Kommentierte Spiele

Die Würgeschlange

Kellerdrache - 13. Aug '18
In der letzten von mir vorgestellten Partie ging Weiß an seiner freiwillig gewählten Passivität zu Grunde. Hier zwingt Aaron Nimzowitsch seinem Gegner die Passivität nach einer anspruchslosen Eröffnung auf indem er ihm nach und nach alle aktiven Möglichkeiten wegnimmt.

Wie eine Würgeschlange drückt er ihm die schachliche Luft ab bis nur noch schlechte Züge übrig bleiben. Sicher etwas komplizierter als meine Partie, aber sie zeigt sehr schön wie die Einengung als strategischer Plan funktionieren kann.


H Hage Aron Nimzowitsch Simultaneous Exhibition | Arnstadt, Germany | 1926 | A80 | 0:1
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. d4 f5 2. e3 der Weißspieler war ein Amateur, der sich hier gerne gemächlich im Colle-Stil aufbauen würde, was aber gegen eine Holländische Verteidigung eher selten funktioniert d6 3. Ld3 e5 Nimzowitsch tritt auf das Gaspedal und macht sofort einen Strich durch die weiße Rechnung. Er lässt Hage nicht die Zeit sich in Ruhe aufzubauen, sondern zwingt sofort die Erklärung im Zentrum. Es droht unbequemerweise schon 4...e4 wonach Weiß sich neu orientieren muss, da der typische Colle-Vorstoß nicht mehr möglich ist 4. xe5 xe5 5. Lb5+ c6 durchaus überraschend. Nimzowitsch gibt freiwillig die Rochade auf statt naheliegende Zuge wie 5...Ld7 oder 5...Sd7 zu spielen. Allerdings verschafft die schwarze Spielweise ihm relativ schnell eine starke Zentrumskontrolle 6. Dxd8+ Kxd8 7. Lc4 Ld6 8. Sf3 Sf6 Schwarz kontrolliert große Teile des Zentrums. Weiß ist zwar in der Entwicklung auf gleicher Höhe, nimmt aber wenig Einfluß auf die Stellung 9. Sc3 dieser Springer hat keine möglichen Felder nach vorne hin. Ke7 Der Sf3 hat bisher nur die Möglichkeit über g5 anzugreifen. Schwarz nimmt ihm diese Möglichkeit nicht, macht sie aber weniger attraktiv, da Sg5 jetzt nichts mehr droht. Zusätzlich gibt der Zug dem Th8 freie Bahn 10. a3 gegen Lb4 in Verbindung mit Se4 gerichtet Td8 11. Ld2 b5 12. La2 Eigentlich ist die a2-g8 Diagonale ja ein Traum für den Läufer, aber er guckt völlig ins Leere a5 Weiß hat jetzt eindeutig Entwicklungsvorsprung. Allerdings sind alle seine Figuren wirkungslos postiert. Nimzowitsch kontrolliert Damenflügel und Zentrum 13. O-O b4 14. Sb1 die a-Linie zu öffnen kann nicht im weißen Interesse sein c5 15. Lc4 der Läufer möchte sich nicht einsperren lassen. es drohte z.B. 15...La6 gefolgt von c4 e4 16. Sg5 La6 entfernt die einzig aktive weiße Figur vom Brett 17. Lxa6 Txa6 18. xb4 xb4 19. Txa6 Sxa6 wer sich verteidigt sucht gerne nach Linderung durch Abtausch. Hier ist die weiße Stellung in keiner Weise besser geworden. Es droht nichts direkt, aber es fehlt dem Anziehenden die Perspektive irgendwie aktiv am Spiel teilzunehmen 20. c3 h6 21. Sh3 Sg4 die Pointe des Zugs ist nicht der profane und einfach zu parierende Angriff auf h2, sondern die Überfuhrung des Springers auf sein Wunschfeld 22. g3 Se5 besser kann ein Pferd kaum stehen. Der Se5 hat Einbruchsfelder auf f3 und d3 23. Kg2 g5 jetzt kommt der Sh3, nachdem ihm f4 genommen wurde auch nicht mehr ins Spiel 24. Lc1 eine Umgruppierung. Der Läufer hat auf d2 keine Zukunft, aber vielleicht der Sb1 b3 25. Sd2 c4 jetzt steht der Springer auf d3 genauso hoffnungslos wie vorher der Kollege Läufer 26. Sg1 Sc5 auch der Se5 hat bereits auf d3 geschielt, aber der ist ja im Moment an die Deckung von c4 gebunden 27. Se2 Tg8 28. Sd4 der Versuch den Se5 mit f4 zu vertreiben kann natürlich einfach mit exf3+ e.p. beantwortet werden f4 29. Sf5+
der Versuch sich mit 29. xf4 xf4 30. Te1 zu entlasten funktioniert auch nicht e3 31. xe3 xg3 naturlich nicht 31..fxe3 32.Txe3 und Weiß spielt wieder mit 32. xg3 Sed3 33. Sf5+ Ke6
Ke6 30. Sxd6 f3+ der Springer läuft ja nicht weg. Es ist bezeichnend wie keiner der Abtausche irgendeine Erleichterung herbeiführt 31. Kg1 Kxd6 32. Td1 Ke6 33. Sb1 mit der Idee Td4 und Sa3 Scd3 34. Sa3 ohne die Möglichkeit den Turm auf d4 zu spielen ziemlich zahnlos Kd5 35. Sb5 Tb8 36. Sa3
36. Sc7+ der Ausflug nach vorne bringt auch nichts Kd6 37. Sa6 Tb6
Ta8 37. h3 Kc5 entfesselt den Sd3 38. Kf1 Sxc1 die Einleitung zu einem hübschen Ende 39. Txc1 Sd3 40. Tb1 die Deckung kann Weiß sich schenken, da der Bauer trotzdem fällt Sxb2 41. Txb2 Txa3 es droht Ta1 matt 42. Tb1 b2
b2 43. Txb2
43. Kg1 oder Ke1 Ta1 44. Txa1 ba1=Q+
Ta1+ 44. Tb1 Txb1#
PGN anzeigen
[Event "Simultaneous Exhibition"]
[Site "Arnstadt, Germany"]
[Date "1926.??.??"]
[Round "?"]
[White "H Hage"]
[Black "Aron Nimzowitsch"]
[Result "0-1"]
[ECO "A80"]
[PlyCount "84"]
[EventDate "1926.??.??"]

1. d4 f5 2. e3 {der Weißspieler war ein Amateur, der sich hier gerne
gemächlich im Colle-Stil aufbauen würde, was aber gegen eine Holländische
Verteidigung eher selten funktioniert} d6 3. Bd3 e5 {Nimzowitsch tritt auf das
Gaspedal und macht sofort einen Strich durch die weiße Rechnung. Er lässt Hage
nicht die Zeit sich in Ruhe aufzubauen, sondern zwingt sofort die Erklärung im
Zentrum. Es droht unbequemerweise schon 4...e4 wonach Weiß sich neu
orientieren muss, da der typische Colle-Vorstoß nicht mehr möglich ist} 4. dxe5
dxe5 5. Bb5+ c6 {durchaus überraschend. Nimzowitsch gibt freiwillig die
Rochade auf statt naheliegende Zuge wie 5...Ld7 oder 5...Sd7 zu spielen.
Allerdings verschafft die schwarze Spielweise ihm relativ schnell eine starke
Zentrumskontrolle} 6. Qxd8+ Kxd8 7. Bc4 Bd6 8. Nf3 Nf6 {Schwarz kontrolliert
große Teile des Zentrums. Weiß ist zwar in der Entwicklung auf gleicher Höhe,
nimmt aber wenig Einfluß auf die Stellung} 9. Nc3 {
dieser Springer hat keine möglichen Felder nach vorne hin.} Ke7 {Der Sf3 hat
bisher nur die Möglichkeit über g5 anzugreifen. Schwarz nimmt ihm diese
Möglichkeit nicht, macht sie aber weniger attraktiv, da Sg5 jetzt nichts mehr
droht. Zusätzlich gibt der Zug dem Th8 freie Bahn} 10. a3 {
gegen Lb4 in Verbindung mit Se4 gerichtet} Rd8 11. Bd2 b5 12. Ba2 {Eigentlich
ist die a2-g8 Diagonale ja ein Traum für den Läufer, aber er guckt völlig ins
Leere} a5 {Weiß hat jetzt eindeutig Entwicklungsvorsprung. Allerdings sind
alle seine Figuren wirkungslos postiert. Nimzowitsch kontrolliert Damenflügel
und Zentrum} 13. O-O b4 14. Nb1 {
die a-Linie zu öffnen kann nicht im weißen Interesse sein} c5 15. Bc4 {
der Läufer möchte sich nicht einsperren lassen. es drohte z.B. 15...La6
gefolgt von c4} e4 16. Ng5 Ba6 {entfernt die einzig aktive weiße Figur vom Brett
} 17. Bxa6 Rxa6 18. axb4 axb4 19. Rxa6 Nxa6 {wer sich verteidigt sucht gerne
nach Linderung durch Abtausch. Hier ist die weiße Stellung in keiner Weise
besser geworden. Es droht nichts direkt, aber es fehlt dem Anziehenden die
Perspektive irgendwie aktiv am Spiel teilzunehmen} 20. c3 h6 21. Nh3 Ng4 {
die Pointe des Zugs ist nicht der profane und einfach zu parierende Angriff
auf h2, sondern die Überfuhrung des Springers auf sein Wunschfeld} 22. g3 Ne5 {
besser kann ein Pferd kaum stehen. Der Se5 hat Einbruchsfelder auf f3 und d3}
23. Kg2 g5 {
jetzt kommt der Sh3, nachdem ihm f4 genommen wurde auch nicht mehr ins Spiel}
24. Bc1 {eine Umgruppierung. Der Läufer hat auf d2 keine Zukunft, aber
vielleicht der Sb1} b3 25. Nd2 c4 {jetzt steht der Springer auf d3 genauso
hoffnungslos wie vorher der Kollege Läufer} 26. Ng1 Nc5 {auch der Se5 hat
bereits auf d3 geschielt, aber der ist ja im Moment an die Deckung von c4
gebunden} 27. Ne2 Rg8 28. Nd4 {der Versuch den Se5 mit f4 zu vertreiben kann
natürlich einfach mit exf3+ e.p. beantwortet werden} f4 29. Nf5+ ({
der Versuch sich mit} 29. exf4 gxf4 30. Re1 {
zu entlasten funktioniert auch nicht} e3 31. fxe3 fxg3 {
naturlich nicht 31..fxe3 32.Txe3 und Weiß spielt wieder mit} 32. hxg3 Ned3 33.
Nf5+ Ke6) 29... Ke6 30. Nxd6 f3+ {der Springer läuft ja nicht weg. Es ist
bezeichnend wie keiner der Abtausche irgendeine Erleichterung herbeiführt} 31.
Kg1 Kxd6 32. Rd1 Ke6 33. Nb1 {mit der Idee Td4 und Sa3} Ncd3 34. Na3 {
ohne die Möglichkeit den Turm auf d4 zu spielen ziemlich zahnlos} Kd5 35. Nb5
Rb8 36. Na3 (36. Nc7+ {der Ausflug nach vorne bringt auch nichts} Kd6 37. Na6
Rb6) 36... Ra8 37. h3 Kc5 {entfesselt den Sd3} 38. Kf1 Nxc1 {
die Einleitung zu einem hübschen Ende} 39. Rxc1 Nd3 40. Rb1 {
die Deckung kann Weiß sich schenken, da der Bauer trotzdem fällt} Nxb2 41. Rxb2
Rxa3 {es droht Ta1 matt} 42. Rb1 b2 (42... b2 43. Rxb2 (43. Kg1 {oder Ke1} Ra1
44. Rxa1 bxa1=Q+) 43... Ra1+ 44. Rb1 Rxb1#) 0-1
Oli1970 - 14. Aug '18
Hey, es gibt neues Futter!
Da hast Du ein schönes Spiel ausgegraben. Es ist sehr eindrucksvoll, wie Nimzowitsch seinem Gegner immer weiter das Wasser abgräbt und die Mattführung am Schluss ist einfach schön anzuschauen. Die Kommentierung ist dazu noch so ausführlich, da weiß ich gar nicht, was ich noch schreiben soll. :-)

Der Beginn der Partie erweckt den Eindruck, als würde Nimzowitsch seinen Gegner nicht wirklich ernst nehmen. Er zeigt, wie man bei gegebenem Spiel ein kraftvolles Bauernzentrum aufbaut, während Weiß innerhalb von sieben Zügen dreimal seinen Läufer schiebt. Die Hängenden Bauern beherrschen d4 bis f4, werden ihrerseits gedeckt. Den weißen Springern bleiben nach neun Zügen keine Felder, die Vorteil versprechen - wow.

Hage seinerseits nimmt sich mit 10. a3 die Möglichkeit, seinen schwarzen Läufer über den Flügel ins Spiel zu bringen, auch wenn der beschriebene Gedanke nachvollziehbar ist. Nimzowitsch stört's nicht, er sucht die offene Linie neben seinen Zentrumsbauern und zeigt, wie man diese Struktur stärkt, indem man versucht, dort das Spiel zu machen. Weiß sollte versuchen, die Bauern anzugreifen.
Nach 12 Zügen ist das weiße Spiel bereits völlig zum Erliegen gekommen. Nimzowitsch verfügt über Raumvorteil am Damenflügel und im Zentrum, selbst der noch nicht noch nicht gezogene Läufer leistet bereits Deckungsarbeit für mögliche Angriffe auf f5. So gesehen mag Weiß mehr Figuren entwickelt haben, jedoch sind beide Läufer momentan nutzlos, die Springer finden keine Felder und blockierten noch dazu mögliche Ausgänge. Bisher hat Nimzowitsch sein Spiel zielgerichtet aufgezogen, Weiß mit drei Zügen seines weißen Läufers und dem nutzlosen Sc3 versäumt, ein Gegenspiel aufzustellen. Nimzowitsch' Bauern sind praktisch nicht angreifbar.

In der Folge strampelt Weiß sich ab, Figuren umzugruppieren, Schwarz zieht einfach seine Bauern vor und nimmt die Felder - klasse! Selbst die Versuche von Hage, seine Stellung durch Abtausch zu verbessern, läuft ins Leere. Nimzowitwsch scheint zu bestimmen, was er gibt und zu welchem Preis. Nach den Tauschgeschäften steht Weiß nach wie vor unbeweglich, Schwarz hat sich die offene a-Linie verschafft und bringt nebenbei seinen Springer ins Spiel. 20. c3 soll Lücken für den Läufer schaffen, das wird einfach mit h6 beantwortet und der weiße Springer hat die Wahl zwischen Tod oder Mottenkiste. Was Nimzowitsch da macht, sieht so leicht und elegant aus! In der Endphase dürfte Weiß der Verzweiflung nahe gewesen sein, das ganze Spiel ging an ihm vorbei. Eine kleine Bauernarmee hat den Krieg gewonnen. Er hat nicht mal weniger an reinen Zählwerten, er konnte seine Figuren nur nicht ummünzen. Wobei der Tausch des weißen Sf5 gegen den Ld6 eher noch schädlicher war, als dass er Nutzen brachte.

Die Variante zum 36. Zug mit 37. ... Tb6 hätte Nimzo aber wohl doch weh getan ... 38. Sc8 und tschüs? Oder kriege ich da wieder was nicht mit?

Tolle Partie hast Du da rausgesucht, Kellerdrache! Eine Lehrstunde in Sachen Zentrumsbeherrschung, Raumvorteil, Blockaden und vieles mehr. Das soll aber mal Vabanque auseinander puzzeln. Zum einen kann er das viel besser, zum anderen muss er auch noch was zum Schreiben haben. :-)

Gute Nacht!
Vabanque - 14. Aug '18
Hallo Oli,

ich wollte mich irgendwann morgen noch ausführlich zur Partie und zu Kellerdraches Kommentierung äußern, fürs Erste aber nur so viel:

Wie der weiße Springer (in der Variante zum 36. Zug) nach 37... Tb6 plötzlich von a6 nach c8 springen soll, weiß ich nicht, lach ... vermutlich ist es zu spät nachts, oder du hast gerade (so wie ich manchmal) die falsche Brille auf? ;)

Morgen sieht diese Stellung für dich sicher ganz anders aus :)
Oli1970 - 14. Aug '18
Wow, ich fasse es nicht. Wie geil ist das denn? Ja, mir sind gestern schon fast die Augen zugefallen, aber das? Mitternacht, fünf Stunden Schlaf und dadurch das Bedürfnis, fertig werden zu wollen. Ich ahne, wie ich meine Spiele verliere. Schäm.
Kellerdrache - 14. Aug '18
Einen Punkt habe ich bei meiner Kommentierung kaum behandelt: Die Frage was genau Weiß falsch gemacht hat um so eine passive Stellung zu bekommen. Mir fallen hier folgende Punkte ein:
1. Der Colle-artige Aufbau funktioniert gegen Holländisch nicht, da sich e4 kaum durchsetzen lässt.
2. Der Abtausch mit 4.dxe5 dxe5 überlässt Schwarz das Zentrum.
3. Sc3 im 9.Zug ist sinnlos. Der Springer steht dort nicht gut, da ohne Perspektive. Nimzowitsch selbst hat damals alternativ einen Aufbau mit a4, b3 und Lb2 vorgeschlagen.
Oli1970 - 14. Aug '18
Ich glaube, das war schon fast selbsterklärend - und warum Sc3 nicht so dolle ist, hast Du ja erwähnt. Der Partie konnte ich ohne elektronische Unterstützung folgen, in der Kommentierung habe ich nichts vermisst. Die Partie ist mit ihrer / Deiner Kommentierung ein lehrbuchartiges Prachtstück.

Die Eröffnung(en) muss ich mir noch anschauen, Colle kenne ich nicht und Holländisch kenne ich zwar rudimentär, habe mich aber nie selbst dran versucht. Es soll ja noch Unterschiede zwischen „kennen“ und „können“ geben, habe ich mir sagen lassen.

Sorry nochmals für meine geistige und optische Fehlleistung oben - gestern Nacht sah das noch glasklar aus. Da hätte der Trockenfisch oder der Zauberer bestimmt geholfen. Ich kriege immer noch einen roten Kopf deswegen. :-)
Kellerdrache - 14. Aug '18
Der belgische Schachspieler Colle hat ein System entwickelt wo sich Weiß hinter einem geschützten Zentrum (d4, e3, manchmal noch c3) entwickelt. Die Figuren werden so entwickelt (Sf3, Sbd2, Ld3, De2 usw.), dass sie den Vorstoß e4 und danach den Königsangriff unterstützen.
Holländisch (1...f5) richtet sich von Anfang an gegen e4 (mit f5, Sf6 manchmal auch d5 usw.). Dadurch wird die Durchsetzung von e4, was der Colle-Spieler ja will, erschwert. Setzt er es trotzdem durch bekommt Schwarz wenigstens eine halboffene f-Linie auf den weißen König. Ergo muß Weiß mindestens darüber nachdenken ob ein anderer Plan (als e4 durchsetzten) nicht vielleicht besser ist.
Vabanque - 14. Aug '18
>>Die Eröffnung(en) muss ich mir noch anschauen, Colle kenne ich nicht und Holländisch kenne ich zwar rudimentär, habe mich aber nie selbst dran versucht. Es soll ja noch Unterschiede zwischen „kennen“ und „können“ geben, habe ich mir sagen lassen.<<

Da besteht allerdings ein gewaltiger Unterschied. 'Kennen' tue ich wohl die allermeisten Eröffnungen (irgendwelche ziemlich absurden und fast nie gespielten Gambite mal ausgenommen), aber dass ich sie auch spielen könnte, kann ich von den allerwenigsten Eröffnungen behaupten, eigentlich von keiner so richtig.

>>Sorry nochmals für meine geistige und optische Fehlleistung oben - gestern Nacht sah das noch glasklar aus. Da hätte der Trockenfisch oder der Zauberer bestimmt geholfen. Ich kriege immer noch einen roten Kopf deswegen. :-)<<

Da gibt's gar nichts zu entschuldigen. Es war ja auch klar, dass die späte Nachtstunde dafür verantwortlich war. Ich habe derartige Springer'züge' auch schon in ernsten Turnierpartien beobachten können - freilich mussten sie dort zurückgenommen werden. Obwohl, ich kann mich an einen Fall erinnern, wo beide Spieler es zunächst nicht bemerkten, erst später kam einem etwas 'komisch' vor, und dann musste die Partie unter Aufsicht der Schiedsrichters bis zu der Stelle, wo der regelwidrige Zug erfolgt war, zurückgespult und von da an neu fortgesetzt werden. Ich weiß aber nicht, was dann mit den Uhren geschieht ...
So gesehen, es kommt viel Schlimmeres vor :-)
Vabanque - 14. Aug '18
Natürlich wurde zu der Partie schon sehr viel gesagt, und sie ist ja auch von rein positioneller Art, so dass auch keine langen Varianten angegeben werden können oder müssen.

Deswegen möchte ich - ohne noch einmal eine komplette Besprechung durchführen zu wollen, was Kellerdrache und Oli1970 schon besorgt haben - den Blick nur noch mal auf ein paar Aspekte lenken:

1) Die Partie zeigt einen typischen Fall, wo 'Rochadeverlust' ganz und gar bedeutungslos ist, weil Weiß nie eine Figurenstellung erreichen wird, mit der er den schwarzen König irgendwie belästigen kann.

2) Sie zeigt auch, wie relativ der Begriff der 'Entwicklung' zu sehen ist. Betrachten wir dazu die Stellung nach dem 11. Zug von Weiß; Weiß hat alle Figuren mit Ausnahme der Türme aus der Ausgangsstellung heraus gezogen, aber sind sie auch entwickelt? Da haben wir den Ld2, der überhaupt keine Perspektiven hat; weiter sind da die Springer, die auch auf keine guten Felder schielen (Sg5 nebst Sf7 wären nur Abwege, wie es dann später auch bewiesen wird); letztlich ist da noch der scheinbar gut postierte Lc4, der aber ins Leere guckt.
Vabanque - 14. Aug '18
Nach diesen allgemeinen Erwägungen noch ein paar konkrete Sachen:

1) Nach der Variante zum 36. Zug

36. Sc7+ Kd6 37. Sa6 ist Tb6 m.E. nicht am stärksten, denn Weiß spielt Sb4, der schwarze Sd3 ist gefesselt und es gibt keinen unmittelbaren Gewinn.
Wäre es nicht besser, hier 37... Ta8 zu spielen, dann geht nach 38. Sb4 nämlich gleich Ta1, und der weiße Lc1 geht verloren.

2) Mit dem Zug 38... Sxc1! schaltet Nimzo von positionell auf taktisch um. Denn: niemals würde er eine so schlechte Figur wie den weißen Lc1 tauschen, wenn nicht unmittelbar etwas 'drin' wäre. Die Kombination ist hier zwar eine sehr einfache, trotzdem hätten viele von uns (so ich auch) sie vielleicht nicht gesehen, weil wir den Tausch des guten Sd3 gegen den schlechten Lc1 gar nicht in unsere Überlegungen einbezogen hätten!

3) Versucht Weiß 41. Ta1, so kommt einfach Sd3 mit der Drohung Txa3! nebst b2.

4) Im 42. Zug könnte Weiß gegen das drohende Matt auch Ke1 oder Kg1 versuchen.
Aber auf 42. Ke1 folgt Ta1+ nebst Tf1 und der f2-Bauer fällt mit Karacho, während auf 42. Kg1 Ta1+ 43. Kh2 Tc1 der weiße c-Bauer in die Tonne wandert, wonach Schwarz zwei verbundene Freibauern besitzt.

All diese Varianten sind nicht vom Blechesel geprüft, es ist also möglich, dass dieser schlaue Kerl jeweils noch stärkere Möglichkeiten für Schwarz kennt ;)
Vabanque - 14. Aug '18
Ehrlich gesagt, fand ich den schwarzen Zug 24... b3 riskant. Sicher, der Zug sperrt in Verbindung mit nachfolgendem c4 (das dann auch nötig ist) den weißen Lc1 endgültig ein. Aber gerade das nachfolgende c4 (ohne das b3 keinen Sinn macht) schwächt den Bauern c4 und gibt Weiß vor allem das Feld d4 in die Hand. Entscheiden zu können, dass man dies alles zulassen kann, dass Weiß an den Bauern c4 nicht wirklich rankommt und das Feld d4 zwar mit einem Springer besetzen kann, dieser dort aber nichts ausrichten wird, ist schon hohe Schachkunst. Das hätte ich nicht so voraussehen können. Ich hätte entweder b3 nebst c4 gespielt, weil ich die Schwäche von c4 und d4 nicht vorausgesehen hätte, oder ich hätte diese Züge eben nicht gespielt, falls ich die Schwäche dieser Felder gesehen hätte. Noch Klarheiten?! ;)

Der Zug 28... f4 ist auch so eine Sache, aber an dieser Stelle natürlich konsequent und durch Tg8 ja auch schon vorbereitet worden (sonst spielt Weiß f3 und befreit sich einigermaßen). Warum? Weil dadurch e4 auch noch schwach wird, die Variante zum 29. Zug von Weiß (exf4 exf4 30. Te1) zeigt das ja ganz gut. Da musste Nimzowitsch wohl doch ganz schön vorausrechnen. Dass 30... e3 möglich ist, musste er schon etliche Züge im Voraus gesehen haben, sonst käme er hier wirklich sogar in Nachteil. Flieht nun der Sd2, kommt Sd3, und auf fxe3 wie angegeben kommt fxg3 nebst Sd3 und Bedrohung von g3. Auf einmal hat sich die Stellung zum Vorteil von Schwarz geöffnet. Trotzdem habe ich bei der ganzen Variante ein mulmiges Gefühl, so als hätte Weiß irgendwo was drin, was wir alle übersehen ... (was sagt unser Plastikfreund dazu?)
Der Grund, warum mir hier so komisch zumute wird, liegt darin, dass ich selber immer die Erfahrung mache: Wenn ich von positionell auf taktisch umschalte und z.B. Bauern- oder Felderschwächen zulasse aufgrund einer haarscharfen Berechnung, dann hat diese haarscharfe Berechnung meist ein Loch, und ich bleibe mit Nachteil zurück, und nehme mir vor, beim nächsten Mal nie mehr meiner Berechnung, sondern wieder meinem Positionsgefühl zu trauen. Aber vielleicht hatte Nimzowitsch meine Probleme ja nicht? ;)
Oli1970 - 14. Aug '18
Schön, wie Du die Zerrissenheit im 24. Zug beschreibst - entweder Du tust aus falscher Motivation das Richtige oder in richtiger Absicht das Falsche. :-)

Deine Variante zu 28. … f4 ist an sich eine schöne Idee für Weiß. Jetzt habe ich aber doch mal die Denkmaschine angeschmissen. Demnach soll der stärkste Zug g5-g4 sein und sogar 28. … Kf6 29. f3 wäre noch stärker als die die gespielten Züge. Das ist interessant, andererseits kann ich aber auch nicht beurteilen, ob der Computer die Stellung insgesamt richtig einschätzt. Das Spiel ist als Nr. 42 kommentiert in "Praxis meines Systems", es gibt eine Leseprobe auf books.google.de. Nimzowitsch geht hier aber gar nicht drauf ein, insgesamt ist er ohnehin knapp an Kommentaren. Vielleicht hat er höchst unfein seinen Gegner gar nicht ernst genommen.

Die wesentlichen Elemente hast Du jedenfalls nochmal gut zusammengefasst; wieso schreibe ich eigentlich immer so viel, wenn es auch einfach geht? Und dank Kellerdrache weiß ich jetzt auch: Colle ist nicht einfach eine Eröffnungsvariante, es ist ein Aufbausystem. :-) Spiel Nr. 41 steht auch in der Leseprobe, geht übrigens gegen Colle, dem gönnt Nimzowitsch dann doch ein paar Worte mehr. Da hatte er wohl auch mehr Probleme. ;-)
Vabanque - 15. Aug '18
Die Variante zu 28... f4 hat ja auch schon Kellerdrache in seinem Kommentar angegeben, ich habe sie nur noch ein bisschen ausgeführt. Wenn die ganze Variante (die, so weit ich mich erinnere, ja auch schon von Nimzowitsch angegeben wurde) stimmt, gewinnt ja Schwarz. Wenn also der Computer 28... f4 für gar nicht mal so gut hält, müssen in der Variante zu 28... f4 bessere Möglichkeiten für Weiß versteckt sein, die ich nicht sehe.
An 28... g4 dachte ich auch mal kurz, um weißes f3 zu verhindern, aber das opfert a) den Bauern f5 (kann man wohl machen, muss man aber gut prüfen) und gibt b) das Feld f4 in die Hände von Schwarz (ok, der Siliziumknecht meint wohl, das wäre nicht so schlimm).
28... Kf6 dagegen hatte ich wegen f3, genau wie du auch angibst, relativ schnell wieder gedanklich verworfen.

Das ist dann halt wieder mal der Unterschied zwischen menschlichem und Engine-Schach.

Insgesamt wird aber schon aus den paar Andeutungen klar: die größten Probleme entstehen oft, wenn sich eine geschlossene Stellung öffnet!

Und ohne schließliche Öffnung kann eine geschlossene Stellung nie gewonnen werden.


In dieser Partie geschieht allerdings ein Kuriosum: Nachdem Weiß im 29. Zug die Öffnung der der Stellung versäumt (und statt exf4 das grundfalsche Sf5+ spielt, wahrscheinlich hat er den Zwischenzug f3+ übersehen), schließt sie sich einfach wieder, diesmal aber wirklich mit völliger Lahmlegung der weißen Stellung.

Es stimmt natürlich auch hier, dass nur eine schlussendliche Öffnung der Stellung zum Gewinn führen kann, allerdings ist die Öffnung diesmal auch sofort vernichtend (Eindringen des schwarzen Turms über die a-Linie), weil auch schon Mattmotive auftauchen, nur noch der schwarze Turm der Spielmacher ist und weiße Gegenmöglichkeiten überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden müssen.
Oli1970 - 15. Aug '18
Es wäre sicher spannend, zu wissen, wie tief Nimzowitschs eigene Gedanken dazu während der Partie waren. Andererseits wissen wir nicht, wie die Umstände - z. B. die Zeit zur Zugfindung - aussahen. Vielleicht hat er auch gar nicht so tief gedacht und den besten Zug gesucht. Er scheint sich einige Jahre mit Bauernketten beschäftigt zu haben, vielleicht reichte ihm das Wissen, dass er das Spiel beherrschte und irgendwie zum Ziel käme. Zwischen ihm und Hage dürften Welten gelegen haben. Leider finde ich nichts zu Hage.
Vabanque - 15. Aug '18
Er war halt ein Gegner im Simultanspiel, ein Amateur wie du und ich.
Kellerdrache - 15. Aug '18
Ich dachte schon keiner hätte die Partiedaten gelesen ;-)). Ja, es handelt sich um eine Partie die während einer Simultanvorstellung gespielt wurde. Sie ist wohl nur deshalb der Nachwelt erhalten geblieben weil Nimzowitsch sie einiger nachträglicher Kommentare für wert hielt.
Es ist zu vermuten, dass er während der Partie nicht allzu viele Varianten durchgerechnet hat. Dazu fehlt es beim Simultan an der Zeit. So gesehen ist es eher beeindruckend wie qualitativ hochwertig er die Partie anlegt.
Oli1970 - 15. Aug '18
Eben wegen der Partiedaten hatte ich auch eingangs angemerkt, möglicherweise habe er seinen Gegner nicht ganz ernst genommen. :-) Das ist ja witzig, dass wir erst am Ende auf die Ausgangslage zu sprechen kommen. :-)
KroMax - 15. Aug '18
Mir ist kürzlich hier bei chessmail auch ein “Würger” über den Weg gelaufen. Nennen wir ihn mal „skofi“. Ein toller Clubkamerad von mir, der deutlich besser spielt als ich, was man seiner derzeitigen Wertung noch nicht ansieht. Ab einem gewissen Punkt in der Partie habe ich innerlich aufgegeben, aber noch ein paar Züge weitergespielt. Ich hatte keine Chance und die habe ich genutzt.

KroMax skofi Turnierspiel c73a4395527b47c2 | <a rel= | 2018.06.01 | 0:1
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1. c4 e5 2. Sc3 Sf6 3. g3 Lb4 4. Lg2 O-O 5. Sf3 Sc6 6. O-O Englisch spiele ich gerne, aber Ahnung habe ich natürlich trotzdem nicht, aber bis hier war, glaube ich, noch alles in Ordnung e4 bringt mich aus meinem Konzept 7. Sg5 Lxc3 8. xc3 Te8 verdammt, ich erobere ja gar nicht den Bauern 9. Dc2 De7 10. b4 unglaublich, der Bauer beherrscht ja das ganze Brett d6 11. Sh3 Se5 12. Lg5 Lxh3 13. Lxh3 Sxc4 14. Tad1 c6 15. b5 xb5 16. Td4 Tad8 17. Lg2 ich bekomme einfach nicht meinen Läufer ins Spiel d5 18. Tfd1 Sb6 19. Dc1 h6 20. Lxh6 hier gebe ich eigentlich auf. Ein Opfer, welches ich gar nicht näher angeschaut habe, aber ich will unbedingt noch ein bisschen Drama machen, denn sonst ist es mir zu langweilig xh6 21. Dxh6 De5 22. f3 Sa4 23. Dd2 Tc8 24. f4 De7 25. f5 e3 26. De1 Sxc3 27. T1d3 De5 28. Df1 Sxa2 29. Lxd5 Tc1 ok, habe ich übersehen und die Türme kriege ich auch nicht mehr rüber zu seinem König, erledigt 30. Lxa2 Txf1+ 31. Kxf1 Se4 32. Kg2 Dxf5
PGN anzeigen
[Event "Turnierspiel c73a4395527b47c2"]
[Site ""]
[Date "2018.06.01"]
[Round "-"]
[White "KroMax"]
[Black "skofi"]
[Result "0-1"]

1.c4 e5 2.Nc3 Nf6 3.g3 Bb4 4.Bg2 O-O 5.Nf3 Nc6 6.O-O{Englisch spiele ich gerne, aber Ahnung habe ich natürlich trotzdem nicht, aber bis hier war, glaube ich, noch alles in Ordnung}e4{bringt mich aus meinem Konzept} 7.Ng5 Bxc3 8.dxc3 Re8{verdammt, ich erobere ja gar nicht den Bauern}
9.Qc2 Qe7 10.b4{unglaublich, der Bauer beherrscht ja das ganze Brett}d6 11.Nh3 Ne5 12.Bg5 Bxh3 13.Bxh3 Nxc4 14.Rad1 c6 15.b5 cxb5
16.Rd4 Rad8 17.Bg2{ich bekomme einfach nicht meinen Läufer ins Spiel} d5 18.Rfd1 Nb6 19.Qc1 h6 20.Bxh6{hier gebe ich eigentlich auf. Ein Opfer, welches ich gar nicht näher angeschaut habe, aber ich will unbedingt noch ein bisschen Drama machen, denn sonst ist es mir zu langweilig} gxh6 21.Qxh6 Qe5 22.f3 Na4
23.Qd2 Rc8 24.f4 Qe7 25.f5 e3 26.Qe1 Nxc3 27.R1d3 Qe5 28.Qf1 Nxa2 29.Bxd5 Rc1{ok, habe ich übersehen und die Türme kriege ich auch nicht mehr rüber zu seinem König, erledigt}
30.Bxa2 Rxf1+ 31.Kxf1 Ne4 32.Kg2 Qxf5 0-1


Ich weiß, ich habe schlecht gespielt und Gratulation an skofi.
Beste Grüße
Max
Kellerdrache - 15. Aug '18
Hmm, mir ist aufgefallen, dass alle drei Partien ein schwarzes ...e4 enthalten. Ein vorgezogener Bauer den man nicht baldigst entsorgen kann hemmt die eigene Entwicklung anscheinend schon. Es gibt ja ganze Eröffnungsvarianten (Falkbeers Gegengambit, Albins Gegengambit) die darauf beruhen die generische Entwicklung zu behindern. Nur zwingend ist die Geschichte ja ein keinem der drei Fälle gewesen. Immer hatte Weiß Gelegenheit aktiver zu spielen und den Würgegriff frühzeitig abzuwerfen.
Oli1970 - 15. Aug '18
Hallo Max,

schön, dass es noch ein weiteres kommentiertes Spiel hierhin gefunden hat. Und schön, dass es ebenfalls ein selbst gespieltes ist - Du bringst Deine Gedanken sehr unterhaltsam rüber! :-)

Die Englische Eröffnung ist auf jeden Fall bis inklusive 7. Zug solide.

Zur "Entschuldigung" vorweg, ich habe Schach spielen früher mal den Regeln nach gelernt und irgendwann angefangen, Bücher dazu zu lesen. Eine Anleitung durch einen erfahrenen Spieler oder eine Vereinsanbindung hatte ich nie (und auch nicht gesucht). -
Darf ich fragen, warum Du mit dem d-Bauern "nach außen" geschlagen hast? Ich habe mir gemerkt, dass die Bauern tunlichst zur Brettmitte hin schlagen sollten, also bxc3 statt dxc3. Mit dem Zug hast Du Dir die Möglichkeit genommen, e4 mittels d3 aufs Korn zu nehmen, die Alternative f3 würde nun Deinen Bauern auf der e-Linie vereinzeln - einfach Pech wegen des unerwarteten e4 oder tieferer Gedankengang bzw. stimmt meine Merkregel so universell denn doch nicht? (Weil es sich hinterher immer besser klugscheißert, habe ich jetzt noch schnell im de Firmian nachgesehen. Die dort angegebenen Varianten hätten tatsächlich bxc3 und in der Folge d3 oder f3 vorgesehen.)

Zum Rest gibt es eigentlich auch nicht mehr viel zu sagen, Du hast Dein Seelenleben treffend dargestellt. Dein Clubkamerad hat die Wege verstellt und Dir die Gegenspielmöglichkeit immer weiter genommen. Thematisch absolut passend zu Kellerdraches Partie.

Respekt, dass Du das Selbstbewusstsein hast, hier solch eine Niederlage zu bringen und unumwunden schlechtes Spiel einzugestehen. Das beweist Größe, sowohl für Deine Person als auch gegenüber Deinem Gegner! Vielen Dank!

Kellerdraches Anmerkung zu e4 finde ich nachdenkenswert. Leider habe ich keine Ahnung davon, um dazu was beitragen zu können. Schon klar, dass vorgerückte Bauern nervig sind. Was sagen die Experten zur These der dauernden Entwicklungshemmung durch einen einzelnen Bauern? Sollte sich das erste Gegenspiel tunlichst auf diesen Bauern konzentrieren?
KroMax - 15. Aug '18
Hallo Oli,
danke für deine netten Zeilen.
Ich selbst habe übrigens noch nie ein Schachbuch gelesen und war nie im Verein.
Ich habe also wirklich keine Ahnung von Schachtheorie und wenn ich hier spiele, schaue ich gelegentlich die Eröffnung bei Wikipedia an, um überhaupt ansatzweise zu wissen, wie man da dann weiterspielt :-).
ZB. kannte ich die Regel: "Zur Brettmitte hin schlagen" nicht.

Vielleicht stelle ich ja auch mal gelegentlich was ein und dann kommentiere ich das ganz salopp im Kontrast zu den Profis Vabanque und Kellerdrache :-)

Zu deiner Frage bezügl. dxc3...ich musste eben nachschauen, denn ich wusste es selbst nicht mehr, aber jetzt fällt es mir wieder ein:
Ich wollte schnell meinem Lc1 Luft verschaffen.
Aber du hast natürlich recht. Dadurch ermöglichte ich skofi diesen "vermaledeiten" Bauern auf e4 noch viel leichter :-))

Beste Grüße
Max
KroMax - 15. Aug '18
Übrigens Kellerdrache:
Ich wollte auf keinen Fall deinen Thread hier irgendwie "beschädigen", aber ich dachte, ihr seid fertig mit diskutieren und außerdem passte es zum Thema.
Falls du das nicht so gerne hast, sag es mir.

Ich klicke jede Partie von euch Beiden durch und finde es ganz toll was du und Vabanque hier macht, kann aber immer schlecht was dazu sagen.
Ich kann/will nur etwas sagen, wenn ich auch wirklich drin stecke und das ist eben nie so richtig der Fall, ausser eben, ich habe selbst die Partie gespielt und dann, wie oben gesehen, auch nur ohne Kenntnisse von Schachtheorie.

f3 werde ich nächstes Mal spielen Oli ! ;-))

Beste Grüße
Max
Oli1970 - 15. Aug '18
Wow, dass Du kein „Profi“ bist, hätte ich bei Deinem Engagement hier für Deinen Club und die Turniere nicht erwartet! Da macht man sich ein Bild, und es ist ein völlig falsches. :-)

Vielleicht sagen Kellerdrache und / oder Vabanque noch was zu meiner „Bauernweisheit“. Das ist ja oft das Problem beim angelesenen Wissen, dass man nicht weiß, wie allgemeingültig sowas ist oder wo sogar Bullshit anfängt.

Wenn Du auch als Kommentator einsteigst, würde ich mich freuen. Durch die letzten eingestellten Partien habe ich wieder richtig Lust bekommen, mich mehr mit Schach und weniger mit anderen Dingen zu beschäftigen. Du hast schön gezeigt, dass man auch Schach nicht allzu ernst sehen muss. Gefällt mir!

Dir noch einen schönen Abend, für mich wird‘s jetzt Schlafenszeit. Hoffentlich bis bald an dieser Stelle!
KroMax - 15. Aug '18
:-)...das habe ich schon häufiger gehört, aber hier bei chessmail Schach spielen und organisieren, ist halt doch etwas ganz anderes, als im Bereich des Realschachs.
Es mag ähnlich sein, ist aber doch ganz anders.

Vielleicht bringt ja irgendwie cm nochmal dazu auch in einen Realverein einzutreten und sich dort zu engagieren, aber mir fehlt die Zeit und hier ist man zeitlich so ungebunden.

Beste Grüße
Max
Kellerdrache - 16. Aug '18
@ KroMax: Weder ich noch Vabanque (ich denke ich kann da mal ausnahmsweise für ihn sprechen) haben ein Problem damit wenn jemand hier einen eigenen Beitrag postet. In welcher Form auch immer. Es hat ja auch gepasst. Nur der schachfremde Kram gehört eher woanders hin.

Das ist ja nicht unser Privatforum, auch wenn es oft so aussieht
Vabanque - 17. Aug '18
>>Kellerdrache - vor 15 Std.

@ KroMax: Weder ich noch Vabanque (ich denke ich kann da mal ausnahmsweise für ihn sprechen) haben ein Problem damit wenn jemand hier einen eigenen Beitrag postet. In welcher Form auch immer. Es hat ja auch gepasst. Nur der schachfremde Kram gehört eher woanders hin.

Das ist ja nicht unser Privatforum, auch wenn es oft so aussieht<<

Seh ich alles genauso. Konnte bloß die letzten beiden Tage kaum reinschauen und schon gar nicht schreiben, weil ich auf Reisen war mit sehr schwankendem Internetzugang.

Evtl. hätte die von KroMax gepostete Partie in einem eigenen Thread mehr Beachtung gefunden, vielleicht aber auch nicht. Irgendwie passt sie ja durchaus zum Thema.

Vor allem eure Anmerkungen zu schwarzem ... e4 mit zentraler Einengung des weißen Spiels sind interessant.

In meinen in der Reihe 'Locker etc.' geplanten Partien gibt es noch zwei mit frühem schwarzen e4. Nur in einer davon kann Weiß diesen Vorstoß widerlegen, in der anderen wird Weiß zermalmt. Vielleicht würde letztere hierzu also auch noch passen, trotzdem bringe ich (vsl. die nächsten Tage) zuerst die andere, weil sie schon fertig kommentiert ist :)
Vabanque - 17. Aug '18
>>ZB. kannte ich die Regel: "Zur Brettmitte hin schlagen" nicht.<<

Naja, so fest gefügt ist die 'Regel' nicht. Man liest sie oft in Lehrbüchern, und sie hat auch einen Grund: schlägt man mit einem Bauern zur Brettmitte hin, wird er damit quasi aufgewertet, da zentrale Bauern als wertvoller gelten. Warum ist das so? Nun, ein Bauer, der zentral steht, wirkt wiederum auf wichtige Zentralfelder, wo er eigene Figuren stützen und gegnerische Figuren vom Betreten dieser Felder abhalten kann. Und Figuren (nicht: Bauern), die zentral stehen, beherrschen mehr Felder, und vor allem: sie können leichter nach allen Seiten des Bretts bewegt werden.

Aber die 'Regel' hat auch in der Meisterpraxis ganz viele Gegenbeispiele.
Auch in obiger Partie von KroMax hat das Schlagen dxc3 statt bxc3 auch Vorteile: der Lc1 wird befreit und die d-Linie öffnet sich für die weiße Dame. Ich wäre gar nicht sicher, welchem Schlagen ich da den Vorzug gegeben hätte.
Vabanque - 17. Aug '18
Aber die Nachteile von dxc3 überwogen in dieser konkreten Situation halt letztlich doch, und diese hat Oli1970 oben ja auch schon recht schön ausgeführt, da brauche ich nichts mehr hinzuzufügen.