Kommentierte Spiele
Die Vergessenen (VI): Miles
Kellerdrache - 25. Okt '16
Über Jahrzehnte hinweg war das Spitzenschach die Sache der Ost-Europäer, hier und da unterbrochen von einzelnen Ausnahmen wie Fischer oder Larsen. Dann tauchte in den 70er Jahren von Fischer-Spasski aufgeweckt eine Generation von britischen Großmeistern auf die die bekannten Namen aufschreckten. Raymond Keene, Nigel Short, Dr. Nunn, Jonathan Speelman sind einige dieser Spieler.
Anthony Miles war damals nicht nur einer der erfolgreichsten von ihnen, sondern auch eine exzentrische Persönlichkeit sowohl auf dem Brett als auch außerhalb. Die Theorie wurde erstmal generell angezweifelt und Respekt vor den etablierten Stars kannte er nicht wie z.B. seine unverschämte Eröffnungsprovokation 1...a6 Karpov gegenüber zeigte.































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Anthony Miles war damals nicht nur einer der erfolgreichsten von ihnen, sondern auch eine exzentrische Persönlichkeit sowohl auf dem Brett als auch außerhalb. Die Theorie wurde erstmal generell angezweifelt und Respekt vor den etablierten Stars kannte er nicht wie z.B. seine unverschämte Eröffnungsprovokation 1...a6 Karpov gegenüber zeigte.
Anthony Miles Boris Spassky Montilla Moriles | Montilla Moriles | 2 | 1978 | E12 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. d4 Sf6 2. Sf3 b6 3. c4 e6 4. Lf4 Miles nannte das sein "Anti-Nimzowitsch". Da der Damenspringer noch brav zu Hause ist macht Lb4 ja keinen Sinn. Unter den Top-GMs spielte diesen Aufbau jedenfalls außer ihm damals niemand. Lb7 5. e3 zögert weiterhin die Entwicklung des Springers hinaus Le7 Spasski baut sich sehr vorsichtig auf und gibt dem Weißen damit einen klaren Eröffnungsvorteil. Se4 in Verbindung mit späterem Lb4 wurde von der Theorie als gut für Schwarz empfohlen. Miles sagt in seinen eigenen Kommentaren, dass er diese Einschätzung nicht teilte ohne konkrete Varianten anzugeben. 6. h3 Auf Sc3 könnte man sich mit Sh5 das Läuferpaar sichern. Miles hält seinen Läufer für wichtig genug um ein Tempo zu opfern. Spasski hat das sicher durch seinen vorsichtigen Aufbau mit ermöglicht. O-O 7. Sc3 d5 8. xd5 xd5 9. Ld3 c5 10. O-O Sc6 Beide Seiten haben ihre Entwicklung beendet. Weiß hat Angriffsmöglichkeiten am Königsflügel, Schwarz auf der Damenseite. Bisher kann man von einem Nachteil von Spasski nicht reden. 11. Se5 c4 stellt sich als Fehler raus, obwohl im Sinne des Damenflügelangriffs konsequent. Spasskis Gegenspiel ist leider durch die nötigen Vorbereitungszüge wie a6 etwas zu langsam 12. Lc2 a6 13. g4 Der Angriff beginnt. Der Sf6 wird vertrieben, die weiße Dame kommt zum Königsflügel und das weitere wird sich finden. Noch ist der Ex-Weltmeister nicht beeindruckt und folgt seinem eigenen Plan. b5 14. g5 Se8 Weiß hat bereits alles auf eine Karte gesetzt. Spasski hat einen gefährlich aussehenden Angriff am Damenflügel und Miles hat für seine Attacke die eigene Königsstellung geschwächt. Wie soll es weitergehen. Dh5 wird einfach mit g6 beantwortet, was Schwarz ohnehin vorhat. 15. Dg4! ein Vielzweckzug. Der g5 wird nochmal gedeckt, die Dame ist da wo es rundgeht und man schielt auch nach d7 g6 16. Tad1 es ist faszinierend wie Miles das schwarze Gegenspiel komplett ignoriert und damit durchkommt. Er nimmt sich sogar die Zeit für einen ganz normalen Entwicklungszug Sg7 kontrolliert zusammen mit dem g6 die Felder f5 und h5 über die ein möglicher Angriff laufen könnte 17. h4 Lb4 Vermutlich ein Fehler. Der Läufer wird bei der Verteidigung fehlen und bewirkt im Angriffssinn nicht allzu viel. 18. Sd7! ein sehr schöner Zug, der sofort den Nachteil von Lb4 aufzeigt, nähmlich den Verlust der Kontrolle über das wichtige Feld f6. Allerdings musste Miles hier präzise rechnen. Die Gelegenheiten fehlzugreifen sind zahlreich. Lc8 das ist erzwungen. Doch geht der Springer jetzt nicht verloren ? 19. Sxd5! gewinnt einen Bauern, gibt aber den Sd7 her. Hier ist Präzision im Denken gefragt, weil das Offensichtliche nicht funktioniert Kh8 sieht passiv aus aber die Alternative ist nicht wirklich besser. 20. S5f6 Ta7 und wieder droht Spasski den Springer auf d7 zu gewinnen. Miles verzichtet zu Gunsten seines Angriffs auf Rettungsversuche 21. d5 Gegenangriff statt Deckung ! Durch den Wegzug des Springers gibt Schwarz die Kontrolle über e5 in weiße Hände Se7 die Verteidiger knubbeln sich auf wenig Raum 22. Le5 h5 ist hier nicht so stark, da Schwarz die Diagonale des Lc2 mit Sg6 unterbrechen kann Txd7 Auf 22...Lxd7 käme stark 23.Dd4! 23. h5 Der Königsangriff lebt noch verlangt aber genaues Spiel. Sxd7 führt nach Dxd7 entweder zum Damentausch oder zum Gegenangriff mit z.B. 24...Dg4+ Txd5 mit Angriff auf die weiße Dame 24. Df4 das beste Feld für die Königin. Der Läufer e5 wird gedeckt und es droht jetzt Sxd5, wonach relativ bald die weiße Dame auf f6 auftaucht. Txd1 25. Txd1 Da5 die Mehrfigur rettet Spasski nicht die Partie 26. Se8! der Auftakt zum würdigen Schluß f6 unzureichend, aber den Springer zu schlagen wäre nicht besser 27. xf6 Kg8 Alternativen führen zu keinem besseren Ergebnis 28. Sxg7 und Spasski hatte genug.
Vabanque - 26. Okt '16
Eine hochkomplizierte Partie, die ich auch schon mal hier bringen wollte (unter 'Verlustpartien der Weltmeister'), die ich aber wegen der Schwierigkeit einer angemessenen Kommentierung dann doch durch eine andere (Hübner-Spassky) ersetzte.
Ich muss sagen, die Kommentare sind sehr einleuchtend geraten und machen die Absichten, die hinter den Zügen der Kontrahenten stecken, sehr gut plausibel.
Leider ist es wieder so, dass der pgn-Viewer (Gott segne ihn ;) ) einige Varianten nicht anzeigt, ähnlich wie bei einer kürzlichen Partie von mir. Und zwar handelt es sich um die Variante zum 26. und 27. Zug von Schwarz, wo jeweils der Zug Sef5 vorkommt. Das schluckt der hiesige Viewer nicht (obwohl alle anderen Viewer es tun), weil der andere Springer nämlich wegen der Fesselung nicht ziehen kann. Sehr vermutlich würde alles bestens funktionieren, wenn man jeweils einfach Sef5 durch Sf5 ersetzt.
Miles war wirklich ein Spieler, der in seiner besten Zeit ganz vorne mitgemischt hat, viel mehr noch als Keene, der ihn übrigens hasste, vielleicht auch, weil er Miles nie das Wasser reichen konnte ...
Ich muss sagen, die Kommentare sind sehr einleuchtend geraten und machen die Absichten, die hinter den Zügen der Kontrahenten stecken, sehr gut plausibel.
Leider ist es wieder so, dass der pgn-Viewer (Gott segne ihn ;) ) einige Varianten nicht anzeigt, ähnlich wie bei einer kürzlichen Partie von mir. Und zwar handelt es sich um die Variante zum 26. und 27. Zug von Schwarz, wo jeweils der Zug Sef5 vorkommt. Das schluckt der hiesige Viewer nicht (obwohl alle anderen Viewer es tun), weil der andere Springer nämlich wegen der Fesselung nicht ziehen kann. Sehr vermutlich würde alles bestens funktionieren, wenn man jeweils einfach Sef5 durch Sf5 ersetzt.
Miles war wirklich ein Spieler, der in seiner besten Zeit ganz vorne mitgemischt hat, viel mehr noch als Keene, der ihn übrigens hasste, vielleicht auch, weil er Miles nie das Wasser reichen konnte ...
Phaidon - 26. Okt '16
Hab mal in Köln gegen Miles simultan verloren. Er trank nach meiner Erinnerung Milch( ich Kölsch).
Vabanque - 26. Okt '16
Stimmt, das ist bekannt, dass Miles nur Milch trank :))
Colorado77 - 26. Okt '16
Das hätte er bei seinem Zucker mal besser sein lassen...
Schön kommentierte Partie von Kellerdrache! Die Verbesserung im 17.Zug sieht gut aus, Lb4 muss wohl wirklich ein Fehler sein, da der Läufer in der Verteidigung fehlt.
Schön kommentierte Partie von Kellerdrache! Die Verbesserung im 17.Zug sieht gut aus, Lb4 muss wohl wirklich ein Fehler sein, da der Läufer in der Verteidigung fehlt.
Vabanque - 27. Okt '16
Wie gesagt, ich hatte diese Partie ja auch mal im Auge gehabt. Hatte da auch irgendwelche Kommentare dazu zur Hand gehabt, erinnere mich zwar nicht mehr, in welchem Buch und von wem (aber jedenfalls nicht von Keene, dessen Bücher ich - mit Verlaub - Schrott finde), und da war - wenn mich meine schwache Erinnerung jetzt nicht trügt - Lb4 auch als der entscheidende Fehler bezeichnet worden.
Kellerdrache - 27. Okt '16
Ich hatte Kommentare von Timman und Keene als Vorlage, wobei Keenes Kommentare zum größtenteil aus Miles-Zitaten bestanden. Lb4 ist sicher der Zug wo die Partie den Remisbereich verlässt und Miles 'erklärt' ja auch bald worin das Problem besteht.
Miles hasste Keene übrigens auch, ebenso wie er Short verabscheute. Er pflegte diese Feindschaften auch mit Sorgfalt und Ausdauer. Ähnlich wie Kortschnoi war er nicht unbedingt ein umgänglicher Zeitgenosse, doch seine Partien haben hohen Unterhaltungswert (oft sogar die Verlustpartien).
Miles hasste Keene übrigens auch, ebenso wie er Short verabscheute. Er pflegte diese Feindschaften auch mit Sorgfalt und Ausdauer. Ähnlich wie Kortschnoi war er nicht unbedingt ein umgänglicher Zeitgenosse, doch seine Partien haben hohen Unterhaltungswert (oft sogar die Verlustpartien).