Kommentierte Spiele
Glanzvolle Remis III
Kellerdrache - 26. Jul '15
Die folgende Partie erscheint hier sozusagen auf vielfachen Wunsch eines einzelnen Herrn ;-)) Als ich diese kleine Reihe begann wurde ich von Schachfreund Vabanque auf diese Perle hingewiesen. Es handelt sich wirklich um eine Metzelei ersten Ranges und eine klare Widerlegung der These Remis wären eine friedfertige Angelegenheit. Ich bitte meine Leser die angegebenen Varianten besonders sorgfältig zu prüfen, da die Kommentierung diesmal ohne Hilfe von Computer und Fachliteratur erfolgte. Die Richtigkeit sollte also generell angezweifelt werden ;-)).































PGN anzeigen
Geller, Efim P Golombek, Harry Budapest | Budapest | 1952 | E41 | 1/2-1/2
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sc3 Lb4 4. e3 c5 5. a3 So eine Art verzögerte Sämisch-Variante! In der Original-Variante erfolgt a3 im vierten Zug, gefolgt von 4... Lxc3 und 5.bxc3. Das System ist ein bischen umstritten. Weiß hat auf der einen Seite ein solides Zentrum und das Läuferpaar, auf der anderen Seite aber einen Doppelbauern. Als Faustregel könnte man sagen Weiß sollte zeitig angreifen bevor Schwarz das Zentrum blockieren und sich auf die Belagerung des Doppelbauern stürzen kann. Durch die eingeschobenen Züge e3 und c5 sind aber ein paar zusätzliche Optionen hinzugekommen. Statt mit Lxc3 auf Zugumstellung zu spielen - c5 gehört da zum Plan- wählt Golombeck einen Alternativplan. xd4 6. xb4 xc3 Die meisten Schachspieler sind ja Materialisten und hätten daher auf c3 zurück genommen, aber ein Angriffsspieler wie Geller hat darüber vermutlich gar nicht nachgedacht. Zwar hat man kein Material weniger, aber den gleichen häßlichen Doppelbauern wie in der klassischen Sämisch-Variante ohne Verbindung zu einem d-Bauern. Der Bauer auf c3 kann sofort mit Se4 angegriffen werden und steht dem Läufer c1 im Wege. Zu guter letzt würde der Zug auch nichts zur Entwicklung beitragen. Daher lieber.. 7. Sf3 xb2 8. Lxb2 Geller hat für seinen Bauern Entwicklungsvorsprung und eine schöne Läuferdiagona le a1-h8 bekommen. Was soll man aber vom Bauernduo auf b4 und c4 halten ? Sind die jetzt stark oder schwach ? Die vorherrschende Meinung ist sie sind stark solange sie nebeneinander stehn. Sobald einer von ihnen zieht wird vor allem der hintere Bauer schwach. Bislang habe ich diese Weisheit noch nicht in einer Partie widerlegen können. Golombeck zweifelt sie auch nicht an und greift daher direkt die beiden einsamen Landwirte an. d5 Greift selbstverstän dlich nicht einfach nur den c4 an sondern setzt auch einen Fuß ins Zentrum. Wie bei jeder Konfrontation im Schach gilt es hier auszuwählen zwischen schlagen, schlagen lassen, vorbeiziehn oder ignorieren und selbst woanders Unruhe stiften. Schlagen sieht nicht gut aus. Nach 9.cxd5 Sxd5 taucht der Springer im Zentrum auf mit direktem Angriff auf den Bauern b4. Er könnte danach mit Db6 und Sc6 noch verstärkt werden. Gegenangriffsmöglichkeiten habe ich nicht funden. Die Wahl ist also zwischen vorbeiziehn und schlagen lassen. Schlagen lassen ,vermutlich erst nach erfolgter O-O, lässt Geller ebenfalls mit dem schwachen Isolani zurück. Daher... 9. c5 b6 Bis zu diesem Zug hatte ich beim Nachspielen eigentlich immer nur genickt. Alles plausibel und oft auch ohne Alternative. b6 aber sieht schon etwas verfrüht aus. Zwar ist es verständlich, dass Golombeck den weißen c-Bauern vor seiner Haustür loswerden will, aber immerhin ist er noch kaum entwickelt und eine sofortige Drohung stellt der Bauer c5 nicht dar. Die kurze Rochade sieht nach einer Alternative aus, auch wenn Gellers Figuren schon bedrohlich dorthin schielen. 10. Lb5+ Damit ist Weiß fast komplett entwickelt. Das Schach sieht relativ ungefährlich aus, was es an sich auch ist. Die Fortsetzung nach dem Schlagen auf d7 ist aber überraschender Weise voller Probleme. Ld7 11. Lxd7+ Soweit, so klar. Womit nimmt man jetzt wieder ? Mit dem Springer von b8 ? Dann bekommt man nach 12. c6, nebst b5 schnell einen ungebetenen Gast in den eigenen Reihen. Mit der Dame ? Das ermöglicht cxb6, da der Bauer von a7 wegen des ungedeckten Ta8 nicht zurücknehmen kann. Schlieslich noch das Schlagen mit dem Springer von f6 was dann leider den g7 ungedeckt lässt. Lb5+war also doch weit weniger harmlos als es aussah. Sxd7 12. Dc2 Direktes Lxg7 wird mit Tg8, gefolgt von Txg2 beantwortet. Dc2 greift zum einen h7 an sodaß Lxg7 jetzt eine realistische Drohung ist und deckt zum anderen den Bauern auf c5 Sc6 Ein interessanter Zug. Der Spinger greift den Bauern b4 an. Zieht der nach vorne, folgt Sb4 mit Angriff auf die Dame und danach bxc5, was den vorwitzigen Springer deckt. Schlägt Weiß auf b6 kann sowohl Dxb6 mit Deckung des Springers und erneutem Angriff auf den b4 folgen, als auch das zweischneidige 13..Sxb4 14. Dc7. Das solider aussehende 12... Kf8 ist auch nicht gut. 13. c6 Nf6, noch schlechter ist 13... Qc7 14. cxd7 Qxc2 15. d8=Q#, 14. c7 13. Lxg7 Sxb4 Da sich der Königsflügel nicht wirklich verteidigen lässt, geht nur Gegenangriff . Beide Könige sind in der Mitte stecken geblieben. Ab jetzt müssen Geller und Golombeck nicht nur ihren eigenen Angriff durchrechnen sondern auch sicher stellen, dass sie lange genug am Leben bleiben. 14. Db1 Tg8 Die Stellung hat eine gewisse ironische Qualität. Beide Angreifer sind jetzt ihrerseits Angriffsobjekte. Auf den ersten Blick sehen Gellers Möglichkeiten aber klar besser aus. Schlieslich fällt jetzt auch h7 und der schwarze Königsflügel liegt in Trümern. Der weiße Damenflügel sieht zwar ebenfalls recht baufällig aus, aber wie stampft man auf die schnelle einen Gegenangriff aus dem Boden ? 15. c6 Sxc6 Durch das kleine Intermezzo auf c6, was ja einfach einen Bauern herschenkt hat Weiß vor dem Schlagen auf h7 noch schnell die Drohung einer Springergabel auf c2 eleminiert. Sonst hätte nach 15.Dxh7 Txg7! 16. Dxg7 Sc2+ mit Rückgewinn der Qualität folgen können. 16. Dxh7 Sf6 Aggressiv und riskant ! Nach dem simplen, wenn auch hässlichen 16... Ke7 17. Qh4+ Ke8 habe ich keine zwingende Fortsetzung gefunden. Wer da erfolgreicher ist als ich darf seine Varinate gerne hier posten. 17. Lxf6 Dxf6 Mit Angriff auf den Ta1. Leider ist Geller aber zuerst dran und auch noch mit Schach und danach ebenfalls ungedecktem Ta8. Allerdings würde ein Schlagen der Dame auf a8 ja ohne Schach erfolgen und das würde bedeuten, dass Golombeck dann mit Dxa1+ dran wäre. Kaum durchzurechnen. 18. Dxg8+ Kd7 Falls Ke7, so kann Weiß mit 19.Dg5 den Damentausch erzwingen, wonach er einfach einen Turm mehr hätte. 19. Se5+! Was ist das denn ? Der Turm auf a1 hängt, die Dame auf g8 auch, wenn sie denn nicht selber schlägt und Gellers Lösung ist es den Springer auf ein ungedecktes Feld zu ziehn. Aber so irre der Zug aussieht so gut ist er. Die Diagonale a1-h8 ist unterbrochen, der Turm also für den Moment sicher. Weil Se5 mit Schach erfolgt geht auch Txg8 nicht. Und wenn der König weg zieht ? Keine der Möglichkeiten erweißt sich als spielbar. 19... Kc7 20. Qxf7+ erwingt Damentausch.19... Ke7 20. Nxc6+ Kd6 21. Qg3+ Kxc6 22. Rc1+ und Geller verbleibt mit einem Turm mehr 19... Kd6 20. Nxf7+ Ke7 auch ander e Züge erlauben der Dame oder dem Turm sich mit Schach aus der Gefahr zu entfernen. Nicht alle Möglichkeiten konnten hier aufgeführt werden. Sxe5 20. Dxa8 Da die Diagonale zu ist kann man ja jetzt auf a8 zugreifen. Hätte Golombeck übrigens mit der Dame auf e5 geschlagen hätte Geller mit Dxf7+ nebst z.B. Tc1 beide Schwerfiguren in Sicherheit gebraucht. Sf3+ sehr schön Geller hat mit Figurenopfer die Diagonale verstopft und sein Gegner öffnet sie wieder - mit Figurenopfer. 21. xf3 Dxa1+ 22. Ke2 Da2+ und Remis trotz Turm weniger !
Vabanque - 26. Jul '15
Danke für die Mühe :)
Ja, das ist eine der wildesten Remispartien, die ich kenne. Ich erwähne sie gerne als Beispiel, wenn jemand behauptet, Remisen (gar welche unter 25 Zügen) würden ihn nicht interessieren ;)
Die Kommentare hast du sehr ausführlich und anschaulich nachvollziehbar gestaltet, und beim kurzen Durchlesen konnte ich im Kopf zumindest keine Fehler in den Analysen feststellen.
Gegen Ende hättest du vielleicht noch erwähnen können, dass Schwarz auf 21. Ke2 (statt gxf3) ebenso Dauerschach gibt, und zwar mittels Db2+! 22. Kxf3 Df6+, mit zwei ganzen Türmen weniger! Aber der weiße König hat keinen Unterschlupf, wo er sein müdes Haupt betten könnte :)
Und ganz am Schluss hätte ich vielleicht noch dazugeschrieben, dass nach 23. Kf1 das Dauerschach mit Db1+ 24. Kg2 Dg6+ fortgesetzt wird.
Was ist eigentlich der verblüffendste Zug dieser Partie? Wahrscheinlich 19. Se5+, obwohl 15. c6 auch klasse ist, und auf schwarzer Seite 16... Sf6.
Eigentlich schade, dass Geller diese Partie nicht gewonnen hat, denn er hatte eindeutig die besseren Einfälle. Ich hatte auch schon mal an eine kleine Reihe über Geller gedacht, denn man übersieht ihn leider gerne, dabei muss er ohne Frage in die Reihe der stärksten Spieler, die nie Weltmeister wurden, gestellt werden. Man erwähnt in diesem Zusammenhang oft Tarrasch, Rubinstein, Keres, Reshevsky und Korchnoi, vergisst aber Geller.
Ja, das ist eine der wildesten Remispartien, die ich kenne. Ich erwähne sie gerne als Beispiel, wenn jemand behauptet, Remisen (gar welche unter 25 Zügen) würden ihn nicht interessieren ;)
Die Kommentare hast du sehr ausführlich und anschaulich nachvollziehbar gestaltet, und beim kurzen Durchlesen konnte ich im Kopf zumindest keine Fehler in den Analysen feststellen.
Gegen Ende hättest du vielleicht noch erwähnen können, dass Schwarz auf 21. Ke2 (statt gxf3) ebenso Dauerschach gibt, und zwar mittels Db2+! 22. Kxf3 Df6+, mit zwei ganzen Türmen weniger! Aber der weiße König hat keinen Unterschlupf, wo er sein müdes Haupt betten könnte :)
Und ganz am Schluss hätte ich vielleicht noch dazugeschrieben, dass nach 23. Kf1 das Dauerschach mit Db1+ 24. Kg2 Dg6+ fortgesetzt wird.
Was ist eigentlich der verblüffendste Zug dieser Partie? Wahrscheinlich 19. Se5+, obwohl 15. c6 auch klasse ist, und auf schwarzer Seite 16... Sf6.
Eigentlich schade, dass Geller diese Partie nicht gewonnen hat, denn er hatte eindeutig die besseren Einfälle. Ich hatte auch schon mal an eine kleine Reihe über Geller gedacht, denn man übersieht ihn leider gerne, dabei muss er ohne Frage in die Reihe der stärksten Spieler, die nie Weltmeister wurden, gestellt werden. Man erwähnt in diesem Zusammenhang oft Tarrasch, Rubinstein, Keres, Reshevsky und Korchnoi, vergisst aber Geller.
cutter - 27. Jul '15
Tolle Partie!
Dachte eigentlich, dass Ke2 das Problem löst, aber tatsächlich geht nix....
Danke.
Dachte eigentlich, dass Ke2 das Problem löst, aber tatsächlich geht nix....
Danke.
Kellerdrache - 27. Jul '15
Was den unterschätzen Geller angeht wird Dir Kasparow wohl recht geben. In seinem Buch über Fischer (aus der Reihe über seine Vorgänger) hat er Geller einen guten Teil des Buches gewidmet.
Geller macht in der vorliegenden Partie sicher die kreativeren Züge. Meiner Meinung nach ist ihm die Eröffnung nicht geglückt sodaß es ihm nie gelingt Golombecks Gegenspiel auszuschalten. Se5+ war ganz eindeutig mein Lieblingszug in dieser Partie. So etwas muß man erstmal finden.
Geller macht in der vorliegenden Partie sicher die kreativeren Züge. Meiner Meinung nach ist ihm die Eröffnung nicht geglückt sodaß es ihm nie gelingt Golombecks Gegenspiel auszuschalten. Se5+ war ganz eindeutig mein Lieblingszug in dieser Partie. So etwas muß man erstmal finden.
Vabanque - 27. Jul '15
Ich kenne diese Variante nicht (spiele weder mit Weiß noch mit Schwarz so), aber Geller hat ja häufig zweifelhafte Gambitvarianten mit Erfolg angewandt, also gehe ich mal davon aus, dass er wusste, was er da spielte, und dieses Gambit nicht etwa rein improvisiert war, sondern dass er es vorher zumindest schon analysiert, wenn nicht auch gespielt hatte. Oder hat Geller dieses Gambit nur in dieser einzigen Partie gespielt?