Kommentierte Spiele
Große Partien ... (XXXIII): Maróczy-Euwe 1923
Vabanque - 29. Jun '14
Wenn von den stärksten Spielern, die nie Weltmeister wurden, die Rede ist, dann muss auch der Ungar Géza Maróczy (1870-1951) Erwähnung finden. Um die Jahrhundertwende erreichte er derart herausragende Turniererfolge, dass 1905 ein WM-Match mit dem damals amtiertenden Weltmeister Lasker angesetzt wurde, das jedoch - genau wie das entsprechende geplante Match mit Rubinstein - aus verschiedenen Gründen nicht zu Stande kam. 1911 zog sich Maróczy vom Turnierschach zurück und widmete sich wieder seinem Beruf als Ingenieur. 1920 kehrte er dann auf die Turnierbühne zurück und erreichte trotz dieser langen Pause wieder ganz vordere Plätze in hochklassig besetzten Turnieren, darunter einen geteilten ersten Platz (zusammen mit Aljechin und Bogoljubov) im Karlsbader Turnier von 1923.
Maróczy war und ist als Spieler wohl hauptsächlich deswegen nicht so populär, weil er einen sehr defensiven Stil pflegte. Aber gerade durch seine ausgezeichnete Verteidigungstechnik erzielte er gegen ausgesprochene Angriffsspieler meist gute Resultate.
Maróczy war auch ein herausragender Endspieler, aber gelegentlich konnte er auch eine flotte Angriffspartie spielen, so wie die folgende, die eine seiner bekanntesten ist, und die seinerzeit einen Schönheitspreis erhielt.































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Maróczy war und ist als Spieler wohl hauptsächlich deswegen nicht so populär, weil er einen sehr defensiven Stil pflegte. Aber gerade durch seine ausgezeichnete Verteidigungstechnik erzielte er gegen ausgesprochene Angriffsspieler meist gute Resultate.
Maróczy war auch ein herausragender Endspieler, aber gelegentlich konnte er auch eine flotte Angriffspartie spielen, so wie die folgende, die eine seiner bekanntesten ist, und die seinerzeit einen Schönheitspreis erhielt.
Geza Maroczy Max Euwe Scheveningen | Scheveningen | 02 | 1923 | B83 | 1- 0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 c5 2. Sf3 Sc6 3. d4 xd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 d6 6. Le2 e6 7. O-O Le7 Diese 'Scheveninger Variante' wurde damals von holländischen Meistern viel erprobt. Nach dem Fiasko der hier gezeigten Partie meinten einige Kritiker, die Variante sei dadurch widerlegt. Das hat sich nicht bewahrheitet; das Scheveninger System wurde noch viele Jahrzehnte später von Großmeistern gerne angewandt. 8. Kh1 Ein damals von Maróczy eingeführter Zug, der etwaige Überraschungen (Zwischenschachs oder Fesselungen) auf der Diagonalen a7-g1 von vornherein ausschließen soll. O-O 9. f4 Dc7 10. Sb3 a6 11. a4 b6 12. Lf3 Lb7 13. Le3 Sb4 Schwarz spielt konsequent auf den zentralen Gegenstoß d6-d5. 14. De2 d5 Wenn Weiß nun auf d5 tauschen müsste, hätte Schwarz sogar das bessere Spiel. Aber Weiß kann das Zentrum mit e4-e5 abschließen und hat dann freie Hand für einen Angriff am Königsflügel, zu dessen Abwehr die schwarzen Figuren nicht günstig stehen. Zudem kann Weiß seine Vorbereitungen für diesen Angriff mit einer Bedrohung des schwachen Bauern b6 verbinden. 15. e5 Se4?! Euwe will aktiv spielen. Ratsamer war aber trotzdem Sd7 mit präventiver Deckung von b6. 16. Lxe4! Weiß erkennt, dass sein Königsläufer für den Angriff nicht benötigt werden wird. Die weißen Felder werden in der Partie so gut wie keine Rolle spielen, der ganze Angriff wird auf den dunklen Feldern abrollen. xe4 17. Df2 b5 Den Bauern mit Ld8 zu verteidigen, sähe nun wirklich äußerst passiv aus. So deckt ihn Schwarz indirekt (nach zweimaligem Schlagen auf b5 hinge der weiße Bauer c2) und versucht gleichzeitig, sich Gegenchancen zu verschaffen. 18. xb5 xb5 19. Sd4 Jetzt hängt b5 tatsächlich. Lc6 Schwarz kann die indirekte Deckung gerade noch aufrecht erhalten. Aber auch diese Läuferstellung ist sehr passiv. Schwarz sollte mit 19... Txa1 20. Txa1 Ta8 den Bauern b5 tatsächlich opfern, denn nach 21. Txa8 Lxa8 22. Sdxb5 Da5! bekäme er Gegenchancen. 20. Dg3 Nun ist die weiße Stellung urplötzlich bedrohlich geworden. Käme Weiß jetzt noch zu f5, so würden f6 sowie auch Lh6 drohen. Txa1 21. Txa1 Tb8?! Schwarz räumt das Feld f8 für seinen Läufer, zum Zweck der Verteidigung von g7. Aber der Textzug verliert, wie die Folge zeigt. Die Frage ist, ob es hier überhaupt noch eine ausreichende Verteidigung für Schwarz gab. Ein Versuch wäre 21... Dd7, um nach 22. f5 exf5 23. Lh6 mit g6 die Qualität zu geben und den Angriff abzuschlagen. Ein anderer Versuch bestünde in dem Bauernopfer 21... Sd5, um nach 22. Sxe4 wenigstens den Le3 zu tauschen. Weiß antwortet aber wahrscheinlich stärker 22. Lg1. Ebenfalls besser als der Textzug war aber jedenfalls 21... Ta8. Der Turm steht nämlich auf b8 besonders unglücklich, wie sich gleich zeigt. 22. f5 xf5 Es drohte sowohl f6 wie auch fxe6. 23. Sxf5 Lf8 24. Lf4 Jetzt sieht man, was an der Turmstellung auf b8 so schlecht ist. Noch stärker als Lf4 war allerdings Ta7. Ta8 Klarer kann das Eingeständnis eines Tempoverlusts kaum noch sein. 25. Tc1! Sehr hübsch; der Turm schränkt sich selber absichtlich völlig ein! Natürlich geht es nicht um die Deckung des Bauern c2, sondern darum, Schwarz keine Möglichkeit zu einem Gegenangriff zu geben, die nämlich bei anderen Turmzügen bestünde. Nicht ganz so entscheidend wäre 25. Txa8 Lxa8 26. e6 wegen Dc4! mit Mattdrohung auf f1. Und 25. Tf1 wäre ebenfalls schwächer als Tc1 wegen Sd5! 26. Sxd5 Lxd5 27. e6 Dc4. - Nach dem Textzug droht Weiß aber einfach e5-e6-e7, wonach Schwarz wegen der Bedrohung von g7 nicht auf e7 nehmen dürfte. Aber Schwarz kann mit der Dame auch nicht gut ausweichen, denn tut er es mit einem Damenzug auf die 7. Reihe, z.B. Dd7, so entscheidet das Springeropfer auf g7 nebst Lh6. Weicht die schwarze Dame aber nach c8 aus, um die erwähnte Opferwendung durch anschließendes Df8 widerlegen zu können, so ist der Bauer f7 ungedeckt und Weiß kann Sh6+ nebst Sxf7+ und Sd6 spielen. g6 So will sich Schwarz seiner Schwäche g7 entledigen, kommt damit aber vom Regen in die Traufe. 26. e6 Db7 27. e7! Trotzdem! Nimmt Schwarz jetzt auf e7, hängt zwar nicht mehr g7 mit Matt, aber Weiß tauscht 28. Sxe7 Dxe7 und spießt anschließend mit 29. Ld6 die De7 und den Sb4 auf, so dass letzterer verloren geht. Lg7 Das bittere Eingeständnis. Nach dem Tausch dieses Läufers geht Schwarz schnell an der tödlichen Schwäche der dunklen Felder rund um seinen König zu Grunde. Außerdem hätte der Bauer e7 niemals lebendig die 7. Reihe erreichen dürfen! 28. Sxg7 Kxg7 29. Dh4 Deckt e7 und droht Le5+ nebst Dh6 bzw. umgekehrt, immer letztlich mit Matt auf g7. f6 Dieser notdürftig zusammengenagelte Zaun schließt nur eine allzu kleine Lücke. 30. Dh6+ Kg8 Nach Kh8 31. Df8+ erkennt man die Stärke des Freibauern, während 30... Kf7 31. Dxh7+ ebenfalls indiskutabel ist. 31. Ld6! Ein multifunktionaler Schlusszug: Deckt e7, droht Df8+ nebst Matt und bedroht den Sb4, so dass mindestens eine Figur verloren geht. Schwarz gab auf. Der Verteidigungskünstler Maróczy hat den Angriff sehr hübsch geführt.
Kellerdrache - 30. Jun '14
Ich bin immer wieder überrascht wie schnell eine Partie den Bach runter gehen kann. Ein zu optimistischer Zug und schon stehst du in der Ringecke und kämpfst darum nicht ausgeknockt zu werden.
Die Schwäche des b6 schenkt Weiß das Tempo was er braucht um seinen Angriff aufzubauen. Ab da hat Schwarz nur noch Schwierigkeiten.
Sehr hübsch! Klasse kommentiert und sehr einleuchtende Partie !!
Die Schwäche des b6 schenkt Weiß das Tempo was er braucht um seinen Angriff aufzubauen. Ab da hat Schwarz nur noch Schwierigkeiten.
Sehr hübsch! Klasse kommentiert und sehr einleuchtende Partie !!
CALIDA - 30. Jun '14
wieder eine tolle Partie, welche heute noch von Bestand ist und zur Anwendung gelangt.
Danke
Danke
Vabanque - 30. Jun '14
Das ist natürlich vor allem auf diesem hohen Niveau, auf dem sich die beiden Akteure befinden, so, dass da schon ein einziger plausibler, aber zweifelhafter Zug genügt, um auf die Verliererstraße zu gelangen.
Eigentlich passt die Partie auch gut zu der von patzer0815 angesprochenen Zwei-Schwächen-Theorie; die eine Schwäche ist, wie von dir erwähnt, b6; die andere ist die schwarze Königsstellung, weil Schwarz dort zu wenig Figuren zur Abwehr geparkt hat.
Lustig finde ich übrigens auch die Schlussstellung, wo sich tatsächlich alle weißen Figuren (und der Bauer e7) auf schwarzen Feldern befinden; das unterstreicht noch einmal die Schwarzfeldrigkeit der weißen Strategie.
Eigentlich passt die Partie auch gut zu der von patzer0815 angesprochenen Zwei-Schwächen-Theorie; die eine Schwäche ist, wie von dir erwähnt, b6; die andere ist die schwarze Königsstellung, weil Schwarz dort zu wenig Figuren zur Abwehr geparkt hat.
Lustig finde ich übrigens auch die Schlussstellung, wo sich tatsächlich alle weißen Figuren (und der Bauer e7) auf schwarzen Feldern befinden; das unterstreicht noch einmal die Schwarzfeldrigkeit der weißen Strategie.