Kommentierte Spiele
Große Partien ... (XIX): Tal - Fischer 1959
Vabanque - 20. Apr '14
Die Kontrahenten dieser Partie müssen den Lesern wohl kaum vorgestellt werden. Es war übrigens das letzte Mal, dass Tal gegen Fischer gewann; nach 1959 ist ihm das nie mehr gelungen.































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Mikhail Tal Robert James Fischer Bled-Zagreb-Belgrade Candidates | Bled, Zagreb & Belgrade YUG | 20 | 1959.10.11 | E93 | 1:0
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h

1. d4 Sf6 2. c4 g6 3. Sc3 Lg7 4. e4 d6 5. Le2 O-O 6. Sf3 Das klassische System im Königsinder. Es war typisch für Tal, dass er in der Eröffnung sich meist mit einfachen Entwicklungszügen zufrieden gab und nicht nach der letzten Finesse suchte. In der Tat war Tal wahrscheinlich derjenige unter den großen Spielern, der am wenigsten zur Entwicklung der Eröffnungstheorie beigetragen hat. Mir ist auch kein einziges Eröffnungsssystem bekannt, das nach Tal benannt wäre. Für Tal war die Eröffnung nur die Basis für die Komplikationen des Mittelspiels, in denen er sich wie ein Fisch im Wasser fühlte. e5 7. d5 Auf e5 ist hier kein Bauer zu gewinnen, weil Schwarz ihn schließlich mit Sxe4! (Aufdeckung der Diagonalen des Lg7 mit Gegenangriff auf den Se5) zurückerhält. Sbd7 8. Lg5 Das Petrosian-System, mit dem der Erfinder damals derart bemerkenswerte Erfolge feierte, dass man es zeitweise fast als Widerlegung der Königsindischen Verteidigung ansah. h6 Sonst spielt Weiß Dd2 und Schwarz wird die Fesselung nicht mehr los. 9. Lh4 a6 Heute ist längst bekannt, dass die beste Möglichkeit für Schwarz darin besteht, die Fesselung mit 9... g5 10. Lg3 Sh5 sofort völlig abzuschütteln. Die von Fischer gewählte Methode ist geistreich, aber langsam: Er will De8 spielen, aber ohne durch Sb5 gestört zu werden. 10. O-O De8 11. Sd2 Sh7 Logisch, um dem f-Bauern den Weg freizumachen. Aber, wie wir gleich sehen werden, kann der f-Bauer diesen Weg dann doch nicht so schnell beschreiten. 12. b4 Die Chancen von Weiß liegen in diesem Abspiel immer am Damenflügel. Nun kann Schwarz gar nicht f5 folgen lassen, weil nach 12... f5 13. exf5 gxf5 14. Lh5 Schwarz schon den Turm auf f7 zwischenstellen müsste, um seine Dame zu retten. Aber auch das Wiedernehmen auf f5 mit dem Turm (13... Txf5) führt zu Vorteil für Weiß, der das unangreifbare Feld e4 für seine Figuren nutzen kann. Lf6 Fischer entschließt sich, seinen sonst sowieso untätigen Läufer zu tauschen. Aber der Läufer fehlt später bei der Verteidigung des Königsflügels. Eine neuere Idee besteht in 12... h5, um den Läufer über h6 zu aktivieren. 13. Lxf6 Sxf6 14. Sb3 c4-c5 wird vorbereitet, während Schwarz zu dem entsprechenden Hebel f7-f5 wieder nicht so schnell kommt. De7 Wirkt c4-c5 entgegen. 15. Dd2 Jetzt hängt erstmal h6, auch eine Folge von 12... Lf6. Kh7 16. De3 Damit ist die weiße Dame schnell auf ein Feld gelangt, wo sie den Vorstoß c4-c5 unterstützt. Sg8 Schwarz hat den Plan f7-f5 noch nicht aufgegeben, der jetzt, wo der Lh4 getauscht ist, auch durchführbar ist. 17. c5 f5 18. xf5 xf5 19. f4!? Die Vorbereitung zu einem Bauernopfer, da Tal natürlich nicht vorhat, nach exf4 die Damen zu tauschen. xf4 Konnte hier Schwarz denn nicht mittels e5-e4 einen gedeckten Freibauern auf e4 etablieren? Aber Weiß hätte dann - entweder sofort oder nach Vorbereitung - mit g2-g4 die schwarze Bauernkette sprengen können. 20. Dxf4 xc5 Fischer nimmt das Bauernopfer an, womit Tal nicht gerechnet hatte! Nun sah er sich gezwungen, seine Auffassung, die Annahme des Bauernopfers sei unspielbar, durch geschickte taktische Manöver zu rechtfertigen. 21. Ld3 Legt den Finger auf die Wunde f5. xb4!? Sehr mutig, aber möglicherweise gerade noch spielbar. Sicherer erscheint jedenfalls Dg7. 22. Tae1 Df6? Und nun der Verlustzug! Dd6 war notwendig und richtig. 23. Te6! Damit hat Fischer anscheinend nicht gerechnet, weil doch der Sc3 hängt. Aber bei Tal muss man immer damit rechnen, dass er seine Figuren einfach hängen lässt. Dxc3 24. Lxf5+ Txf5 Das ist jetzt unbedingt notwendig, denn auf 24... Kg7 (Kh8 25. Txh6+ führt zum Matt) 25. Tg6+ Kf7 kann Weiß auf vielerlei Weisen gewinnen, am einfachsten vielleicht mittels 26. Lxd7+ Kxg6 27. Dxf8. 25. Dxf5+ Kh8 Nach Kg7 26. Tg6+ Kh8 27. Df7! wird Schwarz entweder auf g8 oder (nach Se7) auf h6 oder (z.B. nach Sdf6) auf g7 mattgesetzt. 26. Tf3! Eine merkwürdige Situation. Weiß führt den Angriff allein mit den schweren Figuren, aber der Springer sorgt dafür, dass die schwarze Dame kein sinnvolles Schach hat! (Das Feld e1 ist ihr allerdings vom Te6 verwehrt.) Db2 Nach Dg7 käme 27. Tg3 Dh7 (auf Df8 gewinnt Damentausch nebst Te8) 28. Te8!!, und auf Dxf5 folgt Matt in zwei Zügen durch die beiden Türme, beginnend mit Texg8+. 27. Te8 Auch jetzt kann die schwarze Dame kein Schach geben. Weiß droht jetzt z.B. Txg8+ oder Tg3. Daher bleibt nur die Rückgabe von weiterem Material: Sf6 28. Dxf6+ Dxf6 29. Txf6 Es droht jetzt Tff8. Kg7 30. Tff8 Se7 So entgeht Schwarz für den Moment weiteren Verlusten. 31. Sa5! Aber jetzt befindet er sich in einer Pseudo-Zugzwang-Situation: wenn der König zieht, schlägt Weiß den Se7; zieht der Springer, schlägt Weiß den Lc8; zieht der Läufer, schlägt Weiß den Ta8; zieht der b-Bauer, so gewinnt Sc6; zieht der c-Bauer, so gewinnt d6; und auf Ta7 gewinnt Tf1!, wonach entweder der Se7 oder der Lc8 verloren gehen. Es bleiben also nur Züge des h-Bauern oder Ta8-b8. h5 32. h4 Tb8 33. Sc4 Aber nun entscheidet die Springerwanderung nach e5. So nebenbei droht im Moment auch 34. d6 cxd6 35. Sxd6 mit Läufergewinn. b5 34. Se5 Jetzt kann Schwarz das drohende Matt in 2 Zügen (Tf7+ nebst Th8#) nur unter großen materiellen Verlusten verhindern bzw. aufschieben. Daher gab er hier auf.
baphumet - 21. Apr '14
Eine tolle Partien, und von dir wie gewohnt gut kommentiert und das
obwohl es sich bei Königsindisch um ein sehr theorielastiges Eröffnungssystem handelt. Großes Lob und vielen Dank
obwohl es sich bei Königsindisch um ein sehr theorielastiges Eröffnungssystem handelt. Großes Lob und vielen Dank
Vabanque - 21. Apr '14
Danke, dabei hab ich (als Grünfeld-indisch-Spieler) vom eigentlichen Königsindisch recht wenig Ahnung ... deswegen habe ich mich bei der Kommentierung der Eröffnung auf die grundsätzlichen strategischen Ideen beschränkt.
pirc_ - 21. Apr '14
schön...aber eine kleine frage zu dem Kommentar in Zug 6:
ist nach tal nicht die berg-und-tal fahrt benannt? ..oder ist das keine eigenständige Eröffnung? ;-)
ist nach tal nicht die berg-und-tal fahrt benannt? ..oder ist das keine eigenständige Eröffnung? ;-)
Vabanque - 21. Apr '14
Tja, diese Eröffnung kenn ich nicht ... aber hier in München gibt es zwischen Marienplatz und Isartor die Straße 'Tal', ist die nicht nach dem Exweltmeister benannt ? :-p
pirc_ - 21. Apr '14
ja dann muss er hier noch jung gewesen sein als er bei uns war, denn man nannte auch hier eine strasse nach ihm: Im Tälchen ;-)
du kennst die berg-und-tal Eröffnung nicht? ich spiel sie oft: erst gehst sehr bergauf und man glaubt zu gewinnen, bis dann das tal kommt und man verliert ;-)
du kennst die berg-und-tal Eröffnung nicht? ich spiel sie oft: erst gehst sehr bergauf und man glaubt zu gewinnen, bis dann das tal kommt und man verliert ;-)
Vabanque - 21. Apr '14
Dann hat Tal sie selber aber nicht sehr oft gespielt :))
patzer0815 - 21. Apr '14
In irgendeinem Schachbuch gelesen:
"Es gibt drei Phasen in einer Schachpartie: Die erste, in der man hofft, dass man besser steht, dann die zweite in der man meint, dass man besser steht und die dritte in der man weiß, dass man verlieren wird."
"Es gibt drei Phasen in einer Schachpartie: Die erste, in der man hofft, dass man besser steht, dann die zweite in der man meint, dass man besser steht und die dritte in der man weiß, dass man verlieren wird."
Vabanque - 21. Apr '14
Hmmm, so wie das klingt, könnte das Tartakower sein, der das gesagt hat ... der hatte immer so flotte Sprüche auf Lager ;)
Aber hey, der Typ muss meine Partien gekannt haben :))
Aber hey, der Typ muss meine Partien gekannt haben :))
pirc_ - 22. Apr '14
na gegen dich fehlt mir meist sogar die Phase 2 lieber SF patzer ;-)
patzer0815 - 22. Apr '14
Momentan solltest Du dem Gewinn nahe sein.