Kommentierte Spiele
Brillante Mattangriffe (XIII): Terpugov - Petrosian 1957
Vabanque - 08. Dez '15
Wie? Eine Petrosian-Partie in dieser Reihe? Hat der denn nicht nur langweilige Positionspartien gespielt? Nun ja, ein Positionsspieler war er sicherlich, aber ob er auch das generelle Prädikat 'langweilig' verdient, mag dahingestellt bleiben. Häufig hat Petrosian - ähnlich schon wie vor ihm Steinitz und Nimzowitsch - recht bizarre Stellungen aufs Brett gezaubert.
Unter Donner und Blitz gehen seine Partien allerdings tatsächlich eher selten zu Ende. Und doch war er ein hervorragender Taktiker. Er ging halt - im Gegensatz zu Tal oder Keres - nur dann zum direkten Angriff über, wenn er ihm zu 100% Erfolg versprechend schien.
Die folgende Partie ist ohne Übertreibung eine der erstaunlichsten, die ich jemals gesehen habe. Petrosian macht hier mit Schwarz keine Anstalten, sich zu entwickeln, im Gegenteil, er zieht mit Figuren und Bauern mehrfach, lässt seine Figuren sogar zurückwerfen, und doch kann Weiß mit dem ganzen Raum- und Entwicklungs'vorteil' nichts anfangen, er findet keinen Plan. Dann opfert Petrosian bei zurückliegender Entwicklung einfach einen Springer, nur um die b-Linie gegen den lang rochierten weißen König zu öffnen. Es gibt keinerlei forcierte Varianten, scheinbar hat Weiß jegliche Freiheit, sich zu verteidigen. Und Schwarz hat ja so gut wie keine Figuren im Spiel. Aber ach, Weiß findet keine Verteidigung, Schwarz holt die Entwicklung zügig nach, und dann fängt er an, weiter zu opfern, und bald steht Weiß vor dem Matt. Muss man da nicht zu einem glühenden Petrosian-Anhänger bekehrt werden?































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Unter Donner und Blitz gehen seine Partien allerdings tatsächlich eher selten zu Ende. Und doch war er ein hervorragender Taktiker. Er ging halt - im Gegensatz zu Tal oder Keres - nur dann zum direkten Angriff über, wenn er ihm zu 100% Erfolg versprechend schien.
Die folgende Partie ist ohne Übertreibung eine der erstaunlichsten, die ich jemals gesehen habe. Petrosian macht hier mit Schwarz keine Anstalten, sich zu entwickeln, im Gegenteil, er zieht mit Figuren und Bauern mehrfach, lässt seine Figuren sogar zurückwerfen, und doch kann Weiß mit dem ganzen Raum- und Entwicklungs'vorteil' nichts anfangen, er findet keinen Plan. Dann opfert Petrosian bei zurückliegender Entwicklung einfach einen Springer, nur um die b-Linie gegen den lang rochierten weißen König zu öffnen. Es gibt keinerlei forcierte Varianten, scheinbar hat Weiß jegliche Freiheit, sich zu verteidigen. Und Schwarz hat ja so gut wie keine Figuren im Spiel. Aber ach, Weiß findet keine Verteidigung, Schwarz holt die Entwicklung zügig nach, und dann fängt er an, weiter zu opfern, und bald steht Weiß vor dem Matt. Muss man da nicht zu einem glühenden Petrosian-Anhänger bekehrt werden?
Evgeny Terpugov Tigran Vartanovich Petrosian Zenit vs. Spartak | Moscow | 1957 | A46 | 0:1
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1. d4 Sf6 2. Sf3 d6 3. Sc3 Lg4 4. e4 c6 5. h3 Lxf3 6. Dxf3 Sbd7 Nun hat Petrosian seinem Gegner bereits das Läuferpaar und erheblichen Raumvorteil überlassen. Aber immerhin hat er das Problem seines Damenläufers gelöst. 7. Le3 e6 Hier hätten die Meisten von uns doch bestimmt e5 gespielt, um im Zentrum Fuß zu fassen. Aber Petrosian hat ein feines Positionsgefühl: durch den Abtausch des weißfeldrigen Läufers wurden die hellen Felder geschwächt, und so sucht Schwarz die Kontrolle über diese Felder durch eine Bauernkette e6-d5-c6 wieder herzustellen. 8. g4 d5 Nun hat Schwarz mit diesem Bauern schon zum zweiten Mal gezogen. Damit hätten wir doch sicher alle gezögert. 9. e5 Sg8 Noch dazu wo dieser Gaul jetzt auch keine andere Wahl hat, als wieder zurück in den Stall zu hüpfen. Aber Petrosian fürchtet sich nicht vor einem Rückzug auf die Grundreihe. 10. O-O-O b5 Bei praktisch nicht vorhandener Entwicklung macht er nun auch noch Bauernzüge ... 11. Ld3 Sb6 ... und zieht mit der einzigen im Spiel befindlichen Figur ein zweites Mal ... 12. Kb1 Sc4 ... und sogar noch ein drittes Mal! So spielen Anfänger ... oder Genies! 13. Lc1 Db6 Die Dame wird vor der Entwicklung des Königsflügels in Spiel geführt. 14. g5 Der mit diesem und dem nächsten Zug eingeleitete 'Angriff' bringt nichts ein, da die schwarze Stellung am Königsflügel - so beengt sie dort ist - keine Angriffspunkte besitzt. Aber Weiß ist um einen vernünftigen Plan verlegen. Um seine Überlegenheit an Raum und Entwicklung auszunutzen, müsste er Linien öffnen, und das geht in dieser Stellung schlecht. Se7 Auf Dxd4?? würde Weiß allerdings mit Lg6! gewinnen. 15. h4 c5! Schwarz - als der schlechter Entwickelte! - öffnet nun selbst Linien. Wir haben alle in den Lehrbüchern gelesen, dass man das niemals machen darf. 16. xc5 Dxc5 17. The1 Jetzt hing e5. g6 Nun soll die schwarze Entwicklung aber endlich abgeschlossen worden. Und wenn der Läufer dann auf g7 erscheint, hat Weiß auch wieder Probleme mit der Deckung von e5. 18. b3 Der Springer kann nun nicht gut zurück, da dann b5 hinge. Lg7! Aber Petrosian hat das alles im Voraus geplant. Er opfert den Springer, um die b-Linie zu öffnen - bei immer noch unvollständiger Entwicklung. Wie soll da ein Angriff möglich sein? 19. xc4 xc4 20. Lf1 O-O Rochade im 20. Zug - sicher auch eine Rarität. Allerdings ist diese späte Rochade in Petrosians Partien gar nicht so selten zu beobachten. Nun ist auch der Königsturm im Spiel und kann am Angriff teilnehmen. Trotzdem scheint auf den ersten Blick die Gefahr für Weiß immer noch gering. 21. Ka1 Tfb8 Plötzlich stehen die schwarzen Figuren in Angriffspositionen, die weißen dagegen zwar optisch 'gut entwickelt', aber wirkungslos. Schwarz droht Db4 zu spielen, wonach Weiß weder mit dem Lb2 noch mit dem Sc3 ziehen könnte. 22. Sb1 Weiß möchte seine Dame über die 3. Reihe mitwirken lassen. Auf Db4 könnte er nun La3 ziehen. Der plausible Textzug scheint aber ziemlich forciert zu verlieren. Vielleicht bestand eine Verteidigungschance ja noch in 22. De3 Db4 23. a3, wie einige Kommentatoren vorgeschlagen haben. Sc6 Einfach und kräftig. Der Springer nähert sich mit Tempo (e5 ist wieder mal bedroht) dem Hauptschauplatz. Eine Rettung ist hier für Weiß nicht mehr zu sehen. 23. Dg3 Weiß deckt e5. Auf La3 ginge nämlich einfach Sxe5! mit Öffnung der langen Diagonalen. Txb1+!! Mit einer Figur weniger opfert Schwarz auch noch die Qualität. 24. Kxb1 Tb8+ 25. Ka1 Auf Lb2 käme ebenfalls c3. c3! Das war's! Der Bauer schneidet die ganze weiße Armee von der Verteidigung ab. Es droht Db4 mit Mattdrohung - entweder auf b1, oder - wenn der Lc1 zieht, damit der Turm das Fekd b1 verteidigen kann - auf b2. (Außer bei La3, wo aber dann der Läufer geschlagen wird.) 26. Ld2 Hofft auf so etwas wie cxb2 27. Txb2 Db4 28. c3, was zwar ebenfalls gut für Schwarz wäre ... aber Petrosian beendet die Partie lieber direkt und hübsch. Sb4! Droht Sxc2#. Auf Dxc3 würde Schwarz dann zuvor die Damen tauschen, damit c2 nicht mehr gedeckt ist. 27. Ld3 Diese 'Deckung' von c2 bricht sofort wie ein Kartenhaus zusammen. Dc4! Auf dieses 'Damenopfer' (das keins ist, da die Dame wieder wegen Sc2# nicht genommen werden kann) gibt es keine Antwort mehr, da auch Matt auf a2 droht. Weiß gab auf.
cutter - 08. Dez '15
Eine hübsche Partie. Aber irgendwie hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, dass Petrosjan einfach Katz und Maus mit seinem überforderten Gegner gespielt hat. Immerhin - wenn ich nicht falsch nachgeschaut habe, sind da über 500 Elo-Punkte Unterschied.
plebs - 08. Dez '15
Danke für diese bemerkenswerte Partie!
Echt Petrosjan....ich verstehe nichts....
Gruß
Christoph
Echt Petrosjan....ich verstehe nichts....
Gruß
Christoph
Vabanque - 08. Dez '15
@cutter: Stimmt zwar schon, dass das nicht gerade ein Top-Gegner für einen Petrosian gewesen ist ... aber gegen stärkere als diesen spielte er teilweise auch nicht groß anders .... er nahm immer Figurenrückzuge in Kauf etc. ... ich bringe demnächst auch noch ein paar Beispiele.
@plebs (Christoph): Ja natürlich geht es mir ebenso ... VERSTANDEN habe ich die Partie nicht ... außer so etwa ab dem 20. Zug vielleicht ... aber ich finde sie einfach nur faszinierend ... und man sieht an dem Beispiel, dass man trotzdem kommentieren kann, auch wenn man nichts versteht ;)
@plebs (Christoph): Ja natürlich geht es mir ebenso ... VERSTANDEN habe ich die Partie nicht ... außer so etwa ab dem 20. Zug vielleicht ... aber ich finde sie einfach nur faszinierend ... und man sieht an dem Beispiel, dass man trotzdem kommentieren kann, auch wenn man nichts versteht ;)
Hasenrat - 08. Dez '15
Diese Partie finde ich ganz große Klasse!
Ich glaube, ich sollte mich mit Petrosjan beschäftigen! ;-)
Sehr aufreizend, sehr lässig - und es geht eben doch, sich hinten reinzustellen!
Ich glaube, ich sollte mich mit Petrosjan beschäftigen! ;-)
Sehr aufreizend, sehr lässig - und es geht eben doch, sich hinten reinzustellen!