Kommentierte Spiele
Die Frauenweltmeisterinnen des 21. Jh. (III): Xu Yuhua
Vabanque - 04. Feb '25
Nachdem von 2004-2006 die Bulgarin Antoaneta Stefanova (siehe Folge 2) Frauenweltmeisterin gewesen war, holte sich China im Jahre 2006 sozusagen die Frauenweltmeisterschaft wieder nach Hause (dies sollte in der Folge noch ein paarmal so geschehen).
Weltmeisterin der Damen wurde nun Xu Yuhua (*1976), und ich bringe eine Partie aus Runde 2 des (damals im KO-Modus ausgetragenen) WM-Turniers 2006, in der Xu die Ukrainerin Anna Ushenina besiegte, welche 2012 selbst den Titel erlangte, und Gegenstand der Folge 6 sein wird.
Es ist beeindruckend zu sehen, wie schnell Xu aus einer üblichen und viel gespielten Eröffnungsvariante in Caro-Kann heraus einen unwiderstehlichen Angriff entwickelt und zu einem brillanten Abschluss bringt.
Leider ist Xu Yuhua seit 2011 schachlich inaktiv.































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Weltmeisterin der Damen wurde nun Xu Yuhua (*1976), und ich bringe eine Partie aus Runde 2 des (damals im KO-Modus ausgetragenen) WM-Turniers 2006, in der Xu die Ukrainerin Anna Ushenina besiegte, welche 2012 selbst den Titel erlangte, und Gegenstand der Folge 6 sein wird.
Es ist beeindruckend zu sehen, wie schnell Xu aus einer üblichen und viel gespielten Eröffnungsvariante in Caro-Kann heraus einen unwiderstehlichen Angriff entwickelt und zu einem brillanten Abschluss bringt.
Leider ist Xu Yuhua seit 2011 schachlich inaktiv.
Yuhua Xu Anna Ushenina Women's World Championship Knockout Tournament | Ekaterinburg RUS | 2.2 | 2006.03.14 | B18 | 1:0
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1. e4 c6 2. d4 d5 3. Sd2 xe4 4. Sxe4 Lf5 5. Sg3 Lg6 6. h4 h6 7. Sf3 Sd7 8. h5 Lh7 9. Ld3 Lxd3 10. Dxd3 e6 11. Ld2 Sgf6 12. O-O-O Le7 13. De2 O-O Beide Spielerinnen folgen einer Standardvariante in der Caro-Kann-Verteidigung. 14. Kb1 Ein oft nützlicher Sicherungszug nach der langen Rochade. Db6 15. c4 Tfe8 16. Se5 Tad8 17. Lc3 Aber jetzt hing der Bauer. c5 18. Sxd7 Sxd7 Vielleicht war das Schlagen mit dem Turm besser, denn jetzt ist eine Verteidigungsfigur vom schwarzen Königsflügel abgewandert. 19. Se4 xd4 20. Lxd4 Schwarz hat das weiße Bauernzentrum erfolgreich zerstört, aber die weißen Figuren - allen voran dieser Läuer - stehen einsatzbereit gegen den schwarzen Königsflügel. Trotzdem würde man an dieser Stelle kaum glauben, dass die Partie in weiteren 6 Zügen aus ist! Dc6 21. Dg4 Droht brutal Matt auf g7. Lf8 Gemäß der alten Regel, dass man in der Verteidigung schwächende Bauernzüge vermeiden soll, spielt Schwarz nicht ... f6. Und auf 21... e5 hätte der Läufer mit Tempo die Diagonale gewechselt: 22. Le3 mit der Drohung Lxh6. 22. Lf6! Hübsch gespielt; nach ... Sxf6? 23. Sxf6+ ginge der Te8 verloren; Schwarz muss den Td8 also wegziehen. Tc8 23. Th3 Der Turm rückt zur Verstärkung auf und möchte nach g3, um die Drohung gegen g7 zu erneuern. Jetzt ist guter Rat teuer. Dxc4? Droht zwar Matt in 3 Zügen durch Dc2+ und Dc1+ etc., verliert aber auf der Stelle. 24. Tc3 Wehrt die schwarze Drohung auf der c-Linie ab und bereitet den folgenden Schlag vor. Db5 25. Txd7! Sehr schön, und genau berechnet. Kh8 Verzweiflung, aber Schwarz ist in jedem Fall rettungslos. 26. Txf7
Oli1970 - 12. Mär '25
Bearbeitet
Xu hat aus dem Nichts eine schöne Angriffspartie gezaubert. Dabei sah die Variante erst nach einer friedlichen Einigung aus, sie ist offenbar sehr gut durchanalysiert und entsprechend häufig gespielt (und remisiert) worden. Nach 20 Zügen sieht das Brett vorteilhaft für Weiß aus, die Figuren stehen auf Angriff auf die schwarze Königsstellung. Trotzdem steht Ushenina sehr solide, alle wichtigen Felder sind gedeckt.
Sogar das angesprochene 21...f6 wäre noch keine echte Schwächung; wie sich der Zug im späteren Partieverlauf ausgewirkt hätte, bleibt natürlich unbekannt. Später, in Pogonina - Ushenina, 2008, 5. North Urals Cup, zog Ushenina 21...e5. Die Partie endete mit einem Remis, allerdings wechselte hier der Läufer nicht die Diagonale, es folgte 22.Lc3 Sf6 23.Sxf6+ Sxf6. In Risteski - Bogdanovski, 2018, Skopje Open zog Risteki 21...f6 und gewann gegen den 320 Elo höher gewerteten Bogdanovski in einer fehlerhaft fortgeführten Partie.































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Also auch kein guter Was-wäre-wenn-Vergleich.
Zurück zu Xu 😁: Zum 23. Zug von Schwarz bleibt anzumerken, dass statt Dxc4 Sc5 der einzig richtige Zug gewesen wäre. Es droht die Antwort Sd6 mit Doppelangriff auf beide Türme, was zwar laut Rechner ausgeglichen wäre, aber am Brett wohl nicht allzu attraktiv aussieht. Außerdem hätte Sc5 den Lf6 entlastet, insgesamt also nachvollziehbar, dass der Rettungsanker nicht nahe liegt.
Das Highlight ist natürlich 25.Td7, eine Granate kurz vor der Explosion. Dem hänge ich gerne noch ein weiteres "!" hintendran. :-) Klasse Partieende, kaum zu glauben, dass es hier noch keine (öffentliche) Beachtung fand.
(Bearbeitung: Schreibfehler korrigiert.)
Sogar das angesprochene 21...f6 wäre noch keine echte Schwächung; wie sich der Zug im späteren Partieverlauf ausgewirkt hätte, bleibt natürlich unbekannt. Später, in Pogonina - Ushenina, 2008, 5. North Urals Cup, zog Ushenina 21...e5. Die Partie endete mit einem Remis, allerdings wechselte hier der Läufer nicht die Diagonale, es folgte 22.Lc3 Sf6 23.Sxf6+ Sxf6. In Risteski - Bogdanovski, 2018, Skopje Open zog Risteki 21...f6 und gewann gegen den 320 Elo höher gewerteten Bogdanovski in einer fehlerhaft fortgeführten Partie.
Risteski, Emil Bogdanovski, Vlatko Open ch-MKD 2018 | Skopje MKD | 9.4 | 2018.12.23 | B19 | 1:0
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1. e4 c6 2. d4 d5 3. Sc3 xe4 4. Sxe4 Lf5 5. Sg3 Lg6 6. h4 h6 7. Sf3 Sd7 8. h5 Lh7 9. Ld3 Lxd3 10. Dxd3 e6 11. Ld2 Sgf6 12. O-O-O Le7 13. Kb1 Db6 14. c4 Td8 15. De2 O-O 16. Se5 Tfe8 17. Lc3 c5 18. Sxd7 Sxd7 19. Se4 xd4 20. Lxd4 Dc6 21. Dg4 f6 22. Th3? Vielleicht mit Plan Thd3, aber jedenfalls mit deutlichem Nachteil. Se5! Doppelangriff auf Dame und Bc4. 23. Lxe5? Die bessere Verteidigung war De2. So verliert Weiß eine Qualität. Txd1+ 24. Kc2 Td7? Statt deutlich besserem Ted8 vergibt dieser Zug einen großen Teil des Vorteils. 25. Lxf6 Dxc4+ 26. Tc3 Da4+ 27. Kc1 Lb4 Gleicht die Partie wieder völlig aus. 28. Le5 Kh8?? 29. Sc5 Schwarz gab auf.
Also auch kein guter Was-wäre-wenn-Vergleich.
Zurück zu Xu 😁: Zum 23. Zug von Schwarz bleibt anzumerken, dass statt Dxc4 Sc5 der einzig richtige Zug gewesen wäre. Es droht die Antwort Sd6 mit Doppelangriff auf beide Türme, was zwar laut Rechner ausgeglichen wäre, aber am Brett wohl nicht allzu attraktiv aussieht. Außerdem hätte Sc5 den Lf6 entlastet, insgesamt also nachvollziehbar, dass der Rettungsanker nicht nahe liegt.
Das Highlight ist natürlich 25.Td7, eine Granate kurz vor der Explosion. Dem hänge ich gerne noch ein weiteres "!" hintendran. :-) Klasse Partieende, kaum zu glauben, dass es hier noch keine (öffentliche) Beachtung fand.
(Bearbeitung: Schreibfehler korrigiert.)
Vabanque - 12. Mär '25
Bearbeitet
@Oli1970: Oh, da hast du ja tolle Parallel-Partien ausgegraben!
Auf 21... e5 sah für mich 22. Le3 mit der Drohung Lxh6 plausibel aus, verfolgt hatte ich das nicht weiter.
Und 21... f6, wenn schon mal h6 erfolgt ist, hinterlässt halt ein zumindest optisch sehr hässliches Loch auf g6, weswegen das geschehene Lf8 zunächst einmal am vorsichtigsten wirkt, auch wenn es sich dann nicht so erweist.
Die von dir kommentierte Partie Risteski-Bogdanowski ist natürlich äußerst wild und hat wegen der vielen beiderseitigen Fehlgriffe keine Beweiskraft. Trotzdem natürlich sehr interessant.
>>Zum 23. Zug von Schwarz bleibt anzumerken, dass statt Dxc4 Sc5 der einzig richtige Zug gewesen wäre. Es droht die Antwort Sd6 mit Doppelangriff auf beide Türme, was zwar laut Rechner ausgeglichen wäre, aber am Brett wohl nicht allzu attraktiv aussieht.<<
Ja, das hat mir Stockfish auch so gezeigt, aber die entstehenden Varianten sind so verzweigt und so kompliziert, dass sie eigentlich unkommentierbar sind. Daher habe ich sie ausgelassen. Schwarz muss nach 23... Sc5! 23. Sd6 die Qualität geben, und dass das trotzdem nicht verliert, war m.E. am Brett wohl kaum zu sehen. Das sind dann wirklich reine Computer-Verteidigungen. Sie funktionieren in der Theorie, aber nicht in der Praxis bei tickender Uhr und blank liegenden Nerven.
Auf 21... e5 sah für mich 22. Le3 mit der Drohung Lxh6 plausibel aus, verfolgt hatte ich das nicht weiter.
Und 21... f6, wenn schon mal h6 erfolgt ist, hinterlässt halt ein zumindest optisch sehr hässliches Loch auf g6, weswegen das geschehene Lf8 zunächst einmal am vorsichtigsten wirkt, auch wenn es sich dann nicht so erweist.
Die von dir kommentierte Partie Risteski-Bogdanowski ist natürlich äußerst wild und hat wegen der vielen beiderseitigen Fehlgriffe keine Beweiskraft. Trotzdem natürlich sehr interessant.
>>Zum 23. Zug von Schwarz bleibt anzumerken, dass statt Dxc4 Sc5 der einzig richtige Zug gewesen wäre. Es droht die Antwort Sd6 mit Doppelangriff auf beide Türme, was zwar laut Rechner ausgeglichen wäre, aber am Brett wohl nicht allzu attraktiv aussieht.<<
Ja, das hat mir Stockfish auch so gezeigt, aber die entstehenden Varianten sind so verzweigt und so kompliziert, dass sie eigentlich unkommentierbar sind. Daher habe ich sie ausgelassen. Schwarz muss nach 23... Sc5! 23. Sd6 die Qualität geben, und dass das trotzdem nicht verliert, war m.E. am Brett wohl kaum zu sehen. Das sind dann wirklich reine Computer-Verteidigungen. Sie funktionieren in der Theorie, aber nicht in der Praxis bei tickender Uhr und blank liegenden Nerven.