Kommentierte Spiele

Dogs vs. Cats oder: Schematisches Denken

Vabanque - 23. Jun '16
Dieses Beispiel könnte aus der Serie 'Bemerkenswerte Endspiele' sein, ich habe es jedoch nicht in diese eingereiht, damit niemand denkt, die Kommentare würden auch von mir stammen.
Sie sind diesmal vielmehr von SF Colorado77 geschrieben worden, und ich denke, man merkt es auch sofort am Kommentierstil, dass sie gar nicht von mir sein können. Weniger flapsig, weniger im Dunkeln tappend, viel mehr wissenschaftlich als mein Geschreibse ist das, was euch diesmal erwartet. Vielleicht auch weniger unterhaltsam als bei mir oder Kellerdrache, dafür aber umso lehrreicher, wenn ihr bereit seid, euch auf die Partie und die - wie ich finde - sehr schön ausführlich und zugleich verständlich gehaltenen - Kommentare einzulassen. Und für die Ungeduldigen: Man muss ja auch nicht alles lesen und nicht jede Variante nachspielen (obwohl es gar nicht so viele sind), und hat trotzdem was von der Partie!

Aber jetzt schweige ich, nun soll nur noch Colorado77 das Wort haben:

Ulf Andersson Sergey Ivanov Swedish Team Championship 2000 | Sweden | 2016.06.19 | E02 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
Die folgende Partie umfasst 2 sehr verschiedene Protagonisten. Auf der einen Seite einen Taktiker (Ivanov), der gerne in die Untiefen des Botvinniksystems des Semi-Meraners abtaucht. Auf der anderen Seite den wohl besten Endspielkenner der jüngeren Vergangenheit, einen absoluten Vielspieler, der zugleich auch ein etwas "schrobiges" Auftreten hat (man denke an Hübner). Gerade diese unterschiedlichen Spielstile (Ivanov "ideell") vs Andersson ("pragmatisch") lassen eine interessante Partie vermuten. Der Titel sagt es schon: Es geht um schematisches Denken. Viele (nicht alle) GM unterscheidet von Amateuren neben "etwas" besseren Kenntnissen in Taktik und Positionsspiel vor allem eines: Mustererkennung. Sie wissen, bei welcher Bauernstruktur welche Pläne nötig sind. Weitergehend gibt es dann die Verfeinerung, dass man ohne langes Überlegen (=Rechnen) sieht, WO WELCHE Figuren hingehören (= Schematisches Denken). Dies wird in der Partie xd3 sein für den Springer, xe2 für den König. In Phase 2 dann werden die Schwächen in der Bauernformation ausgelotet und angegangen (b5 und h7). In der entscheidenden Phase ist Ivanov, weil ermüdet wohl (vom Rechnen), nicht mehr in der Lage dem pragmatischen Spieler Andersson Paroli zu bieten. Das Gefecht Springer (dogs) vs. Läufer (cats) ist interessant, da es das taktische Element hervorhebt. Die Partie ist kein Paradebeispiel für guten Springer vs. schlechten Läufer. Legende: x = Feld; ! = starker Zug, ? = Fehler, !? = interessanter Zug, ?! = zweifelhafter Zug, ?? = grober Fehler, !! = sehr starker Zug; += kleiner Vorteil Weiss; +/- großer Vorteil Weiss; +- gewonnene Stellung für Weiss; wk weisser König, sK schwarzer König, S Springer, L Läufer, KF Königsflügel, DF Damenflügel. Bei den Kommentaren stütze ich mich z.T. auf das Buch Excelling at Technical Chess von Jacob Aagaard (Everymanchess 2004), abgekürzt später mit J.A. 1. Sf3 d5 2. d4 Sf6 3. c4 e6 4. g3 xc4 5. Da4+ Sbd7 6. Lg2 a6 7. Sc3 Tb8 8. Dxc4 b5 9. Dd3 Lb7 10. O-O c5 11. xc5 Lxc5 12. Lf4 Tc8 13. Tad1 O-O 14. Se5 Weiss sieht keinen effektiven Plan, die Formation a6/b5 anzugehen. Getreu seinem Spiel wickelt er direkt von der Eröffnung ins Endspiel ab. Lxg2 15. Kxg2 Sxe5 16. Lxe5 Dxd3 17. Txd3 = Schwarz hat die Eröffnung solide gespielt, alle seine Figuren logisch entwickelt und am DF Raum gewonnen. Ein kritischer Eöffnungsbeobachter könnte sagen, Weiss hat nichts aus der Eröffnung herausgeholt. Aber das ist auch der Stil von Andersson... Tfd8 18. Txd8+ Txd8 19. Lxf6! Dieser Zug bekommt deswegen ein Ausrufezeichen, nicht weil er besonders stark ist oder schwer zu finden, sondern weil er einfache eine Imbalance (ein Ungleichgewicht) schafft, das Weiss erlaubt auf Sieg zu spielen. Die Bauernstruktur wird verschlechtert und ein schneller Blick auf die schwarzen schwachen Bauern h7 und a6 zeigt an, worauf Andersson abzielt. xf6 20. Tc1 Warum die c-Linie wichtiger ist als die d-Linie sehen wir später. Le7 21. Sb1! Ein Meisterzug, der Springer soll nach d3 überführt werden, wo er auf die Felder xb4 und xc5 schielt sowie ebenfalls Chancen auf xf6 hat . Der weitere Plan besteht darin: Ke2, um die Einbruchsfelder entlang der d-Linie zu neutralisieren. Kurzum: Die c-Linie ist wichtiger als die d-Linie. f5 Dieser Zug wird von Aagaard kritisiert: Scheinbar aktiv, da dem Le7 per Lf6 ein aktiver Läufer gut zu Gesicht steht. In Wirklichkeit schiesst er aber ins Leere. Als besser wird angegeben:
Kf8 22. e3 Ke8 23. Kf3 Kd7 24. Td1+ Kc6 25. Txd8 Lxd8 26. Kg4 Le7 27. Kh5 Lf8 Der Turmtausch hat Weiss nicht weitergebracht. Das Prinzip der 2 Schwächen greift hier nicht, denn der Ba6 ist nicht angreifbar. Zudem kann der Kh5 niemals den Bh7 erobern.
22. e3 Lf6?! Dieser Zug wurde ja schon getadelt, warum gehe ich nochmal darauf ein? Weiss hat einen Vorteil, einen sehr subtilen, er kann sich Zeit lassen in diesem Endspiel und verschiedene Wege "proben", der Schwarze hat das Problem, sich anzupassen und das beste Feld für den Le7 zu finden. So lange das nicht klar ist, sollte er tun, was im Endspiel immer richtig ist: Königsaktivierung, also 22.... Kf8. 23. b3 Kf8 24. Kf3 Ke7 25. h3 Td5 26. Ke2 Kd7 27. Sd2 Le7 28. Sf3 Lf6 29. Se1 Td6 30. g4 xg4 31. xg4 Tc6 Richtigerweise erkennt Schwarz, dass Turmtausch ihm bei den defensiven Aufgaben helfen wird. Der schwarze Turm hat keine eigenen aktiven Chancen, Weiss hingegen hat immer Th1 auf dem Plan . 32. Txc6 Kxc6 33. Sd3 Objektiv ist die Stellung wohl immer noch ausgeglichen, die Engine sieht es als "stumpfes 0.00". Schwarz verbleibt aber eine unscheinbar schwere Aufgabe, mit der verbleibenden Schwäche h7. Ist der Sd3 nun objektiv stärker als der Lf6? Nein. Generell kennt man 3 Grundprinzipien, wo das der Fall ist: - Bauern alle auf einem Flügel. - Geschlossene Strukturen, bei denen der Läufer nicht zur Geltung kommt. - Stellungen, in denen die eigenen Bauern den Läufer (auf der selben Farbe) behindern. Davon liegt hier nichts vor, jedoch entfaltet der Springer ein gewisses "taktisches Potenzial", wohingegen die Läuferzüge immer leicht zu sehen sind. a5 34. e4 a4 35. Ke3 xb3 36. xb3 Kd6 37. Kf4 erneuert die Drohung e5, wichtig ist, dass Weiss nicht f4 hier spielt, um dies zu erreichen, denn dann wäre der König erst mal der Weg zum KF versperrt... Ld8 38. g5 Ke7 39. Kg4 Kf8 40. f3 f6!? Nun hat Schwarz bereits 3 Bauern auf weissen Feldern, die der eigene Läufer nicht decken kann. Dies ist also eine riskante Entscheidung - auf diese Logik muss man eben auch erst einmal kommen!
Kg7 dies ist der andere Versuch den schwarzen König fernzuhalten. 41. Kh5 Le7 42. f4 Ld6 43. f5 xf5 44. xf5 f6 45. g6 += J.A. sieht es sogar als klaren Vorteil und argumentiert, dass wenn ein weisser Springer nach xe6 käme, es sofort aus wäre. Zieht zudem der Bauer nach b4, hat Weiss zwar einen langen Königsmarsch vor sich, aber das Feld xc4 wird ihm sein (Eindringen!).
41. Kh5! Dieser Zug deutet die Meisterklasse an. Weiss gibt den Bauern g5 ab, im Gegenzug erobert er den Bh7 und dringt von hinten in die schwarze Stelung ein.
41. xf6 Lxf6 42. Kh5 Ld4 43. Kh6 Kg8 Der L deckt alle Einbruchsfelder und Weiss kommt nicht weiter.
xg5
Kg7? 42. Sf4 Kf7 43. xf6 Kxf6 44. Kh6 +/-
42. Kh6 Kg8 43. Sc5 Kf7
e5? 44. Se6 Le7 45. Sc7 b4 46. Sd5 zeigt wunderschön auf, wie der S dem L überlegen sein kann, wenn er sog. "Outposts" hat, wie auf d5 - Schlüsselfelder, die kein gegnerischer Bauer mehr bewachen kann. In der englischen Literatur wird ein Gaul auf der gegnerischen 6.Reihe gerne auch als "Oktopus" bezeichnet.
44. Kxh7 Lb6 45. Sd3 Die Stellung ist gem. Silicon Brain imn immer noch absolut ausgeglichen, jedoch dürfte Schwarz hier schon langsam sehr müde gewesen sein, die Energiereserven unten, dabei geht es jetzt erst richtig los! Rein optisch würden die meisten die weisse Stellung deutlich vorziehen: Da die weissen Bauern unangreifbar sind für den schwarzen Läufer, der Springer eine "Barriere" bilden kann: xb4, xc5 und xe5, sowie da der wK aktiver als der sK ist. Kf6? Da ist er nun, der "1. wirkliche Fehler". Es gab keinen Grund, den König die Route von hinten nehmen zu lassen. Wohl ermüdet oder keine Gefahr sehend hätte Ivanov besser zu folgendem gegriffen:
Ld4 46. Sb4 Le3 47. Sc6 Ld2 48. Se5+ Kf6 49. Sg4+ Kf7 Der König kann nicht eindringen.
46. Kg8 Der sK macht sich auf den langen Weg, den Bb5 abzuholen... Lg1? Und da ist der 2.Fehler. J.A. ist sehr kritisch, er tadelt den Zug, weil es nun wirklich offensichtlich war, dass Weiss die lange Königswanderung machen will. Um das zu verhindern, muss Schwarz e5 spielen, um mit seinem König einen "Bodycheck" zu geben. Dafür muss aber der Be5 gedeckt sein, also ist richtig Ld4.
Ld4 47. Kf8 e5 48. Ke8 Ke6 49. Sb4 Lc3 50. Sd5! Wieder zeigt sich die Überlegenheit des S vs. den L: Der Sd5 schneidet xf6 ab, damit fällt nun der Bg5. Lb2 51. Kf8
51. Sc7+? Kd6 52. Sxb5+ Kc6 und der Springer ist gefangen. Remis nach Sa7+, Kb7-Sb5, Kc6.
Kd6 52. Kf7 Auch der Versuch, den König draussen zu halten vom DF, um dann erst den Bg5 zu erobern, gewinnt nicht, Schwarz muss aber peinlich genau spielen.
52. b4 Ke6 53. Kg7 La3 54. Kg6 Lc1 55. Sc7+ Kd7 56. Sxb5 Lb2 57. Kxg5 Kc6 58. Sa7+ Kb7 59. f4 xf4 60. Kxf4 Kxa7
Kc5 53. Kf6 Kd4 54. Kxg5 Kd3 55. Kf5 Kc2 56. b4 Kb3 57. Ke6 Ld4 nach La3??, Kxe5-Lxb4, Sxb4 ist es sofort gewonnen für Weiss. 58. Kd6 Kc4 59. Kc6 Trotz Mehrbauer ist diese Stellung nicht zu gewinnen. Lb2 60. Kb6 Ld4+ 61. Ka5 Lf2 62. Sc7 Le1 63. Sxb5 Lxb4+ 64. Kb6 Kd3 65. Kc6 Ke3 =
47. Kf8 e5 48. Ke8 Ke6 49. Kd8 Kd6 50. Kc8 Le3? Unverständlich, warum Ivanov nicht sofort Ld4 spielt, was immer noch gehalten hätte. 51. Kb7 Ld4?? Nun ist es sofort verloren. Schwarz war wohl "einfach croggy" und müde. Nun geht der Bb5 verloren, der sK ist zu passiv und die Partie findet ein schnelles Ende!
Lg1 52. Ka6 Kc6 53. Sxe5+ Kc5 54. Sf7 Le3 gibt noch gute Rettungschancen, da der weisse König nun abgeschnitten ist, und der schwarze König jederzeit im Quadrat des Be4 ist.
52. b4 +- Kd7 53. Sc5+ Kd6 54. Kb6 Lc3 55. Kxb5 Ld2 56. Sb7+ Kc7 57. Sa5 Le3 58. Ka6 Der weisse Bauer marschiert nun die b-Linie entlang. Aufgabe und 1:0! Ich hoffe, Euch hat diese Partie gefallen und ihr hattet Spass beim Nachspielen sowie einen gewissen Lerneffekt. Wer Spass an Endspielen hat dem empfehle ich das o.g. Buch, das wirklich exzellent ist und 7 Techniken behandelt: 1. Schematisches Denken 2. Schwächen 3. Dominierung 4. Übereile nichts und Prophylaxe 5. Freibauern 6. Bauern und wo platziere ich sie 7. Besondere Aspekte wie Zugzwang, Patt etc.
PGN anzeigen[Event "Swedish Team Championship 2000"]
[Site "Sweden"]
[Date "2016.06.19"]
[Round "?"]
[White "Ulf Andersson"]
[Black "Sergey Ivanov"]
[Result "1-0"]
[BlackElo "2550"]
[ECO "E02"]
[Time "20:11:20"]
[WhiteElo "2600"]
[TimeControl "300"]
[Termination "normal"]
[PlyCount "115"]
[WhiteType "human"]
[BlackType "human"]

{Die folgende Partie umfasst 2 sehr verschiedene Protagonisten. Auf

der
einen Seite einen Taktiker (Ivanov), der gerne in die Untiefen des
Botvinniksystems des Semi-Meraners abtaucht. Auf der anderen Seite den

wohl
besten Endspielkenner der jüngeren Vergangenheit, einen absoluten
Vielspieler, der zugleich auch ein etwas "schrobiges" Auftreten hat

(man
denke an Hübner). Gerade diese unterschiedlichen Spielstile (Ivanov
"ideell") vs Andersson ("pragmatisch") lassen eine interessante Partie
vermuten. Der Titel sagt es schon: Es geht um schematisches Denken.

Viele
(nicht alle) GM unterscheidet von Amateuren neben "etwas" besseren
Kenntnissen in Taktik und Positionsspiel vor allem eines:

Mustererkennung.
Sie wissen, bei welcher Bauernstruktur welche Pläne nötig sind.
Weitergehend gibt es dann die Verfeinerung, dass man ohne langes

Überlegen
(=Rechnen) sieht, WO WELCHE Figuren hingehören (= Schematisches

Denken).
Dies wird in der Partie xd3 sein für den Springer, xe2 für den König.

In
Phase 2 dann werden die Schwächen in der Bauernformation ausgelotet

und
angegangen (b5 und h7). In der entscheidenden Phase ist Ivanov, weil
ermüdet wohl (vom Rechnen), nicht mehr in der Lage dem pragmatischen
Spieler Andersson Paroli zu bieten. Das Gefecht Springer (dogs) vs.

Läufer
(cats) ist interessant, da es das taktische Element hervorhebt. Die

Partie
ist kein Paradebeispiel für guten Springer vs. schlechten Läufer.

Legende:
x = Feld; ! = starker Zug, ? = Fehler, !? = interessanter Zug, ?! =
zweifelhafter Zug, ?? = grober Fehler, !! = sehr starker Zug; +=

kleiner
Vorteil Weiss; +/- großer Vorteil Weiss; +- gewonnene Stellung für

Weiss;
wk weisser König, sK schwarzer König, S Springer, L Läufer, KF
Königsflügel, DF Damenflügel. Bei den Kommentaren stütze ich mich z.T.

auf
das Buch Excelling at Technical Chess von Jacob Aagaard (Everymanchess
2004), abgekürzt später mit J.A.} 1. Nf3 d5 2. d4 Nf6 3. c4 e6 4. g3

dxc4
5. Qa4+ Nbd7 6. Bg2 a6 7. Nc3 Rb8 8. Qxc4 b5 9. Qd3 Bb7 10. O-O c5 11.

dxc5
Bxc5 12. Bf4 Rc8 13. Rad1 O-O 14. Ne5 {Weiss sieht keinen effektiven

Plan,
die Formation a6/b5 anzugehen. Getreu seinem Spiel wickelt er direkt

von
der Eröffnung ins Endspiel ab.} Bxg2 15. Kxg2 Nxe5 16. Bxe5 Qxd3 17.

Rxd3
{= Schwarz hat die Eröffnung solide gespielt, alle seine Figuren

logisch
entwickelt und am DF Raum gewonnen. Ein kritischer Eöffnungsbeobachter
könnte sagen, Weiss hat nichts aus der Eröffnung herausgeholt. Aber

das ist
auch der Stil von Andersson...} Rfd8 18. Rxd8+ Rxd8 19. Bxf6! {Dieser

Zug
bekommt deswegen ein Ausrufezeichen, nicht weil er besonders stark ist

oder
schwer zu finden, sondern weil er einfache eine Imbalance (ein
Ungleichgewicht) schafft, das Weiss erlaubt auf Sieg zu spielen. Die
Bauernstruktur wird verschlechtert und ein schneller Blick auf die
schwarzen schwachen Bauern h7 und a6 zeigt an, worauf Andersson

abzielt.}
gxf6 20. Rc1 {Warum die c-Linie wichtiger ist als die d-Linie sehen

wir
später.} Be7 21. Nb1! {Ein Meisterzug, der Springer soll nach d3

überführt
werden, wo er auf die Felder xb4 und xc5 schielt sowie ebenfalls

Chancen
auf xf6 hat . Der weitere Plan besteht darin: Ke2, um die

Einbruchsfelder
entlang der d-Linie zu neutralisieren. Kurzum: Die c-Linie ist

wichtiger
als die d-Linie.} f5 {Dieser Zug wird von Aagaard kritisiert:

Scheinbar
aktiv, da dem Le7 per Lf6 ein aktiver Läufer gut zu Gesicht steht. In
Wirklichkeit schiesst er aber ins Leere. Als besser wird angegeben:}

(21.
.. Kf8 22. e3 Ke8 23. Kf3 Kd7 24. Rd1+ Kc6 25. Rxd8 Bxd8 26. Kg4 Be7

27.
Kh5 Bf8 {Der Turmtausch hat Weiss nicht weitergebracht. Das Prinzip

der 2
Schwächen greift hier nicht, denn der Ba6 ist nicht angreifbar. Zudem

kann
der Kh5 niemals den Bh7 erobern.}) 22. e3 Bf6?! {Dieser Zug wurde ja

schon
getadelt, warum gehe ich nochmal darauf ein? Weiss hat einen Vorteil,

einen
sehr subtilen, er kann sich Zeit lassen in diesem Endspiel und

verschiedene
Wege "proben", der Schwarze hat das Problem, sich anzupassen und das

beste
Feld für den Le7 zu finden. So lange das nicht klar ist, sollte er

tun, was
im Endspiel immer richtig ist: Königsaktivierung, also 22.... Kf8.}

23. b3
Kf8 24. Kf3 Ke7 25. h3 Rd5 26. Ke2 Kd7 27. Nd2 Be7 28. Nf3 Bf6 29. Ne1

Rd6
30. g4 fxg4 31. hxg4 Rc6 {Richtigerweise erkennt Schwarz, dass

Turmtausch
ihm bei den defensiven Aufgaben helfen wird. Der schwarze Turm hat

keine
eigenen aktiven Chancen, Weiss hingegen hat immer Th1 auf dem Plan .}

32.
Rxc6 Kxc6 33. Nd3 {Objektiv ist die Stellung wohl immer noch

ausgeglichen,
die Engine sieht es als "stumpfes 0.00". Schwarz verbleibt aber eine
unscheinbar schwere Aufgabe, mit der verbleibenden Schwäche h7. Ist

der Sd3
nun objektiv stärker als der Lf6? Nein. Generell kennt man 3
Grundprinzipien, wo das der Fall ist: - Bauern alle auf einem Flügel.

-
Geschlossene Strukturen, bei denen der Läufer nicht zur Geltung kommt.

-
Stellungen, in denen die eigenen Bauern den Läufer (auf der selben

Farbe)
behindern. Davon liegt hier nichts vor, jedoch entfaltet der Springer

ein
gewisses "taktisches Potenzial", wohingegen die Läuferzüge immer

leicht zu
sehen sind.} a5 34. e4 a4 35. Ke3 axb3 36. axb3 Kd6 37. Kf4 {erneuert

die
Drohung e5, wichtig ist, dass Weiss nicht f4 hier spielt, um dies zu
erreichen, denn dann wäre der König erst mal der Weg zum KF

versperrt...}
Bd8 38. g5 Ke7 39. Kg4 Kf8 40. f3 f6!? {Nun hat Schwarz bereits 3

Bauern auf
weissen Feldern, die der eigene Läufer nicht decken kann. Dies ist

also
eine riskante Entscheidung - auf diese Logik muss man eben auch erst

einmal
kommen!} (40. .. Kg7 {dies ist der andere Versuch den schwarzen König
fernzuhalten.} 41. Kh5 Be7 42. f4 Bd6 43. f5 exf5 44. exf5 f6 45. g6

{+=
J.A. sieht es sogar als klaren Vorteil und argumentiert, dass wenn ein
weisser Springer nach xe6 käme, es sofort aus wäre. Zieht zudem der

Bauer
nach b4, hat Weiss zwar einen langen Königsmarsch vor sich, aber das

Feld
xc4 wird ihm sein (Eindringen!).}) 41. Kh5! {Dieser Zug deutet die
Meisterklasse an. Weiss gibt den Bauern g5 ab, im Gegenzug erobert er

den
Bh7 und dringt von hinten in die schwarze Stelung ein.} (41. gxf6 Bxf6

42.
Kh5 Bd4 43. Kh6 Kg8 {Der L deckt alle Einbruchsfelder und Weiss kommt

nicht
weiter.}) 41. .. fxg5 (41. .. Kg7? 42. Nf4 Kf7 43. gxf6 Kxf6 44. Kh6

{+/-})
42. Kh6 Kg8 43. Nc5 Kf7 (43. .. e5? 44. Ne6 Be7 45. Nc7 b4 46. Nd5

{zeigt
wunderschön auf, wie der S dem L überlegen sein kann, wenn er sog.
"Outposts" hat, wie auf d5 - Schlüsselfelder, die kein gegnerischer

Bauer
mehr bewachen kann. In der englischen Literatur wird ein Gaul auf der
gegnerischen 6.Reihe gerne auch als "Oktopus" bezeichnet.}) 44. Kxh7

Bb6
45. Nd3 {Die Stellung ist gem. Silicon Brain imn immer noch absolut
ausgeglichen, jedoch dürfte Schwarz hier schon langsam sehr müde

gewesen
sein, die Energiereserven unten, dabei geht es jetzt erst richtig los!

Rein
optisch würden die meisten die weisse Stellung deutlich vorziehen: Da

die
weissen Bauern unangreifbar sind für den schwarzen Läufer, der

Springer
eine "Barriere" bilden kann: xb4, xc5 und xe5, sowie da der wK aktiver

als
der sK ist.} Kf6? {Da ist er nun, der "1. wirkliche Fehler". Es gab

keinen
Grund, den König die Route von hinten nehmen zu lassen. Wohl ermüdet

oder
keine Gefahr sehend hätte Ivanov besser zu folgendem gegriffen:} (45.

..
Bd4 46. Nb4 Be3 47. Nc6 Bd2 48. Ne5+ Kf6 49. Ng4+ Kf7 {Der König kann

nicht
eindringen.}) 46. Kg8 {Der sK macht sich auf den langen Weg, den Bb5
abzuholen...} Bg1? {Und da ist der 2.Fehler. J.A. ist sehr kritisch,

er
tadelt den Zug, weil es nun wirklich offensichtlich war, dass Weiss

die
lange Königswanderung machen will. Um das zu verhindern, muss Schwarz

e5
spielen, um mit seinem König einen "Bodycheck" zu geben. Dafür muss

aber
der Be5 gedeckt sein, also ist richtig Ld4.} (46. .. Bd4 47. Kf8 e5

48. Ke8
Ke6 49. Nb4 Bc3 50. Nd5! {Wieder zeigt sich die Überlegenheit des S

vs. den
L: Der Sd5 schneidet xf6 ab, damit fällt nun der Bg5.} Bb2 51. Kf8

(51.
Nc7+? Kd6 52. Nxb5+ Kc6 {und der Springer ist gefangen. Remis nach

Sa7+,
Kb7-Sb5, Kc6.}) 51. .. Kd6 52. Kf7 {Auch der Versuch, den König

draussen zu
halten vom DF, um dann erst den Bg5 zu erobern, gewinnt nicht, Schwarz

muss
aber peinlich genau spielen.} (52. b4 Ke6 53. Kg7 Ba3 54. Kg6 Bc1 55.

Nc7+
Kd7 56. Nxb5 Bb2 57. Kxg5 Kc6 58. Na7+ Kb7 59. f4 exf4 60. Kxf4 Kxa7)

52.
.. Kc5 53. Kf6 Kd4 54. Kxg5 Kd3 55. Kf5 Kc2 56. b4 Kb3 57. Ke6 Bd4

{nach
La3??, Kxe5-Lxb4, Sxb4 ist es sofort gewonnen für Weiss.} 58. Kd6 Kc4

59.
Kc6 {Trotz Mehrbauer ist diese Stellung nicht zu gewinnen.} Bb2 60.

Kb6
Bd4+ 61. Ka5 Bf2 62. Nc7 Be1 63. Nxb5 Bxb4+ 64. Kb6 Kd3 65. Kc6 Ke3

{=})
47. Kf8 e5 48. Ke8 Ke6 49. Kd8 Kd6 50. Kc8 Be3? {Unverständlich, warum
Ivanov nicht sofort Ld4 spielt, was immer noch gehalten hätte.} 51.

Kb7
Bd4?? {Nun ist es sofort verloren. Schwarz war wohl "einfach croggy"

und
müde. Nun geht der Bb5 verloren, der sK ist zu passiv und die Partie

findet
ein schnelles Ende!} (51. .. Bg1 52. Ka6 Kc6 53. Nxe5+ Kc5 54. Nf7 Be3
{gibt noch gute Rettungschancen, da der weisse König nun abgeschnitten

ist,
und der schwarze König jederzeit im Quadrat des Be4 ist.}) 52. b4 {+-}

Kd7
53. Nc5+ Kd6 54. Kb6 Bc3 55. Kxb5 Bd2 56. Nb7+ Kc7 57. Na5 Be3 58. Ka6

{Der
weisse Bauer marschiert nun die b-Linie entlang. Aufgabe und 1:0! Ich
hoffe, Euch hat diese Partie gefallen und ihr hattet Spass beim

Nachspielen
sowie einen gewissen Lerneffekt. Wer Spass an Endspielen hat dem

empfehle
ich das o.g. Buch, das wirklich exzellent ist und 7 Techniken

behandelt: 1.
Schematisches Denken 2. Schwächen 3. Dominierung 4. Übereile nichts

und
Prophylaxe 5. Freibauern 6. Bauern und wo platziere ich sie 7.

Besondere
Aspekte wie Zugzwang, Patt etc.} 1-0
RemusJohn - 23. Jun '16
Ich gebe zu, jetzt so gar keinen Partie-bezogenen Kommentar zu hinterlassen, aber wieso sind denn die Springer "dogs" und die Läufer "cats"? Sind nicht im Allgemeinen eher Katzen spring- und Hunde lauffreudig? ;-)
Kellerdrache - 24. Jun '16
Also ich finde es schon mal per se positiv wenn sich jemand die Mühe macht eine Partie zu kommentieren. Ich fand die Kommentierung jetzt auch gar nicht zu trocken oder so. Das der Stil bisschen anders ist finde ich auch gut. Man soll ja die persönliche Handschrift erkennen können. Bei den Varianten erkennt man schon warum Colorado eine höhere Wertung hat als die meisten hier ;-)).
Die Partie selber hat mir auch sehr gut gefallen. Das Endspiel ist ein gutes Beispiel für die unterschiedlichen Eigenarten von "Hunden" und "Katzen". Gerne mehr hiervon, Gerade im Bereich Endspiel hat man ja doch noch viel zu lernen - ich jedenfalls.
Vielen Dank auch an Vabanque für seine Arbeit als pgn-Übersetzer ;-)) !
Colorado77 - 24. Jun '16
Schön, dass Euch die Partie gefällt!
Mir hat sie immer imponiert, gerade weil augenscheinlich doch so wenig los ist und Schwarz lange im Remishafen verweilte, dann aber das Schiff doch noch zum Kentern brachte ;-)

Herzlichen Dank an Vabanque, für das Einstellen der PGN!

In der nächsten Partie, was ca. 2 Wochen dauern wird, werde ich eine ganz andere Thematik wählen, eine schöne Angriffspartie im Morragambit!

Gruss
Ralf
pirc_ - 24. Jun '16
sehr schön kommentiert und gut erklärt---vielleicht nicht ganz so in die tiefe gehend wie ich es sonst mache...;-)
Scherz!....einfach super :-))
Kellerdrache - 24. Jun '16
Übrigens auch eine schöne Ehrenrettung für Ulf Andersson, der ja sonst oft als der langweiligste Spieler von allen beschrieben wird.
Vabanque - 24. Jun '16
Anderssons Verlustpartien ( vor allem gegen Kasparov) fand ich immer ganz spannend:-))
Vabanque - 24. Jun '16
Natürlich war mein voriger Beitrag humorvoll zu verstehen.

Wenn es darum geht, zu spielen um zu gewinnen (und nicht für die Zuschauer oder Nachspielenden), ist selbstverständlich jede Spielweise gerechtfertigt. Wenn man mit einem vollkommen langweiligen Stil höchst erfolgreich ist, warum nicht? Die Partien eines solchen Spielers werden dann natürlich nur äußerst selten in Anthologien landen (in der Tat befindet sich in den Hunderten von Schachbüchern, die ich besitze, wohl tatsächlich kaum eine Gewinnpartie von Ulf Andersson), aber was kümmert es den, dem es ums Gewinnen geht? Manch kreativer Spieler mag sehr angesäuert sein, wenn er gegen einen 'Langweiler' ständig verliert, aber in der Tat ist es das täglich Brot der Kreativen, gegen die Langweiler meistens einzugehen (von Ausnahmen abgesehen), und an einem Schachstil ist soweit ja nicht das Geringste falsch, wenn man damit Punkte macht.
Das ist der Standpunkt des Turnierspielers; freilich sieht das nachspielende Schachpublilkum (zu dem ich mich auch rechne) die Dinge ein wenig anders. Eine aufregende und glänzende Partie gilt uns in der Regel halt mehr als die schnöden Turnierpunkte, und deswegen schlägt unser Herz halt nicht für die Ulf Anderssons, Spielstärke hin oder her.
Weltmeister wurden freilich meist die Spieler mit einer fast fehlerfreien Technik: Lasker, Capablanca, Botwinnik, Euwe, Smyslov, Petrosjan, Karpov, Kramnik, und nun Carlsen. Nur selten wurde die Reihe mal unterbrochen durch kreative Spieler wie Aljechin, Tal, Kasparov und Anand. Und selbst diese mussten sich technisch hart schulen, um gegen die Techniker eine Chance zu haben.
Die meisten kreativen Spieler, wie Marshall, Janowski, Keres, Aronian, Ivanchuk, Shirov hatten nie ernsthafte Chancen auf den Thron.
Man muss in der Beurteilung aber auch fair bleiben, denn es gibt sehr wohl kreative Partien von den Erstgenannen, während es auch farblose technische Partien von den anderen gibt.
Und vielleicht findet ja auch noch jemand eine flotte Angriffspartie von Ulf Andersson (wobei der sicher nur angegriffen hat, wenn es die einzige Chance war, die Partie nicht zu verlieren) ;)
Obige Partie kann ja auch in gewissem Sinne als kreative Errungenschaft gelten, nämlich in der Fähigkeit, aus nichts etwas zu machen. Das ist schon höchste Meisterschaft, und muss als solche gewürdigt werden, auch ohne dass wirklich was 'los' ist auf dem Brett.
Colorado77 - 24. Jun '16
Ich werde mal suchen, Vabanque, ob ich da was finde, was die Attribute "kreativ" und "Angriff-xyz" unterstützt. ;-)
Folgendes Buch sei allen technisch interessierten, Endspielinteressierten und auch den Fans von Katalanisch empfohlen. Es glänzt durch eine sehr schönne verbale Erklärung, und ist wirklich liebevoll gemacht (wie die meisten Bücher von Chessgate - einem Verlag von GM Kindermann):
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Vabanque - 24. Jun '16
Nein, das Attribut 'kreativ' bezog sich keineswegs nur auf Angriffsspiel. Ein Endspiel kann höchst kreativ geführt werden, oder eben rein technisch-schablonenhaft, und ebenso kann ein Angriff beides sein.
Habe nochmal in meinen Büchern gewühlt, und in der Tat finden sich Andersson-Verlustpartien en masse, während ich nur auf einen einzigen Sieg (gegen van der Wiel, 1983) gestoßen bin. Vielleicht zeige ich diese Partie demnächst auch mal, damit niemand denkt, dass ich Andersson diffamieren will.
Ich hatte auch auch schon an eine Karpov-Reihe gedacht, um der gängigen Meinung, dass ich dächte, er hätte nur langweilige Partien gespielt, entgegen zu wirken.
Die Technik ist halt ein notwendiges Übel im Schach. Begeistern können mich technische Siege nicht, aber beeindruckend sind sie manchmal sehr wohl.
Beeindruckender aber ist noch für mich, dass z.B. Tal eigentlich völlig ohne Technik auszukommen schien. Aber vielleicht ist das eine Täuschung.