Kommentierte Spiele
Große Partien ... (XXXVI): Bogoljubov - Spielmann 1919
Vabanque - 28. Jul '14
Manche Schachspieler haben tatsächlich das Pech, mit ihren Verlustpartien viel häufiger zitiert zu werden als mit ihren Siegen. Lajos Portisch gehört dazu, Bogoljubov sicher auch. In dieser Reihe habe ich nicht weniger als 4 Verlustpartien von 'Bogo' gezeigt. Er verlor eben oft besonders schön! Über seine Spielstärke sagt dies nichts aus; in der Tat hatte er sogar positive Bilanzen gegen Réti, Nimzowitsch, Rubinstein und Spielmann.
Bogoljubovs Stil war weniger von der feinsinnigen, sondern mehr von der direkten, brutalen Art; aber gelegentlich konnte er auch elegante Partien hervorzaubern, wie das folgende Beispiel belegt. Es handelt sich hierbei übrigens nicht um eine Turnierpartie, sondern um eine freie Partie, mit der Bogo den Aljechin-Chatard-Angriff testen wollte.
Gespielt wurde in einer Konditorei (was einen Witzbold in einem Partiekommentar zu der rhetorisch-satirischen Frage veranlasste, ob man da nicht besser die Zukertort-Eröffnung hätte testen sollen) in Stockholm, und ursprünglich wurde die Partie als Bogoljubov-NN veröffentlicht, vielleicht weil man den Namen des Verlierers aus Gründen der Peinlichkeit verschweigen wollte. Es hat sich bei Bogos Gegner aber tatsächlich um den großen Spielmann gehandelt, auch wenn er hier grausam abgefertigt wurde. Aber keine Sorge, ihr Spielmann-Fans (Hasenrat kann hier seine Hasenöhrchen spitzen): in einem meiner nächsten Beiträge wird euer Idol wieder ins hellste Licht gestellt.
Mit diesem Beitrag ist das dritte Dutzend der Reihe 'Große Partien der Schachgeschichte', das der ersten Hälfte des 20. Jh. gewidmet ist, abgeschlossen.
Vielleicht starte ich irgendwann noch ein 4. Dutzend mit Partien des 19. Jh., um Spieler wie Morphy, Anderssen, Tschigorin, Steinitz, Tarrasch und Pillsbury zu ihrem Recht kommen zu lassen. Aber das weiß ich noch nicht, ob ich dafür die Zeit finde; außerdem interessiert mich gegenwärtig das 19. Jh. schachlich nicht so sehr.
Sicherlich weitergeführt werden aber die 'Glanzpartien unbekannter Spieler'; weiterhin interessant wären noch Serien wie 'Vergessene Spieler der Schachgeschichte', 'Große Remispartien' und 'Frühwerke großer Spieler'. Momentan sind das aber ungelegte Eier.
Jetzt aber genug des Geschwätzes! Bühne frei für die Partie, die mit Fug und Recht bereits als 'Bogos Unsterbliche' gehandelt wurde!































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Bogoljubovs Stil war weniger von der feinsinnigen, sondern mehr von der direkten, brutalen Art; aber gelegentlich konnte er auch elegante Partien hervorzaubern, wie das folgende Beispiel belegt. Es handelt sich hierbei übrigens nicht um eine Turnierpartie, sondern um eine freie Partie, mit der Bogo den Aljechin-Chatard-Angriff testen wollte.
Gespielt wurde in einer Konditorei (was einen Witzbold in einem Partiekommentar zu der rhetorisch-satirischen Frage veranlasste, ob man da nicht besser die Zukertort-Eröffnung hätte testen sollen) in Stockholm, und ursprünglich wurde die Partie als Bogoljubov-NN veröffentlicht, vielleicht weil man den Namen des Verlierers aus Gründen der Peinlichkeit verschweigen wollte. Es hat sich bei Bogos Gegner aber tatsächlich um den großen Spielmann gehandelt, auch wenn er hier grausam abgefertigt wurde. Aber keine Sorge, ihr Spielmann-Fans (Hasenrat kann hier seine Hasenöhrchen spitzen): in einem meiner nächsten Beiträge wird euer Idol wieder ins hellste Licht gestellt.
Mit diesem Beitrag ist das dritte Dutzend der Reihe 'Große Partien der Schachgeschichte', das der ersten Hälfte des 20. Jh. gewidmet ist, abgeschlossen.
Vielleicht starte ich irgendwann noch ein 4. Dutzend mit Partien des 19. Jh., um Spieler wie Morphy, Anderssen, Tschigorin, Steinitz, Tarrasch und Pillsbury zu ihrem Recht kommen zu lassen. Aber das weiß ich noch nicht, ob ich dafür die Zeit finde; außerdem interessiert mich gegenwärtig das 19. Jh. schachlich nicht so sehr.
Sicherlich weitergeführt werden aber die 'Glanzpartien unbekannter Spieler'; weiterhin interessant wären noch Serien wie 'Vergessene Spieler der Schachgeschichte', 'Große Remispartien' und 'Frühwerke großer Spieler'. Momentan sind das aber ungelegte Eier.
Jetzt aber genug des Geschwätzes! Bühne frei für die Partie, die mit Fug und Recht bereits als 'Bogos Unsterbliche' gehandelt wurde!
Efim Bogoljubov Rudolf Spielmann Stockholm (Exhibition) | Stockholm (Exhibition) | 1919 | 1:0
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1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sc3 Sf6 4. Lg5 Le7 5. e5 Sfd7 6. h4 Den Aljechin-Chatard-Angriff haben wir bereits in der Folge XX von 'Glanzpartien unbekannter Spieler' gesehen; in der gegenwärtigen Partie kann der Nachspielende mal die möglichen Folgen der Annahme des Bauernopfers beobachten. Diese Partie soll der Anlass gewesen sein, dass das Gambit auf höherer Ebenen von da an nie mehr angenommen wurde. Lxg5 7. xg5 Dxg5 8. Sh3 De7 9. Dg4 g6 10. Sf4 a6 Um c5 spielen zu können, ohne durch Sb5 (mit dem Ziel d6) gestört zu werden. 11. O-O-O c5 Nun würde Weiß gerne mit dem Figurenopfer auf d5 durchbrechen, aber nach 12. Scxd5 exd5 13. Sxd5 käme Sb6! mit einem Gegenangriff auf die weiße Dame, was den Damentausch erzwingen würde. Von daher erklärt sich der nächste Zug von Weiß. 12. Dg3 Jetzt droht tatsächlich 13. Scxd5 exd5 14. Sxd5 Dd8 15. e6!, und der Angriff der Dame g3 nach c7 wird aufgedeckt. Sb6 13. xc5 Dxc5 14. Ld3 Mit der eventuellen Drohung eines Opfers auf g6. Df8 15. Le4!! Mit diesem Läuferopfer droht Weiß ein Läuferopfer auf d5, womit er das schwarze Zentrum zerschlagen und nach dieser Öffnung der Stellung seine überlegene Entwicklung zur Geltung bringen würde. Daher schlägt Schwarz lieber selbst, was noch am besten ist. xe4 16. Sxe4 Nun droht Weiß Sf6+ Ke7 Da3+, aber auch Sd6+ nebst ggf. Dg5+. S8d7 17. Dc3! Dies wird sich als ein sehr wirkungsvoller Platz für die weiße Dame erweisen. De7 18. Sf6+ Sxf6 Weder auf 18... Kd8 19. Da5! noch auf 18... Kf8 19. Sxh7+ kann Schwarz sich einlassen. 19. xf6 Df8 20. Dc7 Aber nun ist das schwarze Spiel komplett gelähmt. Wie sollen die schwarzen Türme jemals in Spiel kommen? Wie soll sein König jemals aus der Gefahrenzone entrinnen? Zunächst hängt auch noch der Sb6. Sd7 Damit bedroht Schwarz nicht einmal den 'Stachel im Fleisch' f6; er könnte ihn nämlich gar nicht schlagen wegen Matt auf d8. 21. Sd5! Dieses Opfer ergibt sich in einer solchen Stellung nun schon fast von selbst. Da sowohl Sb6 als auch Se7 drohen (jeweils mindestens mit Figurengewinn), muss Schwarz den vorwitzigen Springer schlagen, auch wenn er das gar nicht möchte. Auf 21... Dc5 käme Damentausch nebst Sc7+ und Td8#, eine Variante, welche die Wirkung des 'Reißnagels' f6 veranschaulicht. xd5 Wird das denn jetzt nicht sofort Matt? 22. The1+ Se5 23. Txe5+ Le6 Nein! Auf diesen Zug hat Schwarz noch seine Überlebenshoffnung gesetzt. Denn nachdem der weiße Königsturm nun die h-Linie verlassen hat, droht Schwarz plötzlich ganz tückisch, mit Dh6+ nebst O-O zu entkommen! Deswegen würde jetzt das scheinbar 'tödliche' 24. Tdxd5?? für Weiß verlieren. Auch im allerschönsten Angriff muss man immer aufpassen! 24. Kb1! Bogo hat aufgepasst! Jetzt gibt es für Schwarz keine Rettung mehr. Vor allem droht Tdxd5 nebst Dd7# (Fesselung!). Dh6 wäre ohne Schachgebot komplett wertlos wegen De7#. Td8 Lustigerweise verhindert auch das den nächsten weißen Zug nicht. 25. Txd5!! Txd5 26. Txd5 Wegen der Mattdrohung auf d8 kann dieser Turm nicht ignoriert werden. Lxd5 27. Dc8# Ein wunderschönes, seltenes Mattbild der Solodame, unterstützt von einem bescheidenen Bäuerlein. Sicher eine der bemerkenswertesten Schlussstellungen der Schachgeschichte.
Eigenart - 28. Jul '14
Grosser Beifall für die tolle Leistung an Vabanque
Hasenrat - 28. Jul '14
Ein würdiger strahlender Abschluss der glanzvollen Folge großer Partien!
In der Tat, es bleibt aber insgeheim ein saurer Nachgeschmack im Gedanken daran, dass hier Spielmann nach Strich und Faden nassgemacht worden ist. Komisches Gefühl. Dass einem das dann doch auch so nahegehen kann ... ;-)
Schachfreund Spielmann selig!, mein kundig schäumend gefülltes Feierabendkrügelein werde ich auf dich leeren - wohl bekomm's, dem "Wiener im Himmel" ...
In der Tat, es bleibt aber insgeheim ein saurer Nachgeschmack im Gedanken daran, dass hier Spielmann nach Strich und Faden nassgemacht worden ist. Komisches Gefühl. Dass einem das dann doch auch so nahegehen kann ... ;-)
Schachfreund Spielmann selig!, mein kundig schäumend gefülltes Feierabendkrügelein werde ich auf dich leeren - wohl bekomm's, dem "Wiener im Himmel" ...
Vabanque - 28. Jul '14
Hätte ich es vielleicht doch bei NN belassen sollen? ;)
pirc_ - 28. Jul '14
NN...der grösste spieler der geschichte? nein seinen namen sollte man nicht einfach so vorschieben wenn ein GM mal untergeht ;-)
Hasenrat - 28. Jul '14
Nein, man muss sich damit auseinandersetzen. Er nahm's sicher sportlich, dann will ich's therapeutisch nehmen. ;-)
Vabanque - 28. Jul '14
Ja, Spielmann wird tatsächlich als ein sehr sportlicher Verlierer geschildert. Er zollte seinen Besiegern stets höchste Anerkennung.
Für die Fortsetzung der Spielmann-Reihe habe ich mir in der Tat schon zwei Partien ausgeguckt. Eine kurze, schmerzlose Exekution, und einen langen, schweren Kampf.
Für die Fortsetzung der Spielmann-Reihe habe ich mir in der Tat schon zwei Partien ausgeguckt. Eine kurze, schmerzlose Exekution, und einen langen, schweren Kampf.
Hasenrat - 29. Jul '14
Dann sehe ich dem zuversichtlich entgegen. :-)
"Spelemann, fang an!" flöte ich derweil vergnügt und unermüdlich vor mich hin ...
"Spelemann, fang an!" flöte ich derweil vergnügt und unermüdlich vor mich hin ...
Kellerdrache - 29. Jul '14
Ja, die Geschichtsschreibung ist nicht immer gerecht. Wer sonst nur die spektakulären Niederlagen Bogoljubows kennt, hätte ihn für einen dankbaren Sparringspartner halten können. Der erwähnte Lajos Portisch hat übrigens einige sehr lehrreiche, wenn auch nicht bühnenreife Partien gespielt. Spasski ist für viele auch einfach nur der Typ, der sich von Fischer hat verhauen lassen, dabei hat er eine Anzahl sehr schöner Exemplare der Schachkunst abgeliefert.
Der Lebenskünstler Spielmann hat sich sicher die Niederlage nicht zu sehr zu Herzen genommen, sondern beim nächsten Bier vergessen.
Der Lebenskünstler Spielmann hat sich sicher die Niederlage nicht zu sehr zu Herzen genommen, sondern beim nächsten Bier vergessen.