Schach

Wie spielen Schachspieler in Europa? - Dings Statement

schach2018 - 30. Mai '23
Ding Liren zur Spielweise europäischer Schachspieler:

"Europäische Spieler sind im Vergleich zu uns möglicherweise etwas abenteuerlustiger", sagte Ding Liren vor einem Jahr im Staatsfernsehen. Wie er eröffneten sie ein Spiel gewöhnlich sehr vorsichtig und spielten vorbereitete Züge. "Wir gehen nicht auf unbekanntes Terrain, mit dem keine Seite vertraut ist", sagte Ding Liren. "Aber europäische Spieler sind irgendwie kreativ oder abenteuerlustig und spielen manchmal unkonventionell mit neuen Einfällen."


Quelle:
abendzeitung-muenchen.de/sport/china-feiert-ersten-weltmeister..
Alapin2 - 30. Mai '23
... Kann mich irgendwie dunkel an Konfuzius erinnern...
"Eine gute Kopie ist höher zu bewerten als das Original"!
So haben sie es ja am Anfang ihrer Industrialisierung auch gemacht.
Wo soll Kreativität und Abenteuerlust dann herkommen?
🙄😁🤔
P. S. : Habe mal vor etwa 20 Jahren das Buch eines China-Kenners (Erich Follath?) ausgeliehen, da stand das sinngemäß so ähnlich drin.
Alapin2 - 30. Mai '23
Verwechselt, sorry : Der Autor war Tiziano Terzani :"Fliegen ohne Flügel".
Feyerabend - 30. Mai '23
Interessante Aussage.

Es wäre interessant psychologische Studien zur Kreativität und Konventionalität Chinesischer und Europäischer Menschen zu lesen.

Aber intuitiv passt das schon zu unserem Bild:
Chinesen lernen, leben und (wohlmöglich) denken sehr stark nach festen Regeln während wir in Europa mehr Wert auf Individualität und Kreativität legen.
Feyerabend - 30. Mai '23
Wobei ja gerade Ding bei der WM sehr kreativ, unkonventionell und experimentierfreudig gespielt hat.
Vabanque - 30. Mai '23
Eben, das dachte ich mir auch. Wieso macht er sich so klein? Ist das die (klischeehafte) Bescheidenheit, die man den Asiaten nachsagt?
Oli1970 - 30. Mai '23
Danke Dir für den Hinweis auf den Artikel, schach2018! Interessant zu lesen ist seine Einschätzung allemal. Er stellt Gleiches (vorsichtige Eröffnungswahl) und Unterschiedliches (Kreativität und Abenteuerlust) heraus. Man müsste jetzt sehen, inwieweit er seinen Stil seit seiner Aussage verändert hat, um die WM vorzubereiten.
Vabanque - 30. Mai '23
Ich hätte Ding jetzt wirklich nicht als besonders vorsichtigen Spieler eingeschätzt, auch vor der WM nicht. Da ist z.B. Giri schon viel vorsichtiger - aber darum wird der ja wahrscheinlich auch nicht Weltmeister, obwohl es bestimmt nicht Begabung ist, die ihm dazu fehlt.
Alapin2 - 30. Mai '23
Vabanque : Ich erinnere mich dunkel: Kommentare zur vorletzten Weltmeisterschaft.
Swidler (den ich als Erklärer sehr schätze) und Giri. Letzterer einfach nur schnell, hektisch und nervös. Musste mehrfach von P. S. wieder von seinen nicht nachvollziehbaren Höhenfluegen runtergeholt werden.
So wird man nicht Weltmeister!
Oli1970 - 30. Mai '23
Vielleicht wirklich Understatement. Ich kenne so gut wie nichts von seinen Spielen. Allerdings glaube ich nicht, dass ich in der Lage wäre, Abenteuerlust von großmeisterlicher Berechnung zu unterscheiden. Bei aller Experimentierfreudigkeit war er bei der WM gut vorbereitet, blindlings ins Match ist er nie gestartet; dafür war das Preisgeld und der heimatliche Druck dann doch zu hoch.
Oli1970 - 31. Mai '23
Zwei Aussagen habe ich gefunden, die aufhorchen lassen. Mihail Marin meint, Ding sei „ein ‚sehr menschlicher Spieler‘, für den die vollständige Entwicklung seiner Figuren hohe Priorität hat, und der versucht, sein Spiel immer im Fluss zu halten. Konkrete Aktionen, die eine Entscheidung der Partie herbeiführen, werden oft erst eingeleitet, wenn alle Figuren optimal platziert sind usw.“ und G. Serper lobt: „Er hat auch einen sehr unterhaltsamen Spielstil. Hier möche ich das unsterbliche Zitat von Forrest Gumps Mutter verwenden: Ding Lirens Partien sind wie eine Schachtel Pralinen. Du weißt nie, was Du bekommst!“

Faszinierend insofern, dass chessgames.com kaum Perlen und schon gar keine neueren von Ding listet. Muss man dann wohl selbst suchen. 😉
Vabanque - 31. Mai '23
Toller Beitrag, SF Oli1970!👍
Oli1970 - 01. Jun '23
Dankeschön! Dann liefere ich gerne die Quellen nach: de.chessbase.com/post/ein-sehr-menschlicher-spieler und chess.com/de/article/view/der-unberechenbare-ding-liren, letztere Quelle mit einigen Partiebeispielen.

Ein Interview von vor der WM mit einem sympathischen Ding Liren lege ich noch oben drauf, ich bin nicht sicher, ob es hier nicht schon verlinkt war? zeit.de/sport/2023-02/schach-grossmeister-ding-liren-wm/komple..
Vabanque - 01. Jun '23
Ja, auch wenn das Interview schon vor der WM war, so ist es trotzdem interessant, und ich kannte es noch nicht. Seine Ansichten finde ich echt sehr vernünftig und sachlich.
Oli1970 - 01. Jun '23
Sehe ich auch so! Überraschend zutreffend Dings Einschätzung zu Nepo und sich selbst: „Beide sind wir nicht so stabil. Wir sind nicht wie Carlsen. Zuletzt hatten wir viel Auf und Ab.“ Treffend hat er vorweg genommen, was die WM dann zeigte. Er scheint realistisch zu sein und - wie Marin seinen Spielstil charakterisierte - menschlich. Könnte ein Weltmeister sein, an den man sich später gerne erinnert, falls er seinen Titel halten kann.
schach2018 - 01. Jun '23
Menschlich und sympathisch wirkt Ding auch mit dem Satz in einem Interview nach dem Ausgang der WM 2023:

"I thought if I lost the match, I'd retire from chess" :))

Quelle:
youtube.com/watch?v=JYjKD-fTK2Y
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