Kommentierte Spiele
Glanzpartien unbekannter Spieler (XXXIII)
Vabanque - 04. Dez '15
Die folgende Partie hätte ich schon auch in der Reihe 'Brillante Mattangriffe' bringen können, aber sie ist eher für meine andere - seit längerer Zeit nicht mehr gepflegte - Reihe 'Glanzpartien unbekantner Spieler' geradezu prädestiniert. Dem völlig unbekannten Schwede Hakan Akvist (geb. 1944) gelang hier seinerzeit im Turnier von Reggio Emilia ein Aufsehen erregender Sieg gegen den Turnierfavoriten, einen sowjetischen GM. Natürlich legte sich die Aufregung schnell wieder, nachdem Akvist solche Erfolge nicht wiederholen konnte. Trotzdem bleibt der Schluss vorliegender Partie - mit einem weit berechneten Turmopfer - für mich immer noch ganz erstaunlich.































PGN anzeigen
Hakan Akvist Gennadi Kuzmin Reggio Emilia | Reggio Emilia | 1976 | B83 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 c5 2. Sf3 e6 3. d4 xd4 4. Sxd4 Sc6 5. Le2 Sf6 6. Sc3 d6 7. O-O Le7 8. Le3 O-O 9. f4 Dc7 10. De1 In dieser so genannten Scheveninger Variante im Sizilianer ist dies ein übliches Manöver, die Dame zu Angriffszwecken zum Königsflügel zu überführen. Ld7 11. Dg3 Sxd4 Um das Feld c6 für den Läufer frei zu machen. 12. Lxd4 Lc6 13. Ld3 Diese Deckung von e4 war eigentlich noch gar nicht nötig, da Schwarz wegen des Matts auf g7 sowieso nicht auf e4 nehmen dürfte. Aber der Läufer steht auf d3 bereit, nach späterem Dh3 und e4-e5 gegen h7 zu wirken. b6 Die Dame soll nach b7 geführt werden, um am Druck gegen e4 teilzunehmen. 14. Tae1 Weiß überdeckt schon mal e4. Tad8 15. Kh1 Db7 16. Tf3 Logischer erscheint mir gleich Dh3. Aber der Textzug ist interessanterweise sogar mit verantwortlich für den späteren Glanzschluss, da er die weiße Grundreihe teilweise ungeschützt lässt. Schwarz wird durch diesen Umstand nämlich zu einer inkorrekten Kombination verleitet, die eine schlagende Gegenkombination zulässt. Tfe8 17. Dh3 Jetzt droht allerdings e4-e5, da der Sf6 wegen des drohenden Matts (Dxh7+ nebst Dh8#) nicht weichen dürfte, auch wenn Schwarz zuerst den Tf3 schlagen könnte. e5? Das ist der Beginn der erwähnten Kombination von Schwarz, die auf der weißen Grundreihe basiert. So geistreich die schwarze Idee ist, sie besitzt ein fatales Loch. 18. xe5 xe5 19. Lxe5 Sxe4? Natürlich führt Schwarz jetzt seine Idee auch durch und gibt nicht einfach einen Bauern verloren. 20. Sxe4 Lxe4 Wir erkennen jetzt, worauf Schwarz bei 17... e5 gebaut hat: nach 21. Lxe4 Dxe4! stünde er gut, da Weiß die Dame wegen des Grundreihenmatts nicht nehmen dürfte. 21. Dg4! Droht Matt auf g7 und greift gleichzeitig e4 nochmals an. Vielleicht hat Schwarz diesen Zug übersehen, wahrscheinlicher ist allerdings, dass er auf die folgende Parade vertraut hat: Lg6 Nun ist doch soweit alles im Lot, oder? 22. Txf7!! Keineswegs! Dieser Glanzzug reißt Schwarz unsanft aus seinem angenehmen Dämmerzustand. In der Tat gab er hier bereits auf! Aber wir wollen natürlich hier noch durchspielen, was geschehen wäre, wenn er weitergespielt hätte. Schwarz kann nun natürlich nicht mit dem Läufer nehmen wegen Dxg7 matt. Also muss er mit dem König nehmen, da g7 sowieso bedroht und anderweitig nicht zu decken ist (Lf8 Txb7). Kxf7 23. Lc4+ Td5 Denn auf Kf8 folgt 24. De6 mit Mattdrohung auf g8, die letzten Endes unabwendbar ist: auf z.B. Lc5 (um das Feld e7 freizumachen) folgt 25. Ld6+!! nebst Dg8#, da das Feld e7 dann wieder (vom Turm e1) kontrolliert wird. 24. Df3+ Ke6 25. Lg3+ Nun muss Schwarz den Td5 doch zurückgeben. Kd7 26. Lxd5 Da6 27. Le6+ Kd8 28. Da8+ nebst Matt. Wie gesagt, Schwarz gab bereits nach 22. Txf7!! auf. Ob er den gezeigten Schluss komplett gesehen hat, mag dahin gestellt bleiben, jedenfalls sah er, dass er keine Chance mehr hatte. Und hat Weiß das alles bei 22. Txf7 gesehen? Es ist ja eine wichtige allgemeine Frage, wie weit man bei solchen schwer wiegenden Opfern vorher gerechnet haben muss. (Eine andere Frage ist natürlich, wie weit man überhaupt rechnen kann.) Ich denke, bis zu 25. Lg3+ musste er es gesehen haben, um das Turmopfer zu bringen. Wenn man die Varianten bis dahin präzise ausgerechnet hat, kann man sicher sein, dass das Opfer korrekt ist, denn man bekommt dann mindestens den Turm zurück bei immer noch anhaltendem Angriff. Jedenfalls alles in allem, eine runde Leistung von Weiß.
Vabanque - 06. Dez '15
Herrlich, diese Ruhe hier in diesem Forum :-p
Hasenrat - 06. Dez '15
Den entsprechenden Satz sag ich auch immer laut beim Betreten eines Turniersaals. ;-)
Ich hab die Partie gestern Abend nachgespielt, aber irgendwie hat sie mich nicht so begeistert. Vielleicht weil sich alles im Grunde auf einen brachialen Schlagabtausch konzentrierte, den der eine besser, der andere schlechter berechnete. Natürlich immer noch eine beneidenswerte Glanzpartie - aber weniger schillernd, wie ich finde.
Ich hab die Partie gestern Abend nachgespielt, aber irgendwie hat sie mich nicht so begeistert. Vielleicht weil sich alles im Grunde auf einen brachialen Schlagabtausch konzentrierte, den der eine besser, der andere schlechter berechnete. Natürlich immer noch eine beneidenswerte Glanzpartie - aber weniger schillernd, wie ich finde.
plebs - 06. Dez '15
Lieber und geschätzter Vabanque
22. Txf7 ist ein Hammerzug. Sowas muß man erstmal sehen!
Ich nehme mal an, ich wäre an meinem Glück vorbei gegangen...zumindest in einer Nahpartie.
Wie immer schöne und wesentliche (!) Kommentare.
Danke und weiter so...laß dich nicht von fehlenden Reaktionen entmutigen. Ich weiß von vielen, daß sie deine Beiträge gerne genießen, obwohl sie keine Reaktion zeigen.
Gruß
Christoph
22. Txf7 ist ein Hammerzug. Sowas muß man erstmal sehen!
Ich nehme mal an, ich wäre an meinem Glück vorbei gegangen...zumindest in einer Nahpartie.
Wie immer schöne und wesentliche (!) Kommentare.
Danke und weiter so...laß dich nicht von fehlenden Reaktionen entmutigen. Ich weiß von vielen, daß sie deine Beiträge gerne genießen, obwohl sie keine Reaktion zeigen.
Gruß
Christoph
Beule - 06. Dez '15
Hallo Vabanque,
ich z.B. lese deine Partien immer und gerne mit, weil ich finde, das du ein sehr guter "Erklärbär" bist!! ;-)
Aber ich werde hier nichts (oder nur sehr wenig) dazu schreiben, da ich mit den Kommentaren und Analysen hier aufgrund meiner niedrigen Spielstärke und fehlendem Fachwissen nicht mithalten kann und mir die entsprechende Eloquenz fehlt. Nichts desto Trotz lese ich immer "heimlich" mit. Also mach bitte weiter so.
Aber forder die Reaktion nicht so oft ein, das stört ein wenig das Gesamtbild! ;-)...so, wie ich das "halte", werden das hier auch viele andre "halten". Stille Geniesser "halt" :-)
Gruß
Andi
ich z.B. lese deine Partien immer und gerne mit, weil ich finde, das du ein sehr guter "Erklärbär" bist!! ;-)
Aber ich werde hier nichts (oder nur sehr wenig) dazu schreiben, da ich mit den Kommentaren und Analysen hier aufgrund meiner niedrigen Spielstärke und fehlendem Fachwissen nicht mithalten kann und mir die entsprechende Eloquenz fehlt. Nichts desto Trotz lese ich immer "heimlich" mit. Also mach bitte weiter so.
Aber forder die Reaktion nicht so oft ein, das stört ein wenig das Gesamtbild! ;-)...so, wie ich das "halte", werden das hier auch viele andre "halten". Stille Geniesser "halt" :-)
Gruß
Andi
Vabanque - 06. Dez '15
@Hasenrat: Aber genau das möchte ich doch wissen, auch - oder gerade - wenn mal jemandem eine Partie nicht so gefallen hat. Dann wünsche ich mir, dass das derjenige auch schreibt, und natürlich auch warum (hast du ja getan)! Danke dafür, und dann weiß ich, warum eine Partie nicht so gut ankommt, und kann das vielleicht in Zukunft bei der Partieauswahl berücksichtigen :)
@Christoph: Ich denke, bei deiner Spielstärke hättest du das Turmopfer gesehen ...
@Beule: Danke :)
@Christoph: Ich denke, bei deiner Spielstärke hättest du das Turmopfer gesehen ...
@Beule: Danke :)
Hasenrat - 06. Dez '15
Dass eine Partie im Allgemeinen nicht gut ankommt und damit dann Einfluss auf eine künftige Auswahl hätte, würde ich aber erst als ins Gewicht fallend betrachten, wenn eine Partie mal ein Minus bekommt. ;-)
Es ist doch auch hierbei oft nur Geschmacksfrage.
Es ist doch auch hierbei oft nur Geschmacksfrage.
Beule - 06. Dez '15
und um gleich mal mit meinen Vorsätzen zu brechen ;-)
Meiner Meinung nach hätte sich schwarz zumindest aus der direkten Bredouille genommen, wenn er nach 21. Dg4 dann anstatt Lg6 zu spielen, lieber Lf6 gespielt hätte. Das hätte den Druck aus der Mattdrohung genommen und das Einfallfeld (was er ja aber zu dem Zeitpunkt noch gar nicht auf der Pfanne hatte) für den Turm versperrt....
Oder? ;-)
Meiner Meinung nach hätte sich schwarz zumindest aus der direkten Bredouille genommen, wenn er nach 21. Dg4 dann anstatt Lg6 zu spielen, lieber Lf6 gespielt hätte. Das hätte den Druck aus der Mattdrohung genommen und das Einfallfeld (was er ja aber zu dem Zeitpunkt noch gar nicht auf der Pfanne hatte) für den Turm versperrt....
Oder? ;-)
Vabanque - 06. Dez '15
Du meinst 21... Lf6? Darauf schlägt Weiß doch einfach 22. Lxf6, und Schwarz kann wegen der Fesselung nicht zurückschlagen, und schlimmer noch, es droht gleich wieder Matt auf g7. Stimmts?
Beule - 06. Dez '15
das ist richtig, aber dann nach Lg6 ist die Restspannung (zwar auf Kosten einer Figur) raus, oder?
Vabanque - 06. Dez '15
Ich schlage dann weiter Lxd8.
Vabanque - 07. Dez '15
Ich interpretiere das mal so, dass Beule mir jetzt glaubt :)