Kommentierte Spiele

Wie spielt man Gambit ? Nr.6

Kellerdrache - 23. Jan '16
Das heutige Beispiel, das Staunton-Gambit kennen war nie superpopulär ist aber auch nie vollständig aus dem Großmeisterrepertoire verschwunden. Mit vertauschten Farben, dann Froms Gambit genannt, ist es erstaunlicherweise noch stärker. Weiß hat häufig die Gelegenheit den Bauern zurück zu bekommen, was aber natürlich nie das Ziel eines Gambits sein kann.
Als ich Partie und Einleitung in Chessmail einstellen wollte, sah ich das Vabanque auch ein neues Exemplar "seiner" brillianten Mattangriffe eingestellt hat. Die Überschneidung war nicht beabsichtigt, ist aber insofern interessant als die vorliegende Partie von Reti ohne weiteres auch in Vabanques Reihe hätte auftauchen können.
Reti, Richard Euwe, Max 1920 | A83 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. d4 f5 2. e4 Das Staunton-Gambit ist ein Mittel für Leute, die es gerne etwas weniger geschlossen und positionell haben als in den übrigens holländischen Varianten. xe4 3. Sc3 Sf6 4. Lg5 Das alte Gambit-Thema des Entwicklungsvorsprungs. Weiß hat hier bereits zwei Figuren entwickelt und für Dame und weißfeldrigen Läufer bequeme Diagonalen. Schwarz dagegen hat es deutlich schwerer sich zu entwickeln. Euwe versucht hier zuerst den Königsflügel zu entwickeln und den König in Sicherheit zu bringen. Alternativ geht natürlich ein Zug wie Sc6. g6 5. f3 Wenn man gerne sein Material zurück hätte könnte man natürlich 5. Lxf6 gefolgt von Sxe4 spielen. Dann allerdings hilft man Schwarz auch bei der Entwicklung. Man gibt also seinen Entwicklungsvorsprung wieder her was dem Sinn des Gambits widerspräche. xf3 6. Sxf3 Lg7 7. Ld3
7. Lc4 Meine Idee war hier die Rochade des Schwarzen zu erschweren. In den Chessbase-Datenbanken habe ich dazu folgende Fortsetzungen gefunden. c6 um d5 vorzubereiten
c5 8. xc5 Da5 9. De2 Dxc5 10. O-O-O e6 11. Sb5 O-O 12. Le3
8. Dd2 d5 9. Ld3 O-O 10. O-O Sbd7 11. Lh6 Sb6 12. Lxg7 Kxg7 13. Tae1 Ich denke zwar das Weiß leicht besser steht wegen des etwas schwachen e-Bauern, aber Schwarz kann hier deutlich aktiver spielen als in der Partie.
c5
Euwe verpasst die richtige Gelegenheit zu rochieren. O-O 8. Dd2 d6 9. O-O-O Lg4 10. Tde1 Sc6 11. Lc4+ Kh8 usw. Hier würde Schwarz zumindest wirklich mitspielen
8. d5 Db6 Bedroht b2 nd verhindert erst einmal die Rochade. Auf 9. O-O käme 9...c4+ mit Gewinn des Läufers auf d3. 9. Dd2 Dxb2 In meinem Verein wurde immer gesagt, das dürfe nur Bobby Fischer. Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber es ist schon erstaunlich wie oft das Schlagen mit der Dame auf b2 ein schwerwigender Fehler ist. So auch hier. 10. Tb1 Sxd5 sieht auf den ersten Blick sehr stark aus. Auf 11.Txb2 würde 11...Lxc3 mit Rückgewinn der Dame folgen. Auf der anderen Seite scheint das Nehmen aber erzwungen. Schlieslich hängt der Springer auf c3. 11. Sxd5!! Das opfert beide Türme! Allerdings ist damit auch die Dame aus dem Spiel. Euwes König hängt immer noch in der Mitte fest und die einzig aktive Figur ist der Läufer auf g7 Dxb1+ 12. Kf2 Dxh1 13. Lxe7 Es hat mir jemand gesagt es würden nur die Figuren zählen, die auch mitspielen. Wenn das war wäre hätte Reti hier drei Figuren mehr, da weder die beiden schwarzen Türme noch Sb8 und Lc8 irgendwie zum Spiel beitragen. d6 opfert einen Bauern um etwas Luft zu bekommen 14. Lxd6 Sc6 Es drohte ja einfach De2+, nebst De7, was der Springer von c6 aus erstmal verhndert. 15. Lb5 Ld7 16. Lxc6 xc6
auch nicht besser ist Lxc6 17. De2+ Jetzt ist Schwarz endlich vollständig entwickelt, aber es ist zu spät. Kd8
oder Kf7 18. De7+ Kg8 19. De6#
18. De7+ Kc8 19. Dc7#
17. De2+ Kd8
Kf7 18. Sg5+ Kg8 19. Se7+ Kf8 20. Sxg6+ Kg8 21. Dc4+
18. Lc7+ Kc8 19. Da6#
PGN anzeigen
[Date "1920.??.??"]
[White "Reti, Richard"]
[Black "Euwe, Max"]
[Result "1-0"]
[ECO "A83"]
[PlyCount "37"]

1. d4 f5 2. e4 {Das Staunton-Gambit ist ein Mittel für Leute, die es gerne
etwas weniger geschlossen und positionell haben als in den übrigens
holländischen Varianten.} fxe4 3. Nc3 Nf6 4. Bg5 {Das alte Gambit-Thema des
Entwicklungsvorsprungs. Weiß hat hier bereits zwei Figuren entwickelt und für
Dame und weißfeldrigen Läufer bequeme Diagonalen. Schwarz dagegen hat es
deutlich schwerer sich zu entwickeln. Euwe versucht hier zuerst den
Königsflügel zu entwickeln und den König in Sicherheit zu bringen. Alternativ
geht natürlich ein Zug wie Sc6.} g6 5. f3 {Wenn man gerne sein Material zurück
hätte könnte man natürlich 5. Lxf6 gefolgt von Sxe4 spielen. Dann allerdings
hilft man Schwarz auch bei der Entwicklung. Man gibt also seinen
Entwicklungsvorsprung wieder her was dem Sinn des Gambits widerspräche.} exf3
6. Nxf3 Bg7 7. Bd3 (7. Bc4 {Meine Idee war hier die Rochade des Schwarzen zu
erschweren. In den Chessbase-Datenbanken habe ich dazu folgende Fortsetzungen
gefunden.} c6 {um d5 vorzubereiten} (7... c5 8. dxc5 Qa5 9. Qe2 Qxc5 10. O-O-O
e6 11. Nb5 O-O 12. Be3) 8. Qd2 d5 9. Bd3 O-O 10. O-O Nbd7 11. Bh6 Nb6 12. Bxg7
Kxg7 13. Rae1 {Ich denke zwar das Weiß leicht besser steht wegen des etwas
schwachen e-Bauern, aber Schwarz kann hier deutlich aktiver spielen als in der
Partie.}) 7... c5 ({Euwe verpasst die richtige Gelegenheit zu rochieren.} 7...
O-O 8. Qd2 d6 9. O-O-O Bg4 10. Rde1 Nc6 11. Bc4+ Kh8 {
usw. Hier würde Schwarz zumindest wirklich mitspielen}) 8. d5 Qb6 {Bedroht b2
nd verhindert erst einmal die Rochade. Auf 9. 0-0 käme 9...c4+ mit Gewinn des
Läufers auf d3.} 9. Qd2 Qxb2 {In meinem Verein wurde immer gesagt, das dürfe
nur Bobby Fischer. Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber es ist schon
erstaunlich wie oft das Schlagen mit der Dame auf b2 ein schwerwigender Fehler
ist. So auch hier.} 10. Rb1 Nxd5 {sieht auf den ersten Blick sehr stark aus.
Auf 11.Txb2 würde 11...Lxc3 mit Rückgewinn der Dame folgen. Auf der anderen
Seite scheint das Nehmen aber erzwungen. Schlieslich hängt der Springer auf c3.
} 11. Nxd5 !! {Das opfert beide Türme! Allerdings ist damit auch die Dame aus
dem Spiel. Euwes König hängt immer noch in der Mitte fest und die einzig
aktive Figur ist der Läufer auf g7} Qxb1+ 12. Kf2 Qxh1 13. Bxe7 {Es hat mir
jemand gesagt es würden nur die Figuren zählen, die auch mitspielen. Wenn das
war wäre hätte Reti hier drei Figuren mehr, da weder die beiden schwarzen
Türme noch Sb8 und Lc8 irgendwie zum Spiel beitragen.} d6 {
opfert einen Bauern um etwas Luft zu bekommen} 14. Bxd6 Nc6 {Es drohte ja
einfach De2+, nebst De7, was der Springer von c6 aus erstmal verhndert.} 15.
Bb5 Bd7 16. Bxc6 bxc6 ({auch nicht besser ist} 16... Bxc6 17. Qe2+ {
Jetzt ist Schwarz endlich vollständig entwickelt, aber es ist zu spät.} Kd8 ({
oder} 17... Kf7 18. Qe7+ Kg8 19. Qe6#) 18. Qe7+ Kc8 19. Qc7#) 17. Qe2+ Kd8 (
17... Kf7 18. Ng5+ Kg8 19. Ne7+ Kf8 20. Nxg6+ Kg8 21. Qc4+) 18. Bc7+ Kc8 19.
Qa6# 1-0
Vabanque - 24. Jan '16
An diese schöne Partie konnte ich mich erinnern, wenn auch nicht mehr vollständig.

Euwe hat ja nicht etwa völlig gedankenlos auf b2 zugegriffen, sondern hatte sich die geistreiche Parade 10... Sxd5 ausgedacht, die ja auf den ersten Blick 10. Tb1 widerlegt.
Dass Réti hier beide Türme opfern könnte, ist Euwe wohl deswegen nicht in den Sinn gekommen, weil Weiß nach 12... Dxh1 zunächst keine unmittelbar entscheidende Mattfortsetzung zu haben scheint. Aber der 'nichtssagende' Zug 13. Lxe7 ist verblüffend stark ... so stark, dass keine Rettung für Schwarz in Sicht ist, obwohl er doch keine Zwangszüge zu machen braucht.
Réti dagegen muss das doppelte Turmopfer bereits im Sinn gehabt haben, als er Dxb2 zuließ.
Ein Zug, der mir in dieser Partie übrigens auch sehr gut gefällt, ist 15. Lb5. Denn wenn man bereits mehrere Figuren geopfert hat, spielt man normalerweise nicht auf Abtausch. Hier aber ist der Abtausch der einzig vernünftig platzierten Verteidigungsfigur bei Schwarz (nämlich des Sc6) der Schlüssel zum Sieg.

Nach meinen Quellen gab Schwarz übrigens schon nach 17. De2+ auf.

Damit dürfte diese Partie unter die kürzesten, die jemals zwischen zwei Weltklassespielern gespielt wurde, zu zählen sein :))
Hasenrat - 24. Jan '16
Die offenkundige Verwandtschaft zum BDG finde ich frappierend! Alles gleich, nur statt d5 f5.
Vabanque - 24. Jan '16
Ja, aber dadurch ungleich wirksamer für Weiß, da f5 im Gegensatz zu d5 ja kein Entwicklungszug ist.
Hasenrat - 24. Jan '16
Das überzeugt! Das musste mir ein Fachmann sagen. Danke. :-)
Vabanque - 24. Jan '16
Naja, das war jetzt kein so tiefsinniger Kommentar von mir; da schrieb ich schon mal bessere ;)
Hasenrat - 24. Jan '16
Nein, da kannst du mal sehen, wie groß das Gefälle zwischen dir und mir ist. Ich hab echt gerätselt ... - spricht nicht für mich, ich weiß.
Kellerdrache - 24. Jan '16
@ Vabanque: Du hast natürlich recht. Die letzten Züge nach De2+ sollten eigentlich Kommentar werden.
@ Hasenrat : Der von Vabanque genannte Unterschied ist durchaus nicht unwichtig. Die Kompensation für beide Gambits soll ja der Entwicklungsvorsprung sein. Wenn Schwarz dann im 1.Zug noch auf einen Entwicklungszug verzichtet verstärkt das eben die Wirkung des Gambits. Trotzdem hast du natürlich recht, dass bestimmte Motive wie das Opfer des e-Bauern mit nachfolgendem Tausch auf f3 gleich sind.