Kommentierte Spiele
Große Partien ... (XX): 'The James Bond Game'
Vabanque - 02. Mai '14
In Kino- oder Fernsehfilmen sieht man zwar häufig mal ein Schachbrett herumstehen, oder auch Leute, die Schach spielen.
Aber ein eher ziemlich seltener Fall ist es, wenn eine tatsächliche Partie, die zwischen zwei der größten Spieler der Schachgeschichte gespielt wurde, in einem Film aufgegriffen wird. In dieser wie auch in der nächsten Folge werde ich zwei solche Partien zeigen. Die Schlussstellung der vorliegenden Partie, die in der UdSSR-Meisterschaft 1959/60 zwischen Boris Spassky und David Bronstein gespielt wurde, kam in der Anfangsszene des James-Bond-Streifens 'From Russia with Love' als Partie zwischen den fiktiven Charakteren Kronstein (sic!) und McAdams vor; allerdings ohne die weißen Bauern auf d4 und c5. Deswegen hat die Partie im englischen Sprachraum auch den Beinamen 'The James Bond Game' erhalten. Aber selbst ohne dies hätte ich das Spiel in diese Sammlung aufgenommen; Spasskys 15. Zug gehört zu den verblüffendsten Zügen, die je auf einem Schachbrett gemacht wurden. Auch wenn dieses tiefdurchdachte Opfer streng genommen nicht zum Sieg geführt hätte (wie spätere Analysen ergaben, hätte Schwarz bei bestem Spiel wahrscheinlich Remis halten können), zeigt es doch Spasskys
schachliche Kreativität im hellsten Licht. Der Umstand, dass Bronstein sehr früh von der Theorie abwich und Spasskys Opferangriff daher keinesfalls die Frucht einer häuslichen Vorbereitung gewesen sein kann, sondern zweifellos am Brett improvisiert wurde, erhöht den Wert der Partie noch.































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Aber ein eher ziemlich seltener Fall ist es, wenn eine tatsächliche Partie, die zwischen zwei der größten Spieler der Schachgeschichte gespielt wurde, in einem Film aufgegriffen wird. In dieser wie auch in der nächsten Folge werde ich zwei solche Partien zeigen. Die Schlussstellung der vorliegenden Partie, die in der UdSSR-Meisterschaft 1959/60 zwischen Boris Spassky und David Bronstein gespielt wurde, kam in der Anfangsszene des James-Bond-Streifens 'From Russia with Love' als Partie zwischen den fiktiven Charakteren Kronstein (sic!) und McAdams vor; allerdings ohne die weißen Bauern auf d4 und c5. Deswegen hat die Partie im englischen Sprachraum auch den Beinamen 'The James Bond Game' erhalten. Aber selbst ohne dies hätte ich das Spiel in diese Sammlung aufgenommen; Spasskys 15. Zug gehört zu den verblüffendsten Zügen, die je auf einem Schachbrett gemacht wurden. Auch wenn dieses tiefdurchdachte Opfer streng genommen nicht zum Sieg geführt hätte (wie spätere Analysen ergaben, hätte Schwarz bei bestem Spiel wahrscheinlich Remis halten können), zeigt es doch Spasskys
schachliche Kreativität im hellsten Licht. Der Umstand, dass Bronstein sehr früh von der Theorie abwich und Spasskys Opferangriff daher keinesfalls die Frucht einer häuslichen Vorbereitung gewesen sein kann, sondern zweifellos am Brett improvisiert wurde, erhöht den Wert der Partie noch.
Boris Spassky David Bronstein USSR Championship | Leningrad (RUS) | 16 | 1960.02.20 | C36 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 e5 2. f4 Bereits damals traf man das Königsgambit im internationalen Spitzenschach sehr selten an. Und dass Spassky es hier ausgerechnet gegen Bronstein, der mit dem Königsgambit selbst bereits einige bemerkenswerte Erfolge errungen hatte, zur Anwendung bringt, überrascht noch mehr. xf4 3. Sf3 d5 Diese 'nachträgliche Ablehnung' des Gambits zählt auch heute noch zu den besten und sichersten Verteidigungssystemen gegen das Königsgambit. 4. xd5 Ld6 Aber hier weicht der stets originelle Bronstein von dem üblichen ... Sf6 ab. Er hat eine andere Idee, die sich allerdings nicht bewährt. Die von ihm gewählte Variante scheint in der GM-Praxis seit dieser Partie auch nicht mehr vorgekommen zu sein, zumindest konnte ich keine weitere Partie in der Datenbank mit diesem Abspiel finden. 5. Sc3 d4 nebst c4 (mit der Drohung c5) sieht eigentlich noch logischer aus. Se7 Schwarz möchte die e-Linie sperren und den anderen Springer nach f6 spielen. Gelegentlich könnte - nach der Rochade - der Se7 auch nach g6 gehen, wo er den Bauern f4 stützt. Zu der Ausführung dieser Pläne kommt es aber in vorliegender Partie nicht. 6. d4 O-O 7. Ld3 Sd7 8. O-O h6?! Plötzlich nimmt Schwarz von dem plangemäßen und logischen Sf6 dennoch Abstand. Vielleicht wollte er das Manöver Sf3-g5-e4 vermeiden, oder er fürchtete das nach Sf6 mögliche Se5. Der Textzug jedenfalls schwächt die schwarze Königsstellung und bildet die tiefere Ursache der späteren Verlegenheiten von Schwarz. 9. Se4! Sxd5 g7-g5, um den durch Sxd6 nebst Lxf4 bedrohten f-Bauern zu stützen, kommt wegen der weiteren Schwächung des Königsflügels überhaupt nicht in Betracht. 10. c4 Se3 11. Lxe3 xe3 12. c5 Le7 13. Lc2! Ein Räumungszug für die Dame, die nach d3 soll und dann nach h7 schielt. Te8 Ebenfalls ein Räumungszug, und zwar für den Sd7, der auf f8 die schwarze Königsstellung gegen die weiße Läufer-Dame-Batterie verteidigen helfen soll. 14. Dd3 e2!? Dieser Versuch von Schwarz, Verwirrung zu stiften und die Dame von der Diagonalen b1-h7 abzulenken, gibt Spassky jetzt Gelegenheit zu einem der erstaunlichsten Züge der Schachgeschichte. 15. Sd6!! Weiß lässt den Tf1 mit Schach einstehen, um die Diagonale von Dame und Läufer freizulegen! Es droht Matt durch Dh7+ nebst Dh8, weswegen Schwarz den weißen Springer nicht mit dem Bauern schlagen kann. Sf8? Bronstein zögert, den Tf1 zu nehmen, und das ist sein Verderben! Vielleicht dachte er aber, mit dem Springerzug, der das Feld h7 deckt, das weiße Opferspiel sogar widerlegen zu können, denn nach dem Textzug sind bei Weiß sowohl der Tf1 wie auch der Sd6 bedroht. Aber wie sich zeigt, hat Weiß weiter gerechnet. Statt dem Textzug musste Schwarz 15... exf1+ 16. Txf1 Lxd6! spielen, was das Feld e7 für den schwarzen König frei macht. Nach 17. Dh7+ Kf8 18. cxd6 (droht wieder Matt durch Dh8) cxd6 19. Dh8+ Ke7 20. Te1+ Se5 21. Dxg7 gewinnt Weiß den Se5 für seinen geopferten Turm und behält dann starken Angriff für die Qualität. Engines beurteilen die entstandene Stellung als ausgeglichen, d.h. Schwarz hat adäquate Verteidigungschancen. 16. Sxf7!! Diesen Zug hatte Bronstein bei 15... Sf8? offenbar übersehen. Jetzt ist er verloren, obwohl schon wieder zwei weiße Figuren hängen. ef1=Q+ 17. Txf1 Schwarz hat jetzt einen Turm mehr, aber keine ausreichende Fortsetzung. Auf Kxf7? setzt Weiß matt durch 18. Sg5++ Kg8 19. Lb3+ Kh8 (Le6 bringt auch nichts, weil nach 20. Lxe6+ der Sf8 nicht auf e6 zurücknehmen darf) 20. Txf8+! mit Beseitigung der Deckung von h7 und nachfolgendem Matt. Noch schöner (wenn auch schwerer zu visualisieren) ist auf Kxf7 sogar 18. Se5++ Kg8 (auf Ke6 folgt Lb3 nebst Df5#) 19. Dh7+!! Sxh7 20. Lb3+ nebst Sg6#. Schwarz kann den frechen Sf7 also jedenfalls nicht schlagen; er kann ihn wegen der Bedrohung seiner Dame aber auch nicht ignorieren. Lf5 Relativ am besten scheint noch Dd5, aber nach 18. Lb3 müsste Schwarz wohl die Dame geben, um den Verlust hinauszuzögern. Er erhält dann zwar zunächst scheinbar genügend Material für die Dame, gerät aber auf Grund der Unkoordiniertheit seiner Figuren dennoch in eine verlorene Stellung. Nach 17... Dd7 käme natürlich 18. S3e5 oder ebenfalls Lb3. 18. Dxf5 Dd7 Aber auch so hat Schwarz nur für den Augenblick die weißen Drohungen abgewehrt. Die durchlöcherte schwarze Königsstellung (eine Folge des Zuges h7-h6) ist auf die Dauer nicht zu verteidigen; die Schwäche der weißen Felder (gerade jetzt, wo Schwarz nicht mehr im Besitz seines weißfeldrigen Läufers ist, Weiß dagegen schon) wiegt zu schwer. 19. Df4 Lf6 Versucht die f-Linie notdürftig zu verschließen, aber die weißen Drohungen sind einfach viel zu stark. 20. S3e5 De7 21. Lb3 Aus dieser tödlichen Diagonalen kann Schwarz jetzt mit seinem König nicht mehr ausweichen (Kh7 22. Df5+ g6 23. Dxf6), er kann sie aber auch nicht durch Se6 verstopfen, denn darauf käme 22. Sxh6+ gxh6 (sonst Sg6+ mit Damengewinn) 23. Dxf6, und nach dem Damentausch würde der Se6 fallen, während es ohne Damentausch durch Dg6+ erst recht schnell zu Ende geht. Lxe5 22. Sxe5+ Kh7 Auf Kh8 wäre De4 mit der Drohung Txf8+ nebst Sg6+ erfolgt. Nach dem Textzug entscheidet das gleiche Motiv, aber noch schneller. 23. De4+ Und schon ist alles aus, z.B. 23... g6 24. Tf7+; oder 23... Kh8 24. Txf8+ nebst 25. Sg6+. Eine Partie, die man wohl nicht mehr so leicht vergisst.