Kommentierte Spiele
Dame für verbundene Freibauern: Khalifman-Ermenkov 1994
Vabanque - 29. Apr '15
Als ich die vorangegangene Partie (Khalifman-Serper 1994) postete, glaubte ich noch nicht so recht daran, dass daraus eine kleine Reihe über Alexander Khalifman entstehen würde. Aber dann entdeckte ich das folgende Spiel, in dem Khalifman ein positionelles Damenopfer bringt. Er opfert seine Dame gegen einen Turm und zwei Bauern, um zwei verbundene Freibauern am Damenflügel zu erhalten. Und dies genau in dem Moment, als Schwarz dachte, ein Remis durch Zugwiederholung in der Tasche zu haben. Solche Opfer, in denen Material für Stellungsvorteile gegeben wird, ohne dass man konkrete Varianten berechnen könnte, wo also das Stellungsgefühl und auch der Mut zu so einer Entscheidung gefragt ist, begeistern mich stets sehr. Solche kreativen schachlichen Leistungen stehen für mich jenseits aller Sport-oder-nicht-Sport- bzw. Förderungswürdigkeits- und Frauenschach-Diskussionen sowie der ständigen neuen Reglementierungen der FIDE, und lassen mich all dieser unerfreulichen Querelen zum Trotz immer wieder froh und dankbar sein, das Schachspiel kennen zu dürfen.































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Alexander Khalifman Evgenij Ermenkov It (cat.15) | Elenite (Bulgaria) | 6 | 1994 | A43 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. d4 Sf6 2. Sf3 c5 3. d5 g6 4. Sc3 Lg7 5. e4 d6 6. Le2 Khalifman spielt die Eröffnung scheinbar wenig ehrgeizig; er beschränkt sich zunächst auf einfache, ruhige Entwicklungszüge. O-O 7. O-O Sa6 In diesem Benoni-artigen Aufbau versucht Schwarz dadurch Gegenspiel am Damenflügel zu erlangen, indem er b5 durchsetzt. Diesem Zweck dient das typische Manöver, den Damenspringer über a6 nach c7 zu führen, von wo er (zusammen mit späterem Tb8 und/oder Ld7 und a6) den Vorstoß des b-Bauern nach b5 unterstützen kann. 8. Lf4 Sc7 9. a4 Natürlich stellt sich Weiß dem schwarzen Plan rechtzeitig entgegen. Spielt Schwarz nämlich jetzt a6, so wird er nach a4-a5! seinen b-Bauern wegen der Möglichkeit des en-passant-Schlagens gar nicht mehr vorwärts bringen können. Also muss Schwarz - bevor er a6 zieht - diese weiße Möglichkeit zunächst ausschalten. b6 10. Te1 a6 11. h3 Bereitet Schwarz nun mit Tb8 oder Ld7 den Vorstoß des b-Bauern weiter vor, so ist e4-e5! recht stark. Daher verhindert er zunächst diese Möglichkeit. Sd7 12. Lc4 Mit den folgenden beiden Zügen stemmt sich Weiß wiederum dem zu erwartenden b6-b5 entgegen. Tb8 13. Dd3 f6 Man sieht, dass Schwarz um einen sinnvollen neuen Plan verlegen ist, nachdem er den geplanten Vorstoß des b-Bauern nicht durchführen konnte. Mit dem Textzug möchte er das Feld e5 stärken. Nach Sd7-e5 soll der f-Bauer zurückschlagen können. 14. Tab1 Für den Fall von Se5 (was ja auch erfolgt) plant Weiß gelegentliches b2-b4, weil dann nach dem Bauerntausch kein schwarzer Springer mehr das Feld c5 besetzen kann. Se5 15. Sxe5 xe5 16. Le3 Ld7!? Ein sehr geistreiches Bauernopfer, das eine vermeintliche Remiskombination mit ewiger Verfolgung der weißen Dame einleitet. Schwarz hat kaum eine andere Wahl, da Weiß auf andere Züge b2-b4 mit bedeutendem Stellungsvorteil spielt. Nimmt Weiß das Bauernopfer nun nicht an, so setzt Schwarz seine Hauptidee b5 doch noch durch, und gleicht damit das Spiel so ziemlich aus. 17. Lxa6! Entweder hat Weiß den 18. Zug von Schwarz nicht gesehen, oder er hat weiter gerechnet ... ich tippe auf Letzteres. Sxa6 18. Dxa6 b5! Das ist sehr schön erdacht; der weißen Dame wird durch ein weiteres Bauernopfer der Rückweg abgeschnitten. Spielt Weiß jetzt axb5, so jagt der schwarze Turm die weiße Dame mit Ta8 und Tb8 fortgesetzt hin und her, und es entsteht ein Remis durch Zugwiederholung. Eigentlich schade, dass Schwarz mit seiner genialen Idee keinen Erfolg hat. Aber Weiß hat sich eine noch genialere Antwort ausgerechnet. 19. Sxb5! Dies scheint nach den folgenden Zügen zunächst keinen Unterschied zu axb5 zu machen. Schwarz kann allerdings nicht sofort Ta8 spielen, da nach Db7 Tb8 die weiße Dame nun das Feld c7 hat. Lxb5 20. xb5 Ta8 21. Db7 Tb8 22. Da6 Ta8 23. Dc6 Tc8 Eben. Die weiße Dame kann nicht ausweichen und wird fortlaufend verfolgt. Oder? 24. b4!! Dies hat Weiß vermutlich bereits geplant, als der im 17. Zug auf a6 nahm. Die zwei Rufzeichen gelten dem Mut und der Erfindungsgabe von Khalifman. Denn ob der Zug objektiv gewinnt, ist gar nicht klar, und auch schwierig durch Analysen zu beweisen bzw. zu widerlegen. Tatsache ist aber, dass Schwarz es in einer praktischen Partie sehr schwer hat, den Vormarsch der weißen Bauern zu hemmen, obwohl Weiß zunächst nur einen Turm und zwei Bauern für die Dame bekommt. Aber genau diese zwei Bauern haben es 'in sich'. Txc6 25. xc6 Zwei verbundene Freibauern sind entstanden, mit denen Schwarz sich jetzt auseinandersetzen muss. Nimmt er auf b4, so marschiert der b-Bauer unter der Deckung des Le3 sofort nach b6 vor. Nach 25... cxb4 26. b6 sieht das Freibauernpaar auf der 6. Reihe wirklich imposant aus. Da hilft es auch nicht, dass Engines behaupten, Schwarz hätte so spielen sollen, weil er danach die Partie gerade noch hätte halten können. In einer Turnierpartie wird es sehr schwer sein, in so einer Situation den schmalen Pfad zum Remis (falls er wirklich existiert) auch zu finden. e6? Dies ist jedenfalls ein Fehler, der schnell verliert. Schwarz war mit der Stellung jedenfalls überfordert, obwohl er keineswegs ein schwacher Spieler, sondern ein gestandener GM war. Der Sinn des Textzuges ist (mir) auch nicht ganz klar. Möglicherweise wollte Schwarz d5 vorbereiten, oder aber seinen Turm über die 2. Reihe (also über f7) zum Damenflügel spielen. Zu Letzterem kommt es jedenfalls nicht. 26. Ted1 Das einfache bxc5 war vielleicht sogar noch stärker. Aber auch so findet Schwarz keinen Ausweg aus seinen Schwierigkeiten. Der Turmzug deckt die Wunde, die e7-e6 in der schwarzen Stellung geschaffen hat, auf: nun ist auch noch d6 schwach geworden. Db8 Die Dame ist als Blockadefigur für Freibauern denkbar ungeeignet. Aber das Unglück für Schwarz liegt daran, dass er seine anderen Figuren mangels Beweglichkeit schlecht zum Damenflügel hinüberschaffen kann. 27. xc5 Nun kann Schwarz nicht auf b5 schlagen, und auf dxc5 käme sofort b6. d5 Verzweiflung. 28. xd5 xd5 29. Txd5 De8 Weiß soll wenigstens nicht b6 spielen können, da dann c6 fiele. 30. c7! Df7 Greift den Turm und den Bauern c7 an. 31. b6! Dieses letzte Opfer hatte Weiß natürlich beim vorigen Zug schon gesehen. Die Bauern haben jetzt eine solch ungeheure Kraft entwickelt, dass Weiß mit einer glatten Dame weniger spielen kann. Dxd5 32. b7 Zwei verbundene Freibauern aufder 7. Reihe im Mittelspiel! Ein Bild für die Götter. Egal wie Schwarz jetzt spielt, Weiß gewinnt seine Dame zurück und noch einen schwarzen Turm dazu. (Es ist sicher lehrreich, diese Möglichkeiten alle einmal durchzuspielen, um sich davon zu überzeugen.) Schwarz gab daher - mit einer Dame mehr! - mit Recht auf. Eine sehr kreative Partie.
cutter - 29. Apr '15
Einfach nur super!
plebs - 29. Apr '15
Sehr schöne Partie und toller Kommentar!
Colorado77 - 29. Apr '15
So mein 1.Kommentar ist weg, ausgeloggt mittlerweile, Mist...
Kurzform:
Danke für dieses Juwel, ein pos. Damenopfer ist mMn die Krönung der Ästehtik im Schach!
Ich glaube b4 war der letzte berechnete Zug von Khalifman, der Rest war Intuition, immerhin ist er nur "minus 2", und man sagt ja, 2 Bauern auf der 6.Reihe sind 1 Turm wert...
Du hast Recht: Mit e6 schmeisst Ermekov die Partie weg, die Engine gibt sogar stattdessen cxb4 als Bestes an, mit Rettungschancen sogar.
Nur OTB sieht man das nicht, das Momentum von Ermenkow: Eröffnung überspielt nach 13 Zügen ca. --> dann vermeintliche Rettung durch Turmschaukel --> dann positonelles Damenopfer war zuviel für ihn.
Beachtenswert noch: Mit einem Zug mehr, also ohne das überflüssige (!) c4 ist dieses Quasi Benoni fast nicht spielbar.
Schlüsselzüge waren dann auch frühes h3 (kein Lg4), a4, Tab1 mit folgendem b4 und Abtausch auf e5 mit dem Springer, um mit dem Läufer Druck auf der Diagonalen a7-g1 zu behalten.
Danke Vabanque!
P.S.: Ich halte grosse Stücke auf den sympathischen Khalifman (auch ohne die Partie hier gekannt zu haben). Ein würdiger WM!
Kurzform:
Danke für dieses Juwel, ein pos. Damenopfer ist mMn die Krönung der Ästehtik im Schach!
Ich glaube b4 war der letzte berechnete Zug von Khalifman, der Rest war Intuition, immerhin ist er nur "minus 2", und man sagt ja, 2 Bauern auf der 6.Reihe sind 1 Turm wert...
Du hast Recht: Mit e6 schmeisst Ermekov die Partie weg, die Engine gibt sogar stattdessen cxb4 als Bestes an, mit Rettungschancen sogar.
Nur OTB sieht man das nicht, das Momentum von Ermenkow: Eröffnung überspielt nach 13 Zügen ca. --> dann vermeintliche Rettung durch Turmschaukel --> dann positonelles Damenopfer war zuviel für ihn.
Beachtenswert noch: Mit einem Zug mehr, also ohne das überflüssige (!) c4 ist dieses Quasi Benoni fast nicht spielbar.
Schlüsselzüge waren dann auch frühes h3 (kein Lg4), a4, Tab1 mit folgendem b4 und Abtausch auf e5 mit dem Springer, um mit dem Läufer Druck auf der Diagonalen a7-g1 zu behalten.
Danke Vabanque!
P.S.: Ich halte grosse Stücke auf den sympathischen Khalifman (auch ohne die Partie hier gekannt zu haben). Ein würdiger WM!
Vabanque - 29. Apr '15
Hallo Colorado,
schade dass dein ursprünglicher Kommentar weg ist. Mir ging es auch schon öfters so: 'Roman' geschrieben, wollte ihn abschicken ... ausgeloggt. Die ganze Arbeit umsonst ... ein ärgerlicher Bug von Chessmail :(
Aber: seitdem tippe ich längere Beiträge immer erstmal in ein Textdokument, speichere den Text dort ab und kopiere ihn dann nur noch hier in das Beitragsfenster :)
Trotz der 'Kurzfassung' finde ich es sehr erhellend, was du geschrieben hast, danke dafür. Es ist toll, dass sich auch mal ein richtig starker Spieler hier an der Diskussion beteiligt. Meine Kommentare zielen natürlich auf den Durchschnittsspieler ab, denn mit meinen ca. 2000 realen Elo kann ich natürlich nur Spielern im Bereich bis ca. 1600 DWZ noch etwas 'beibringen', naja.
Dieses Benoni ohne c4 sieht man ja schon ab und an. Ich dachte es mir bisher immer so: Der Vorteil von Weiß des 'fehlenden' c4 ist, dass sein weißfeldriger Läufer weniger schlecht ist, der Vorteil von Schwarz dagegen besteht darin, dass b5 leichter durchsetzbar ist. Aber vielleicht ist b5 ja wirklich - wie in dieser Partie - um ein Haar nicht durchsetzbar. Und dann sieht es für Schwarz düster aus, da er kein Gegenspiel erreicht.
Den weißen Zug h3 hatte ich so gesehen gar nicht kommentiert, weil ich unter anderem nicht sicher war, ob damit wirklich Lg4 verhindert werden soll (Schwarz will doch eigentlich ohnehin den L nach d7 spielen, um b5 zu unterstützen, oder?) oder ob dem Lf4 damit auf eventuelles schwarzes Sh5 ein Rückzugsfeld nach h2 geöffnet werden sollte? Zudem schafft sich Weiß für alle Fälle ein Luftloch für seinen König, und zwar in einem Partiestadium, wo es auf ein Tempo sicher noch nicht ankommt.
schade dass dein ursprünglicher Kommentar weg ist. Mir ging es auch schon öfters so: 'Roman' geschrieben, wollte ihn abschicken ... ausgeloggt. Die ganze Arbeit umsonst ... ein ärgerlicher Bug von Chessmail :(
Aber: seitdem tippe ich längere Beiträge immer erstmal in ein Textdokument, speichere den Text dort ab und kopiere ihn dann nur noch hier in das Beitragsfenster :)
Trotz der 'Kurzfassung' finde ich es sehr erhellend, was du geschrieben hast, danke dafür. Es ist toll, dass sich auch mal ein richtig starker Spieler hier an der Diskussion beteiligt. Meine Kommentare zielen natürlich auf den Durchschnittsspieler ab, denn mit meinen ca. 2000 realen Elo kann ich natürlich nur Spielern im Bereich bis ca. 1600 DWZ noch etwas 'beibringen', naja.
Dieses Benoni ohne c4 sieht man ja schon ab und an. Ich dachte es mir bisher immer so: Der Vorteil von Weiß des 'fehlenden' c4 ist, dass sein weißfeldriger Läufer weniger schlecht ist, der Vorteil von Schwarz dagegen besteht darin, dass b5 leichter durchsetzbar ist. Aber vielleicht ist b5 ja wirklich - wie in dieser Partie - um ein Haar nicht durchsetzbar. Und dann sieht es für Schwarz düster aus, da er kein Gegenspiel erreicht.
Den weißen Zug h3 hatte ich so gesehen gar nicht kommentiert, weil ich unter anderem nicht sicher war, ob damit wirklich Lg4 verhindert werden soll (Schwarz will doch eigentlich ohnehin den L nach d7 spielen, um b5 zu unterstützen, oder?) oder ob dem Lf4 damit auf eventuelles schwarzes Sh5 ein Rückzugsfeld nach h2 geöffnet werden sollte? Zudem schafft sich Weiß für alle Fälle ein Luftloch für seinen König, und zwar in einem Partiestadium, wo es auf ein Tempo sicher noch nicht ankommt.
Kellerdrache - 30. Apr '15
Die Kraft, die die Bauern hier entwickeln ist schon beeindruckend. Als Anfänger neigt man ja gerne dazu die Bauern zu unterschätzen, da ist so eine Partie schon ein lehrreiches Gegenmittel.
Kalifman ist ja nicht der einzige unterschätzte Spieler. Oft ist es lediglich die fehlende Konstanz die Spieler wie ihn oder Iwantschuk und Shirov and (noch) größeren Erfolgen hindern. Jedenfalls eine beeindruckende Partie und wie üblich perfekt kommentiert. Ich finde es vor allem gut wenn die zu Grunde liegenden Pläne und Motive einer Stellung herausgestellt werden.
Da ich generell unersättlich bin hoffe ich auf viele weitere Juwelen aus deiner Schatzkiste.
Kalifman ist ja nicht der einzige unterschätzte Spieler. Oft ist es lediglich die fehlende Konstanz die Spieler wie ihn oder Iwantschuk und Shirov and (noch) größeren Erfolgen hindern. Jedenfalls eine beeindruckende Partie und wie üblich perfekt kommentiert. Ich finde es vor allem gut wenn die zu Grunde liegenden Pläne und Motive einer Stellung herausgestellt werden.
Da ich generell unersättlich bin hoffe ich auf viele weitere Juwelen aus deiner Schatzkiste.
Colorado77 - 30. Apr '15
@ Vabanque:
Beim Nachspielen der ersten Züge gestern abend ist mir noch aufgefallen, wie schlecht Schwarz die Eröffnung gespielt hat.
Zur Frage: Inwiefern jetzt c4 wirklich nötig ist, um b5 zu verhindern: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass durch Auslassen von c4 zugunsten Sc3, Weiss mehr Chancen erhält (Meist waren das Übergänge vom Morra Gambit, in der Form 1.e4 c5 2.d4 e6 3.d5! exd5 4.exd5 d6 5.Sc3 Sf6 6.Le2 (VOR Sf3, um nach evtl. Lg4 Sd2 ziehen zu können.) etc.
Warum hat Schwarz schlecht gespielt?
Ich spiele auch abundan Modernes Benoni, auch gegen 2500+ hier bei CM.
Grundsätzlich ist es eine klasse Eröffnung. Man erhält Gewinnchancen durch die verschiedenen Pläne wie a6, b5 nach Vorbereitung (meist Tb8 und Sc7) oder auch Sbd7-Se5 iVm f5 (!) und/oder g5.
Der Preis für die Aktivität ist, dass man PEINLICH genau spielen muss.
Schon eine kleine Ungenauigkeit, und man leidet (sehe dies gerade in einer aktuellen Partie gegen Kurblatt, wo Weiss das vlt. beste System gegen Mod. Benoni spielt: zurückgehaltenes e4 zugunsten von Lf4, e3, h3, a4 und a5.)
Im orthodoxen Damengambit kann man sich als Schwarzer viel mehr kleine Fehltritte leisten, weil die Stellung positionell fester ist - dafür erhält man Gewinnchancen auch nur, wenn der Weisse ordentlich patzt.
Warum hat Ermenkov jetzt schlecht gespielt am Anfang:
Schaut man sich die Stellung nach 13 Zügen an, ist es traurig bestellt um ihn:
b5 geht offensichtlich nicht (ok, es ging doch, haarscharf WENN man der Engine glaubt später), der Hebel e6 fehlt, da xd6 schwach ist. Gegenspiel am KF ist nicht drin (f5 ist utopisch) UND der Lc8 ist schrecklich.
Verpasst hat Ermenkov in meinen Augen so zu spielen:
Züge wie oben, dann
5.... 00
Die Sache ist, dass Weiss nach dem gespielten 5....d6
6.Lb5+ spielen kann/sollte, da Schwarz nach 6....Ld7 7.a4 den Ld7 deplaziert hat und wieder ziehen muss.
Stattdessen besser
5....00
6. Le2 d6
7.00 e6 !, genau das hat er nämlich verpasst...
8.Sd2 Hauptzug exd
9.exd Sbd7
10.Sc4 Sb6
11.Se3 Se8
nebst f5 und Schwarz weiss, wo er spielen muss...
Ld7/Lg4 Sache:
Also der Lc8 ist dem Benoni Spieler nicht so genehm: Man will ihn gerne los werden, am liebsten gegen den Sf3, weil der stark ist zum Durchsetzen von e4-e5, der weissen Hauptidee.
Klappt das nicht, weil Weiss h3 zieht, tauscht man ihn gerne ab über xa6, gegen einen Ld3/Le2 nach vorherigem b6.
Sonst bleibt nur das eher passive Lb7 (was aber nur klappt, wenn Weiss nicht schon frühes a5 gespielt hat).
Ld7, um b5 zu spielen, nimmt dem Sb8 die Route Sd7-Se5. Oft geschieht Ld7 nur iVm Sa6-Sc7, was mir persönlich überhaupt nicht gefällt: Da mag ich lieber den Plan Sbd7-e5, Sfd7 und f5/g5.
Es sind eben 2 unterschiedliche Ideen, Modernes Benoni zu spielen.
Bei meinen Partien war es meist so, dass der Lc8 sich günstig gegen den Sf3 getauscht hat (immer mind. Remis) oder im Falle von h3 lange auf c8 verharrte, bis das Gegenspiel griff mit f5/g5.
Beim Nachspielen der ersten Züge gestern abend ist mir noch aufgefallen, wie schlecht Schwarz die Eröffnung gespielt hat.
Zur Frage: Inwiefern jetzt c4 wirklich nötig ist, um b5 zu verhindern: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass durch Auslassen von c4 zugunsten Sc3, Weiss mehr Chancen erhält (Meist waren das Übergänge vom Morra Gambit, in der Form 1.e4 c5 2.d4 e6 3.d5! exd5 4.exd5 d6 5.Sc3 Sf6 6.Le2 (VOR Sf3, um nach evtl. Lg4 Sd2 ziehen zu können.) etc.
Warum hat Schwarz schlecht gespielt?
Ich spiele auch abundan Modernes Benoni, auch gegen 2500+ hier bei CM.
Grundsätzlich ist es eine klasse Eröffnung. Man erhält Gewinnchancen durch die verschiedenen Pläne wie a6, b5 nach Vorbereitung (meist Tb8 und Sc7) oder auch Sbd7-Se5 iVm f5 (!) und/oder g5.
Der Preis für die Aktivität ist, dass man PEINLICH genau spielen muss.
Schon eine kleine Ungenauigkeit, und man leidet (sehe dies gerade in einer aktuellen Partie gegen Kurblatt, wo Weiss das vlt. beste System gegen Mod. Benoni spielt: zurückgehaltenes e4 zugunsten von Lf4, e3, h3, a4 und a5.)
Im orthodoxen Damengambit kann man sich als Schwarzer viel mehr kleine Fehltritte leisten, weil die Stellung positionell fester ist - dafür erhält man Gewinnchancen auch nur, wenn der Weisse ordentlich patzt.
Warum hat Ermenkov jetzt schlecht gespielt am Anfang:
Schaut man sich die Stellung nach 13 Zügen an, ist es traurig bestellt um ihn:
b5 geht offensichtlich nicht (ok, es ging doch, haarscharf WENN man der Engine glaubt später), der Hebel e6 fehlt, da xd6 schwach ist. Gegenspiel am KF ist nicht drin (f5 ist utopisch) UND der Lc8 ist schrecklich.
Verpasst hat Ermenkov in meinen Augen so zu spielen:
Züge wie oben, dann
5.... 00
Die Sache ist, dass Weiss nach dem gespielten 5....d6
6.Lb5+ spielen kann/sollte, da Schwarz nach 6....Ld7 7.a4 den Ld7 deplaziert hat und wieder ziehen muss.
Stattdessen besser
5....00
6. Le2 d6
7.00 e6 !, genau das hat er nämlich verpasst...
8.Sd2 Hauptzug exd
9.exd Sbd7
10.Sc4 Sb6
11.Se3 Se8
nebst f5 und Schwarz weiss, wo er spielen muss...
Ld7/Lg4 Sache:
Also der Lc8 ist dem Benoni Spieler nicht so genehm: Man will ihn gerne los werden, am liebsten gegen den Sf3, weil der stark ist zum Durchsetzen von e4-e5, der weissen Hauptidee.
Klappt das nicht, weil Weiss h3 zieht, tauscht man ihn gerne ab über xa6, gegen einen Ld3/Le2 nach vorherigem b6.
Sonst bleibt nur das eher passive Lb7 (was aber nur klappt, wenn Weiss nicht schon frühes a5 gespielt hat).
Ld7, um b5 zu spielen, nimmt dem Sb8 die Route Sd7-Se5. Oft geschieht Ld7 nur iVm Sa6-Sc7, was mir persönlich überhaupt nicht gefällt: Da mag ich lieber den Plan Sbd7-e5, Sfd7 und f5/g5.
Es sind eben 2 unterschiedliche Ideen, Modernes Benoni zu spielen.
Bei meinen Partien war es meist so, dass der Lc8 sich günstig gegen den Sf3 getauscht hat (immer mind. Remis) oder im Falle von h3 lange auf c8 verharrte, bis das Gegenspiel griff mit f5/g5.
Colorado77 - 30. Apr '15
Nachtrag zum Benoni an sich und der speziellen Variante, wo Ermenkov hätte besser spielen können:
Dadurch dass Weiss Raumvorteil hat, möchte Schwarz generell einen Sc4 abtauschen, was Weiss negiert, da sich oft die Springer auf die Füsse treten gegenseitig.
Dadurch dass Weiss Raumvorteil hat, möchte Schwarz generell einen Sc4 abtauschen, was Weiss negiert, da sich oft die Springer auf die Füsse treten gegenseitig.
Colorado77 - 30. Apr '15
Was es heisst, den Lc8 erst mal hinten stehen zu lassen zugunsten eines sofortigen Königsangriffs, zeigt folgende Glanzpartie, die Remis ausging, weil auch Weiss verdammt stark spielte.
Sogar mit Turmopfer auf a8 wie manchmal im Königsinder gesehen...
/game/8d861ad358cd4b9a
Sogar mit Turmopfer auf a8 wie manchmal im Königsinder gesehen...
/game/8d861ad358cd4b9a
Vabanque - 30. Apr '15
@Kellerdrache: Ja, wie schon oben geschrieben, ist mir der interessante Spielstil und die Schönheit der Partien eines Spielers wichtiger als die reine Spielstärke.
Aber interessant, dass du ausgerechnet Shirov und Ivanchuk erwähnst. Denn diese beiden zählen auch zu meinen absoluten Favoriten, auch wenn sie es nicht geschafft haben, auf Dauer an der absoluten Weltspitze zu bleiben.
Aber wie keine anderen haben sie es geschafft, immer wieder Stellungen aufs Brett zu zaubern, wie sie uns sonst nur in Träumen begegnen. Ich hatte schon lange vor, von diesen beiden noch so einige Partien zu zeigen. Aber die Aufgabe, solche Partien zu kommentieren, hat mich bisher immer überfordert.
@Colorado: Du scheinst ja direkt ein Spezialist für Benoni zu sein. Deine Darstellung der beiderseitigen Pläne ist sehr erhellend, weil du endlich mal etwas verständlich erklärst, statt einem nur einen Variantenwust um die Ohren zu hauen (wie es leider auch in den meisten Büchern bloß getan wird).
Du hast Recht, ich selber spiele mich Schwarz schon deswegen nie Benoni, weil man eben super-genau spielen muss, weil man sonst kein Gegenspiel erhält und dann die ganze Partie in einen einzigen Leidensweg ausartet.
Mit Weiß versuche ich es aber ebenso zu vermeiden, in Benoni-Stellungen zu kommen. Denn wenn es einer mit Schwarz kann, dann kommt Weiß nicht zu e5, während Schwarz b5 durchsetzt, und dann ist es Weiß, der nur noch Frust schiebt.
Aber interessant, dass du ausgerechnet Shirov und Ivanchuk erwähnst. Denn diese beiden zählen auch zu meinen absoluten Favoriten, auch wenn sie es nicht geschafft haben, auf Dauer an der absoluten Weltspitze zu bleiben.
Aber wie keine anderen haben sie es geschafft, immer wieder Stellungen aufs Brett zu zaubern, wie sie uns sonst nur in Träumen begegnen. Ich hatte schon lange vor, von diesen beiden noch so einige Partien zu zeigen. Aber die Aufgabe, solche Partien zu kommentieren, hat mich bisher immer überfordert.
@Colorado: Du scheinst ja direkt ein Spezialist für Benoni zu sein. Deine Darstellung der beiderseitigen Pläne ist sehr erhellend, weil du endlich mal etwas verständlich erklärst, statt einem nur einen Variantenwust um die Ohren zu hauen (wie es leider auch in den meisten Büchern bloß getan wird).
Du hast Recht, ich selber spiele mich Schwarz schon deswegen nie Benoni, weil man eben super-genau spielen muss, weil man sonst kein Gegenspiel erhält und dann die ganze Partie in einen einzigen Leidensweg ausartet.
Mit Weiß versuche ich es aber ebenso zu vermeiden, in Benoni-Stellungen zu kommen. Denn wenn es einer mit Schwarz kann, dann kommt Weiß nicht zu e5, während Schwarz b5 durchsetzt, und dann ist es Weiß, der nur noch Frust schiebt.