Schach
Neuverfilmung Schachnovelle
Hasenrat - 11. Sep '21
Bald ist es soweit, in ca. anderthalb Wochen ist Kinostart der Neuverfilmung:
google.com/search?q=trailer+schachnovelle&oq=trailerschachnove..
Indessen hat der Schachflüsterer-Podcast ein ausführliches Interview mit dem Regisseur geführt (Folge 64).
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Indessen hat der Schachflüsterer-Podcast ein ausführliches Interview mit dem Regisseur geführt (Folge 64).
Hasenrat - 12. Sep '21
Hab das Interview Michael Busses mit Philipp Stölzl nun durchgehört (wegeneiner technischen Panne wurde es "nur" knapp 40 Minuten lang). Schon wieder noch mehr Appetit auf den Film machend.
Eine Frage, die ich selbst am ehesten gestellt hätte, wurde aber komplett ausgespart, nämlich nach dem Verhältnis zur legendären Vorgängerverfilmung mit Curd Jürgens. Wie arbeitet man sich daran ab als Regisseur, wie räumt man das aus dem Weg (für sich selbst, für die Schauspieler, für das spätere Publikum)?
Ich selbst hatte ja einen Aha-Effekt bei der neuen Boot-Serie (obwohl es ja nicht ganz hier passt, weil es im eigentlichen Sinne ja keine Neuverfilmung der alten Vorlage, sondern nur eine neue Verarbeitung des allg. Buchheimstoffs ist, nicht?): etwas ganz neues eigenständiges zu erschaffen geht, funktioniert! So dass sich beide nichts tun und selbstständig nebeneinander bestehen bleiben.
Eine Frage, die ich selbst am ehesten gestellt hätte, wurde aber komplett ausgespart, nämlich nach dem Verhältnis zur legendären Vorgängerverfilmung mit Curd Jürgens. Wie arbeitet man sich daran ab als Regisseur, wie räumt man das aus dem Weg (für sich selbst, für die Schauspieler, für das spätere Publikum)?
Ich selbst hatte ja einen Aha-Effekt bei der neuen Boot-Serie (obwohl es ja nicht ganz hier passt, weil es im eigentlichen Sinne ja keine Neuverfilmung der alten Vorlage, sondern nur eine neue Verarbeitung des allg. Buchheimstoffs ist, nicht?): etwas ganz neues eigenständiges zu erschaffen geht, funktioniert! So dass sich beide nichts tun und selbstständig nebeneinander bestehen bleiben.
Hasenrat - 22. Sep '21
Feyerabend - 22. Sep '21
Ich erinnere die Schachnovelle, das Buch, nur noch sehr begrenzt. Nach Jahrzehnten habe ich sicher falsche Erinnerungen.
Was ich damals aber als völlig unrealistisch empfand war die Vorstellung, dass jemand, nur mit Schachbuch und Schachspiel zu einen super guten Schachspieler werden könnte.
Meiner Meinung nach kann man nur durch Spielpraxis plus Theorie zum Spitzenpieler werden.
Wie seht ihr das?
Was ich damals aber als völlig unrealistisch empfand war die Vorstellung, dass jemand, nur mit Schachbuch und Schachspiel zu einen super guten Schachspieler werden könnte.
Meiner Meinung nach kann man nur durch Spielpraxis plus Theorie zum Spitzenpieler werden.
Wie seht ihr das?
Hasenrat - 22. Sep '21
Wenn das Wesen der Novelle die ganz unwahrscheinliche "unerhörte Begebenheit" ist, die dort beschrieben wird, nach Goethe (?), dann ist das eben ganz unerhört, dass man so zum Schachgenie wird. Die normale Ochsentour wäre keine novellenmäßige Neuigkeit ... 😉
toby84 - 22. Sep '21
also ich denke, es muss sich hierbei schon um eine person handeln, die in der lage ist, partien im kopf blind durchzuspielen, und das ist bereits ein enormer vorteil für eine schachkarriere. diese person hat ein buch mit hochkarätigen partien, die sie in endlosen einsamen stunden von vorne nach hinten durchanalysiert und zahllose varianten ausprobiert und durchrechnet. wir können wohl davon ausgehen, dass schachliche grundkenntnisse schon vorher vorhanden waren. wenn ich mich recht entsinne, wird zudem beschrieben, dass der protagonist irgendwann dazu übergeht, partien gegen sich selbst zu spielen und damit seinen kenntnisschatz noch zu erweitern.
nehmen wir also an, dass diese person im entscheidenden match eine variante vorgesetzt bekommt, die ihr so ähnlich schon über den weg gelaufen ist, dann halte ich es für plausibel, dass sie sich darin hervorragend auskennt. ich gehe davon aus, dass der sieg nicht in allen möglichen eröffnungen und varianten gelungen wäre, denn zweifellos wird so eine einsame studie mit nur einem einzigen buch - und sei sie noch so fanatisch - irgendwo an ihre grenzen stoßen.
nehmen wir also an, dass diese person im entscheidenden match eine variante vorgesetzt bekommt, die ihr so ähnlich schon über den weg gelaufen ist, dann halte ich es für plausibel, dass sie sich darin hervorragend auskennt. ich gehe davon aus, dass der sieg nicht in allen möglichen eröffnungen und varianten gelungen wäre, denn zweifellos wird so eine einsame studie mit nur einem einzigen buch - und sei sie noch so fanatisch - irgendwo an ihre grenzen stoßen.
Alapin2 - 22. Sep '21
Von Capablanca ist bekannt,dass er,ohne vorher die Regeln zu kennen,regelmäßig bei Partien zwischen Verwandten zugeschaut hat.Später dann hat er sie weggehauen.Da gibt es noch ä hnliche Beispiele.
Wir “Normalos“begreifen sowas eher nicht.
Wir “Normalos“begreifen sowas eher nicht.
Hasenrat - 22. Sep '21
@toby84
"(...) hat ein buch mit hochkarätigen partien, die sie in endlosen einsamen stunden von vorne nach hinten durchanalysiert und zahllose varianten ausprobiert und durchrechnet. wir können wohl davon ausgehen, dass schachliche grundkenntnisse schon vorher vorhanden waren. (...) wird zudem beschrieben, dass der protagonist irgendwann dazu übergeht, partien gegen sich selbst zu spielen und damit seinen kenntnisschatz noch zu erweitern."
Also im Grunde die AlphaZero-Methode ... 😅
"(...) hat ein buch mit hochkarätigen partien, die sie in endlosen einsamen stunden von vorne nach hinten durchanalysiert und zahllose varianten ausprobiert und durchrechnet. wir können wohl davon ausgehen, dass schachliche grundkenntnisse schon vorher vorhanden waren. (...) wird zudem beschrieben, dass der protagonist irgendwann dazu übergeht, partien gegen sich selbst zu spielen und damit seinen kenntnisschatz noch zu erweitern."
Also im Grunde die AlphaZero-Methode ... 😅
Vabanque - 24. Sep '21
Nun, ich kann mir kaum vorstellen, dass die 'Methode', mit der Zweigs fiktiver Dr. B. Schach erlernt, in der Realität wirklich funktionieren würde. Zweig selber war ja auch kein Schachspieler, und es ging ihm auch nicht um eine realistische Darstellung schachlichen Denkens, sondern mehr darum, wie ein Mensch unter extremen Bedingungen, die ihm jede intellektuelle Tätigkeit verwehren (und ihn damit mürbe zu machen versuchen), sich an einen geistigen Strohhalm klammert und damit überlebt, und auch, wie seine so erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht wirklich verwertbar sind, weil sie für immer unauflöslich mit den traumatischen Erfahrungen verknüpft sein werden, unter denen sie erlangt worden waren.
Lange ist es her, dass ich die alte Verfilmung mit Curd Jürgens gesehen habe. Natürlich spielt er herausragend, natürlich gibt es großartige und intensive Szenen, aber mich hat damals der freie Umgang mit Zweigs knapper, ungemein verdichteter Novelle schon ziemlich gestört (auch wenn manche Szenen, vor allem auch die Schlussszene, dann wieder direkt aus der Novelle entnommen wurden). Drehbuchautoren und Regisseure fühlen sich bei Verfilmungen von Novellen und Romanen oft 'verpflichtet', viel eigenes Drumherum zu erfinden, was aber das Werk nur selten verbessert, vor allem dann nicht, wenn die zu Grunde liegende Novelle so stark ist wie hier. Neuverfilmungen sind ja häufig deutlich werkgetreuer als frühere Verfilmungen (manchmal auch werkgetreu bis zur Sterilität, was dann wieder das andere Extrem ist), aber wenn man der verlinkten Rezension glauben darf, ist dies hier eher nicht der Fall, sondern auch diesmal wurde die Geschichte kräftig 'ausgebaut', wohl kaum zu ihrem Vorteil.
Es existiert eine alte Bearbeitung der Schachnovelle als Radiohörspiel (1959), die ich als ziemlich werkgetreu in Erinnerung habe. Willy Trenk-Trebitsch spricht darin den Dr. B. absolut beeindruckend; interessanterweise mimt Mario Adorf hier genau wie in der nur ein Jahr später entstandenen Curd Jürgens-Verfilmung den fiktiven Weltmeister.
Wie wenig Zweig von Schach verstand, wird vor allem bei der Charakterisierung dieses fiktiven Weltmeisters Centovic deutlich. Hier hat er es mit der Darstellung einer Inselbegabung deutlich übertrieben. Nie hat es einen Weltmeister, nicht einmal einen GM oder IM gegeben, der intellektuell sonst derart minderbemittelt war wie dieser Centovic. Angeblich konnte dieser fiktive WM nicht einmal eine Partie ohne Ansicht des Brettes spielen, was doch schon jeder Spieler ab einer Stärke von ca. 1800 kann (ob gut oder nicht).
Ja, ich denke, Zweigs Sicht auf das Schach im Allgemeinen ist sehr verzerrt, was natürlich nichts am literarischen Rang der Novelle ändert. Es wird zwar von falschen Voraussetzungen ausgegangen, aber unter diesen falschen Voraussetzungen entsteht eine stimmige und intensive Darstellung.
Lange ist es her, dass ich die alte Verfilmung mit Curd Jürgens gesehen habe. Natürlich spielt er herausragend, natürlich gibt es großartige und intensive Szenen, aber mich hat damals der freie Umgang mit Zweigs knapper, ungemein verdichteter Novelle schon ziemlich gestört (auch wenn manche Szenen, vor allem auch die Schlussszene, dann wieder direkt aus der Novelle entnommen wurden). Drehbuchautoren und Regisseure fühlen sich bei Verfilmungen von Novellen und Romanen oft 'verpflichtet', viel eigenes Drumherum zu erfinden, was aber das Werk nur selten verbessert, vor allem dann nicht, wenn die zu Grunde liegende Novelle so stark ist wie hier. Neuverfilmungen sind ja häufig deutlich werkgetreuer als frühere Verfilmungen (manchmal auch werkgetreu bis zur Sterilität, was dann wieder das andere Extrem ist), aber wenn man der verlinkten Rezension glauben darf, ist dies hier eher nicht der Fall, sondern auch diesmal wurde die Geschichte kräftig 'ausgebaut', wohl kaum zu ihrem Vorteil.
Es existiert eine alte Bearbeitung der Schachnovelle als Radiohörspiel (1959), die ich als ziemlich werkgetreu in Erinnerung habe. Willy Trenk-Trebitsch spricht darin den Dr. B. absolut beeindruckend; interessanterweise mimt Mario Adorf hier genau wie in der nur ein Jahr später entstandenen Curd Jürgens-Verfilmung den fiktiven Weltmeister.
Wie wenig Zweig von Schach verstand, wird vor allem bei der Charakterisierung dieses fiktiven Weltmeisters Centovic deutlich. Hier hat er es mit der Darstellung einer Inselbegabung deutlich übertrieben. Nie hat es einen Weltmeister, nicht einmal einen GM oder IM gegeben, der intellektuell sonst derart minderbemittelt war wie dieser Centovic. Angeblich konnte dieser fiktive WM nicht einmal eine Partie ohne Ansicht des Brettes spielen, was doch schon jeder Spieler ab einer Stärke von ca. 1800 kann (ob gut oder nicht).
Ja, ich denke, Zweigs Sicht auf das Schach im Allgemeinen ist sehr verzerrt, was natürlich nichts am literarischen Rang der Novelle ändert. Es wird zwar von falschen Voraussetzungen ausgegangen, aber unter diesen falschen Voraussetzungen entsteht eine stimmige und intensive Darstellung.
Hasenrat - 24. Sep '21
Nun, es geht ja auch nicht eigentlich ums Schach, sondern das Schach ist hier nur Vehikel.
Der WM Centovic soll die Blasiertheit und Unfähigkeit, die Scheingröße und die Dummheit des emporgekommenen Nazis schlechthin verkörpern. Also eine Allegorie.
Und die Verfilmung einer Novelle muss notgedrungen die Handlung erweitern, ein Novellenstoff ist noch kein Drehbuch.
Der WM Centovic soll die Blasiertheit und Unfähigkeit, die Scheingröße und die Dummheit des emporgekommenen Nazis schlechthin verkörpern. Also eine Allegorie.
Und die Verfilmung einer Novelle muss notgedrungen die Handlung erweitern, ein Novellenstoff ist noch kein Drehbuch.
Hasenrat - 24. Sep '21
Und so unrealistisch finde ich die dargestellte Inselbegabung gar nicht. Ich kannte begabte Schachspieler (natürlich nicht auf GM-Ebene), die auf eine sehr unangenehme Art ganz außerordentlich dumm waren, vor allem (aber nicht nur!) im Bereich der sozialen Intelligenz.
Alapin2 - 24. Sep '21
Dazu :
1)Stefan Zweig hat sich lange genug in der Wiener Intellektuellen-,Künstler- und Kaffeehausszene herumgetrieben,dass er sicherlich etwas Ahnung von Schach hatte.Zumindest jedoch Spieler kennengelernt hat,die eben einfach nur Zocker,autistisch oder eben auch “ungebildete Landpommeranzen aus dem hintersten Galizien“ waren.Wie er ähnlich den Centovic beschreibt.
2)Interpretierungen sind häufig,weil nicht nachweisbar,subjektiv.
3)Herrliche alte Persiflage:Wigald Boning und Olli Dittrich bei einer Bildinterpretation:“Das Ampelmännchen“.Wie man eine Fussgängerampel auf sich einwirken lassen kann !
4)Habe leider die Zweig-Autobiografie nicht mit im Urlaub,sonst könnte ich qualifizierter Stellung nehmen.
1)Stefan Zweig hat sich lange genug in der Wiener Intellektuellen-,Künstler- und Kaffeehausszene herumgetrieben,dass er sicherlich etwas Ahnung von Schach hatte.Zumindest jedoch Spieler kennengelernt hat,die eben einfach nur Zocker,autistisch oder eben auch “ungebildete Landpommeranzen aus dem hintersten Galizien“ waren.Wie er ähnlich den Centovic beschreibt.
2)Interpretierungen sind häufig,weil nicht nachweisbar,subjektiv.
3)Herrliche alte Persiflage:Wigald Boning und Olli Dittrich bei einer Bildinterpretation:“Das Ampelmännchen“.Wie man eine Fussgängerampel auf sich einwirken lassen kann !
4)Habe leider die Zweig-Autobiografie nicht mit im Urlaub,sonst könnte ich qualifizierter Stellung nehmen.
Hasenrat - 17. Apr '22
Habe die Neuverfilmung nun endlich auch gesehen - und muss sie wirklich loben.
Eine eigenständige Adaption und Interpretation des Stoffes, die mir sehr gefällt.
Ich finde, es kommt da ein bisschen der "Geist Lushins" rein ...^^
Die Schauspielerleistung Oliver Masuccis ist hervorragend.
Etwas übertrieben und misslungen, da viel zu sehr aufgetragen, war die Darstellung Czentovics. Dieses beständige bestienhafte, dumpf tief gebeugte Grunzen und Schnauben ... - allerdings gefiel mir dann wieder seine Art, die Uhr zu betätigen: schwerfällig mit der ganzen Hand, dem Handteller - ich glaub, so verfahre ich künftig auch ... ;-)
Und vor allem löst sich nun auf schlüssige Weise das ewige Rätsel, warum und wie der Dr. B. aus heiterem Himmel so glänzend genial Schach spielen konnte - aber ich will nicht spoilern ... ;-)
Eine eigenständige Adaption und Interpretation des Stoffes, die mir sehr gefällt.
Ich finde, es kommt da ein bisschen der "Geist Lushins" rein ...^^
Die Schauspielerleistung Oliver Masuccis ist hervorragend.
Etwas übertrieben und misslungen, da viel zu sehr aufgetragen, war die Darstellung Czentovics. Dieses beständige bestienhafte, dumpf tief gebeugte Grunzen und Schnauben ... - allerdings gefiel mir dann wieder seine Art, die Uhr zu betätigen: schwerfällig mit der ganzen Hand, dem Handteller - ich glaub, so verfahre ich künftig auch ... ;-)
Und vor allem löst sich nun auf schlüssige Weise das ewige Rätsel, warum und wie der Dr. B. aus heiterem Himmel so glänzend genial Schach spielen konnte - aber ich will nicht spoilern ... ;-)
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