idee, wäre besser gewesen. 15. c3! Weiß kann nicht auf a7 zugreifen, da seine Dame nach 15. Dxa7? Lxd5 16. exd5 Ta8 17. Db7 Dd7 keinen Ausweg mehr hätte; Schwarz würde sie mit Tfb8 'abholen'. Sb5 Nun kann Weiß den schwarzen Springer nicht mit a2-a4 fangen, weil dieser dann wegen der Fesselung auf der b-Linie einfach auf c3 schlagen könnte. 16. Ld2! Aber nun droht tatsächlich sehr unangenehm a2-a4, und Schwarz ist zu 'Klimmzügen' gezwungen, um seinen Springer zu retten. Lxd5 17. xd5 Tb6 18. Da4 a6 Damit hat Schwarz seinem Springer das rettende Feld a7 gesichert, wo er aber auf ein Abstellgleis gerät. 19. Tfe1 Sa7 20. h4 Eine Pointe dieses Zuges wird sich 4 Züge später zeigen. Db8 21. Dc2 Te8 22. Txe8+ Dxe8 23. Te1 Dd7 24. Lh3! Sehr hübsch. Der Läufer kann wegen (Dxh3??) 25. Te8+ Lf8 26. Lh6 nicht genommen werden. Ermöglicht wurde dieses Manöver durch den 20. Zug von Weiß, denn wenn der Bauer nicht auf h4 stünde, würde die schwarze Dame auf h3 das Feld h6 kontrollieren, so dass Weiß am Ende nicht Lh6 spielen könnte. f5 25. Lg5 Jetzt droht Te7. Db5? Dieser vermeintliche Gegenangriff führt zu einem ebenso schleunigen wie glänzenden Schluss. Aber natürlich stand Schwarz auch bei Sc8 (um Te7 zu verhindern) sehr schlecht. 26. Lxf5! Weiß reißt dem schwarzen König jetzt die Kleidung in Fetzen vom Leib. Nimmt Schwarz nicht auf f5, sondern spielt 26... Dxb2, so geschieht 27. De4! (droht De8+ nebst Lh6) Tb8 28. De6+ Kh8 (auch Kf8 29. Le7+ führt zum Matt) 29. De8+! Txe8 30. Txe8+ Lf8 31. Lf6+ Kg8 32. Le6#. xf5 27. Dxf5 Nun droht Weiß Te7 nebst Df7+, und dagegen gibt es keine Verteidigung mehr, da die schwarzen Figuren auf unwirksamen Plätzen stehen. Versucht Schwarz 27... Lf8, so gibt es auch ein schnelles Matt mittels 27. De6+ Kh8 (Kg7 28. Lh6+ Kh8 29. Df6+ nebst Dxf8#) 28. Lf6+ Lg7 29. De8+ Dxe8 30. Txe8#. Tb8 28. Te7 Tf8 Das war die schwarze Idee, um wenigstens gegen Df7+ geschützt zu sein. Aber nun folgt ein hübscher Abschluss. 29. Txg7+! Kxg7 30. Lh6+ Kxh6 Sonst Dxf8# 31. Dg5# Die schwarzen Figuren konnten ihrem Chef nicht helfen; insbesondere der Sa7 (den Schwarz so mühsam vor dem Tod bewahrt hat) döst noch immer an der gegenüber liegenden Wand vor sich hin. Eine ebenso ästhetische wie lehrreiche Partie.
Kellerdrache - 03. Dez '14
Wirklich erstaunlich, dass ein Spieler der solch hübsche Partien gespielt hat heute keinem mehr bekannt ist. Naja wir kennen ihn ja dank dir und können gedanklich unseren Hut ziehen.
Ein schönes Beispiel dafür wie Passivität alleine auch bei einer solide aussehenden Stellung zu Problemen führen kann. Den Plan mit h4, Lh3 usw. muß man erstmal finden.
Wie immer auch vielen Dank für die einleuchtende Kommentierung !!
Ein schönes Beispiel dafür wie Passivität alleine auch bei einer solide aussehenden Stellung zu Problemen führen kann. Den Plan mit h4, Lh3 usw. muß man erstmal finden.
Wie immer auch vielen Dank für die einleuchtende Kommentierung !!