Kommentierte Spiele
Viktor Korchnoi (I): Korchnoi - Portisch 1983
Vabanque - 08. Jun '16
Über Viktor Korchnois schachliche Laufbahn möchte ich hier nicht viele Worte verlieren; die vollständige Würdigung bzw. den Nachruf mögen andere übernehmen. Hervorgehoben werden sollte aber auf alle Fälle der Umstand, dass 'Viktor der Schreckliche' noch im Alter von 75 Jahren in den Top 100 der Schach-Weltrangliste zu finden war; weder vorher noch nachher ist dies jemals einem Spieler vergleichbaren Alters gelungen (Momentan befindet sich in den Top 100 nicht einmal ein Spieler über 50!).
Als Korchnoi 1981 im WM-Kampf gegen Karpov erneut unterlag (und zwar diesmal wesentlich deutlicher als beim ersten Match 1978), sprach man bereits davon, dass er - mittlerweile 50jährig - seinen Zenit überschritten habe. Vielleicht war dies auch richtig, aber 1983 schlug er noch einmal im Kandidaten-Viertelfinale den deutlich jüngeren und deswegen auch favorisierten ungarischen Spitzenspieler Lajos Portisch, bevor er im Halbfinale dann gegen Kasparov ausschied (allerdings nicht ohne diesem in der 1. Partie eine schmerzliche Niederlage zugefügt zu haben!).
Aus dem Wettkampf mit Portisch stammt die folgende Partie, die mir als eine der deutlich zugänglichsten von Korchnoi erscheint. Zwar fehlen spektakuläre Züge, doch die Partie besticht durch eine Reihe feiner und origineller Manöver taktischer wie auch strategischer Natur. Nach einem Fehler von Portisch im 14. Zug gerät dieser in eine Art Spießrutenlauf, wo Viktor der Schreckliche zu Portischs Leidwesen in jedem Zug stets den unangenehmsten Peitschenhieb trifft.
Es handelt sich um die 3. Partie des Wettkampfs.































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Als Korchnoi 1981 im WM-Kampf gegen Karpov erneut unterlag (und zwar diesmal wesentlich deutlicher als beim ersten Match 1978), sprach man bereits davon, dass er - mittlerweile 50jährig - seinen Zenit überschritten habe. Vielleicht war dies auch richtig, aber 1983 schlug er noch einmal im Kandidaten-Viertelfinale den deutlich jüngeren und deswegen auch favorisierten ungarischen Spitzenspieler Lajos Portisch, bevor er im Halbfinale dann gegen Kasparov ausschied (allerdings nicht ohne diesem in der 1. Partie eine schmerzliche Niederlage zugefügt zu haben!).
Aus dem Wettkampf mit Portisch stammt die folgende Partie, die mir als eine der deutlich zugänglichsten von Korchnoi erscheint. Zwar fehlen spektakuläre Züge, doch die Partie besticht durch eine Reihe feiner und origineller Manöver taktischer wie auch strategischer Natur. Nach einem Fehler von Portisch im 14. Zug gerät dieser in eine Art Spießrutenlauf, wo Viktor der Schreckliche zu Portischs Leidwesen in jedem Zug stets den unangenehmsten Peitschenhieb trifft.
Es handelt sich um die 3. Partie des Wettkampfs.
Viktor Korchnoi Lajos Portisch Bad Kissingen | Bad Kissingen | 3 | 1983.03.30 | A33 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. c4 c5 2. Sf3 Sf6 3. Sc3 Sc6 Wieder mal eine Eröffnung, wo man keine schnellen Verwicklungen erwartet. Doch der Schein trügt, wie so oft. 4. d4 xd4 5. Sxd4 e6 6. Sdb5 Schon ist was los. Sd6+ sollte Schwarz besser nicht zulassen. d5 Der solide Zug wäre d6. 7. Lf4 Droht Schlimmes auf c7, daher ist die schwarze Antwort erzwungen. e5 8. xd5 xf4 Wieder erzwungen. 9. xc6 xc6 10. Dxd8+ Kxd8 Häufig sind solche Stellungen mit frühem Damentausch ja remislich. Hier aber sind erstens die schwarzen Bauern zersplittert, und zweitens kann Weiß sofort mit Drohungen operieren. 11. Sd4 Kc7 Der c-Bauer musste gedeckt werden, und der König fühlte sich in der d-Linie (in Erwartung eines weißen Turms auf d1) sowieso nicht sehr wohl. Aber hier steht der schwarze König trotz des Fehlens eines schwarzfeldrigen Läufers bei Weiß ebenfalls nicht so sicher, da sein Bauernschutz zerrissen ist. 12. g3! Obwohl Schwarz dann seinen Doppelbauern auflösen kann, ist dies ein starker Zug: der Lf1 wird auf g2 eine prächtige Diagonale finden, und wenn Schwarz auf g3 tauscht, öffnet sich die h-Linie für den weißen Königsturm. Korchnoi hat richtig erkannt, dass diese Partie durch Figurenspiel entschieden werden wird und nicht durch Bauernstrukturen. Lc5 Portisch erwartete nun sicher 13. Sb3 Lb4 (oder auch Ld6) mit Gegenspiel. 13. Tc1! Weiß lässt den Sd4 scheinbar einfach hängen. Aber auf den zweiten Blick wird klar, dass dieser ganz einfach zurückerobert werden könnte. Und was wichtiger ist: der Turm zielt auf den schwachen Bauern c6 und indirekt auch auf den schwarzen König. xg3 14. xg3 La6? Ein taktischer Fehler, wie der schreckliche Viktor sofort schlagend nachweist. Nur mit Tb8! (drohend Lxd4, da Sb5+ dann nicht mehr möglich wäre) und Txb2, konnte Schwarz sich halten. 15. Sxc6! Eine peinliche Überraschung für Schwarz, die in jedem Fall mindestens einen Bauern gewinnt. Lb7 16. Sa4! Dieser Randspringerzug ist stärker als Lg2, was ebenfalls möglich war, da sich dann Schwarz wieder nicht gut auf c6 bedienen könnte. Weiß will aber seinen Königsläufer noch nicht tauschen, sondern ihn für größere Taten aufsparen. Lxf2+ 17. Kxf2 Se4+ 18. Kg1! Lxc6 19. Lg2 Und wieder droht wegen der Fesselung des Lc6 Figurengewinn. Tae8 20. Th4 Nun wird der Turm auch in der Textfortsetzung aktiv; schon wieder droht Gewinn des Se4, der wegen Txc6+ nicht weglaufen kann. f5 Scheinbar hat Schwarz gerade noch mal alle unmittelbaren Gefahren abwenden können. 21. g4! Der schreckliche Viktor gibt und gibt keine Ruhe (Ruhe ist - glaube ich - sowieso das Attribut, das am wenigsten auf ihn passt, obwohl er sie jetzt im Jenseits hoffentlich gefunden hat); die Stütze des Se4 wird unterminiert! f4 22. Txc6+! Bereits die Entscheidung. Weiß gewinnt nun 2 Leichtfiguren für den Turm, was auf diesem Spielniveau (und in der vorliegenden Stellung) zum Gewinn reicht. Kxc6 23. Sc3 Kc5 Schwarz setzt noch auf Aktivierung seines Königs (das hat er in Endspielbüchern gelesen). 24. Lxe4 Kd4 25. Lf3 Weiß schlägt nicht auf h7, da er den Läufer nur schwer wieder aus der Fesselung brächte wegen des ungedeckten Th4. Tb8 Greift den Bauern b2 an, der nicht mit b3 verteidigt werden kann, da dann der Sc3 hinge. Also hat die Aktivierung des Königs Schwarz doch etwas gebracht? 26. Sa4! Erneut geht der Springer an den Rand! 'Bekanntlich' ist das doch eine 'Schand'? Aber diese Regeln gelten nicht für geniale Spieler. Tb4 Schwarz insistiert. 27. Th5! Das simple b3 war auch gut, aber der Textzug ist viel eleganter und auch stärker, da er den Turm aktiviert. Td8 28. b3 Jetzt muss der Springer doch gedeckt werden. h6 Rettet den Bauern h7. 29. Kf2 Nimmt dem schwarzen König sein letztes Hemd, äh, Fluchtfeld weg. Td6 30. Tf5 So manövriert sich der weiße Turm (dessen Aktionen, wenn ich es bisher noch nicht erwähnt haben sollte, wahrlich originell sind), letztlich zur 7. Reihe (auch 7. Himmel für Türme genannt) durch. g5 31. Tf7 Und jetzt kann der a-Bauer nicht gerettet werden, da Weiß sonst Te7 mit der tödlichen (und nicht verhinderbaren) Drohung Te4+ spielen würde. Ke5 32. Txa7 Td2 Der letzte Versuch einer Gegenaktion. Schwarz könnte alternativ auch aufgeben, denn Weiß hat jetzt 2 verbundene Freibauern, die zwar noch weit hinten sind, die aber letztlich ihre Stärke ausspielen werden. 33. Sc5 Mit der Gabeldrohung Sd3+ Tbd4 Verhindert Sd3+?? wegen T4xd3! 34. Ta6! Droht nicht nur den h6-Bauern zu schlagen, sondern vor allem mit Te6#, und verleitet Schwarz damit zu dem nächsten Zug, nach dem aber auch alles aus ist. Td6 35. Ta5 Und Weiß wird im nächsten Zug Se4, ob mit oder ohne Abzugsschach spielen und damit noch mehr Material gewinnen. Portisch zeigte sich (endlich) einsichtig und gab auf. Viktor der Schreckliche hatte Portisch nach dessen Fehler im 14. Zug nicht mehr zu Atem kommen lassen.
cutter - 08. Jun '16
Schöne Partie mit feinen taktischen Wendungen.
Nach dem Motto "Mit zweitbesten Zügen lässt sich eine Partie nur schwer gewinnen"
Nach dem Motto "Mit zweitbesten Zügen lässt sich eine Partie nur schwer gewinnen"
Vabanque - 08. Jun '16
Viktor spielte hier immer den stärksten Zug ... und das alles im Vor-Engine-Zeitalter ... absolut erstaunlich.
Kellerdrache - 09. Jun '16
Wenn man, so wie du und ich für diese Kurz-Reihe mehrere Kortschnoi Partien nachspielt fällt einem auf, dass Kortschnoi ein feines Händchen dafür hatte immer den Zug zu finden, der seinem Gegner die größtmöglichen Schwierigkeiten bereitete. Übrigens auch in den Partien wo er sich zu verteidigen hatte.
Es ist bestimmt kein Zufall, dass er z.B. gegen Tal eine hervorragende Bilanz hatte. Wenn anderen Gegnern bei den talschen Angriffen der Angstschweiß ausbrach blieb Kortschnoi cool und kaltschnäutzig.
Ich gebe zu, dass meine Achtung für den Verstorbenen mit jeder Partie die ich nachspiele zunimmt.
Die vorliegende Partie ist übrigens ein tolles Beispiel für eine Positionspartie mit taktischen Feinheiten.
Es ist bestimmt kein Zufall, dass er z.B. gegen Tal eine hervorragende Bilanz hatte. Wenn anderen Gegnern bei den talschen Angriffen der Angstschweiß ausbrach blieb Kortschnoi cool und kaltschnäutzig.
Ich gebe zu, dass meine Achtung für den Verstorbenen mit jeder Partie die ich nachspiele zunimmt.
Die vorliegende Partie ist übrigens ein tolles Beispiel für eine Positionspartie mit taktischen Feinheiten.
crimsonfripp - 09. Jun '16
"Ich gebe zu, dass meine Achtung für den Verstorbenen mit jeder Partie die ich nachspiele zunimmt."
Wunderbar formuliert, so geht es mir auch.
Und die vorliegende Partie ist extrem faszinierend, die werde ich wohl mal ganz intensiv nachspielen.
Gerade dass es nicht eine Partie mit den berühmten "genialen Opfern" ist, sondern die beharrliche Suche nach dem Aufrechterhalten des Vorteils zum Erfolg führt, macht sie für mich sehr wertvoll.
Danke dafür - und überhaupt für die Mühe eine solche Rubrik zu bestücken.
Wunderbar formuliert, so geht es mir auch.
Und die vorliegende Partie ist extrem faszinierend, die werde ich wohl mal ganz intensiv nachspielen.
Gerade dass es nicht eine Partie mit den berühmten "genialen Opfern" ist, sondern die beharrliche Suche nach dem Aufrechterhalten des Vorteils zum Erfolg führt, macht sie für mich sehr wertvoll.
Danke dafür - und überhaupt für die Mühe eine solche Rubrik zu bestücken.