Kommentierte Spiele

Königsindisch mal anders

Kellerdrache - 13. Feb '17
Die nachfolgende Partie wurde bei einem Turnier gespielt wo ich als Betreuer zweier Nachwuchsspieler dabei war. Der Spieler Inder (wie von mir gewohnt behalte ich die wirklichen Namen für mich) war damals 13 Jahre alt, sein Gegner ein Spanier in seinen 30ern.

Ich habe selber recht lange die Königsindische Verteidigung gespielt und bin mehrfach gefragt worden warum das Zentrum eigentlich in den meisten Fällen geschlossen wird. Meine Antwort war meistens, dass damit die Wirkung des schwarzfeldrigen Läufers eingeschränkt wird.

In unserem Beispiel kann man recht schön sehen wie sich eine königsindische Partie entwickeln kann wenn Weiß auf d5 verzichtet. Sie ist durchaus fehlerreich und lässt Raum zu einigen Verbesserungen ist aber trotzdem ganz unterhaltsam. Entschieden wird die Partie am Ende durch einen groben Patzer. Bis dahin gibt es aber genug interessante Punkte zu betrachten, hoffe ich.

Katalane Inder 2008.10.08 | E94 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
E94: Königsindisch (Klassisches System) 1. d4 Sf6 2. Sf3 g6 3. c4 Lg7 4. Sc3 O-O 5. e4 d6 6. Le2 e5 ein Königsinder wie tausende Andere bis jetzt. Weiß schliest in den allermeisten Fällen daraufhin das Zentrum mit d5 und beide Spieler greifen dann jeweils auf dem Flügel an wo sie Raumvorteil haben. Diese Partie habe ich ausgewählt weil sie zur Abwechslung mal einen 'offenen' Königsinder zeigt 7. O-O Sbd7 8. Le3 Weiß lässt die letzte Chance verstreichen eine normale Königsindische Verteidigung zu spielen. Schwarz nutzt die Gelegenheit seinem Läufer auf g7, anders als beim geschlossenen Zentrum nach d5, eine aktive Zukunft zu sichern xd4 9. Sxd4 Sc5 10. f3 Der Spieler 'Inder', mal wieder nur ein Pseudonym, war damals 13 Jahre alt. Er hatte zwar einige Eröffnungen auswendig gelernt, aber wenige davon verstanden. Te8 besser und auch üblicher ist in vergleichbaren Stellungen a5 um b4 zu behindern. Nicht nur um den Springer etwas länger auf c5 lassen zu können sondern auch um dem zu erwartenden Bauernsturm am Damenflügel etwas entgegen zu setzten. 11. b4 Se6 12. Sxe6 Lxe6 Als ich die Partie damals beobachtete gefiel mir der ganze Abtausch auf e6 nicht besonders. Heute bin ich der Meinung, dass Schwarz sich erst mit dem nächsten Zug Probleme einlädt.
In der Analyse nach der Partie wurde die andere Möglichkeit für besser gehalten xe6 13. Tc1 Gegen den in dieser Stellung starken Lg7 gerichtet, deckt er den Sc3 und zieht den Turm aus der Diagonalen a1-h8 a5 14. a3 xb4 15. xb4 die Bauerninsel auf b4-c4 ist nicht unbedingt eine Stärke und Inder hätte die offene a-Linie gehabt um Unheil anzurichten
13. Tc1 Sd7 Um die dunkelfeldrige Läuferdiagonale zu öffnen Doch jetzt hat der Le6 nicht viel Raum 14. f4 droht mit f5 dem Le6 entscheidend auf die Pelle zu rücken f5
oder Sb6 15. c5
nicht gut ist 15. Sd5 Lxd5 jetzt verliert cxd5 nach Txe4 einen Bauern und exd5 gleich eine Figur
Sc8 eine Stellung die auch nicht unbedingt besser für Schwarz ist, aber ein aktiveres Gegenspiel erlaubt
15. Ld3 c5 ein wirklich hässlicher Zug. Er schafft eine ernste Bauernschwäche auf d6. Weiß tut Schwarz natürlich nicht den Gefallen auf c5 zu tauschen und seinen schönen Damenflügel aufzulösen.
schöner wäre a5 und Schwarz bekommt entweder Angriff auf der a-Linie oder nach 16. b5 ein gutes Feld für den Springer Sc5
16. xf5 xb4
Die Alternative Lxf5 gefiel dem Nachwuchsspieler wegen des entstehenden Schwächlings auf f5 nicht 17. Sd5 er hatte aber übersehen, dass nach direkt Lxf5 der Le3 hängt Le6 es droht Lxd5 nebst Txe3 18. Df3 Lxd5 19. xd5 xb4 und Schwarz hätte sogar einen Bauern mehr
17. xe6 Lxc3 18. xd7 ein schwacher Zug. Der resultierende Abtausch ist klar zu Gunsten des Nachziehenden und der Bauer auf d7 ist totgeweiht
besser wäre z. B. 18. f5 Sf6 19. Df3 De7 20. Lg5
Txe3 19. Dc2 der Sinn dieses Zuges hat sich mir weder damals noch heute erschlossen. Wer ihn mir erkären kann tue das bitte in den Kommentaren
19. f5 schlieslich ist die schwarze Königsstellung auch nicht gerade sicher. Es könnte z.B. so weitergehen Dh4 20. Lc2 Ld4 21. Kh1 Td8 22. xg6 xg6 23. Lxg6 Txd7
Df6
man könnte hier auch einfach den Bauern d7 schlagen Dxd7 20. f5 g5 der Wert des Freibauern auf f5 ist zumindest zweifelhaft
20. f5 übersieht die ebenso offensichtliche wie starke Drohung
stattdessen vielleicht 20. Le4 Td8 21. f5 Dd4 22. Ld5+ Kh8 23. Kh1 Txd7 24. xg6 h6 25. Tf7
Dd4 wegen diverser drohender Abzugsschachs kann Weiß den Läufer nicht retten 21. Kh1 Txd3 noch stärker wäre meiner Meinung nach Dxd3. Mit einer Figur mehr kann man doch ruhig auf Abtausch spielen 22. Tf2 gegen Td2 gerichtet was es aber nicht verhindert Td8
der schwache Bauer auf d7 ist keine Drohung um die man sich kümmern muss. Wieder kann man einfach auf Abtausch spielen. Td2 23. Txd2 Dxd2 24. Dxd2 Lxd2 25. Td1 Lf4 26. g3 Le5 27. c5 Td8 28. xd6 Txd7
23. xg6 xg6 24. Tcf1 Td2 hier wirft der 13jährige seine schon gewonnene Partie weg. Ein einfacher Zug wie 24. ..Kh7 hätte gereicht. Die verdoppelten Türme können erstaunlich wenig anrichten.
Kh7 25. Tf7+ Kh6 26. Dc1+ Td2 27. T7f4 De5 28. Th4+ Kg7 29. Thf4 Txd7
25. Dxg6+ Dg7 26. Tf8+ Txf8 27. Txf8+ Kxf8 28. d8=Q#
PGN anzeigen
[Date "2008.10.08"]
[Round "?"]
[White "Katalane"]
[Black "Inder"]
[Result "1-0"]
[ECO "E94"]
[PlyCount "55"]

{E94: Königsindisch (Klassisches System)} 1. d4 Nf6 2. Nf3 g6 3. c4 Bg7 4. Nc3
O-O 5. e4 d6 6. Be2 e5 {ein Königsinder wie tausende Andere bis jetzt. Weiß
schliest in den allermeisten Fällen daraufhin das Zentrum mit d5 und beide
Spieler greifen dann jeweils auf dem Flügel an wo sie Raumvorteil haben. Diese
Partie habe ich ausgewählt weil sie zur Abwechslung mal einen 'offenen'
Königsinder zeigt} 7. O-O Nbd7 8. Be3 {Weiß lässt die letzte Chance
verstreichen eine normale Königsindische Verteidigung zu spielen. Schwarz
nutzt die Gelegenheit seinem Läufer auf g7, anders als beim geschlossenen
Zentrum nach d5, eine aktive Zukunft zu sichern} exd4 9. Nxd4 Nc5 10. f3 {
Der Spieler 'Inder', mal wieder nur ein Pseudonym, war damals 13 Jahre alt. Er
hatte zwar einige Eröffnungen auswendig gelernt, aber wenige davon verstanden.}
Re8 {besser und auch üblicher ist in vergleichbaren Stellungen a5 um b4 zu
behindern. Nicht nur um den Springer etwas länger auf c5 lassen zu können
sondern auch um dem zu erwartenden Bauernsturm am Damenflügel etwas entgegen
zu setzten.} 11. b4 Ne6 12. Nxe6 Bxe6 {Als ich die Partie damals beobachtete
gefiel mir der ganze Abtausch auf e6 nicht besonders. Heute bin ich der
Meinung, dass Schwarz sich erst mit dem nächsten Zug Probleme einlädt.} ({
In der Analyse nach der Partie wurde die andere Möglichkeit für besser gehalten
} 12... fxe6 13. Rc1 {Gegen den in dieser Stellung starken Lg7 gerichtet,
deckt er den Sc3 und zieht den Turm aus der Diagonalen a1-h8} a5 14. a3 axb4
15. axb4 {die Bauerninsel auf b4-c4 ist nicht unbedingt eine Stärke und Inder
hätte die offene a-Linie gehabt um Unheil anzurichten}) 13. Rc1 Nd7 {Um die dunkelfeldrige Läuferdiagonale zu öffnen Doch jetzt hat der Le6 nicht viel Raum}
14. f4 {droht mit f5 dem Le6 entscheidend auf die Pelle zu rücken} f5 ({oder}
14... Nb6 15. c5 ({nicht gut ist} 15. Nd5 Bxd5 {
jetzt verliert cxd5 nach Txe4 einen Bauern und exd5 gleich eine Figur}) 15...
Nc8 {eine Stellung die auch nicht unbedingt besser für Schwarz ist, aber ein
aktiveres Gegenspiel erlaubt}) 15. Bd3 c5 {ein wirklich hässlicher Zug. Er
schafft eine ernste Bauernschwäche auf d6. Weiß tut Schwarz natürlich nicht
den Gefallen auf c5 zu tauschen und seinen schönen Damenflügel aufzulösen.} ({
schöner wäre} 15... a5 {
und Schwarz bekommt entweder Angriff auf der a-Linie oder nach} 16. b5 {
ein gutes Feld für den Springer} Nc5) 16. exf5 cxb4 ({Die Alternative} 16...
Bxf5 {
gefiel dem Nachwuchsspieler wegen des entstehenden Schwächlings auf f5 nicht}
17. Nd5 {er hatte aber übersehen, dass nach direkt Lxf5 der Le3 hängt} Be6 {
es droht Lxd5 nebst Txe3} 18. Qf3 Bxd5 19. cxd5 cxb4 {
und Schwarz hätte sogar einen Bauern mehr}) 17. fxe6 Bxc3 18. exd7 {ein schwacher Zug. Der resultierende Abtausch ist klar zu Gunsten des Nachziehenden und
der Bauer auf d7 ist totgeweiht} ({besser wäre z. B.} 18. f5 Nf6 19. Qf3 Qe7
20. Bg5) 18... Rxe3 19. Qc2 {der Sinn dieses Zuges hat sich mir weder damals
noch heute erschlossen. Wer ihn mir erkären kann tue das bitte in den
Kommentaren} (19. f5 {schlieslich ist die schwarze Königsstellung auch nicht
gerade sicher. Es könnte z.B. so weitergehen} Qh4 20. Bc2 Bd4 21. Kh1 Rd8 22.
fxg6 hxg6 23. Bxg6 Rxd7) 19... Qf6 ({
man könnte hier auch einfach den Bauern d7 schlagen} 19... Qxd7 20. f5 g5 {
der Wert des Freibauern auf f5 ist zumindest zweifelhaft}) 20. f5 {
übersieht die ebenso offensichtliche wie starke Drohung} ({
stattdessen vielleicht} 20. Be4 Rd8 21. f5 Qd4 22. Bd5+ Kh8 23. Kh1 Rxd7 24.
fxg6 h6 25. Rf7) 20... Qd4 {
wegen diverser drohender Abzugsschachs kann Weiß den Läufer nicht retten} 21.
Kh1 Rxd3 {noch stärker wäre meiner Meinung nach Dxd3. Mit einer Figur mehr
kann man doch ruhig auf Abtausch spielen} 22. Rf2 {
gegen Td2 gerichtet was es aber nicht verhindert} Rd8 ({der schwache Bauer auf
d7 ist keine Drohung um die man sich kümmern muss. Wieder kann man einfach auf
Abtausch spielen.} 22... Rd2 23. Rxd2 Qxd2 24. Qxd2 Bxd2 25. Rd1 Bf4 26. g3 Be5
27. c5 Rd8 28. cxd6 Rxd7) 23. fxg6 hxg6 24. Rcf1 Rd2 {hier wirft der 13jährige
seine schon gewonnene Partie weg. Ein einfacher Zug wie 24. ..Kh7 hätte
gereicht. Die verdoppelten Türme können erstaunlich wenig anrichten.} (24...
Kh7 25. Rf7+ Kh6 26. Qc1+ Rd2 27. R7f4 Qe5 28. Rh4+ Kg7 29. Rhf4 Rxd7) 25.
Qxg6+ Qg7 26. Rf8+ Rxf8 27. Rxf8+ Kxf8 28. d8=Q# 1-0

speedymnb - 14. Feb '17
Sehr schöne Partie!
Ich selbst spiele fast ausschließlich systeme mit Läufer g7 und selten verzichtet Weiß auf den Zug d5.
Außerdem zeigt die Partie auch mal wieder, wie man in einer gewonnen Stellung mit einen Zug verlieren kann. Geht mir leider viel zu oft so^^

Ich finde es auch gut immer zwischen den "sauberen" Großmeisterpartien auch mal ein "hin und her" von "normalen" Spielern zu sehen.

Außerdem wollte ich mal eure kommentierten Partien loben, ihr macht des wirklich Super!!! Und da ich jetzt schon des öfteren gelesen habe, dass Ihr Feedback in den kommentaren wollt, versuche ich immer mal irgendwas sinnvolles (mehr oder weniger) zu schreiben.

Macht auf jeden Fall weiter so!!!
Mercurium - 14. Feb '17
Schicke Partie!

Ich mag Fianchettopartien ja ohnehin schon! :-)

Der entscheidende Knackpunkt in dieser Partie war sicherlich der 24.Zug vom Schwarzen. Der Zug Td2 war hier zwar sicherlich gut gemeint, aber somit war der König dann durch Dxg6+ direkt schwer angreifbar.
Eigentlich war bereits dieser Zug schon ein krachender Punch, von dem sich der Schwarze dann nicht mehr erholen konnte.
Aber zuvor muss man auch sagen, dass Schwarz hier insgesamt doch sehr gut gespielt hatte. Also da waren doch schon einige gute Offensivpläne zu sehen gewesen.

Grüße
Sven
Vabanque - 14. Feb '17
>>Ich finde es auch gut immer zwischen den "sauberen" Großmeisterpartien auch mal ein "hin und her" von "normalen" Spielern zu sehen.<<

Na, so 'sauber' sind die GM-Partien auch nicht immer, die patzen auch recht munter, natürlich auf etwas höherem Niveau als hier ;)

>>Außerdem zeigt die Partie auch mal wieder, wie man in einer gewonnen Stellung mit einen Zug verlieren kann.<<

Dazu braucht man eigentlich keine Vorbilder, das schafft man auch so :-))
Hasenrat - 14. Feb '17
19. Dc2 soll sicherlich die Verbindung der Türme auf der Grundreihe herstellen u. im Verein mit dem Läufer auf d3 u. perspektivischem f5 nach g6 u. h7 schielen, wenn nicht zielen.
Ob das opportun gespielt ist, ist sicher eine andere Frage.
Kellerdrache - 14. Feb '17
Was einem beim Nachspielen (vor allem auch der Varianten) auffällt ist welche große Wirkung der Lg7, vor allem in Verbindung mit der (halb-)offenen a-Linie entfaltet. Jetzt hat Weiß hier sicher auch wenig dagegen unternommen und viele 'normale' königsindische Züge in einer 'unnormalen' Stellung gemacht. Trotzdem bietet die Partie, glaube ich schon ein Paar hinweise darauf warum das Zentrum meist mit d5 geschlossen wird.
Wenn einem eine gute Partie mit 'offenem Königsinder' einfällt würde es mich interessieren die mal zu sehen um einen Eindruck zu bekommen wie man so etwas richtig spielt.
Vabanque - 14. Feb '17
Na, diese hier doch, von dir selber einst kommentiert!

/forum/topic.html?key=30b84d223c424373&sv=7
Kellerdrache - 14. Feb '17
Das ist mir aber peinlich ;-)). Stimmt, die war mir doch tatsächlich wieder entfallen.
Kellerdrache - 14. Feb '17
Aber auch da hat es für Weiß ja nicht so gut funktioniert
Vabanque - 14. Feb '17
Gegen Bronstein funktionierte es selten gut.
Vabanque - 14. Feb '17
Du meinst eine, wo Weiß im KI ohne d4-d5 Erfolg hat:

Reshevsky - Najdorf 1952:

chessgames.com/perl/chessgame?gid=1101213