Kommentierte Spiele

Glanzpartien unbekannter Spieler (XIII)

Vabanque - 24. Apr '14
Der 1936 geborene Mathematiker Heinz Liebert aus Halle
an der Saale ist nie ein professioneller Schachspieler
gewesen. Aber er hat die DDR bei jeder Schacholympiade
von 1962 bis 1972 vertreten. Im Jahre 1966 wurde ihm
der internationale Meistertitel verliehen. Zweimal in
seinem Schachleben gelang ihm ein Sieg gegen einen
Spitzenspieler: 1956 gegen Polugajevsky, und 20 Jahre
später gegen Uhlmann. Bemerkenswert daran ist, dass
Liebert beide Siege mit den schwarzen Steinen erfochten
hat, und dass beide Partien mit einem sehenswerten Matt
enden. Ich habe hier den Sieg gegen Uhlmann ausgewählt,
wo dieser in der Eröffnung - scheinbar sogar
erfolgreich - auf Bauernjagd geht, aber mit der
Schwäche seiner Königsstellung zu teuer bezahlt.

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[Date "1976.??.??"]
[EventDate "?"]
[Round "?"]
[Result "0-1"]
[White "Wolfgang Uhlmann"]
[Black "Heinz Liebert"]


1. c4 Nf6 2. Nc3 d5 3. cxd5 Nxd5 4. g3 c5 5. Bg2 Nc7 6.

Nf3 Nc6 7. Qa4!? {Ein ungewöhnlicher Zug. Einfach und

gut wären d3 oder die Rochade.} Qd7?! {Es ist nicht

ganz verständlich, was Schwarz gegen die natürliche

Antwort Ld7 gesehen hat. Möglicherweise wollte Uhlmann

darauf De4 spielen.} 8.
O-O g6?! {Nachlässigkeit oder Provokation? Es ist zwar

wünschenswert, den Königsläufer auf die lange Diagonale

zu entwickeln, aber dadurch wird der Bauer c5 sehr

anfällig.} 9. Qc4 {Schon stürzt sich Weiß auf diesen

Bauern. Zwar zieht er mit der Dame herum und verliert

Tempi, aber Schwarz ist ja nicht gerade gut

entwickelt.} b6 10. b4!? {Geistreich gespielt. Der

letzte schwarze Zug hat die Diagonale des weißen Lg2

'verlängert', so dass auf 10... Sxb4 11. Sg5! mit

Doppelangriff gegen f7 und a8 folgen könnte, während

auf 10... cxb4 11. Sg5 genauso funktioniert, da dann

neben f7 auch der Sc6 bedroht ist.} Bg7! {Also gibt

Schwarz lieber den Bauern her und treibt seine

Entwicklung voran. Auf Sg5 könnte er jetzt einfach

rochieren.} 11. bxc5 b5! {Mit diesem überraschenden

Zug, der die Stärke des Lg7 erweist, übernimmt Schwarz

die Initiative.} 12. Qb3 b4 {Verliert jetzt Weiß gar

eine Figur?} 13. Ng5! {Nein! Er gewinnt stattdessen

einen zweiten Bauern, aber um welchen Preis?!} O-O 14.

Bxc6? {Führt zum Gewinn des Bauern b4. Aber durch den

Abtausch des weißfeldrigen Schutzläufers wird die weiße

Königsburg krankhaft schwach auf den weißen Feldern,

zumal ja der Lc8 nur darauf brennt, nach b7 zu gehen

und seine Lady dort bei ihren Mattdrohungen zu

unterstützen. Uhlmann dachte an dieser Stelle

vielleicht, dass 14. Lxc6 erzwungen wäre, um den Sc3 zu

retten. Dabei stand ihm mit 14. Da4! Lb7 15. Tb1! eine

ausgezeichnete Ausrede zur Verfügung, die auf dem dann

ungedeckten Lb7 basiert. Es wäre dann eine Stellung mit

etwa gleichen Chancen entstanden. Vielleicht hat

Uhlmann dies aber sogar gesehen, und es war ihm gegen

einen 'schwächeren' Gegner zu wenig. Er glaubte

möglicherweise, den kommenden Angriff abwehren und mit

den beiden Mehrbauern schließlich im Endspiel siegreich

bleiben zu können. Er sollte sich schwer täuschen. Der

'schwächere' Gegner spielt ab jetzt auf wie Tal

persönlich.} Qxc6
15. Qxb4 Rb8! {Schon wieder eine Überraschung und

stärker als das 'selbstverständliche' Lb7. Nimmt Weiß

jetzt den Tb8, so muss er nach Lb7 wegen der

Mattdrohung die Dame geben und wird dann auf der langen

Diagonalen ausgespielt, da der Sc7 über b5 (oder e6)

nach d4 gelangt, z.B. 16. Dxb8 Lb7 17. Dxf8+ Kxf8 18.

Sf3 (18. f3? verliert nach Dxc5+ den Sg5, während auf

18. e4 h6 nebst Lxc3 und Dxe4 folgen kann) Sb5 nebst

Sd4.} 16. Qf4 Bb7 {Droht brutal Matt auf g2 oder h1.}

17. Nf3 Ne6 {Die weiße Dame befindet sich auf der

Flucht und findet kein lauschiges Plätzchen, um ihr

müdes Haupt zur Ruhe zu betten.} 18. Qe3 {Auch hier

nicht.} Bd4! 19. Qh6 {Vielleicht hier?} Ba8! {Liebert

gönnt dem Gegner scheinbar eine Atempause; in

Wirklichkeit zeigt er mit diesem Zug an, dass Weiß so

schlecht steht, dass er überhaupt keine gute Antwort

hat, und dass seine Stellung an der eigenen

Schlechtigkeit zu Grunde gehen muss! Der einzige Zug,

der die weiße Stellung verbessert hätte, nämlich Lb2,

wird jedenfalls durch La8 verhindert.} 20. Rb1 {Sieht

noch am plausibelsten aus, verliert aber ebenso wie

alles andere.} Rxb1 21.
Nxb1 Qe4 22. Nc3 Bxc3 23. dxc3 Qxe2 {Nun ist der

Stützpunkt des Sf3 gefallen, der wiederum die tödliche

lange Diagonale verstopft hatte.} 24. Nd2 {Auf Sh4 käme

ebenfalls Td8, und zwar in diesem Fall mit der Drohung

Td1!} Rd8! {Schwarz droht, auf d2 zu opfern, um Df3

(mit undeckbarer Mattdrohung) folgen lassen zu können.} 25. Qe3 {Auf

f3 käme g5!, was die weiße Dame von d2 abschneidet.

Nach dem Textzug sieht es zunächst so aus, als ob sich

die schwarze Dame nun entweder tauschen oder

zurückziehen müsste, aber ...} Rxd2!! {... es folgt ein

spektakulärer Schluss! Der Damentausch würde Weiß jetzt

mit einer Minusfigur zurücklassen, und auf Dxd2 würde

natürlich wieder Df3 folgen.} 26. Bxd2 {Aber was hat

sich Schwarz darauf ausgedacht?} Ng5!! {Fast zu schön,

um wahr zu sein! Solche Kombinationen ereignen sich

doch normalerweise nur in komponierten Studien - oder

im Traum! Die Mattdrohung Sh3 macht Weiß nun den

Garaus. 27. f3 hilft ja nicht wegen Sh3+ nebst Dxf1+,

und auf 27. h4 (oder h3) kann Schwarz zwischen Sh3+

nebst Dxf1 und 27... Sf3+ nebst Sxd2+ wählen. Und der

Sg5 ist natürlich wegen Df3 wieder tabu.}
Qxe2 {Ob Uhlmann das Matt wirklich übersehen hat oder

ob er - als vorbildlicher Sportsmann, der er stets war

- seinem Gegner die Mattsetzung gönnen wollte,

sei dahin gestellt.} Nh3# {Das Schlussbild ist jedenfalls

ein Paradebeispiel für den Sieg des Geistes über die

Materie.} 0-1

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