Kommentierte Spiele

Aktuelles Spitzenschach (III): Aronian - Carlsen 10.6.17

Vabanque - 18. Jun '17
Wie versprochen bringe ich aus dem jüngst beendeten Top-Turnier in Stavanger jetzt auch noch den Sieg Aronians über Carlsen.
Die Partie ist wahrscheinlich die beste des Turniers und auch eine der bemerkenswertesten der letzten Zeit. Bereits im 11. Zug (!) opfert Aronian am Damenflügel einen Bauern und eine Qualität, um die gegnerische Dame außer Spiel zu bringen. Dieses Opferspiel am Damenflügel bildet aber nur den Auftakt eines weiteren Opfers am Königsflügel. Man kann zwar im Zweifel sein, ob dieses Vorgehen bei bester Verteidigung zum Sieg geführt hätte, doch ähnlich wie in der kürzlich besprochenen Partie Carlsen - Karjakin schuf sich hier Aronian zumindest eine Stellung, die so kompliziert war, dass der Verteidiger (hier Carlsen) leicht fehlgehen konnte. Nachdem Carlsen lange Zeit die besten Züge gefunden hatte, strauchelte er schließlich mit seinem 31. Zug, der ihm endlich aktives Gegenspiel zu versprechen schien, der aber im Gegenteil zu schnellem Untergang führte.
Eine nicht nur von Aronian hervorragend gespielte, sondern auch sehr lebhafte und unterhaltsame Partie!

Levon Aronian Magnus Carlsen Altibox Norway | Stavanger NOR | 4.2 | 2017.06.10 | D45 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. d4 d5 2. c4 c6 3. Sf3 Sf6 4. Sc3 e6 5. e3 a6 Eine in ähnlichen Stellungen bekannte Idee. Schwarz möchte auf weißes Ld3 dxc4 nebst b5 und c5 folgen lassen mit Initiative am Damenflügel und Läuferentwicklung nach b7. Der folgende weiße Zug macht diese Ambitionen aber zunichte. 6. b3 Lb4 7. Ld2 Sonst Se4, was nun aber eine Figur verlieren würde. Sbd7 8. Ld3 O-O 9. O-O De7 Bisher alles bekannt und schon oft gespielt. Der nächste weiße Zug war mir unbekannt, aber ich habe keine großen Datenbanken, also weiß ich nicht, ob Aronians 10. Zug schon eine Neuerung ist oder erst sein 11. Zug. 10. Lc2 Td8 11. a3!? Ein absolut bemerkenswertes Bauernopfer, das bei der Annahme zu einem Qualitätsopfer führt. Lxa3 Carlsen greift zu. Nach dieser Partie muss bezweifelt werden, dass dies klug war. 12. Txa3! Dxa3 13. c5! Mit diesem Zug schneidet Aronian der schwarzen Dame den Rückzug ab; sie hat es nun sehr schwer, wieder ins Spiel zu gelangen, und sie droht sogar bald erobert zu werden. b6
Da5 geht ja auch nicht wegen 14. Sxd5!
14. b4! So kann Weiß c5 befestigen; die schwarze Dame kann ja wieder nicht zugreifen wegen Sxd5 (nebst evtl. Se7+ und Sxc6). Se4
Auf die 'logische' Sprengung der weißen Bauernkette durch a5 folgt Damenfang durch 15. Sb1 gefolgt von Lc3 und Lb3 (oder in umgekehrter Reihenfolge, je nach schwarzem Damenzug. Der Textzug verhindert dies durch Rückgabe eines Bauern.
15. Sxe4 xe4 16. Lxe4 Tb8 Carlsen ist bereit, einen weiteren Bauern zurückzugeben, um zu Gegenspiel zu kommen. Aber Aronian lässt sich nicht darauf ein. 17. Lxh7+! Jetzt, wo sich alles an der Damenseite abzuspielen scheint, schlägt Aronian plötzlich am anderen Flügel zu! Aber das ist nur logisch, denn die schwarzen Figuren am Damenflügel können seinem König ja nicht helfen. Das Läuferopfer auf h7 ist eigentlich ein abgedroschenes Standardopfer, doch wir werden gleich sehen, dass es hier mit neuer Pointe auftritt. Kxh7 18. Sg5+ Kg8
Kg6 19. Dg4 f5 oder Sf6 20. Dg3 mit gleichzeitigem Angriff auf den Turm b8 sowie Abzugsdrohung des Sg5
19. Dh5 Sf6 Wenn dieser Springer f6 betreten kann, liegt eigentlich ein typischer Fall vor, wo das Läuferopfer NICHT funktioniert. Es funktioniert hier aber trotzdem! 20. Dxf7+ f7 konnte Schwarz nicht decken. Kh8 21. Dc7! Dies ist die unübliche Pointe des Läuferopfers, die ich noch nirgends vorher gesehen hatte. Die Dame gabelt beide Türme, was den nächsten schwarzen Zug erzwingt, und macht gleichzeitig das Feld f7 für eine Springergabel frei. Ld7 22. Sf7+ Kh7 23. Sxd8 Weiß hat nun temporären Materialvorteil erzielt, allerdings ist die Kombination Aronians hier noch lange nicht zu Ende, da Schwarz durch das folgende Manöver Material zurückgewinnen kann. Tc8 24. Dxb6 Sd5 25. Da7 Txd8 26. e4! Eine weitere wichtige Pointe der Kombination. Der Ld2 wird befreit und kann nach g5 gelangen. Dd3
Eine andere Option war Sf6 27. Lg5 nun kann Figurenrückgewinn nicht verhindert werden, aber Schwarz kann noch weiße Bauern naschen Dxb4 28. e5 Dxd4 29. xf6 xf6 30. Le3 Dd3 so konnte Schwarz Materialgleichgewicht herstellen (wichtig ist, dass die schwarze Dame d7 verteidigen hilft, so dass weißes Dc7 nichts fruchtet), und die entstandene Stellung ist schwierig zu beurteilen. Wenn hier jemand Gewinnchancen hat, dann allerdings nur Weiß. Doch hat er wirklich reelle Gewinnchancen? Vielleicht gibt es aber irgendwo auch eine Verbesserung für Weiß in diesem Abspiel. Carlsen hat jedenfalls seine Rettung in der Elimination des Ld2 gesucht.
27. xd5!
ganz falsch wäre hier 27. Lg5? Dxe4! 28. Lxd8? Sf4! und Schwarz setzt matt: 29. f3 De2 30. Tf2 De1+ 31. Tf1 Se2+ nebst Dxf1#. Was für einen plötzlichen Szenenwechsel es in solchen offenen, taktisch betonten Stellungen doch geben kann!
Dxd2 28. Dc7 Dg5 29. xc6 Lc8 Wieder ist eine schwer zu beurteilende Stellung entstanden. Materiell ist sie mit 3 Bauern für die Figur ausgeglichen. Die schwarzen Figuren sind allerdings in gegenseitigen Bindungen verstrickt, so dass Weiß auf alle Fälle die besseren Chancen hat. 30. h3! Genau der richtige Zeitpunkt für ein Luftloch. Der Tf1 soll ja schließlich bald eingreifen und wird dazu letztendlich die Grundreihe verlassen müssen. Dd5 31. Td1 e5?
Hier hat Carlsen wohl einfach die Geduld verloren. Der Zug sieht optisch gut aus; er befreit den Lc8 und erobert durch die Fesselung anscheinend sogar den Bauern d4. Jedoch bestand die einzige Chance in Tf8 Dass die Engine die Stellung danach als ausgeglichen beurteilt, besagt für eine Partie, die zwischen menschlichen Gegnern unter Turnierbedingungen gespielt wird, freilich nur wenig.
32. Td3 Der Turm rückt auf und strebt nach g3, wo er g7 wirksam angreift. xd4 33. De7!
Noch stärker als sofortiges Tg3. Die Dame bezieht Position, um nach Tg3 Tg8 (oder Dg8) auf h4 mattsetzen zu können! Die Zugumstellung mit 33. Tg3 Tg8 34. De7? funktioniert nicht wegen Dxc6! und die schwarze Dame könnte auf Dh4+ nach h6 dazwischen gehen. Auf den Textzug dagegen ist Dxc6 nicht möglich, weil die Dame den Td8 nicht im Stich lassen darf.
Lf5 Diese scheinbar aktive Läuferentwicklung beschleunigt das Ende. Das unerfreuliche Tg8, wonach der König herausgetrieben wird, hielt immerhin noch etwas länger aus. 34. Tg3 Lg6
Tg8 35. Dh4#
35. Dh4+
Auch ohne Matt ist dieser Zug sehr effektiv; so effektiv, dass Carlsen hier aufgab. Ein möglicher Schluss wäre 35. Dh4+ Kg8
Lh5 36. Tg5
Dh5 36. Dxd8
36. Txg6 d3 der Freibauer ist die letzte scheinbare Chance 37. De7 Dd4 erzwungen 38. Txg7+ am einfachsten Dxg7 39. Dxd8+ nebst Dxd3 und leichtem Gewinn. Der in Stavanger in bestechender Form agierende Aronian hat hier eine sowohl im künstlerischen wie auch im sportlichen Sinne großartige Leistung vorgelegt.
PGN anzeigen[Event "Altibox Norway"]
[Site "Stavanger NOR"]
[Date "2017.06.10"]
[EventDate "2017.06.06"]
[Round "4.2"]
[Result "1-0"]
[White "Levon Aronian"]
[Black "Magnus Carlsen"]
[ECO "D45"]
[WhiteElo "2793"]
[BlackElo "2832"]
[PlyCount "69"]

1. d4 d5 2. c4 c6 3. Nf3 Nf6 4. Nc3 e6 5. e3 a6 {Eine in ähnlichen Stellungen bekannte Idee. Schwarz möchte auf weißes Ld3 dxc4 nebst b5 und c5 folgen lassen mit Initiative am Damenflügel und Läuferentwicklung nach b7. Der folgende weiße Zug macht diese Ambitionen aber zunichte.} 6. b3 Bb4 7. Bd2 {Sonst Se4, was nun aber eine Figur verlieren würde.} Nbd7 8. Bd3
O-O 9. O-O Qe7 {Bisher alles bekannt und schon oft gespielt. Der nächste weiße Zug war mir unbekannt, aber ich habe keine großen Datenbanken, also weiß ich nicht, ob Aronians 10. Zug schon eine Neuerung ist oder erst sein 11. Zug.} 10. Bc2 Rd8 11. a3!? {Ein absolut bemerkenswertes Bauernopfer, das bei der Annahme zu einem Qualitätsopfer führt.} Bxa3 {Carlsen greift zu. Nach dieser Partie muss bezweifelt werden, dass dies klug war.} 12. Rxa3! Qxa3 13. c5! {Mit diesem Zug schneidet Aronian der schwarzen Dame den Rückzug ab; sie hat es nun sehr schwer, wieder ins Spiel zu gelangen, und sie droht sogar bald erobert zu werden.} b6 (13... Qa5 {geht ja auch nicht wegen} 14. Nxd5!) 14. b4! {So kann Weiß c5 befestigen; die schwarze Dame kann ja wieder nicht zugreifen wegen Sxd5 (nebst evtl. Se7+ und Sxc6).} Ne4 ({Auf die 'logische' Sprengung der weißen Bauernkette durch}
14... a5 {folgt Damenfang durch} 15. Nb1 {gefolgt von Lc3 und Lb3 (oder in umgekehrter Reihenfolge, je nach schwarzem Damenzug. Der Textzug verhindert dies durch Rückgabe eines Bauern.}) 15. Nxe4 dxe4 16. Bxe4 Rb8 {Carlsen ist bereit, einen weiteren Bauern zurückzugeben, um zu Gegenspiel zu kommen. Aber Aronian lässt sich nicht darauf ein.} 17. Bxh7+! {Jetzt, wo sich alles an der Damenseite abzuspielen scheint, schlägt Aronian plötzlich am anderen Flügel zu! Aber das ist nur logisch, denn die schwarzen Figuren am Damenflügel können seinem König ja nicht helfen. Das Läuferopfer auf h7 ist eigentlich ein abgedroschenes Standardopfer, doch wir werden gleich sehen, dass es hier mit neuer Pointe auftritt.} Kxh7 18. Ng5+ Kg8 (18... Kg6 19. Qg4 f5 {oder Sf6} 20. Qg3 {mit gleichzeitigem Angriff auf den Turm b8 sowie Abzugsdrohung des Sg5}) 19.
Qh5 Nf6 {Wenn dieser Springer f6 betreten kann, liegt eigentlich ein typischer Fall vor, wo das Läuferopfer NICHT funktioniert. Es funktioniert hier aber trotzdem!} 20. Qxf7+ {f7 konnte Schwarz nicht decken.} Kh8 21. Qc7! {Dies ist die unübliche Pointe des Läuferopfers, die ich noch nirgends vorher gesehen hatte. Die Dame gabelt beide Türme, was den nächsten schwarzen Zug erzwingt, und macht gleichzeitig das Feld f7 für eine Springergabel frei.} Bd7 22. Nf7+ Kh7 23. Nxd8 {Weiß hat nun temporären Materialvorteil erzielt, allerdings ist die Kombination Aronians hier noch lange nicht zu Ende, da Schwarz durch das folgende Manöver Material zurückgewinnen kann.} Rc8 24. Qxb6 Nd5 25.
Qa7 Rxd8 26. e4! {Eine weitere wichtige Pointe der Kombination. Der Ld2 wird befreit und kann nach g5 gelangen.} Qd3 ({Eine andere Option war} 26... Nf6 27. Bg5 {nun kann Figurenrückgewinn nicht verhindert werden, aber Schwarz kann noch weiße Bauern naschen} Qxb4 28. e5 Qxd4 29. exf6 gxf6 30. Be3 Qd3 {so konnte Schwarz Materialgleichgewicht herstellen (wichtig ist, dass die schwarze Dame d7 verteidigen hilft, so dass weißes Dc7 nichts fruchtet), und die entstandene Stellung ist schwierig zu beurteilen. Wenn hier jemand Gewinnchancen hat, dann allerdings nur Weiß. Doch hat er wirklich reelle Gewinnchancen? Vielleicht gibt es aber irgendwo auch eine Verbesserung für Weiß in diesem Abspiel. Carlsen hat jedenfalls seine Rettung in der Elimination des Ld2 gesucht.}) 27. exd5! ({ganz falsch wäre hier} 27. Bg5? Qxe4! 28. Bxd8? Nf4! {und Schwarz setzt matt:} 29. f3 Qe2 30. Rf2 Qe1+ 31. Rf1 Ne2+ {nebst Dxf1#. Was für einen plötzlichen Szenenwechsel es in solchen offenen, taktisch betonten Stellungen doch geben kann!})
Qxd2 28. Qc7 Qg5 29. dxc6 Bc8 {Wieder ist eine schwer zu beurteilende Stellung entstanden. Materiell ist sie mit 3 Bauern für die Figur ausgeglichen. Die schwarzen Figuren sind allerdings in gegenseitigen Bindungen verstrickt, so dass Weiß auf alle Fälle die besseren Chancen hat.} 30. h3! {Genau der richtige Zeitpunkt für ein Luftloch. Der Tf1 soll ja schließlich bald eingreifen und wird dazu letztendlich die Grundreihe verlassen müssen.} Qd5 31. Rd1 e5? ({Hier hat Carlsen wohl einfach die Geduld verloren. Der Zug sieht optisch gut aus; er befreit den Lc8 und erobert durch die Fesselung anscheinend sogar den Bauern d4. Jedoch bestand die einzige Chance in} 31... Rf8 {Dass die Engine die Stellung danach als ausgeglichen beurteilt, besagt für eine Partie, die zwischen menschlichen Gegnern unter Turnierbedingungen gespielt wird, freilich nur wenig.}) 32. Rd3 {Der Turm rückt auf und strebt nach g3, wo er g7 wirksam angreift.} exd4
33. Qe7! ({Noch stärker als sofortiges Tg3. Die Dame bezieht Position, um nach Tg3 Tg8 (oder Dg8) auf h4 mattsetzen zu können! Die Zugumstellung mit} 33. Rg3 Rg8 34. Qe7? {funktioniert nicht wegen} Qxc6! {und die schwarze Dame könnte auf Dh4+ nach h6 dazwischen gehen. Auf den Textzug dagegen ist Dxc6 nicht möglich, weil die Dame den Td8 nicht im Stich lassen darf.}) Bf5 {Diese scheinbar aktive Läuferentwicklung beschleunigt das Ende. Das unerfreuliche Tg8, wonach der König herausgetrieben wird, hielt immerhin noch etwas länger aus.} 34. Rg3 Bg6 (34... Rg8 35. Qh4#) 35. Qh4+ ({Auch ohne Matt ist dieser Zug sehr effektiv; so effektiv, dass Carlsen hier aufgab. Ein möglicher Schluss wäre} 35.
Qh4+ Kg8 (35... Bh5 36. Rg5) (35... Qh5 36. Qxd8) 36. Rxg6 d3 {der Freibauer ist die letzte scheinbare Chance} 37. Qe7 Qd4 {erzwungen} 38.
Rxg7+ {am einfachsten} Qxg7 39. Qxd8+ {nebst Dxd3 und leichtem Gewinn. Der in Stavanger in bestechender Form agierende Aronian hat hier eine sowohl im künstlerischen wie auch im sportlichen Sinne großartige Leistung vorgelegt.}) 1-0
Colorado77 - 18. Jun '17
Tolle Kommentierung einer Wahnsinns-Partie!

Dieses 11.a3....

Eben in meiner DB nachgeschaut: Es ist so, dass wahrscheinlich für Carlsen dieses 10.Lc2 eine Überraschung war und er out of book war. Er spielte 10....Td8, was eine Neuerung ist. Aronian wird sich daheim darauf vorbereitet haben und der Zug a3 taucht auf, in Abweichung zu der Partie hier nämlich in mehreren Engine Games, wo Schwarz 10....b6 zog.
Die Logik ist ja nun, dass die Abriegelung nicht mehr so funktioniert mit weissen c5 wie hier in der Partie.
ES folgte dort also 10....b6 11.a3 Lxa3 12.e4! Lb2 13.e5 Se4 14.Sxe4 etc.

Man sieht, es sind dieselben Motive....
Defacto ist also 11.a3 ! eine N, angelehnt an dasselbe Motiv aus Engine-Partien.
Kellerdrache - 18. Jun '17
Ich habe mir gerade die beiden Partien aus Norwegen angesehen. Mein erster Gedanke bei dieser Partie war wie jemand der gegen Karjakin so präzise spielte ein Qualitätsopfer wie das hier gezeigte annehmen kann. Vielleicht bin ich übertrieben harsch und im nachhinein lässt sich immer gut reden, aber das die Annahme des Opfers seine Dame für längere Zeit aus dem Spiel nehmen würde hätte Carlsen eigentlich sehen müssen. Ich sage das nicht um Aronians Verdienst zu schmälern. Das Läuferopfer war wirklich sehr schön. Insbesondere weil es eben gegen "die Regeln" verstösst, wie Du ja im Kommentar erwähnt hast. Carlsen verteidigt sich ja nach dem Einschlag auf h7 sehr erfinderisch und es verlangt schon alle Genauigkeit den Sieg nicht wieder aus der Hand zu geben.
Der Kommentar ist wie gewohnt sehr gut und ermöglicht das Verständnis der nicht unbedingt einfachen Partie (vor allem ohne allzu viel Hilfe von Vorgängern bei der Kommentierung)
Vabanque - 18. Jun '17
Ich habe hier wirklich auf gar keine schon existenten Kommentare zurückgegriffen (obwohl sich wahrscheinlich schon welche im Netz finden lassen).
Es wäre interessant zu erfahren, ob man das als Leser auch merkt, dass hier (und bei der vorigen Partie) wirklich alles, was ich geschrieben habe, auf meinem eigenen Mist gewachsen ist. Natürlich schreibe ich immer alle Kommentare selber, aber bei alten Partien habe ich sehr oft Kommentare in mehreren Büchern vorliegen, an die ich mich teils anlehnen kann (wobei man dann oft merkt, dass die auch schon alle mehr oder weniger voneinander abgeschrieben haben).
Mikrowelle - 21. Jun '17
Hier der wie immer geniale Peter Svidler mit einer Kommentierung zu der Partie:

youtube.com/watch?v=5XBcbpc7ays
Vabanque - 21. Jun '17
Dann waren meine Bemühungen ja überflüssig ;)
Bluemax - 21. Jun '17
wohl eher nicht Vabanque !
um Swidler's kommentare nachvollziehen zu können sollte man, na sagen
wir mindestens 2000 elo mitbringen.
deine kommentare sind auch für den hobby schachspieler angenehm zu verstehen.

zur partie kann ich noch nix sagen, stehe noch etwas unter schock.
sehr außergewöhnlliche partie, grandios.
Vabanque - 21. Jun '17
Ich hab mir das Svidler-Video jetzt (natürlich) mal angesehen ... hm ja. Also da hat mir der Videokommentar von Grandelius zu der Carlsen - Karjakin- Partie doch deutlich besser gefallen, da dieser viel mehr auf allgemeinen Erklärungen (wo stehen welche Figuren gut und warum?) aufbaute.
Svidler bietet in 30 min eine unglaubliche Fülle von meistenteils ganz extrem komplizierten Varianten, die natürlich alle sehr interessant sind, die ich aber in dieser Geschwindigkeit, mit der sie präsentiert wurden, nur zum Teil nachvollziehen konnte. Nur einige wenige davon habe ich in meinem Kommentar gebracht - schon ganz einfach aus dem Grund, weil ich auf die meisten von Svidlers Varianten selber gar nie gekommen wäre (nicht mal in meinen kühnsten Träumen). Wobei Svidler ja auch immer wieder sagt : 'The machines suggest ... ' D.h. das meiste sind wirklich Züge bzw. Varianten, auf die nur Engines kommen. Wobei er dann - und das hat mir gut gefallen! - auch wieder den Unterschied zwischen Engine-Schach und menschlichem Schach sehr gut herausarbeitet. Stellungen, wo die 'machines' sagen, das wäre ziemlich ausgeglichen, die aber ein Mensch nicht halten wird bzw. auf die sich ein Mensch gar nicht erst einlassen wird. Oder umgekehrt, wo die Engines einen großen Vorteil für Weiß sehen, Svidler aber skeptisch war und die Stellung eher als unklar einschätzte.
Gut gefallen hat mir auch, dass Svidler einige Ideen, die hinter 10. Lc2 (ein Zug, den ich nicht wirklich verstand und deswegen auch nicht erklären konnte) standen, erläutert hat.
Erstaunt hat mich seine Behauptung, dass statt des 'selbstverständlichen' 29. dxc6 (was mir eben so selbstverständlich schien, dass ich es gar nicht kommentiert habe) 29. d6 viel stärker gewesen sein sollte, und zwar so stark, dass es für Weiß 'almost completely winning' sein soll. Hm. Muss ich mir wohl nochmal anschauen.
Oder in der Variante zum 26. Zug von Schwarz (Sf6 statt Magnus' Dd3), da wäre ich statt des 'selbstverständlichen' 27. Lg5 nie auf 27. b5 gekommen. Aber Svidler gibt ja quasi zu, dass er da selber nicht drauf kam bzw. dass sicher keiner der beiden Spieler an so etwas dachte. Typischer Engine-Zug halt.

Kurz und gut: Um solche Analysen zu präsentieren wie Svidler es hier tut, müsste ich entweder mindestens um 300-400 Elopunkte besser sein, oder zu jedem einzelnen Zug die Engine laufen lassen (und das recht lange), statt nur die Varianten kurz mit Engine zu überprüfen. Das wäre natürlich dann eine große Mehrarbeit, von der ich kaum annehme, dass sie sich lohnen würde, weder für mich noch für meine Leser.
Kellerdrache - 22. Jun '17
Wir haben da halt unsere Grenzen. Sowohl durch das was wir verstehen (und nur das kann man ja erläutern) als auch durch das was (wir glauben das) unsere Leser verstehen.
Svidler richtet sich ja unter anderem auch an Fortgeschrittene und sehr Fortgeschrittene was bei uns jetzt schon schwerer ist, da wir da selber schon gar nicht zugehören.
Es gibt ja auch einen Unterschied zwischen einer Analyse (die alle wichtigen Abspiele und Varianten enthalten sollte) und einem Kommentar (der schwierige Punkte erklärt und verständlich macht). So gesehen sehe ich mich eher in der Tradition von Pfleger und Hort (auch wenn ich nicht so viele Anekdoten kenne) als in der von Svidler ;-)).
Vabanque - 22. Jun '17
Genau. Analysen in dem von dir geschilderten Sinne kann ich bei Partien auf diesem Niveau sowieso nicht leisten. Und das ist auch gar nicht mein Ziel.
Pfleger-Kommentare zielten allerdings eher auf deutlich unterdurchschnittliche Spieler ab (hatte ich zumindest immer den Eindruck), während sich meine Kommentare an den Durchschnittsspieler richten. Und eingestreute Anekdoten sind ja nett, aber man kann es (siehe Pfleger) auch damit übertreiben.
Ich versuche immer die beiderseitigen Pläne und Gedanken herauszufinden und zu erläutern. Bei einer Partie wie der obigen ist das natürlich sehr schwierig. Mit der war ich überfordert, das gebe ich zu. Ich wollte sie trotzdem bringen, weil sie mir so gut gefiel. Nächstens kommen wieder deutlich einfachere Partien.
patzer0815 - 14. Nov '17
Aronian ist so ein kreativer und starker Spieler. Ich würde ihm wünschen, dass er in wichtigen Partien manchmal noch bessere Nerven hätte. Er gehört meiner Meinung nach zu den wenigen Spielern, die recht gute Aussichten hätten Carlsen in einem Wettlampf um den Weltmeistertitel zu schlagen (auch wenn dieser natürlich aktuell Favorit wäre).