Kommentierte Spiele

Spektakuläre Schwarzsiege (II): Rombaldoni - Garcia Palermo

Vabanque - 19. Sep '16
Hatte im vorigen Beispiel Topalov in der Eröffnung Zeit verloren und seinen Königsflügel geschwächt, so ist es hier eine Schwächung des Damenflügels, die frühzeitig die Partie entscheidet. Merkwürdigerweise führt diese Schwächung des Damenflügels aber dann zu einer Entscheidung durch direkten Angriff am Königsflügel.
Aber auch bei dieser Partie hat man den Eindruck, hier spiele ein Amateur gegen einen GM. In Wirklichkeit ist der Weißspieler ein GM (wenn er auch zum Zeitpunkt der Partie noch IM war). Beim Schwarzspieler handelt es sich, wie ich herausgefunden habe, nun tatsächlich um den Mann, der 1970 als damals 17-jähriger in einem Simultanspiel Bobby Fischer mit Schwarz eine Niederlage in 15 Zügen beibrachte. Später wurde der gebürtige Argentinier Garcia Palermo (geb. 1953) ein GM, der heute in Italien lebt. Dort spielte er in der Italienschen Meisterschaft von 2010 folgende Partie gegen den aufstrebenden jungen Axel Rombaldoni (geb. 1992), und zeigte ihm, dass er immer noch so einiges auf dem Kasten hat ...

Axel Rombaldoni Carlos Garcia Palermo 70th ch-ITA | Siena ITA | 2 | 2010.11.24 | C53 | 0:1
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lc4 Der junge Italiener fühlt sich wohl moralisch verpflichtet, die Italienische Eröffnung zu wählen, in der er sich aber nicht auszukennen scheint. Lc5 4. c3 d6 5. O-O Sf6 6. d4 xd4 Üblicher ist es hier, die Zentrumsspannung mit Lb6 zu halten. 7. xd4 Lb6 8. d5?! Dieser Vorstoß blockiert die Diagonale des Lc4 und ist daher kaum verständlich. Se7 9. Sc3 O-O 10. h3 Nimmt dem schwarzen Lc8 das Feld g4; Rombaldoni konnte an dieser Stelle ja kaum ahnen, dass er letztlich seinem Gegner damit die Handhabe zum entscheidenden Schlag liefern würde. Sg6 11. Te1 Te8 12. Sd4 Obwohl Weiß mehr Raum besitzt, fällt es ihm schwer, in dieser Stellung einen vernünftigen Plan zu finden. Er hat Schwierigkeiten, seinen Damenläufer zu entwickeln, denn auf Le3 käme Sxe4, auf Lg5 einfach h6, da Weiß dann die Fesselung nicht aufrecht erhalten könnte (der Sg6 kontrolliert ja das Feld h4). a6 13. b4?! Diese Schwächung des Damenflügels wird sich schnell verhängnisvoll auswirken. Sh5! Der kann erstens nicht genommen werden, weil dann der Sd4 hinge, und außerdem kann Weiß jetzt seinen Plan Lb2 nicht verwirklichen, da dann gleich Sgf4 (oder Shf4) mit der schnell entscheidenden Möglichkeit Dg5 käme. 14. Sf5?
Und das ist bereits der Verlustzug! Entweder Weiß wurde es schlagartig bewusst, wie schlecht seine Stellung bereits geworden war, und der Textzug ist eine (allerdings noch völlig unnötige) Panikreaktion, oder aber er meinte immer noch ganz gut zu stehen, und sich solche Springereskapaden leisten zu können. Nach dem korrekten 14. Le3! Shf4 15. Lf1! hatte Weiß noch keinen Anlass zur Sorge. Auf Dg5 könnte nun ganz einfach Kh1 geschehen.
Lxf5 15. Dxh5
Das war sicher so geplant und muss auch so geschehen, denn nach 15. xf5 käme blitzartig Lxf2+! 16. Kxf2 Dh4+ 17. Kf1 der Te1 muss ja gedeckt gehalten werden Dxc4+
Df6 Mit diesem Angriff auf c3 zeigt sich die durch b2-b4 verursachte Misere sehr deutlich. 16. Df3
16. Lb2 (oder Ld2) geht wieder nicht wegen Lxf2+! 17. Kxf2? Lg4+ und Damengewinn.
Und 16. Dxf5 Dxc3 mit Angriff auf beide Türme und den Lc4
sowie 16. xf5 Txe1+ scheiden sowieso aus.
Ld4 17. Lb2 Für den Moment scheint alles gedeckt. Aber der nächste schwarze Zug beweist, wie wacklig das weiße Kartenhaus steht. Se5 18. De2
Denn nach 18. Dxf5 Sxc4 19. Dxf6 Lxf6 gewinnt Schwarz eine Figur! - Nach dem Textzug ist der weiße Damenflügel vorläufig gesichert. Aber nun fällt die Entscheidung am Königsflügel, wo kein weißer Verteidiger mehr steht.
Lxh3! Die Zertrümmerung. 19. xh3 Sxc4 20. Dxc4 Dxf2+ Nun gibt es einen Uhrwerk-artigen forcierten Ablauf. 21. Kh1 Df3+ 22. Kh2 Le5+ der wird jetzt in die richtige Position gebracht 23. Kg1 Dg3+ 24. Kf1
24. Kh1 Dh2#
Dxh3+ 25. Ke2
Schade! Weiß gönnt seinem Gegner die Krönung des Mattangriffs nicht und zieht es vor, prosaisch zu verlieren. Wie viel schöner wäre der Schluss doch nach 25. Kg1 Dg3+ 26. Kf1 Df3+ 27. Kg1 Lh2+!! (der Läufer muss sich opfern, damit der Turm entscheidend eingreifen kann) 28. Kxh2 Te5 gewesen: keine Macht der Welt hätte dann die Mattsetzung durch Th5+ nebst Th1# verhindern können (und Schwarz braucht dazu nicht mal seinen Ta8)!
Dg2+ Weiß gab auf, da Dxb2 folgt und Schwarz dann 3 Bauern mehr bei anhaltendem Angriff hätte (derselbe Schluss hätte sich nach 25. Kf2 Dh2+ ergeben).
PGN anzeigen[Event "70th ch-ITA"]
[Site "Siena ITA"]
[Date "2010.11.24"]
[EventDate

"2010.11.23"]
[Round "2"]
[Result "0-1"]
[White "Axel Rombaldoni"]
[Black

"Carlos Garcia Palermo"]
[ECO "C53"]
[WhiteElo "2471"]
[BlackElo "2465"]
[PlyCount "50"]

1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bc4 {Der junge Italiener fühlt sich

wohl moralisch verpflichtet, die Italienische Eröffnung zu wählen, in der

er sich aber nicht auszukennen scheint.} Bc5 4. c3 d6 5. O-O Nf6 6. d4

exd4 {Üblicher ist es hier, die Zentrumsspannung mit Lb6 zu halten.}
7.

cxd4 Bb6 8. d5?! {Dieser Vorstoß blockiert die Diagonale des Lc4 und ist

daher kaum verständlich.} Ne7 9. Nc3 O-O 10. h3 {Nimmt dem schwarzen Lc8

das Feld g4; Rombaldoni konnte an dieser Stelle ja kaum ahnen, dass er

letztlich seinem Gegner damit die Handhabe zum entscheidenden Schlag

liefern würde.} Ng6 11. Re1 Re8
12. Nd4 {Obwohl Weiß mehr Raum besitzt,

fällt es ihm schwer, in dieser Stellung einen vernünftigen Plan zu

finden. Er hat Schwierigkeiten, seinen Damenläufer zu entwickeln, denn

auf Le3 käme Sxe4, auf Lg5 einfach h6, da Weiß dann die Fesselung nicht

aufrecht erhalten könnte (der Sg6 kontrolliert ja das Feld h4).} a6 13.

b4?! {Diese Schwächung des Damenflügels wird sich schnell verhängnisvoll

auswirken.} Nh5! {Der kann erstens nicht genommen werden, weil dann der

Sd4 hinge, und außerdem kann Weiß jetzt seinen Plan Lb2 nicht

verwirklichen, da dann gleich Sgf4 (oder Shf4) mit der schnell

entscheidenden Möglichkeit Dg5 käme.} 14. Nf5? ({Und das ist bereits der

Verlustzug! Entweder Weiß wurde es schlagartig bewusst, wie schlecht

seine Stellung bereits geworden war, und der Textzug ist eine (allerdings

noch völlig unnötige) Panikreaktion, oder aber er meinte immer noch ganz

gut zu stehen, und sich solche Springereskapaden leisten zu können. Nach

dem korrekten} 14. Be3! Nhf4 15. Bf1! {hatte Weiß noch keinen Anlass zur

Sorge. Auf Dg5 könnte nun ganz einfach Kh1 geschehen.}) Bxf5 15. Qxh5

({Das war sicher so geplant und muss auch so geschehen, denn nach} 15.

exf5 {käme blitzartig} Bxf2+! 16. Kxf2 Qh4+ 17. Kf1 {der Te1 muss ja

gedeckt gehalten werden} Qxc4+) Qf6 {Mit diesem Angriff auf c3 zeigt sich

die durch b2-b4 verursachte Misere sehr deutlich.} 16. Qf3 (16. Bb2

{(oder Ld2) geht wieder nicht wegen} Bxf2+! 17. Kxf2? Bg4+ {und

Damengewinn.}) ({Und} 16. Qxf5 Qxc3 {mit Angriff auf beide Türme und den

Lc4}) ({sowie} 16. exf5 Rxe1+ {scheiden sowieso aus.}) Bd4
17. Bb2 {Für

den Moment scheint alles gedeckt. Aber der nächste schwarze Zug beweist,

wie wacklig das weiße Kartenhaus steht.} Ne5 18. Qe2 ({Denn nach} 18.

Qxf5 Nxc4 19. Qxf6 Bxf6 {gewinnt Schwarz eine Figur! - Nach dem Textzug

ist der weiße Damenflügel vorläufig gesichert. Aber nun fällt die

Entscheidung am Königsflügel, wo kein weißer Verteidiger mehr steht.})

Bxh3! {Die Zertrümmerung.} 19. gxh3 Nxc4 20. Qxc4 Qxf2+ {Nun gibt es

einen Uhrwerk-artigen forcierten Ablauf.} 21. Kh1
Qf3+ 22. Kh2 Be5+ {der wird jetzt in die richtige Position gebracht} 23.

Kg1 Qg3+ 24. Kf1 (24. Kh1 Qh2#) Qxh3+ 25. Ke2 ({Schade! Weiß gönnt seinem

Gegner die Krönung des Mattangriffs nicht und zieht es vor, prosaisch zu

verlieren. Wie viel schöner wäre der Schluss doch nach} 25. Kg1 Qg3+ 26.

Kf1 Qf3+ 27. Kg1 Bh2+!! {(der Läufer muss sich opfern, damit der Turm

entscheidend eingreifen kann)} 28. Kxh2 Re5 {gewesen: keine Macht der

Welt hätte dann die Mattsetzung durch Th5+ nebst Th1# verhindern können

(und Schwarz braucht dazu nicht mal seinen Ta8)!}) Qg2+ {Weiß gab auf, da

Dxb2 folgt und Schwarz dann 3 Bauern mehr bei anhaltendem Angriff hätte (derselbe Schluss hätte sich nach 25. Kf2 Dh2+ ergeben).}

0-1
pirc_ - 19. Sep '16
Der gute Carlos hat nicht nur Fischer als 17-jähriger geschlagen, sondern auch Karpov...scheint ein unentdecktes Talent zu sein ;-)
Vabanque - 19. Sep '16
Naja, aber jetzt ist er über 60 und da wird wohl nicht mehr so viel draus aus dem Talent ;)
pirc_ - 19. Sep '16
Das Fischerspiel gegen Carlos hatte ich mir mal angeschaut um es hier rein zu stellen...bei "keine Glanzpartien der guten Spieler"...ich habe darauf verzichtet weil ich Fischer nicht mag..;-)
P.S.: Nix gegen die Isländer im allgemeinen...die mag ich :-)
Vabanque - 19. Sep '16
Genau wenn du ihn nicht magst, hättest du doch eine derart drastische Verlustpartie von ihm zeigen sollen?!

Aber es geht hier ja auch nicht um das Mögen der Menschen (dann würden viele der großen Spieler von vornherein ausscheiden), sondern einfach um gute Partien ...
Vabanque - 19. Sep '16
Wahrscheinlich hätte ich es auch gar nicht erwähnen sollen, dass Garcia Palermo jeder legendäre Fischer-Bezwinger ist ... jetzt ist erstens jeder voreingenommen und zweitens dreht sich die Diskussion nur noch darum, und gar nicht um obige Partie ...

Aber wahrscheinlich hättest du dann erwähnt, dass er 'derjenige' ist, wenn ich es nicht getan hätte ;)

Und außerdem kommen so wenigstens Anmerkungen unter die Partien :-))
Vabanque - 19. Sep '16
Oh Mann, der Tippfehlerteufel ist schon wieder drin ... ich meinte natürlich 'jener legendäre Fischer-Bezwinger' ...
pirc_ - 20. Sep '16
der andere spektakuläre fischer-bezwinger war übrigens ein r. burger, der ihn mit schwarz in 14 zügen übers brett schob...allerdings kam bei burger, im vergleich zu Palermo, nicht mehr viel nach ;-)