Kommentierte Spiele

Die 6. Begegnung war die bisher kürzeste des Matchs. Zwar ließ der vom Weltmeister mit den schwarzen Steinen gewählte Marshall-Angriff auf eine scharfe und interessante Partie hoffen, doch schon schnell mündete das Scharmützel wieder in eine ausgedehnte Abtauschorgie. Da nützte es auch nichts, das diesmal die Damen bis zum Schluss auf dem Brett blieben (eine Premiere in dieser WM!), denn das Endspiel mit beiderseits Dame und Läufer bei symmetrischer Bauernstruktur und ungleichfarbigen Läufern war für keinen der beiden Kontrahenten mehr zu gewinnen.

PGN anzeigen[Event "Carlsen - Karjakin World Championship"]
[Site "New York City"]
[Date "2016.11.18"]

[Round "6"]
[Result "1/2-1/2"]
[White "Sergey Karjakin"]
[Black "Magnus Carlsen"]1.e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 a6 4. Ba4 Nf6 5. O-O Be7 6. Re1 b5 7. Bb3 O-O 8. h3 Bb7 9. d3 d5 10. exd5 Nxd5 11. Nxe5 Nd4 12. Nc3 Nb4 13. Bf4 Nxb3 14. axb3 c5 15. Ne4 f6 16. Nf3 f5 17. Neg5 Bxg5 18. Nxg5 h6 19. Ne6 Qd5 20. f3 Rfe8 21. Re5 Qd6 22. c3 Rxe6 23. Rxe6 Qxe6 24. cxb4 cxb4 25. Rc1 Rc8 26. Rxc8+ Qxc8 27. Qe1 Qd7 28. Kh2 a5 29. Qe3 Bd5 30. Qb6 Bxb3 31. Qxa5 Qxd3 32. Qxb4 Be6 1/2-1/2

Marshall würde sich im Grab umdrehen. Die schwächste Partie der WM bisher. Verdient keinen weiteren Kommentar.

Deswegen auch der kürzeste Vorspann von mir, und ich habe sie auch nur der Vollständigkeit halber gepostet.
Aber nach den vorangegangenen langwierigen und ermüdenden Kämpfen mussten die beiden sich ja auch mal schonen :)

Was soll kommen bei so einem Wettkampf. Die Eröffnungen ausgereizt bis in die letzte Variante, beiden bestens bekannt. Der Verlust einer Partie fast schon das Ende. Beide etwa gleich stark. Romantisches Schach ist nicht zu erwarten, eher langweilge Partien. Bitte um Widerrede.

Von mir kommt bestimmt keine. Habe Ähnliches schon vor dem Wettkampf behauptet.

Es hatte der Wunsch bestanden, die Partien des Wettkampfs zu kommentieren, und ich hatte schon im Vorfeld zu bedenken gegeben, dass sie doch bestimmt weit weniger sehenswert sein würden als die Perlen der Vergangenheit, die Kellerdrache, Colorado, pirc und ich hier sowieso regelmäßig präsentieren ...
Nur niemand hatte mir geglaubt ... jetzt sehen doch die Meisten, dass ich Recht hatte, hoffe ich.

Von 21 Partien vor der WM 16 Remis zwischen beiden, jetzt bisher 6 weitere. Ein anderer Herausforderer hätte wohl andere Ergebnisse gebracht, aber auch spekulativ.

Ja, sicher ist das nicht.

Wird sehr viel Psychologie dabei sein. Gegen "schwächere" Gegner wie Anand wird Carlsen mehr riskieren, da Gefühl ohnehin zu gewinnen und Verluste kompensieren zu können. Wünsche mir abschliessend noch den einen oder anderen Kracher bei der WM.

Mehr als verbissen und mit aller Kraft kämpfen können die beiden auch nicht.

Wenn ich die Partien verfolge, genieße ich sie durchaus. Ich kann viel lernen. Nett ist auch, sie irgendwo gemeinsam zu schauen, im Verein oder Ähnliches. Da bleibt meiner Erfahrung nach jede Fußballübertragung hinter zurück, so hoch geht es dann her ... :-)

Anand ist in der Weltrangliste sogar noch vor Karjakin, also bestimmt nicht schwächer als dieser. Aber ihm liegt Carlsen offenbar nicht, und er ist auch schon über seine beste Zeit hinaus, er steht 7-Stunden-Partien nicht mehr so gut durch wie die ganz jungen Leute.
Insgesamt finde ich Anand als Spieler weit interessanter als Carlsen und Karjakin zusammen (Die WM-Matches von Anand gegen Kramnik und vor allem gegen Topalov gehörten auch zu den interessantesten überhaupt). Carlsen gewinnt aber gegen Anand mit Aussitzungs- und Zermürbungstaktik. Dasselbe scheint gegen Karjakin nicht zu funktionieren, was auch gut so ist. Denn das sind für mich keine wirklichen Siege.
Aber vielleicht lasse ich mich ja noch vom Gegenteil überzeugen, vielleicht gelingt ja noch ein wirklicher Sieg in diesem Match.

Schach-WM: Könige der Erwartung | ZEIT ONLINE
zeit.de/sport/2016-11/schach-wm-magnus-carlsen-sergej-karjakin..

Halbzeit

"Den uneingeschränkten, uneinholbaren Remis-Rekord bei einer WM dürften nach wie vor Karpov und Kasparov halten.
Bei der WM 1984 gab es sage und schreibe 17 aufeinanderfolgende Remis - länger als der gesamte aktuelle WM-Modus (den ich als zu kurz empfinde)."

Ja, aber damals ging es um 6 Gewinnpartien, und da der junge Kasparov zu ungestüm an die Sache herangegangen war und sich die Hörner abgestoßen hatte, stand es 5:1 für Karpov, also quasi uneinholbar. Danach änderte Kasparov seinen Stil radikal, und zeigte, dass er selber den langweiligen Positionsstil Karpovs ebenso gut beherrschte wie dieser, wenn er nur wollte, und dass er in diesem Stil sogar noch unschlagbarer war als Karpov. So kamen die 17 Remisen zustande, wonach es ja zwei Paukenschläge gab, und plötzlich stand es nur noch 5:3. Was dann kam, ist berüchtigt: der damalige korrupte FIDE-Präsident Campomanes brach den Wettkampf ab ... und es kam zur 1985er Neuauflage, die ja sehr spannend und ohne lange Remisserien verlief.