Kommentierte Spiele
Brillante Mattangriffe (XXIX): Caruana - Jobava 2014
Vabanque - 19. Mär '17
Im vorigen Beitrag (Bacrot-Giri) haben wir gesehen, dass heutige Top-Spieler zuweilen recht hilflos aussehen können, wenn man sie mit unüblichen Abspielen konfrontiert. Offenbar gilt dies aber nicht für Caruana, der hier von seinem Gegner Baadur Jobava (ebenfalls ein Super-GM) eine seltene Variante in Französisch vorgesetzt bekommt. Caruana löst das Problem einfach dadurch, dass er nur natürliche Entwicklungszüge spielt, dann ein sich anbietendes doppeltes Bauernopfer bringt und schließlich den feindlichen Monarchen unter Donner und Blitz im Talschen Opferstil zur Strecke bringt.
Man muss allerdings dazu sagen, dass es sich hier um eine Schnellpartie handelte, wenn auch um eine außerordentlich hübsche. Tatort war die Schnellschach-WM 2014 in Dubai, die Carlsen mit einem halben Punkt vor den punktgleichen Caruana, Anand, Aronian und Morosewitsch gewann.































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Man muss allerdings dazu sagen, dass es sich hier um eine Schnellpartie handelte, wenn auch um eine außerordentlich hübsche. Tatort war die Schnellschach-WM 2014 in Dubai, die Carlsen mit einem halben Punkt vor den punktgleichen Caruana, Anand, Aronian und Morosewitsch gewann.
Fabiano Caruana Baadur Jobava FIDE World Rapid Championship | Dubai UAE | 5.2 | 2014.06.16 | C10 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sc3 Sc6 Eine Spezialität von Jobava - Französisch ohne c5. Natürlich gibt es das Abspiel bereits seit vielen Jahrzehnten, doch Jobava scheint der erste bedeutende Verfechter dieser Variante zu sein. Seine damit errungenen Erfolge sind wahrscheinlich aber eher dem Umstand zu verdanken, dass seinen Gegnern der entstehende Stellungstyp nicht genügend vertraut ist. 4. Sf3 Sf6 5. Ld3 Caruana weicht von dem üblichen e5 ab und verlässt sich lieber auf sein Positionsgefühl - mit Recht, wie man sehen wird. Lb4 Wieder hängt e4. 6. Lg5 xe4 7. Lxe4 Se7 Diese Entfesselung des Sf6 gehört zur Idee des von Jobava gewählten Systems. Dadurch hängt e4 erneut. 8. Ld3 Sed5 9. O-O! Ein positionelles Bauernopfer, das sich aber eigentlich von selbst ergibt, da weder der Rückzug Ld2 noch die Selbstfesselung Dd2 verlockend aussehen - auch wenn Engines natürlich diese beiden Deckungszüge dem Bauernopfer vorziehen. Sxc3 10. xc3 Lxc3 11. Tb1 Für den Bauern hat Weiß Entwicklungsvorsprung sowie offene Linien und Diagonalen für seine Figuren. h6 12. Lh4 c6
Vermeidet die erwähnte elementare Wendung, so dass jetzt d4 wirklich hängt. Die Rochade hat Schwarz nicht gewagt, weil nach O-O 13. Tb3! La5 wieder war der d-Bauer tabu, da der Läufer diesmal das Abzugsschach auf h7 statt b5 geben könnte! 14. Se5 die weißen Figuren für den Angriff am Königsflügel sehr stark stünden, während der La5 wegen seiner Abseitsstellung von der Verteidigung ausgeschlossen wäre.
13. Tb3!! Caruana opfert einen zweiten Bauern, da ihm Le2 mit Verteidigung des d-Bauern zu passiv erscheint. Ähnlich wie bei Topalov beobachtet man auch bei Caruana in seinen besten Partien, dass er dazu tendiert, Rückzüge zu vermeiden, wann immer es möglich ist. Dieser Stil wäre in meinen Augen durch den Begriff 'Intuitives Vorwärtsschach' ganz gut beschrieben. Lxd4 14. Lc4 Nun erreicht es Caruana, seinen Turm mit Tempo auf die d-Linie zu bringen. Lb6 15. Td3 De7 16. Se5 Diese Stellung hat Weiß mit seinem zweiten Bauernopfer angestrebt. Schwarz kann seinen Ld7 nicht entwickeln, und rochieren kann er auch nicht. g5 17. Lg3 Se4 18. De2 Sxg3 19. xg3 Lc7 20. Tfd1 Wie will Schwarz seine restlichen Figuren ins Spiel bringen? Df6 21. Sg4 Stellt Schwarz vor die unangenehme Wahl, wohin er mit der Dame ausweichen soll. Dg7? Verliert. Aber auch nach Df5 22. Dd2! mit der Drohung Td8+ wäre es um Schwarz geschehen gewesen, denn er kann ja nicht rochieren wegen Sxh6+. Dies hätte Schwarz durch 21... Dg6 vermeiden können. Auch nach 21... De7 ist kein direkter weißer Gewinn ersichtlich, obwohl die schwarzen Entwicklungsprobleme bestehen geblieben wären.
22. Tf3 In der Tat ist es jetzt plötzlich vorbei, denn f5 geht nicht wegen Lxe6 (man sieht jetzt auch den Unterschied zu dem besseren Dg6!), und die Rochade geht nicht wegen Tf6. Ld8 Deckt alles?!? 23. Txd8+! Dann wird die Deckungsfigur eben beseitigt! Auch wenn das Opfer 'offensichtlich' ist und die Stellung geradezu danach schreit, so darf man es trotzdem nicht spielen, ohne den 'Zug danach' (der bekanntlich der schwerste ist) schon vorher gesehen zu haben. Kxd8 24. Sf6!! Das ist es. Dieser stille Zug (und als solcher viel schwerer zu finden als alle Opfer) hält den schwarzen König im Käfig fest. g4 Gleichbedeutend mit Partieaufgabe. Aber das Mattnetz, in dem der schwarze König zappelt, war bereits unzerreißbar. Die einzige Möglichkeit, das unmittelbare Matt durch Hergabe der Dame zu vermeiden, bestand in Ke7 25. De5 droht sowohl Dc5+ nebst Dd6+ wie auch Dc7+ nebst Dd8+ Td8 26. Dc5+ Td6 27. Se4 Dd4 28. Txf7+ Kxf7 29. Sxd6+
25. Dd2+ Kc7 26. Df4+
Hasenrat - 19. Mär '17
Ungewöhnliche Varianten in scheinbar sattsam bekannten Eröffnungen gefallen!
Da capo!
:-)
Da capo!
:-)
speedymnb - 20. Mär '17
Ach wie oft habe ich einen Bauern bewusst geopfert und habe es einfach nicht geschafft, irgendeinen Vorteil daraus zu ziehen...
Aber sich wo etwas zu trauen bei einem unbekannten System, in einer Schnellschachpartie und noch dazu 2 Bauern zu opfern... einfach nur herrlich solche Partien nazuspielen!
Hätte man nicht im 17. Zug mit Sd4 recht effektiv die Stellung "verstopfen" können oder sehe ich da etwas falsch?
Aber sich wo etwas zu trauen bei einem unbekannten System, in einer Schnellschachpartie und noch dazu 2 Bauern zu opfern... einfach nur herrlich solche Partien nazuspielen!
Hätte man nicht im 17. Zug mit Sd4 recht effektiv die Stellung "verstopfen" können oder sehe ich da etwas falsch?
Kellerdrache - 20. Mär '17
Eine schöne Beispielpartie für die Wichtigkeit der Entwicklung. Die von Jobova gewählte Variante ist eine schöne Wahl wenn es gegen die (im Amateurschach häufigen) Materialisten geht, gegen einen Top-Spieler erweist sie sich als zu umständlich. Nach 15. Td3 spielt Schwarz reine Verteidigung und findet nicht mal mehr Zeit sich fertig zu entwickeln.
Eine Partie die sich wunderbar für den Schachunterricht eignen würde.
Eine Partie die sich wunderbar für den Schachunterricht eignen würde.
Vabanque - 20. Mär '17
@speedymnb: Ich denke, du meinst 17... Sd5 von Schwarz. Ja, das scheint durchaus plausibel, weil der Springer ja dort nicht vertrieben werden kann, nur abgetauscht, und in diesem Fall käme Schwarz dann wirklich zur Entwicklung des Lc8.
Mag sein, dass Weiß dann aber mit dem Plan Kh1 nebst f4 (nach evtl. Abtausch des Sd5) weiterkommt, oder die weiße Dame dann schöne Felder f3 oder h5 vorfindet.
Auf die Schnelle kann ich den Zug nicht widerlegen, hat jemand eine gute Idee?
Mag sein, dass Weiß dann aber mit dem Plan Kh1 nebst f4 (nach evtl. Abtausch des Sd5) weiterkommt, oder die weiße Dame dann schöne Felder f3 oder h5 vorfindet.
Auf die Schnelle kann ich den Zug nicht widerlegen, hat jemand eine gute Idee?