Schach

Modifizierte Marshallverteidigung beim Damengabit

Henri4 - 18. Jan '22
Es gibt beim Damengabit für Schwarz die Möglichkeit der Entgegnung mit der Marshallverteidigung: 1. d4 / d5, 2. c4 / Sf6. In der Online-Literatur inkl. Wiki erhielt ich bisher nur Informationen, dass die allgemein als unpopulär geltende, knapp 100 Jahre alte Marshallverteidigung nicht mehr gespielt, zumindest bei Profiturnieren /-spielen lange schon nicht mehr gezeigt wird. Falls doch, sollte Weiß mit 3. c4xd5 antworten und Schwarz (laut Tarrasch) mit der Dame d5 schlagen.
Bei 4. Sc3 erwiderte ich mit Schwarz neulich 4. ...Df5 und hatte damit eine großartige Ausgangsposition. Es folgte eine spannende und freche Partie, auf die Weiß nicht vorbereitet war. Das Experiment entschied Schwarz für sich.
Ich möchte diese Variante der Marshallverteidigung gern teilen mit der Meinung, dass sie eigentlich zu Unrecht nicht mehr gespielt wird. Für mich - auch ein bisschen in Verehrung für Tarrasch - bedeutet die dargestellte Variante genau genommen Modernes Schach (schnell & effektiv). Jetzt würde mich aber interessieren, wie Andere das sehen, was die Experten und Profis vielleicht davon halten??
freak40 - 18. Jan '22
ich halte für am besten 3. schlägt d5 4. ...S:d5 5. e4 S sowieso Ld3
wodi - 18. Jan '22
Diese Eröffnung ist unpopulär, weil Schwarz von Anfang an um Remis kämpfen muss.
Dxd5 widerspricht der Regel, die Dame nicht zu zeitig ins Spiel zu bringen.
Vabanque - 18. Jan '22
>>Dxd5 widerspricht der Regel, die Dame nicht zu zeitig ins Spiel zu bringen.<<

Und was geschieht in der Skandinavischen Verteidigung 1. e4 d5 2. exd5 Dxd5 ?

Häufig kommt auch in Katalanisch oder im Angenommenen Damengambit die weiße Dame frühzeitig ins Spiel: Schwarz schlägt auf c4 und Weiß holt sich mit Da4+ nebst Dxc4 den Bauern wieder.

Im Grünfeld-Indischen spielt Weiß häufig Db3 noch vor weiterer Entwicklung.

In der Cambrigde-Springs-Verteidigung des Damengambits spielt Schwarz frühes Da5.

In der Vorstoßvariante der Französischen 1. e4 e6 2. d4 d4 3. e5 c5 spielt Schwarz häufig frühes Db6.

Man kann sicher noch mehr Beispiele etablierter Eröffnungen finden, wo die Dame schon in den ersten Zügen ins Spiel gebracht wird, ohne dass dies nachweisbare Nachteile zur Folge hätte.
wodi - 18. Jan '22
Da hast Du vollkommen Recht. Bei stärkeren Spielern spielt diese Regel kaum eine Rolle.
Seit 50 Jahren sage ich meinen Schachschülern, wie wichtig diese Regel ist.
Seither beobachte immen wieder Partien bei Punktspielen und Turnieren der Schüler,
die verloren gehen, weil sie nicht an diese Regel gedacht haben.
Vabanque - 18. Jan '22
Ja, die Diskussion mit der Gültigkeit der allgemeinen 'Regeln' und 'Schachweisheiten' hatten wir ja schon öfters.
Je länger ich Schach spiele und je mehr GM-Partien ich mir anschaue, desto mehr zweifle ich an solchen Weisheiten wie 'Springer am Rand ist eine Schand' oder 'Rochiere möglichst früh' oder 'Vermeide Doppelbauern' und vielen anderen. Selbst Türme gehören nicht immer hinter die Freibauern. Petrosjan rochierte in vielen seiner Partien nach dem 20. Zug, und dann auch noch, nachdem Königsflügelbauern schon weit vorne waren. Für ihn galten die Regeln offenbar nicht ...

Aber um nochmal auf das Thema des Threads zurückzukommen:

1. d4 d5 2. c4 Sf6 ist natürlich spielbar.

Wenn Weiß diese Spielweise mit cxd5 'widerlegen' will, hat Schwarz die Wahl zwischen Sxd5 und Dxd5, was wiederum beides spielbar ist.

In beiden Fällen entsteht eine recht 'luftige' Stellung, die für Weiß etwas vorteilhaft sein mag, aber dem Damengambitspieler, der ja eher geschlossene Stellungstypen anstrebt, nicht unbedingt liegt.

Daher spiele ich auf 1. d5 d5 2. c4 Sf6 einfach 3. Sc3. Sehr häufig erfolgt dann sowieso e6 oder c6 und man ist dann wieder im gewohnten Fahrwasser des orthodoxen oder slawischen Damengambits. Möglich ist nach 3. Sc3 auch der Übergang ins angenommene Damengambit mit dxc4. Interessant ist 3... c5.
Henri4 - 31. Jan '22
Besten Dank für Eure Gedanken und Meinungen!
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